OGH 4Ob108/08y

OGH4Ob108/08y26.8.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Zechner als Vorsitzenden und die Hofrätin Dr. Schenk sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Schutzverband *****, vertreten durch Prunbauer Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei L***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Mag. Laurenz Strebl und Dr. Hannes Wallisch, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 33.000 EUR), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 31. März 2008, GZ 3 R 21/08t-10, womit der Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 19. Jänner 2008, GZ 28 Cg 107/07s-4, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung wie folgt lautet:

„Einstweilige Verfügung:

Zur Sicherung des Anspruchs der klagenden Partei gegen die beklagte Partei auf Unterlassung wettbewerbsfremder Handlungen und/oder Ankündigungen wird der beklagten Partei bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils verboten, im geschäftlichen Verkehr, in öffentlichen Bekanntmachungen oder anderen Mitteilungen, welche für einen größeren Personenkreis bestimmt sind, anzukündigen, dass sie Verbrauchern neben Waren und Leistungen unentgeltliche Zugaben, insbesondere bei einem Einkauf im Gegenwert von 300 EUR in ihrem Outlet-Center einen Gratis-Christbaum, gewähre, sowie Personen, denen aufgrund einer solchen Ankündigung Zugaben zustünden, solche zu gewähren."

Die klagende Partei hat ihre Kosten des Provisorialverfahrens aller drei Instanzen vorläufig, die beklagte Partei hat ihre Kosten des Provisorialverfahrens endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der klagende Verein bezweckt die Bekämpfung aller Formen des unlauteren Wettbewerbs und von Wettbewerbsbeschränkungen sowie die Förderung und Vertretung wirtschaftlicher Interessen von Unternehmen. Die Beklagte betreibt in Leobersdorf ein Einkaufszentrum. Sie warb in einem Werbeprospekt auf der ersten Seite wie folgt: „Vom 20. bis 22. 12. 2007 um 300 EUR einkaufen und gratis einen Christbaum mit nach Hause nehmen!". Auf der letzten Seite dieses Prospekts stand: „Am 20., 21. und 22. 12. schenken wir Ihnen einen Christbaum! Wenn Sie beim fröhlichen Sale-Shopping vom 20. bis 22. 12. in L***** Waren im Gesamtwert von mindestens 300 EUR einkaufen, schenken wir Ihnen ihren Christbaum. Einfach alle L*****-Rechnungen des Tages sammeln, zum Empfang des Centermanagement bringen, Stempel holen und ab damit zum Christbaummarkt am Parkplatz. Ihren Christbaum können Sie gleich mit nach Hause nehmen. Solange der Vorrat reicht!".

Der Kläger beantragte zur Sicherung des inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens die Erlassung der aus dem Spruch dieser Entscheidung folgenden einstweiligen Verfügung. Er habe die Beklagte vergeblich schriftlich abgemahnt und zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert. Die Beklagte habe mit der beanstandeten Ankündigung gegen § 9a UWG verstoßen. Sie habe die Ankündigung selbst vorgenommen und könne sich nicht auf den Standpunkt zurückziehen, lediglich Betreiberin des Einkaufszentrums zu sein. Jedenfalls läge eine sittenwidrige Umgehung des Zugabenverbots vor.

Die Beklagte wendete ein, wegen der auf einen Zeitraum von drei Tagen beschränkten Aktion fehle eine Gefährdung und ein rechtliches Interesse des Klägers an der begehrten einstweiligen Verfügung. Nach dem 22. 12. 2007 habe die Beklagte keine Christbäume zu den in der Ankündigung genannten Bedingungen mehr an Kunden abgegeben. Die Aktion habe nicht gegen § 9a UWG verstoßen, sei doch den Verbrauchern nicht suggeriert worden, sie könnten Waren durch die Überlassung eines Christbaums zu einem geringeren Preis erwerben. Die Preise im Einkaufszentrum seien von der schenkungsweisen Überlassung eines Christbaums unabhängig gewesen. Kunden seien nicht zum Ankauf bestimmter Waren verlockt worden. Die Unentgeltlichkeit sei nicht bloß scheinbar gewesen. Der Beklagten sei es um die Förderung der Geschäftstätigkeit im Allgemeinen, nicht aber um bestimmte Einzelgeschäfte gegangen. Der Wert des geschenkten Christbaums habe nur 4,5 % des geforderten Einkaufswerts von 300 EUR betragen. Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Zwar sei der Gratis-Christbaum als Zugabe nach § 9a UWG anzusehen. Aufgrund der bereits beendeten Christbaumaktion sei jedoch kein unwiederbringlicher Schaden mehr zu befürchten. Ob die Beklagte tatsächlich nur die allgemeine Geschäftstätigkeit gefördert habe, werde im weiteren Verfahren zu klären sein. Der Sicherungsantrag sei überdies zu weit gefasst. Der Kläger habe die Gewährung von Zugaben, abgesehen von den Christbäumen im genannten Zeitraum, gar nicht behauptet.

Das Rekursgericht bestätigte die Antragsabweisung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig sei. Zwischen der Hauptleistung und der unentgeltlichen Zusatzleistung müsse ein innerer Zweckzusammenhang bestehen, es müssten diejenigen Waren- oder Leistungsumsätze gefördert werden, neben denen und zu denen die unentgeltliche Zuwendung gemacht werde. Es komme auf die Förderung des Einzelgeschäfts und nicht der allgemeinen Geschäftstätigkeit an. Die Beklagte biete nicht selbst Waren oder Leistungen im Sinn von § 9a Abs 1 Z 1 UWG an, sie sei nur Betreiberin eines speziellen Einkaufszentrums, in dem verschiedene Handelsunternehmen ihre Waren und Leistungen anbieten würden. Die Beklagte fördere mit ihrer Werbeaktion nicht den Absatz bestimmter Waren oder Dienstleistungen, sondern sie wolle den Umsatz ihres Einkaufszentrums ganz allgemein steigern. Der angekündigte „Gratis-Christbaum" ab einem Einkauf von 300 EUR sei zwar ein Lockmittel, aber keine Zugabe. Das Publikum solle zum Betreten des Einkaufszentrums und zum Abschluss von Kaufverträgen im Allgemeinen motiviert werden. Der Kläger habe den Sicherungsantrag ausdrücklich auf einen Verstoß gegen das in § 9a UWG normierte Zugabenverbot gestützt, der Klage (dem Sicherungsantrag) könne daher nicht aus einem anderen Rechtsgrund stattgegeben werden.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig, weil eine Klarstellung zur Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs geboten ist; er ist im Übrigen auch berechtigt.

1. Gemäß § 9a Abs 1 Z 1 UWG kann - von der UWG-Novelle 2007 BGBl I 79 unberührt geblieben - auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in öffentlichen Bekanntmachungen oder anderen Mitteilungen, die für einen größeren Personenkreis bestimmt sind, ankündigt, dass er Verbrauchern neben Waren oder Leistungen unentgeltliche Zugaben (Prämien) gewährt. Zugabe im Sinn dieser Bestimmung ist ein zusätzlicher Vorteil, der neben der Hauptware ohne besondere Berechnung gewährt (angekündigt) wird, um den Absatz der Hauptware zu fördern (4 Ob 67/02k = ÖBl 2002, 293 - Take your win mwN). Wesentlich ist, dass ein Zusammenhang zwischen dem gewährten Vorteil und der Hauptware oder Hauptleistung in der Weise besteht, dass der Erwerb der Hauptware oder die Inanspruchnahme der Hauptleistung Voraussetzung dafür ist, in den Genuss des angekündigten, angebotenen oder zu gewährenden zusätzlichen Vorteils zu gelangen. Ein Zusammenhang zwischen der Zuwendung und der im geschäftlichen Verkehr nur allgemein entfalteten Erwerbstätigkeit des Werbenden genügt nicht (stRsp RIS-Justiz RS0084216).

Zu 4 Ob 32/95 (= ÖBl 1995, 211 - Falschpark-Strafzettel) verneinte der erkennende Senat diesen inneren Zweckzusammenhang für die Ankündigung eines Einkaufszentrumsbetreibers, einen 100 S-Gutschein für jeden auszustellen, der einen in einem bestimmten Monat in einer bestimmten Stadt ausgestellten Strafzettel wegen Falschparkens vorweise. Das Geschenk ließ sich nur realisieren, wenn ein Kauf im Einkaufszentrum getätigt wurde. Der Gutschein sei zwar ein Lockmittel, aber keine Zugabe, weil bloß eine unentgeltliche Zuwendung zum Zweck der Förderung des Warenabsatzes schlechthin vorliege.

2. Zu 4 Ob 203/99b (= ÖBl 2000, 81 - OÖN-Abonnenten haben's gut) wiederholte der erkennende Senat den Rechtssatz, wonach es auf die Förderung des Einzelgeschäfts und nicht der allgemeinen Geschäftstätigkeit ankomme, bejahte aber einen Zugabenverstoß wegen des In-Aussicht-Stellens weiterer Gewinnspiele in einer Zeitungswerbung.

3. Zu 4 Ob 67/02k bejahte der erkennende Senat den allgemein geforderten inneren Zweckzusammenhang und damit die Zugabeneigenschaft für die Gewinnspielankündigung eines Geschäftspartners, der im Ausgangsbereich des Geschäfts Gewinnspielteilnahmemöglichkeiten in Abhängigkeit von Einkäufen im Geschäft ankündigte. Durch das Aufstellen des gut sichtbaren Gewinnspielautomaten am Ausgang des Geschäfts der Partner des Gewinnspielunternehmers, werde für das - nicht weiter abgrenzbare - Käufer-/Kaufinteressenten-Publikum des Partners des Gewinnspielveranstalters die Ankündigung einer Zugabe bewirkt, weil jedem Kunden zumindest nach dem erstmaligen Wahrnehmen des Automaten klar sein müsse, dass auch mit jedem künftigen Einkauf eine Gewinnchance verbunden sei. Die gegebene Gewinnmöglichkeit biete einen entsprechenden Spiel-/Kauf-Anreiz, wobei auch die zu gewinnenden Vorteile stets mit dem Warenvertrieb der Partner des belangten Gewinnspielunternehmers zusammenhingen, zumal die Preise nur in den Partnergeschäften eingelöst werden könnten.

4. Hier sollte der angekündigte Gratis-Christbaum wohl einen verpönten, weil mit der Qualität/Preiswürdigkeit der Hauptware nicht im Zusammenhang stehenden Anlockeffekt haben und den Absatz der Waren und Dienstleistungen der Geschäftsbetreiber im Einkaufszentrum und damit indirekt auch die geschäftlichen Interessen der Beklagten als Einkaufszentrumsbetreiberin fördern. Dem beanstandeten und seinem Wortlaut nach unstrittigen Werbeprospekt war die Liste der im von der Beklagten betriebenen Einkaufszentrum vorhandenen Geschäfte angeschlossen, wodurch deren Geschäftstätigkeit durch die mit einem Mindestumsatz verbundene Ankündigung der Zugabe direkt gefördert werden sollte. Andernfalls würden Umgehungen des Zugabenverbots viel zu leicht gemacht. Die vom Kläger zu Recht beanstandete Ankündigung eines Gratis-Christbaums im Falle eines Mindesteinkaufs in einem der Geschäfte des von der Beklagten betriebenen Einkaufszentrums ist daher eine nach § 9a UWG verbotene Zugabenankündigung und rechtfertigt daher den vom Kläger erhobenen Unterlassungsanspruch. Soweit aus der Entscheidung 4 Ob 32/95 Gegenteiliges zu schließen ist, wird diese Ansicht nicht fortgeschrieben. Die bisherigen Erwägungen sind daher auf folgende Weise zusammenzufassen:

Die bloße Einschaltung eines Dritten, der eine wegen ihres wettbewerbswidrigen Anlockeffekts verpönte Zugabe ankündigt, beseitigt den für die Zugabeneigenschaft geforderten inneren Zweckzusammenhang zwischen dem zu fördernden Hauptgeschäft und der Zugabenankündigung nicht. Insoweit haftet der Dritte für die Förderung des Abschlusses fremder Hauptgeschäfte.

5. Gemäß § 24 UWG können zur Sicherung der in diesem Gesetz bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung einstweilige Verfügungen erlassen werden, auch wenn die in § 381 EO bezeichneten Voraussetzungen nicht zutreffen. Das Argument der Beklagten, dem Kläger drohe kein unwiederbringlicher Schaden, geht daher ins Leere. Der begangene Wettbewerbsverstoß indiziert das Bestehen einer Wiederholungsgefahr, welche den erhobenen Unterlassungsanspruch rechtfertigt. Umstände, die deren nachträglichen Wegfall indizierten, hat die Beklagte nicht vorgebracht.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 40, 41, 50 Abs 1 ZPO.

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