OGH 6Ob179/08d

OGH6Ob179/08d1.10.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Roswitha L*****, 2. Michael L*****, 3. Dipl.-Ing. Manfred P*****, alle *****, vertreten durch Proksch & Fritzsche Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei A***** Club (A*****), vertreten durch Friedrich G*****, dieser vertreten durch Mag. Dr. Kathrin Gürtler und Mag. Nikolaus Reisner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 33.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 27. Mai 2008, GZ 5 R 51/08v-29, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Die Kläger streben - als ordentliche Mitglieder des beklagten Vereins - die Feststellung an, dass der in der Generalversammlung vom 31. 3. 2006 gefasste Beschluss zur Änderung der Satzung in § 12 Abs 5 nichtig und unwirksam sei. Nach dieser Bestimmung kann die Generalversammlung jederzeit aufgrund eines fristgerecht eingebrachten und entsprechend begründeten Antrags ein Mitglied des Vereins direkt und unmittelbar ausschließen; hiefür ist eine Dreiviertelmehrheit der anwesenden Mitglieder bei dieser Generalversammlung notwendig; in diesem Fall ist die Anwendung eines gelinderen Mittels seitens des Vereins vorab nicht notwendig. Nach § 14 der geänderten Satzung müssen zumindest 10 % aller Mitglieder des Beklagten einen Antrag stellen, eine außerordentliche Generalversammlung einzuberufen, auf welcher dann über den Ausschluss zu entscheiden ist.

Die Vorinstanzen haben die Klage mangels Anrufung vereinsinterner Schlichtungseinrichtungen des Beklagten durch die Kläger gemäß § 8 VerG zurückgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Kläger bezweifeln zunächst in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs, der im Hinblick auf § 528 Abs 2 Z 2 letzter Halbsatz ZPO nicht jedenfalls unzulässig ist, dass die zwischen den Parteien zu entscheidende Streitigkeit ein Fall für den nach den Statuten des Beklagten eingerichteten Ehrenrat sei. Dem kann nicht gefolgt werden:

1.1. Nach § 8 Abs 1 VerG haben die Statuten eines Vereins vorzusehen, dass Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis vor einer Schlichtungseinrichtung auszutragen sind; sofern das Verfahren vor der Schlichtungseinrichtung nicht früher beendet ist, steht für Rechtsstreitigkeiten nach Ablauf von sechs Monaten ab Anrufung der Schlichtungseinrichtung der ordentliche Rechtsweg offen.

Der Oberste Gerichtshof hat dazu bereits mehrfach (5 Ob 60/05t =

ecolex 2005/321; 7 Ob 139/07b = ecolex 2007/367) ausgeführt, dass

eine Regelung in Vereinsstatuten, wonach das Vereinsschiedsgericht „für die Entscheidung über Streitfälle, die sich aus dem Vereinsverhältnis ergeben" zuständig ist, nur in dem vom Gesetzgeber gedachten Sinn einer umfassenden Zuständigkeit verstanden werden könne, die für alle privatrechtlichen Streitigkeiten zwischen Vereinsmitgliedern und dem Verein oder Vereinsmitgliedern untereinander gilt, sofern diese mit dem Vereinsverhältnis im Zusammenhang stehen; auch die zu klärende Wirksamkeit bekämpfter Beschlüsse sei eine Auseinandersetzung, die typischerweise ohne Verbundenheit des Vereinsmitglieds mit dem Verein nicht denkbar wäre; die Ansicht, wonach die Gültigkeit der Willensbildung der Generalversammlung keine Vereinsstreitigkeit darstellen könne, widerspreche den Intentionen des Gesetzgebers (vgl auch 4 Ob 146/07k = EvBl 2008/13 und 2 Ob 273/06w = ecolex 2008/14 [Wilhelm] [„die Streitigkeit muss ihre Wurzel denknotwendig in der Vereinsmitgliedschaft haben"]).

Die Klägerin bekämpft die Beschlussfassung der Generalversammlung vom 31. 3. 2006. Die Auffassung des Rekursgerichts, die Anfechtung der Satzungsänderungen durch die Generalversammlung sei § 8 Abs 1 VerG zu unterstellen, entspricht der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.

1.2. Nach § 17 der Statuten des Beklagten ist als Schlichtungseinrichtung des Vereins ein Ehrenrat eingerichtet. Dieser entscheidet über Berufungen gegen Ausschlüsse oder Verwarnungen eines Mitglieds nach Entscheidung der Generalversammlung sowie „über alle Streitigkeiten zwischen dem [beklagten Verein] und seinen Mitgliedern, soweit Klubinteressen berührt sind, jedenfalls als vereinsinterne letzte Instanz".

Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach klargestellt, dass eine Einschränkung der Zuständigkeit der Streitschlichtungsstelle auf bestimmte Vereinsangelegenheiten nicht (mehr) zulässig ist (6 Ob 219/04f = SZ 2005/41; 5 Ob 60/05t). Damit begegnet aber die Auffassung des Rekursgerichts, § 17 der Statuten des Beklagten erfasse auch die Anfechtung von Beschlüssen der Generalversammlung, keinen grundlegenden Bedenken; auch diese betreffen ja „Klubinteressen". Im Übrigen nimmt § 17 Abs 1 sogar ausdrücklich darauf Bezug, dass die Tätigkeit der Generalversammlung „Gegenstand der Prüfung" des Ehrenrats sein kann. Woraus die Kläger schließen, „der sogenannte 'Ehrenrat' [sei] nach den Bestimmungen der Satzung ausdrücklich nicht für derartige Streitigkeiten zuständig", ist nicht nachvollziehbar.

Da sogar unklare oder eine mehrfache Deutung zulassende Bestimmungen in Vereinsstatuten - was hier an sich aber gar nicht gegeben ist - in vernünftiger und billiger Weise so auszulegen wären, dass ihre Anwendung im Einzelfall brauchbare und vernünftige Ergebnisse zeitigt (7 Ob 274/07f), begegnet auch die weitere Auffassung des Rekursgerichts, der Ehrenrat wäre für den zu entscheidenden Streit zwischen den Parteien zuständig (gewesen), keinerlei Bedenken.

2. Die Kläger meinen weiters in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs, eine Anrufung des Ehrenrats wäre aber jedenfalls „sinnlos [gewesen] bzw würde - wenn überhaupt - vom Ehrenrat mit Garantie abschlägig [also gegen die Kläger] entschieden werden". Im Übrigen sei zu erwarten, dass die Generalversammlung die Kläger aufgrund der neuen Satzungsbestimmungen, die Gegenstand dieser Anfechtung sind, ausschließen und ihnen somit die Möglichkeit der Anfechtung nehmen werde. Die zu entscheidende Streitigkeit sei somit geradezu ein „Parade-Ausnahmefall" von der gemäß § 8 Abs 1 VerG zwingenden Befassung vereinsinterner Streitschlichtungsstellen.

2.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0094154), die nunmehr Eingang ins Gesetz gefunden hat (§ 8 Abs 2 VerG; 8 Ob 78/06p = JBl 2007, 324 [Mayr]), ist eine gegen die Grundsätze des fair trial nach Art 6 EMRK verstoßende Regelung über die Besetzung des Vereinsschiedsgerichts nichtig. Derartige Umstände zeigen die Kläger allerdings nicht auf; sie sind auch nicht erkennbar. Der Ehrenrat besteht aus drei volljährigen, ordentlichen Mitgliedern des beklagten Vereins und einem Ersatzmitglied, welche von der Generalversammlung gemeinsam mit dem Vorstand für eine Amtsdauer von drei Jahren - also im Vorhinein - gewählt werden; die Mitglieder bestimmen eines von ihnen als Vorsitzenden.

2.2. Dafür, dass die Anrufung des Ehrenrats aus der Sicht der Kläger von vorneherein aussichtslos gewesen wäre, bestehen nach der Aktenlage keine gesicherten Anhaltspunkte; das Rekursgericht hat die Überlegungen der Kläger insofern - durchaus zutreffend - als „bloße Mutmaßung" bezeichnet. Wenn die Kläger nunmehr in ihrem Revisionsrekurs darauf hinweisen, „der Verein [werde] nicht zögern, [sie] auf Grundlage der angefochtenen geänderten Bestimmungen sofort auszuschließen", verkennen sie, dass es nicht um ihren nunmehrigen (allfälligen) Ausschluss durch den Verein, sondern um die Entscheidung des Ehrenrats betreffend die Satzungsänderung vom 31. 3. 2006 geht.

2.3. Auch aus der Befürchtung der Kläger, der beklagte Verein werde sie nunmehr nach den geänderten Statuten ausschließen, was nur „vermieden werden [könnte], wenn der Rechtsweg in derartigen Situationen für zulässig erklärt wird", ist für sie nichts zu gewinnen. Ihre Argumentation beruht nämlich auf einem grundlegenden Missverständnis:

Es mag zwar durchaus sein, dass die Zurückweisung der Klage einerseits die Rechtswirksamkeit der Satzungsänderung vom 31. 3. 2006 (infolge Ablaufs der Jahresfrist des § 7 VerG) und andererseits den Ausschluss der Kläger (infolge Wegfalls des Schutzes durch die einstweilige Verfügung des Erstgerichts vom 21. 6. 2006) zur Folge haben könnte, entscheidungsmaßgeblich ist aber, dass die Kläger es nach der Generalversammlung vom 31. 3. 2006 entgegen § 8 VerG unterlassen haben, rechtzeitig den Ehrenrat des beklagten Vereins anzurufen, um im Falle ihres Unterliegens noch fristgerecht den ordentlichen Rechtsweg beschreiten zu können; damals wäre der Beschluss noch revidierbar gewesen (vgl zu einer ähnlichen Fallkonstellation 7 Ob 139/07b). Die Argumentation der Kläger würde hingegen zu einem Unterlaufen des § 8 VerG in den Fällen der Anfechtung von Vereinsbeschlüssen führen, könnte doch eine unter Umgehung der vereinsinternen Streitschlichtungsstelle erhobene Klage nach mehr als einem Jahr nach Fassung des Vereinsbeschlusses nicht mehr zurückgewiesen werden.

3. Die Vorinstanzen haben somit im Sinne der jüngeren Rechtsprechung

des Obersten Gerichtshofs (4 Ob 146/07k = EvBl 2008/13; 4 Ob 168/07w

= EvBl 2008/96; 7 Ob 52/08k), der sich auch der erkennende Senat

anschließt, frei von Rechtsirrtum die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückgewiesen.

Stichworte