OGH 9ObA123/08s

OGH9ObA123/08s8.10.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Brigitte Augustin und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Thomas F*****, Restaurantleiter, *****, vertreten durch Forcher-Mayr, Kantner & Ruetz Rechtsanwälte Partnerschaft in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. R***** Hotelverwaltungsgesellschaft mbH & Co KG, *****, 2. R***** Hotelverwaltungsgesellschaft mbH, *****, beide vertreten durch Dr. Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 22.236,80 EUR brutto abzüglich 700 EUR netto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8. Juli 2008, GZ 15 Ra 26/08y-35, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die erstbeklagte GesmbH & Co KG führte den hier maßgeblichen Hotelbetrieb bis 30. 11. 2004 selbst. Mit Pacht- und Unterpachtverträgen wurde der Hotelbetrieb dann überwiegend von einer Gesellschaft (Alleingesellschafter war ein Barkeeper) als Unterpächterin weitergeführt. Seit 1. 7. 2006 führt wieder die Erstbeklagte den Hotelbetrieb. Der Kläger war ab 15. 11. 2005 zunächst bei der Unterpächterin und anschließend bei der Erstbeklagten als Restaurantleiter beschäftigt, und zwar durchgehend bis 5. 7. 2006. Entgegen dem Revisionsvorbringen kann insbesondere im Zusammenhang mit den aus AS 200, 201 und 216 (im Rahmen der rechtlichen Beurteilung) hervorgehenden Feststellungen kein Zweifel daran bestehen, dass zuletzt Arbeitgeberin aller Arbeitnehmer, somit auch des Klägers, die Erstbeklagte als Betriebsführerin des Hotels war.

In einer Mitarbeiterversammlung am 14. 6. 2006 schilderte der Geschäftsführer der Erstbeklagten die triste finanzielle Lage der Unterpächterin. Den Mitarbeitern wurde ein vorbereitetes „Austrittsschreiben" (vom 14. 6. zum 24. 6.) ausgehändigt. Dieses wurde auch vom Kläger unterfertigt und abgegeben. Dennoch arbeitete er, wie erwähnt, bis 5. 7. 2006 weiter in seiner Funktion als Restaurantleiter.

Die Vorinstanzen haben übereinstimmend die Haftung der Beklagten für die offenen Entgeltansprüche (Gehalt samt Überstundenentgelten für April bis Juni 2006, Kündigungsentschädigung, anteilige Sonderzahlungen und Urlaubsersatzleistung) bejaht.

Zu den Ausführungen in der außerordentlichen Revision der Beklagten ist - wie schon im vergleichbaren, zu 9 ObA 82/08m behandelten Fall - einleitend darauf hinzuweisen, dass es für die Rechtsfolgen des Betriebsübergangs nach § 3 AVRAG nicht auf das Vorliegen eines Rechtsgeschäfts ankommt, sondern der faktische Übertragungsvorgang entscheidend ist (vgl Binder, AVRAG § 3 Rz 14, 17; Holzer/Reissner, AVRAG² § 3 Erl 13, 16 ff; Gahleitner in ZellKomm § 3 AVRAG Rz 2, 15, 26; RIS-Justiz RS0110344, RS0110832, RS0119396 ua). Grundsätzlich treten die Folgen des Betriebsübergangs iSd § 3 AVRAG eo ipso - ohne Rücksicht auf einen entgegenstehenden Willen des „Veräußerers" und des „Erwerbers" - ein (Binder aaO § 3 Rz 79; 8 ObS 17/06t ua). Die Beurteilung dieser Frage hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab und begründet demzufolge regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (9 ObA 131/04m; 8 ObA 43/08v). Von einer unvertretbaren Beurteilung des Berufungsgerichts kann nach der Lage des Falls keine Rede sein. Dass hier ein Betriebsübergang von der Unterpächterin auf die Beklagten erfolgte, wurde nach den vorliegenden Feststellungen von den Vorinstanzen in vertretbarer Weise bejaht. Nach völlig einheitlicher Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0108285) gilt § 3 Abs 1 AVRAG nur im Fall eines gerichtlich eröffneten Konkurses nicht. Die Ausnahmebestimmung des § 3 Abs 2 AVRAG ist hingegen auf die Fälle der Abweisung eines Konkursantrags mangels kostendeckenden Vermögens nicht anzuwenden. Entgegen der Auffassung der Revisionswerber kann die sachliche Rechtfertigung und damit die in Frage gestellte Verfassungskonformität dieser Ausnahmeregelung nicht bezweifelt werden. Das Europarecht ermöglicht eine Ausnahme vom ex-lege-Eintritt des Übernehmers in bestehende Arbeitsverhältnisse dann, wenn ein Insolvenzverfahren vorliegt, welches einerseits den Gläubigerinteressen dient und andererseits stark staatlich gesteuert ist (s Reckenzaun/Reissner „Nochmals: Zur Auslegung von § 3 Abs 2 AVRAG; Zugleich eine Besprechung der Entscheidungen des OGH vom 19. 12. 2007, 9 ObA 106/06p und vom 7. 2. 2008, 9 ObA 161/07b" in ZIK 2008, 80, 82 mwN). Dass diese Garantien bei einer außergerichtlichen Übernahme nicht bestehen, liegt wohl auf der Hand.

Zur Frage eines einvernehmlichen „vorzeitigen Austritts" im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang und einer bevorstehenden Insolvenz des „Veräußerers" hat der Oberste Gerichtshof ua bereits in seiner Entscheidung zu 8 ObA 43/04p Stellung genommen. Er hat dies - bei einem insoweit vergleichbaren Sachverhalt - als einvernehmliche Auflösung qualifiziert. Das Berufungsgericht ist zwar in seiner Entscheidung vorweg von einem vorzeitigen Austritt, jedoch auch von dessen einverständlicher Rücknahme und der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ausgegangen. Einen relevanten Widerspruch zur Vorentscheidung releviert die Revision nicht (s auch die Ausführungen zu 9 ObA 82/08m).

Für die vorliegende Frage des Übergangs eines aufrechten Arbeitsverhältnisses und der Haftung des Erwerbers (s RIS-Justiz RS0112978; RS0108284) ist hier nicht entscheidend, ob die Parteien des Arbeitsvertrags das Arbeitsverhältnis durch Austritt oder einvernehmlich auflösten, weil es jedenfalls danach einvernehmlich fortgesetzt wurde und im Zeitpunkt des Betriebsübergangs aufrecht bestand. Damit kommt es aber auf die mit umfangreichen Argumenten bekämpfte Begründung des Berufungsgerichts dazu, dass der Austritt überhaupt nicht „ernsthaft" gewollt oder schon als solcher mangels Ernsthaftigkeit unwirksam sei, nicht mehr an. Auch auf die Ausführungen der Beklagten zur Frage, ob die Geltendmachung der Ansprüche durch den Kläger aus dem Arbeitsverhältnis zur Beklagten auch jene Ansprüche aus einer Haftung für Dritte umfasse, muss nicht weiter eingegangen werden. Diese Ausführungen legen offensichtlich das Vorliegen zweier verschiedener Arbeitsverhältnisses zugrunde, während hier in vertretbarer Weise nur ein durchgehendes Arbeitsverhältnis angenommen wurde, und stellen auch gar nicht näher dar, welche rechtlichen Konsequenzen sich daraus ergeben sollten. Gleiches gilt im Übrigen für den nunmehr behaupteten Vollmachtsmangel im Zusammenhang mit dem Aufforderungsschreiben. Da das Arbeitsverhältnis erst mit 5. 7. 2006 endete, die Ansprüche aber noch im September 2006 schriftlich geltend gemacht wurden, ist der Einwand, die im Monat April 2006 entstandenen Lohnansprüche seien durch Ablauf der Vier-Monatsfrist verfallen, verfehlt.

Die Ausführungen der Revision, dass nicht die Vorpächterin, sondern eine andere Gesellschaft das Arbeitsverhältnis des Klägers nach dem 24. 6. 2006 fortgeführt habe, entfernen sich vom festgestellten Sachverhalt, sodass insoweit die Rechtsrüge nicht als ordnungsgemäß ausgeführt zu beurteilen ist (RIS-Justiz RS0043312).

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