OGH 4Ob203/99b

OGH4Ob203/99b13.9.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*****, vertreten durch Dr. Bernhard Krause, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. W***** GmbH & Co. KG., 2. W***** GmbH, *****, beide vertreten durch Haslinger/Nagele & Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 480.000 S), infolge Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 25. Mai 1999, GZ 4 R 105/99k-8, womit der Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 3. März 1999, GZ 5 Cg 31/99z-3, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen. Die beklagten Parteien haben die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der klagende Verein, zu dessen Mitgliedern Unternehmen zählen, die Printmedien verlegen, fördert satzungsgemäß die wirtschaftlichen Interessen seiner Mitglieder unter anderem durch Bekämpfung aller Erscheinungsformen des unlauteren Wettbewerbs. Die Erstbeklagte, deren persönlich haftende Gesellschafterin die Zweitbeklagte ist, ist Medieninhaberin der Tageszeitung "Oberösterreichische Nachrichten". Die Zeitung hat etwa 90.000 Abonnenten, ein Jahresabonnement kostet

2.460 S.

In der Ausgabe der "Oberösterreichischen Nachrichten" vom 19. 12. 1998 haben die Seiten 28 und 29 folgendes Aussehen:

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragt der Kläger, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, beim Vertrieb der Tageszeitung "Oberösterreichische Nachrichten" Gewinnspiele für Abonnenten anzukündigen und durchzuführen, wenn durch den Hinweis auf bereits vielfache Gewinnspiele für Abonnenten und/oder die wiederkehrende Durchführung von Gewinnspielen für Abonnenten der sichere Eindruck erweckt wird, daß auch in Zukunft für Abonnenten solche Gewinnspiele durchgeführt werden. Jeder Leser der beanstandeten plakativen Darstellung der im Jahr 1998 für Abonnenten veranstalteten zahllosen Gewinnspiele müsse den Eindruck gewinnen, daß es auch im Jahr 1999 zumindest in gleicher Art weitergehen werde und daher der Kauf eines Abonnements der Zeitung mit zahlreichen Gewinnmöglichkeiten verbunden sei. Die Beklagten kündigten damit die Teilnahmemöglichkeit an Gewinnspielen für Abonnenten, somit eine unentgeltliche Zugabe, an und verstießen gegen §§ 9a und 1 UWG.

Die Beklagten beantragen die Abweisung des Sicherungsantrags. Die von der Erstbeklagten 1998 durchgeführten Werbeaktionen, in deren Rahmen die Teilnahmemöglichkeit an Gewinnspielen eingeräumt worden sei, seien allesamt wettbewerbsrechtlich zulässig gewesen. Entweder sei die Verlosung von Sachpreisen nur Abonnenten offengestanden, wobei mangels Akzessorietät zum vorangegangenen Abonnementabschluß keine verbotene Zugabe vorgelegen sei, oder die Gewinnchance sei zusammen mit einem kurzfristigen Gratis-Abonnement angeboten worden, wobei es an der Entgeltlichkeit der Hauptleistung gemangelt habe. Auch die Durchführung eines Fotowettbewerbs als Leistungswettbewerb sowie die fallweise Verlosung von Freikarten geringen Werts für Theater-, Konzert-, Mode- und Sportveranstaltungen unter Abonnenten habe nicht gegen § 9a UWG verstoßen. Die beanstandete Einschaltung sei als zulässiger Rückblick auf zulässig durchgeführte Werbeaktionen zu beurteilen.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Die von den Beklagten 1998 veranstalteten Werbeaktionen seien zulässig gewesen; die beanstandete Einschaltung kündige zwar die Teilnahmemöglichkeit an Gewinnspielen für Abonnenten an, ein Verstoß gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften sei darin aber nicht zu erkennen.

Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die zusammenfassende Darstellung der im Jahr 1998 für Abonnenten der Zeitung der Erstbeklagten durchgeführten Gewinnspiele verstoße gegen § 9a UWG, weil sie aufgrund der Vielzahl der wiedergegebenen Gewinnspiele in den angesprochenen Leserkreisen den sicheren Eindruck erwecke, es würden für Abonnenten auch in Zukunft Gewinnspiele vergleichbarer Attraktivität durchgeführt werden. Besonders die Gewinnmöglichkeit eines PKW Opel Astra sowie von neun Traumurlauben mit Fernreisen in die ganze Welt seien als wettbewerbswidrige Zugabe zum Abschluß eines Abonnementvertrags als Hauptware zu beurteilen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt; das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

Die Beklagten bekämpfen die Auffassung des Rekursgerichts, der Rückblick auf durchgeführte Gewinnspiele sei als Zugabenverstoß oder sittenwidriger Kundenfang zu beurteilen; die beanstandete Einschaltung enthalte nämlich weder eine Vorteilszuwendung noch die Ankündigung einer Teilnahmemöglichkeit an einem Gewinnspiel. Dazu ist zu erwägen:

Zugabe ist nach ständiger Rechtsprechung (zuletzt etwa ÖBl 1999, 205 - Tagesfahrt Chiemsee mwN) ein zusätzlicher Vorteil, der neben der Hauptware (Hauptleistung) ohne besondere Berechnung angekündigt wird, um den Absatz der Hauptware oder die Verwertung der Hauptleistung zu fördern. Dieser Vorteil muß mit der Hauptware (Hauptleistung) in einem solchen Zusammenhang stehen, daß er objektiv geeignet ist, den Kunden in seinem Entschluß zum Erwerb der Hauptware (Hauptleistung) zu beeinflussen, also Werbe- oder Lockmittel sein. Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn der Erwerb der Hauptware für das Erlangen der Zugabe unbedingt notwendig ist, sondern auch dann, wenn dieser Erwerb bloß als förderlich erachtet wird oder jedenfalls die bequemste Art ist, zur Zugabe zu kommen. Es müssen diejenigen Waren- oder Leistungsumsätze gefördert werden, neben denen und zu denen die Zuwendung gemacht wird. Die Zuwendungen müssen neben Hauptangeboten gemacht oder in Aussicht gestellt werden, für die sich der Kunde um ihretwillen entschließen soll; auf die Förderung des Einzelgeschäftes und nicht der allgemeinen Geschäftstätigkeit kommt es dabei an (ÖBl 1992, 24 = MR 1993, 69 = ecolex 1993, 252 = WBl 1993, 128 - Welt des Wohnens mwN; ÖBl 1996, 38 - Städteflugreisen). Ob eine Zugabe vorliegt, hängt davon ab, welchen Eindruck der angesprochene Durchschnittsinteressent bei flüchtiger Wahrnehmung der Ankündigung gewinnt; bei Mehrdeutigkeit gilt die für den Ankündigenden ungünstigte Auslegung (ÖBl 1999, 205 - Tagesfahrt Chiemsee mwN).

Der notwendige Zusammenhang muß zur Zeit des Kaufabschlusses gegeben sein. Er kann nicht nachträglich in Umkehrung der Kausalfolge hergestellt werden. Werden hingegen erst nach dem Geschäftsabschluß Zuwendungen in Aussicht gestellt oder gewährt, mit denen der Käufer beim Kauf nicht rechnen konnte, dann ist die Zuwendung keine Zugabe (stRsp ua ÖBl 1991, 120 - Gratis-Schwimmkurse; ÖBl 1992, 56 - Super-T-Shirt; SZ 68/88 = WBl 1995, 466 - Gratisflugreisen; ÖBl 1996, 38 - Städteflugreisen je mwN).

Auch die mit dem Kauf einer Zeitung eröffnete unentgeltliche Teilnahmemöglichkeit an einem Gewinnspiel kann unter anderem dann den Tatbestand einer Zugabe erfüllen, wenn das Gewinnspiel - mag es auch nicht außerhalb der Zeitung oder auf deren Titelseite angekündigt werden - so regelmäßig veranstaltet wird, daß durch eine solche Aufeinanderfolge in den angesprochenen Leserkreisen der sichere Eindruck erweckt wird, daß auch in künftigen Ausgaben der Zeitung wieder ein (neues) Gewinnspiel oder die Fortsetzung einer begonnen Gewinnspielserie enthalten sein wird (stRsp ua ÖBl 1994, 160 - Bub oder Mädel II; ÖBl 1997, 287 = MR 1997, 227 = WBl 1997, 440 - Krone Aktion; ÖBl 1998, 250 - NEWS-Gewinnspiele; MR 1999, 182 [Korn] - Fini's Feinstes). Selbst solche Ankündigungen, die sich erst auf den Erwerb folgender Ausgaben einer periodischen Druckschrift auswirken, können somit ausreichenden Anreiz bieten, die Hauptware zu erwerben, um in den Genuß der zusätzlichen Leistung (Möglichkeit der Teilnahme an einem Gewinnspiel) zu gelangen; finden hingegen solche Gewinnspiele ohne vorherige Ankündigung nur gelegentlich oder in größeren Abständen, wenn auch mit einer gewissen Regelmäßigkeit statt, dann liegt kein psychischer Kaufzwang vor (ÖBl 1994, 160 - Bub oder Mädel II; 4 Ob 160/97a).

Die beanstandete Einschaltung faßt in einem Rückblick sämtliche für Abonnenten veranstalteten Gewinnspiele des vergangenen Jahres unter der Übeschrift "OÖN-Abonnenten haben's gut!" und dem abschließenden Hinweis "Sie sehen also: Es zahlt sich aus, OÖN-Abonnement zu sein!" zusammen. Dem Rekursgericht ist darin beizupflichten, daß diese Ankündigung der Beklagten beim angesprochenen Leserkreis den sicheren Eindruck entstehen läßt, für Abonnenten der Zeitung der Erstbeklagten werde auch in Zukunft eine Teilnahmemöglichkeit an vielfältigen Gewinnspielen vergleichbarer Attraktivität eröffnet. Die Ankündigung bietet damit einen Anreiz, ein Abonnement erstmals zu erwerben oder ein schon bestehendes Abonnement nicht aufzukündigen, um auf diese Weise künftig an Gewinnspielen für Abonnenten teilnehmen zu können. Dieser Anreiz ist attraktiv und damit auch geeignet, den Kunden in seinem Entschluß zum Erwerb (Weiterbezug) der Hauptware unsachlich zu beeinflussen. Die Ankündigung ist deshalb (im Unterschied zur Entscheidung ÖBl 1996, 38 - Städteflugreisen, wo die Beklagte eine einmalige Aktion für Altabonnenten angekündigt und durchgeführt hat, ohne daß dabei der Eindruck entstanden wäre, ähnliche Aktionen seien auch in Zukunft regelmäßig zu erwarten) als Werbe- und Lockmittel zur Förderung des Absatzes der Hauptware und damit als verbotene Zugabe iSd § 9a Abs 1 UWG zu beurteilen.

Ob das einzelne zukünftig veranstaltete Gewinnspiel für sich allein allenfalls nicht als Zugabenverstoß zu beurteilen sein wird, weil etwa die Teilnahme daran nur zusammen mit einem Gratis-Schnupper-Abonnement der Zeitung angeboten werden wird und es diesfalls an der Entgeltlichkeit der Hauptleistung mangelte, oder weil die Preisvergabe nicht vom Zufall, sondern von einem Juryentscheid nach Erbringung einer bestimmten Leistung abhängen wird ("Leistungspreisausschreiben"; vgl ÖBl 1990, 208 - "Schau hin und gewinn!"; ÖBl 1991, 120 - Gratis Schwimm-Kurs; ÖBl 1991, 265 - Abenteuer-Spiel ua), spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle:

Entscheidend ist allein, daß die mit der Ankündigung erweckte Erwartungshaltung als dem Leistungswettbewerb widerstreitende Einflußnahme auf die Willensbildung des angesprochenen Leserkreises im Zusammenhang mit der Entscheidung über den Erwerb der Hauptware zu bewerten ist. Das Rekursgericht hat deshalb dem - auch auf § 9a Abs 1 UWG gestützten - Provisorialantrag zu Recht stattgegeben.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist das Unterlassungsgebot wegen des hier vorliegenden unlösbaren Zusammenhangs zwischen der Ankündigung und der Durchführung von Gewinnspielen für Abonnenten auch nicht zu weit gefaßt. Den Beklagten wird nämlich das Durchführen von Gewinnspielen für Abonnenten nur unter der Bedingung verboten, daß damit der Hinweis auf bereits vielfach für Abonnenten durchgeführte Gewinnspiele verbunden ist oder daß deren wiederkehrende Durchführung den sicheren Eindruck auch zukünftiger Gewinnspiele erweckt; ob dieser Eindruck bloß auf Grund einer Ankündigung oder auf Grund der tatsächlichen Durchführung von Gewinnspielen entsteht, macht für dessen Wettbewerbswidrigkeit keinen Unterschied.

Der Ausspruch über die Kosten des Klägers gründet sich auf § 393 Abs 1 EO, derjenige über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50 Abs 1, § 52 ZPO.

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