OGH 1Ob46/95

OGH1Ob46/9522.11.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Josef M*****, und 2. Marianne M*****, beide *****, vertreten durch Dipl.Ing.Dr.Peter Benda, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Johann P*****, vertreten durch Dr.Wilfrid Stenitzer, Rechtsanwalt in Leibnitz, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 17 Cg 237/88, 78/89 des Landesgerichtes für ZRS Graz (Streitwert S 85.820), infolge Rekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 4. Mai 1995, GZ 4 R 22/95-41, womit aus Anlaß der Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 31. Jänner 1995, GZ 17 Cg 399/93-36, aufgehoben und die Wiederaufnahmsklage vom 26.November 1991 zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 6.695,04 (darin enthalten S 1.115,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung zu bezahlen.

Text

Begründung

Im Verfahren 17 Cg 237/88, 78/89 des Landesgerichtes für ZRS Graz wurde mit Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 26.6.1991, 1 Ob 17, 18/91, ua festgestellt, daß der Beklagte Eigentümer jenes Teils des Grundstücks 169/1 Grundbuch G***** sei, der zwischen dem Weg 684/3 laut Mappe und dem Zufahrtsweg zum Anwesen K***** in der Natur liege, so wie diese Fläche in der Katasterkopie des Dipl.Ing.Dieter I***** vom 4.6.1987 mit violetter Farbe eingezeichnet sei.

Mit ihrer am 26.11.1991 überreichten Wiederaufnahmsklage begehrten die Kläger die Aufhebung des zuvor beschriebenen Teils der höchstgerichtlichen Entscheidung und - im erneuerten Verfahren - die Abweisung des Feststellungsbegehrens. Sie stützten sich auf den Wiederaufnahmsgrund nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO und brachten hiezu vor, es sei ihnen vom Vermessungsbüro Dipl.Ing.L***** "zur Kenntnis gebracht worden", daß der im Urteilsspruch angeführte "Weg laut Mappe" (in der Folge als Katasterweg bezeichnet) in der Natur nicht feststellbar sei und auch nie habe existieren könne, weil sich in dessen Bereich Hügelgräber aus der Hallstattzeit befänden. Demnach seien die Kläger Eigentümer der in der eingangs erwähnten Katasterkopie violett eingezeichneten Fläche, weil diese Teil eines ihnen gehörigen Grundstücks sei. In diesem Zusammenhang beantragten sie im Zuge des Verfahrens weiters die Auswertung von Luftbildern aus den Jahren 1953 bis 1990. Im Vorprozeß habe der Zeuge Dr.Günther O***** entgegen den Aufzeichnungen im Verhandlungsprotokoll nicht ausgesagt, daß ihm die Parteien über eine "Verlegung" des strittigen Wegs berichtet hätten. Die unrichtige Protokollierung sei den Klägern "im nachhinein" zur Kenntnis gelangt. Es sei ihnen daher im Vorprozeß nicht möglich gewesen, das Protokoll zu rügen. Daneben erstatteten die Kläger noch Vorbringen zum Gegenstand des Vorprozesses bzw eines allfälligen Erneuerungsverfahrens.

Der Beklagte wendete ein, daß den Klägern die örtlichen Verhältnisse bereits im Zuge des Vorprozesses bekannt gewesen seien und eine - gegebenenfalls - unrichtige Protokollierung der Aussage Dris.O***** bereits damals hätte gerügt werden müssen.

Das Erstgericht verhandelte über die Wiederaufnahmsklage und wies das Klagebegehren mit Urteil ab. Das Privatgutachten des Dipl.Ing.L***** hätte schon im Vorprozeß zur angestrebten Aufnahme des Sachverständigenbeweises führen können. Die Auswertung der Luftbilder habe keine Tatsachen zutage gefördert, die eine für den Beklagten günstigere Entscheidung herbeiführen würden. Der Beweis, daß die Aussage Dris.O***** unrichtig protokolliert worden sei, sei den Klägern nicht gelungen.

Das Gericht zweiter Instanz hob das Urteil des Erstgerichtes aus Anlaß der Berufung der Kläger mit der angefochtenen Entscheidung auf und wies die Wiederaufnahmsklage als zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung ungeeignet zurück. Die Klage wäre schon von vornherein gemäß § 538 ZPO zurückzuweisen gewesen, weil die Kläger gar nicht behauptet hätten, daß sie die Neuerungen im Vorprozeß ohne Verschulden nicht geltend gemacht hätten.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung erhobene Rekurs der Kläger ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ungeachtet der in den §§ 502 und 528 ZPO verfügten Beschränkungen zulässig (1 Ob 512/92 mwN), aber nicht berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit und die gerügte Aktenwidrigkeit liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 iVm § 528 a ZPO).

Auch die von den Rekurswerbern behauptete Nichtigkeit gemäß § 477 Abs 1 Z 9 ZPO ist nicht gegeben. Die Fassung des Beschlusses ist keinesfalls dermaßen mangelhaft, daß dessen Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden könnte. Es ist ganz eindeutig erkennbar, daß es sich bei der Zahlenangabe "Weg 634/3" um einen Diktat- bzw Schreibfehler handelt, zumal in der Entscheidung des Berufungsgerichtes in diesem Zusammenhang lediglich der Inhalt des Urteils des Obersten Gerichtshofs wiedergegeben wurde, in welchem eindeutig - ebenso wie im Ersturteil - der Weg die Bezeichnung 684/3 hat. Entgegen der Ansicht der Rechtsmittelwerber ist die Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz, die Kläger treffe ein Verschulden an der verspäteten Geltendmachung der Neuerungen, sowohl nachvollziehbar wie auch begründet (s. S 7 ff der Entscheidung des Rekursgerichtes).

Gemäß § 538 Abs 1 ZPO hat das über die Wiederaufnahmsklage entscheidende Gericht vor Anberaumung einer Tagsatzung zu prüfen, ob die Klage auf einen der gesetzlichen Anfechtungsgründe gestützt und in der gesetzlichen Frist erhoben worden ist. Im Falle des Wiederaufnahmsgrundes nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO trägt der Kläger die Behauptungs- und Beweislast dafür, daß ihn kein Verschulden daran trifft, die nun geltend gemachten Tatsachen oder Beweise nicht schon im Vorprozeß vorgebracht zu haben. Kommt er dieser Behauptungspflicht nicht nach, fehlen also in der Klage Angaben in diesem Sinn oder ergibt sich gar aus dem eigenen Vorbringen des Klägers dessen Verschulden im Sinn des § 530 Abs 2 ZPO, dann ist die Klage schon im Vorprüfungsverfahren zurückzuweisen (2 Ob 537, 538/95; 5 Ob 514/95; ÖA 1995, 132; 6 Ob 558/94; JBl 1993, 126; 1 Ob 512/92; 6 Ob 593/92; 1 Ob 710, 711/88; 6 Ob 860/82; EvBl 1973/163 uva; Kodek in Rechberger, ZPO, Rz 1 zu § 538; Fasching, LB2, Rz 2067). Die Wiederaufnahmsklage ist nicht dazu bestimmt, von den Parteien begangene Fehler ihrer Prozeßführung zu beheben (6 Ob 558/94; 6 Ob 593/92; SZ 59/14). Sie ist auch dann mit Beschluß zurückzuweisen, wenn erst in der mündlichen Verhandlung hervorkommt, daß sie schon im Vorprüfungsverfahren zurückzuweisen gewesen wäre (§ 543 ZPO; 2 Ob 537, 538/95; JBl 1957, 270; Kodek aaO Rz 1 zu § 543). Im vorliegenden Fall trifft die Kläger ein Verschulden daran, daß sie die als Wiederaufnahmsgründe ins Treffen geführten Umstände nicht bereits im Vorprozeß geltend gemacht haben:

Die Kläger stützten ihr Klagebegehren auf drei Neuerungen, nämlich auf zwei neue Beweismittel (Privatgutachten des Dipl.Ing.L***** und Auswertung von Luftbildern) und auf die angeblich neu hervorgekommene Tatsache der unrichtigen Protokollierung der Aussage des Zeugen Dr.O*****. Entgegen der Ansicht der Kläger war der Katasterweg Prozeßgegenstand, was sich nicht zuletzt aus ihren eigenen Ausführungen ergibt, dieser Weg habe aufgrund der Aussage des Zeugen Dr.O***** Bedeutung erlangte (S 3 des Rekurses = AS 309). Bereits im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens lag die Katasterkopie des Dipl.Ing.Dieter I***** vom 4.6.1987 vor, war auf dieser der Katasterweg eingezeichnet, und ging es um Grundstücksgrenzen, bei welchen der Weg 684/3 laut Mappe eine bedeutsame Rolle spielte. Die Kläger haben auch behauptet, der Plan stimme mit der Natur nicht überein und es gebe nur einen Weg. Es ging also um die Beurteilung der tatsächlichen Gegebenheiten an der strittigen Grundstücksgrenze, sodaß auch der Katasterweg dafür von Bedeutung war. Wie schon das Berufungsgericht ausführte, wäre es den Klägern ohne weiteres möglich gewesen, schon im Vorprozeß die Beiziehung eines Sachverständigen für das Vermessungswesen zu beantragen, der den Katasterweg in der Natur hätte einmessen und die Luftbilder hätte auswerten können. Ganz abgesehen davon haben sie aber im erstinstanzlichen Verfahren nie behauptet, daß sie ohne ihr Verschulden an der Geltendmachung der neuen Beweismittel verhindert gewesen wären. Dies allein rechtfertigt - wie schon ausgeführt - die Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage. Eine Wiederaufnahmsklage kann auch nicht darauf gestützt werden, daß ein anderer Sachverständiger (Dipl.Ing.L*****) später ein (von der Katasterkopie des Dipl.Ing.I*****) abweichendes Gutachten erstattet habe. In einem solchen Fall hätten die Kläger den Nachweis erbringen müssen, daß das nunmehr erstattete Gutachten auf einer neuen wissenschaftlichen Methode basierte, die im Zeitpunkt der Begutachtung im Hauptverfahren noch unbekannt gewesen sei (SSV-NF 7/115; 8 Ob 124/82; vgl SZ 61/184). Hätten die Kläger die Vernehmung des Dipl.Ing.L***** im Hauptprozeß als Sachverständigen bzw sachverständigen Zeugen beantragen können, haben sie sich aber auf diesen nicht gestützt, können sie hieraus keinen Wiederaufnahmsgrund ableiten (JBl 1971, 144). Daß Dipl.Ing.L***** bei der Vermessung eine andere Technik angewendet hätte, behaupten die Rekurswerber erstmals im Rekurs (S 11 des Rekurses = AS 317), wozu noch kommt, daß von einer anderen Technik nicht schon deswegen gesprochen werden kann, nur weil Lichtbilder und Hügelgräber mitvermessen wurden.

Schließlich ist auch die Ansicht des Berufungsgerichtes zu billigen, daß die Kläger eine Behauptung dahin hätten aufstellen müssen, warum im vorliegenden Fall die Nichtbeachtung der Protokollierung der Aussage des Zeugen Dr.O***** ein "schuldloses Verhalten der Kläger bzw deren Vertreters" darstellen sollte. Die Wiederaufnahmsklage ermangelt demnach eines Vorbringens, daß die Kläger ohne ihr Verschulden nicht imstande gewesen wären, die nunmehr vorgebrachten Neuerungen im Vorprozeß erfahren und vorbringen zu können.

Damit erweist sich der Rekurs aber als nicht berechtigt.

Die Entscheidung über die Kosten der Rekursbeantwortung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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