OGH 8Ob118/08y

OGH8Ob118/08y14.10.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Heinrich H***** und 2. Emmi H*****, beide vertreten durch Dr. Wilfried Plattner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Dr. Richard Kempf, Rechtsanwalt, 6900 Bregenz, Kaiserstraße 7, als Masseverwalter im Konkurs der V*****, wegen Feststellung einer Konkursforderung (Streitwert 28.400 USD = 20.567,28 EUR sA), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 15. Juli 2008, GZ 1 R 171/08v-11, womit infolge Rekurses der klagenden Parteien der Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 9. Mai 2008, GZ 5 Cg 159/07y-7, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung

Die Kläger begehren mit ihrer Prüfungsklage die Feststellung einer Gesamtkonkursforderung von 28.400 USD. Sie hätten am 11. 8. 1999 21.000 USD und am 25. 8. 1999 7.400 USD bei der nunmehrigen Gemeinschuldnerin als Platzierungsmaklerin jeweils für den Erwerb von bestimmten Aktien gezeichnet. Ende 2000 seien gegen die ehemaligen Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin Voruntersuchungen ua wegen der Verbrechen der Untreue und des Betrugs eingeleitet worden. Die Gelder seien widmungswidrig verwendet und die Aktien gar nicht angeschafft worden. Auch seien die von der Gemeinschuldnerin vermittelten Beteiligungen nicht werthaltig. Die Gemeinschuldnerin hätte ihre Sorgfalts- und Treupflichten nachhaltig verletzt. Darauf und auch auf die Prospekthaftung der Gemeinschuldnerin für ein von ihr herausgegebenes Prospekt sei bereits die Anmeldung im Konkursverfahren gestützt gewesen. Das Klagebegehren ergebe sich aus den beiden Zeichnungsvereinbarungen in USD und sei auch entsprechend bestimmt.

Der beklagte Masseverwalter wendete unter anderem mangelnde Zulässigkeit des Rechtswegs ein, weil die nunmehrige Feststellungsklage der Anmeldung im Konkursverfahren nicht entspreche.

Das Erstgericht wies die Klage zurück und hob das bisherige Verfahren als nichtig auf. Es ging davon aus, dass die Prüfungsklage von der Forderungsanmeldung in dem geltend gemachten Rechtsgrund wesentlich abweiche. Die Prospekthaftung sei in der Anmeldung nicht substantiiert geltend gemacht worden.

Das Rekursgericht gab dem gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs der Kläger Folge und änderte den Beschluss des Erstgerichts dahin ab, dass es diesem die Durchführung des gesetzlichen Verfahrens über die Klage unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auftrug. Es setzte sich ausführlich mit der einschlägigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auseinander und ging im Ergebnis dann davon aus, dass sowohl in der Anmeldung der Konkursforderung als auch in der Prüfungsklage sowohl auf die deliktische als auch die vertragliche Haftung Bezug genommen worden sei, sodass tatsächlich zwischen beiden Identität gegeben sei.

Den ordentlichen Revisionsrekurs erachtete es für nicht zulässig. Gegen diesen Beschluss richtet sich der „außerordentliche Revisionsrekurs" des beklagten Masseverwalters mit dem Antrag, den erstgerichtlichen Beschluss wieder herzustellen. Das Erstgericht legt diesen „außerordentlichen Revisionsrekurs" unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vor.

Rechtliche Beurteilung

Diese Aktenvorlage ist verfehlt.

Die Zulässigkeit des Revisionsrekurses richtet sich nämlich nach § 528 Abs 2a ZPO, weil der rekursgerichtliche Entscheidungsgegenstand zwar 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteigt und das Rekursgericht den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat. Wurde doch die Klage auf zwei datum- und betragsmäßig verschiedene Zeichnungsvereinbarungen samt dazu geleisteten Zahlungen gestützt, die ausgehend vom Wert der Fremdwährung am Tag der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts (Kodek in Rechberger ZPO3 § 502 Rz 7 mwN) - unstrittig und notorisch (§ 269 ZPO) - jeweils unter 20.000 EUR lagen. Eine Zusammenrechnung der Forderungen käme nur unter den Voraussetzungen des § 55 JN in Betracht (Kodek aaO § 502 Rz 2 mwN; RIS-Justiz RS0037838, RS0053096), wenn sie in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (§ 55 Abs 1 Z 1 JN). Ein tatsächlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Ansprüche aus demselben Klagesachverhalt abgeleitet werden können, wenn also das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über den anderen Anspruch ohne ergänzendes weiteres Sachvorbringen entscheiden zu können. Ein rechtlicher Zusammenhang liegt etwa vor, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder derselben Rechtsnorm abgeleitet werden, nicht aber wenn die Ansprüche ein unterschiedliches rechtliches Schicksal haben können (Mayr in Rechberger ZPO3 § 55 JN Rz 2 f mwN; RIS-Justiz RS0037899 mwN). Ob die Voraussetzungen für eine Zusammenrechnung vorliegen, ist nach den Klagebehauptungen zu beurteilen (RIS-Justiz RS0042741; Mayr aaO). Beispielsweise wurde schon ausgesprochen, dass dann, wenn kein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang von verschiedenen Rechnungen zugrundeliegenden Warenlieferungen behauptet wurde, von mehreren getrennt zu beurteilenden Ansprüchen und damit Entscheidungsgegenständen auszugehen ist (1 Ob 66/05w). § 55 Abs 1 JN ist als Ausnahme vom Grundsatz der Nichtzusammenrechnung anzusehen. Daher scheidet eine Zusammenrechnung im Zweifel aus (RIS-Justiz RS0122950 mwN). Hier haben die Kläger ein Vorbringen, aus dem sich zweifelsfrei ergeben würde, dass die aus den beiden Verträgen bzw den dazu geleisteten Zahlungen abgeleiteten Ansprüche kein unterschiedliches Schicksal haben könnten, nicht erstattet. Unter diesen Voraussetzungen ist wegen Unterschreitens der 20.000-EUR-Grenze auch ein außerordentliches Rechtsmittel im Sinne des § 528 Abs 3 ZPO nicht zulässig.

Eine Partei kann in einem solchen Fall nur gemäß §§ 528 Abs 2a iVm 508 Abs 1 ZPO einen Antrag an das Rekursgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass das ordentliche Rechtsmittel doch für zulässig erklärt werde. Mit demselben Schriftsatz ist das ordentliche Rechtsmittel auszuführen. Dieser Antrag, verbunden mit dem ordentlichen Rechtsmittel, ist beim Prozessgericht erster Instanz einzubringen und gemäß §§ 528 Abs 2a iVm 508 Abs 3 und 4 ZPO vom Rekursgericht zu behandeln. Erhebt in den dargestellten Fällen eine Partei ein solches Rechtsmittel, so ist dieses gemäß §§ 507b Abs 2 iVm 528 Abs 2a ZPO dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen. Das gilt auch dann, wenn das Rechtsmittel als „außerordentliches" Rechtsmittel bezeichnet wird und wenn es an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist; auch dieser kann erst entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß §§ 528 Abs 2a iVm 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei. Das gilt auch dann, wenn der Rechtsmittelwerber in dem Schriftsatz nicht im Sinne des § 508 Abs 1 ZPO den Antrag auf Abänderung des Ausspruchs des Gerichts zweiter Instanz gestellt hat, weil dieser Mangel gemäß § 84 Abs 3 ZPO verbesserungsfähig ist (RIS-Justiz RS0109623).

Das Erstgericht wird somit das Rechtsmittel dem Rekursgericht vorzulegen haben. Ob der Schriftsatz den Erfordernissen des § 508 Abs 1 ZPO entspricht oder ob er einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte