OGH 4Ob158/08a

OGH4Ob158/08a14.10.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin Dr. Schenk sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Johannes Hintermayr und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 50.000 EUR), infolge ordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 2. Juli 2008, GZ 6 R 110/08f-14, womit der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 25. April 2008, GZ 10 Cg 1/08w-7, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.996,38 EUR (darin 332,73 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Beide Parteien sind im Sportartikeleinzelhandel tätig. Am 16. 1. 2008 bewarb die Beklagte in einer Postsendung an Kunden, die Inhaber einer Kundenkarte der Beklagten sind und innerhalb der letzten 18 Monate bei ihr eingekauft haben („Stammkunden"), eine Verkaufsaktion auszugsweise mit folgendem Wortlaut:

„Exklusiv nur für Stammkunden! Nur von FR, 18. - SA, 19. Jänner 2008. Nimm 3, zahl 2! Beim Kauf von drei Produkten aus dem gesamten lagernden Sortiment erhalten Sie das günstigste Produkt GRATIS! Gilt nicht auf Dienstleistungen, Versicherungen und Gutscheine. [...] Nicht mit anderen Rabattaktionen kombinierbar. Einzulösen bei W***** in Gleisdorf, Feldbach, Wolfsberg, Fürstenfeld, Hartberg, Weiz und Deutschlandsberg".

Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragte die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für den Bezug der von der Beklagten angebotenen Artikel Verbrauchern in für einen größeren Personenkreis bestimmten Mitteilungen materielle Vorteile anzukündigen und/oder anzubieten und/oder zu gewähren, wie etwa durch die Ankündigung „Nimm 3, zahl 2! Beim Kauf von drei Produkten aus dem gesamten lagernden Sortiment erhalten Sie das günstigste Produkt GRATIS", oder sinnähnliche Ankündigungen, soweit die materiellen Vorteile nicht bloß von geringem Wert oder sonst zulässige Zugaben sind. Die Beklagte verstoße gegen das Zugabenverbot, weil es sich beim Gratisartikel nicht um dieselbe Ware iSd § 9a Abs 2 Z 6 UWG und damit um keinen zulässigen Naturalrabatt handle. Entgegen dem Transparenzgebot könne ein Kunde den sich unter Berücksichtigung der Zugabe ergebenden Preis der erworbenen drei Artikel nicht berechnen, weil eine bloße Division des Gesamtpreises nicht möglich sei.

Die Beklagte wendete ein, die beanstandete Aktion habe nur an zwei Tagen gegolten; eine Wiederholung sei nicht geplant. Der angebotene Vorteil sei keine verbotene Zugabe, sondern ein Koppelungsangebot, das weder der Verschleierung von Zugaben diene, noch die Kaufentscheidung unsachlich beeinflusse, und daher erlaubt sei. Da die Waren einzeln ausgepreist seien, könne jeder verständige Durchschnittsverbraucher den Wert der gekauften Waren ohne Rechenoperation ermitteln. Auch stehe es den Kunden frei, ein beliebiges Warenpaket aus dem gesamten Sortiment zusammenzustellen; die Gefahr einer Steuerung des Kaufverhaltens auf bestimmte Waren und damit einer unsachlichen Beeinflussung der Kaufentscheidung bestehe nicht. Das für die Zulässigkeit von Naturalrabatten ins Treffen geführte Argument, wonach eine Mehrabnahme derselben Ware nicht geeignet sei, den Preis zu verschleiern und den Kaufentschluss des Kunden unsachlich zu beeinflussen, müsse auch für die beanstandete Werbeaktion gelten, weil das Angebot, beim Kauf eines höherwertigeren Produkts ein geringerwertiges Produkt als Zugabe zu erhalten, den Kaufentschluss für den Erwerb der Hauptware noch viel weniger unsachlich beeinflussen könne als ein Naturalrabatt in Form einer bestimmten oder nach Bruchteilen zu berechnenden Menge derselben Ware.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Die beanstandete Ankündigung bewerbe mehrere gleichrangige Waren, die nach der Verkehrsanschauung nicht im Verhältnis von Hauptware und Zugabe stünden. Damit sei schon der Grundtatbestand des § 9a UWG nicht erfüllt. Es liege ein zulässiges Koppelungsangebot vor, das die Preise nicht verschleiere, weil ein Durchschnittsverbraucher durch einfachste Rechenoperation ermitteln könne, zu welchem Preis er das aus drei einzeln ausgepreisten Waren bestehende Gesamtpaket erwerbe. Trotz des zweifellos gegebenen Kaufanreizes werde der Verbraucher durch die kostenlose Abgabe einer von drei Waren nicht aus sachfremden Überlegungen zum Erwerb der beiden anderen Waren verleitet; mangels starker Anlockwirkung handle es sich auch nicht um ein sittenwidriges Vorspannangebot.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt und aufgrund einer gegenteiligen Stellungnahme im deutschen Schrifttum zulässig sei. Beim beanstandeten Angebot würden drei gleichrangige Waren zum Preis der beiden teureren Waren abgegeben; damit liege entgegen einer deutschen Lehrmeinung, dass die Ankündigung, beim Kauf einer bestimmten Anzahl beliebiger Waren werde der billigste Artikel kostenlos abgegeben, wobei der Käufer das Leistungsbestimmungsrecht habe, eine Zugabe betreffe (Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG26 § 4 Rz 1.92), kein zugabenrechtlicher Tatbestand vor. Es handle sich auch um keinen Fall einer unzulässigen Preisverschleierung oder eines sittenwidrigen Vorspannangebots.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zur Fortentwicklung der Rechtsprechung zum Zugabenverbot des § 9a Abs 1 UWG sowie des Koppelungsangebots im Licht der UWG-Novelle 2007 zulässig; das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

Die Klägerin macht geltend, die Ankündigung verstoße gegen das Zugabenverbot des § 9a Abs 1 UWG, weil es sich um kein zulässiges Koppelungsangebot handle; es werde nämlich die Zugabeneigenschaft verschleiert und das dritte Produkt unentgeltlich abgegeben. Es greife auch keine Ausnahme vom Verbot nach § 9a Abs 2 UWG.

1.1. Zugabe ist nach ständiger Rechtsprechung ein zusätzlicher Vorteil, der neben der Hauptware (Hauptleistung) ohne besondere Berechnung angekündigt, angeboten oder gewährt wird, um den Absatz der Hauptware oder die Verwertung der Hauptleistung zu fördern. Er muss objektiv geeignet sein, den Kunden in seinem Entschluss zum Erwerb der Hauptware (Hauptleistung) zu beeinflussen, also Werbe- oder Lockmittel sein (RIS-Justiz RS0081417).

1.2. Eine Zugabe setzt demnach voraus, dass (mindestens) zwei Waren oder Leistungen angeboten werden, die zueinander im Verhältnis Hauptware/Hauptleistung zu Nebenware/Nebenleistung stehen, wobei die Nebenware/Nebenleistung (verschleiert) unentgeltlich oder zu einem Scheinpreis angekündigt sein muss.

1.3. Ob eine Werbeankündigung als Angebot einer Wareneinheit, mehrerer Hauptwaren oder einer Haupt- und einer Nebenware aufzufassen ist, richtet sich nach der Verkehrsanschauung. Entscheidend ist der Eindruck, den der angesprochene Durchschnittsinteressent davon gewinnt (stRsp RIS-Justiz RS0078697).

1.4. Bei der beanstandeten Aktion der Beklagten wird eine Warenkombination bestehend aus drei vom Käufer aus dem Gesamtsortiment des Verkäufers frei zu wählenden Waren beworben, von denen die billigste gratis abgegeben wird. Danach betrifft die Ankündigung keine Zugabe, weil die beworbenen Waren nicht im Verhältnis von (hier: zwei) entgeltlichen Hauptwaren zu einer kostenlosen Nebenware stehen, hat es doch allein der Käufer in der Hand, nach welchen Gesichtspunkten er die zu erwerbenden Waren zusammenstellt.

1.5. Nach der Rechtsprechung findet das Zugabenverbot - das durch die UWG-Novelle 2007 nicht berührt wurde (4 Ob 108/08y) - auch auf Umgehungstatbestände Anwendung (4 Ob 168/03i). So liegt ein Verstoß gegen § 9a Abs 1 UWG auch dann vor, wenn die Unentgeltlichkeit der Zugabe durch Gesamtpreise für Waren oder Leistungen, durch Scheinpreise für eine Zugabe oder auf andere Art verschleiert wird (RIS-Justiz RS0084667 [T5]; 4 Ob 168/03i = MR 2004, 45 - Autobahnvignette VIII; siehe auch RIS-Justiz RS0079203, RS0084694).

1.6. Eine Zugabenverschleierung im Sinne dieser Rechtsprechung liegt - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht schon dann vor, wenn bei einer aus drei Waren bestehenden Warenkombination eine Ware kostenlos abgegeben wird. Der Begriff der Zugabenverschleierung setzt vielmehr voraus, dass auch in diesem Fall die Waren im Verhältnis Hauptware zu Nebenware stehen. Solches ist jedoch hier - wie schon zuvor aufgezeigt - nicht der Fall.

1.7. Die vom Rekursgericht angeführte Stellungnahme im deutschen Schrifttum (Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG26 § 4 Rz 1.92), die Ankündigung, beim Kauf einer bestimmten Anzahl beliebiger Waren werde der billigste Artikel kostenlos abgegeben, wobei der Käufer das Leistungsbestimmungsrecht habe, betreffe eine Zugabe, führt gleichfalls nicht zum von der Klägerin gewünschten Ergebnis. Nach deutscher Auffassung fällt die Zugabe nämlich unter den Oberbegriff des Koppelungsangebots (Köhler aaO Rz 1.46) und ist eine grundsätzlich wettbewerbskonforme Maßnahme, sofern keine speziellen gesetzlichen Koppelungsverbote eingreifen (Köhler aaO Rz 1.59 f mN zur Rsp des BGH).

2.1. Die im Jänner 2008 erfolgte Ankündigung der Beklagten ist als Koppelungsangebot mehrerer einzeln ausgepreister Waren mit einem je nach der getroffenen Kaufentscheidung zu berechnenden Gesamtpreis zu beurteilen. Nach dem Inkrafttreten der UWG-Novelle 2007 sind Koppelungsangebote daher im Licht des Verbots unlauterer Geschäftspraktiken nach § 1 Abs 1 Z 2 UWG zu prüfen.

2.2. Die lauterkeitsrechtlichen Anforderungen an die Zulässigkeit von Koppelungsangeboten müssen sich an den Gefahren orientieren, die von derartigen Geschäften für den Verbraucher ausgehen. Als solche kommen in Betracht: Irreführung durch unrichtige oder unzureichende Information, unangemessene unsachliche Beeinflussung und gezielte Behinderung von Mitbewerbern (Köhler aaO Rz 1.61 mN zur Rsp des BGH). Keine dieser Gefahren wird durch die hier zu beurteilende Ankündigung verwirklicht.

2.3. Eine Geschäftspraxis ist irreführend, wenn ihre Anwendung das Ziel hat, die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung zu treffen, spürbar zu beeinträchtigen, und sie unrichtige Angaben enthält oder sonst geeignet ist, einen Marktteilnehmer in Bezug auf das Produkt derartig zu täuschen, dass dieser dazu veranlasst wird, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (§ 2 Abs 1 iVm § 1 Abs 4 Z 3 UWG).

Bei einem Koppelungsangebot besteht unter dem Gesichtspunkt der Irreführung insbesondere die Gefahr einer Täuschung über den tatsächlichen Wert des Angebots. Kann aber der Käufer - wie hier - das beworbene Angebot aus drei beliebigen, einzeln ausgepreisten Artikeln des Gesamtsortiments des Verkäufers selbst zusammenstellen, wobei die Einzelpreise der gekoppelten Artikel den auch außerhalb des Koppelungsangebots geforderten Einzelpreisen entsprechen und dem Kunden daher leicht erkennbar sind (vgl § 2 Abs 1 PreisauszeichnungsG), so bestehen für den Käufer keine Hindernisse, Preisvergleiche anzustellen und sich Gedanken über die Preiswürdigkeit des beworbenen Angebots zu machen. Das Angebot ist hinreichend transparent und erfüllt damit nicht den Tatbestand einer irreführenden Geschäftspraktik.

2.4. Gleiches gilt sinngemäß für die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung infolge eines übermäßigen Kaufanreizes. Die durch die beworbene Aktion erzielbare Ersparnis ist - wie zuvor ausgeführt - der Höhe nach leicht erkennbar; da sie höchstens ein Drittel des Gesamtpreises aller drei gekoppelten Waren betragen kann, ist sie auch nicht geeignet, die Rationalität der Nachfrageentscheidung des Durchschnittsverbrauchers völlig in den Hintergrund treten zu lassen. Der verständige Verbraucher bleibt weiterhin in der Lage abzuwägen, ob das beworbene Angebot für ihn interessant ist oder nicht. Auch die Gefahr einer Überrumpelung besteht nicht, steht doch der vom Angebot angesprochene Käufer nicht vor einer besonders dringenden oder von außen unsachlich beeinflussten Entscheidungssituation, sondern er kann im Fall eines Geschäftsbesuchs selbst in Ruhe seine persönliche Warenkombination zusammenstellen oder einen Kauf letztlich unterlassen. Eine unzulässige Beeinflussung iS einer aggressiven Geschäftspraktik (§ 1a Abs 1 UWG idgF) liegt damit ebenso nicht vor.

2.5. Eine - sich auch für Verbraucher nachteilig auswirkende - gezielte Behinderung von Mitbewerbern oder eine allgemeine Marktbehinderung durch die zu beurteilende Ankündigung ist schon deshalb nicht zu befürchten, weil die beworbene Aktion auf zwei Tage beschränkt war, nur Stammkunden der Beklagten offenstand und ein sehr beschränktes örtliches Einzugsgebiet betraf. Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Bestands des Wettbewerbs auf dem betroffenen Markt für Sportartikel wurden weder behauptet, noch sind solche ersichtlich.

3. Die voranstehenden Erwägungen lassen sich in folgender Weise zusammenzufassen:

Das Angebot, es werde beim Erwerb einer vom Kunden aus dem Gesamtsortiment des Verkäufers beliebig auszuwählenden Kombination an einzeln ausgepreisten Waren die billigste gratis abgegeben (Beispiel: „Nimm drei, zahl zwei"), ist nicht als Ankündigung einer Zugabe iSd § 9a Abs 1 UWG, sondern als Koppelungsangebot (Abgabe mehrerer Waren zu einem Gesamtpreis) zu qualifizieren. Ein solches Angebot ist lauterkeitsrechtlich unbedenklich, wenn durch dessen Ankündigung weder die Gefahr einer Irreführung durch unrichtige oder unzureichende Information noch einer unangemessenen unsachlichen Beeinflussung oder einer gezielten Behinderung von Mitbewerbern verwirklicht wird.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 393 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Bei einer Bemessungsgrundlage von 50.000 EUR beträgt der Ansatz nach TP 3C RATG nur 1.109,10 EUR.

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