OGH 9ObA128/08a

OGH9ObA128/08a29.10.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter OLWR Dr. Peter Hübner und Dr. Gerda Höhrhan-Weiguni als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Anton A*****, vertreten durch Dr. Bertram Grass und Mag. Christoph Dorner, Rechtsanwälte in Bregenz, gegen die beklagte Partei Stadt H*****, vertreten durch die Pitschmann & Santner Anwaltspartnerschaft in Feldkirch, wegen Anfechtung einer Entlassung und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei und die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. Juli 2008, GZ 15 Ra 57/08g-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 30. Jänner 2008, GZ 33 Cga 159/07z-12, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen der klagenden Partei und der beklagten Partei werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Zur außerordentlichen Revision der Beklagten:

Auch für die Beendigung des Dienstverhältnisses eines dem Vorarlberger Gemeindebedienstetengesetz 1988 (Vbg GBedG 1988), LGBl 1988/49, unterliegenden Gemeindeangestellten durch den Dienstgeber gilt der arbeitsrechtliche Unverzüglichkeitsgrundsatz (vgl 8 ObA 24/08z ua). Die Entlassung ist somit vom Dienstgeber unverzüglich, dh ohne schuldhaftes Zögern nach Bekanntwerden des Entlassungsgrunds auszusprechen (RIS-Justiz RS0031799 ua). Dies ist zwischen den Parteien auch nicht weiter strittig. Ob der Dienstgeber die Entlassung rechtzeitig oder verspätet vornahm, lässt sich nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls beurteilen. Dieser Frage kommt - vom Fall krasser Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts abgesehen, der hier aber nicht vorliegt - keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zu (9 ObA 32/07g; RIS-Justiz RS0031571 ua). Richtig ist, dass bei der Beurteilung der Rechtzeitigkeit einer Entlassung durch juristische Personen im Allgemeinen darauf Bedacht zu nehmen ist, dass die Willensbildung bei Organisationen in der Regel umständlicher ist als bei physischen Personen. Dadurch bedingte Verzögerungen sind daher zu berücksichtigen (8 ObA 24/08z; RIS-Justiz RS0029328 ua). Dem Umstand, dass der beklagte Dienstgeber eine juristische Person ist, kommt jedoch im vorliegenden Fall bei der Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Entlassung keine besondere Bedeutung zu. Die bei Organisationen gegenüber physischen Personen typischerweise komplexeren Entscheidungsabläufe spielten hier nämlich keine relevante Rolle, weil der Bürgermeister einer Gemeinde bei der Entlassung von Gemeindeangestellten, die dem Vbg GBedG 1988 unterliegen, gemäß § 142 Abs 1 leg cit idF Vbg LGBl 20/2005 Dienstbehörde und zuständiges Organ zur Vertretung der Gemeinde als Dienstbehörde ist. Auch dieser Umstand ist im Revisionsverfahren nicht weiter strittig. Dass der für die Entlassung des Klägers zuständige Bürgermeister der Beklagten - in Abweichung von der vorgenannten Kompetenzlage - der unzutreffenden Auffassung war, die Entlassung könne nicht durch ihn, sondern nur durch den erst von ihm einzuberufenden Gemeindevorstand erfolgen, geht zu Lasten der Beklagten. Daran ändert auch die Annahme eines „gemeinsamen" Rechtsirrtums in der außerordentlichen Revision der Beklagten nichts. Überlegungen der Beklagten zum Neuerungsverbot bezüglich der inhaltlich unstrittigen Zuständigkeitsfrage verkennen, dass der unmittelbar aus dem Gesetz folgende Zuständigkeitsaspekt dann nicht vernachlässigt werden darf, wenn - ohnedies nur zugunsten der Beklagten - der komplexe Entscheidungsablauf bei juristischen Personen berücksichtigt werden soll. Lässt man Letzteren dahingestellt, dann kann - für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Entlassung - auch die Unzuständigkeit des Gemeindevorstands auf sich beruhen. Es bleibt dann aber dennoch bei der ab der Kenntnis des Entlassungsgrunds verstrichenen Zeit, für die eine Erklärung des Zuwartens mit dem Ausspruch der Entlassung, sollte der Beklagten eine Weiterbeschäftigung des Klägers unzumutbar gewesen sein, fehlt. Da der Kläger den Entlassungssachverhalt unmittelbar gegenüber dem Bürgermeister der Beklagten gestanden hatte, berief sich die Beklagte im Prozess auch nicht darauf, dass sich der Ausspruch der Entlassung deshalb verzögert habe, weil der Sachverhalt erst geklärt werden musste (vgl RIS-Justiz RS0029348 ua). Nach der Lage des Falls ist daher die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die (frühestens) eine Woche nach der Kenntnis des Entlassungsgrunds ausgesprochene Entlassung des Klägers jedenfalls verspätet erfolgt sei, vertretbar. Auf die weiteren, bereits zuvor angestellten Überlegungen des Berufungsgerichts, wonach es hier allenfalls überhaupt am Ausspruch einer Entlassung durch den Bürgermeister mangle, weil im Entlassungsschreiben lediglich die Beschlussfassung des nicht zuständigen Gemeindevorstands referiert worden sei, braucht hier nicht eingegangen zu werden, weil sich der Kläger darauf in erster Instanz nicht berufen hat. Damit erübrigt sich auch ein Eingehen auf die Ausführungen der Beklagten zum Neuerungsverbot in diesem Punkt.

Zur außerordentlichen Revision des Klägers:

Die Frage, ob das ausdrücklich zwei Punkte umfassende Begehren des Klägers (1. Aufhebung der Entlassung, 2. Feststellung des Bestehens des Dienstverhältnisses) dem erstinstanzlichen Standpunkt des Klägers folgend zwei selbständige Begehren oder - wie der Kläger in der außerordentlichen Revision meint - nur ein „einheitliches" Begehren darstellt, hängt von der Auslegung des Prozessvorbringens ab, der keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0042828 ua). Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist (§ 405 ZPO). Es darf jedoch dem Urteilsspruch eine klare und deutlichere, vom Begehren abweichende Fassung geben, wenn sich das Wesen des Begehrens aus dem übrigen Klagevorbringen ergibt (Rechberger in Rechberger ZPO³ § 405 Rz 2 mwN ua). Die Beurteilung der Grenzen einer amtswegigen Verdeutlichung des Klagebegehrens durch das Gericht betrifft nur den jeweiligen Einzelfall und begründet daher keine darüber hinausgehende erhebliche Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0041192 ua). Aus dem Argument, „in Wirklichkeit" habe er (neben dem Feststellungsbegehren) kein Rechtsgestaltungsbegehren, sondern die Feststellung der Unwirksamkeit der Entlassung begehrt, ergibt sich keine Verbesserung des Standpunkts des Klägers. Dabei wird nämlich übersehen, dass die Unwirksamkeit von Rechtshandlungen nach ständiger Rechtsprechung nicht feststellungsfähig ist (RIS-Justiz RS0039036 ua). Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO waren die beiden außerordentlichen Revisionen der Parteien zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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