OGH 7Ob114/08b

OGH7Ob114/08b27.8.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gottfried C*****, vertreten durch Dr. Gottfried Zandl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei W***** AG *****, vertreten durch Dr. Heinrich Fassl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 21.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. März 2008, GZ 2 R 214/07s-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 24. Mai 2007, GZ 46 Cg 3/06w-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1.) Die Bezeichnung der beklagten Partei wird von W***** AG auf W***** AG ***** berichtigt.

2.) Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.565,40 EUR (darin enthalten 260,90 EUR an USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 2.429,80 EUR (darin enthalten 210,30 EUR USt und 1.168 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zu 1.): Die Änderung der Firma der Beklagten ergibt sich aus dem Firmenbuch (FN *****, Handelsgericht Wien), weshalb die Parteibezeichnung gemäß § 235 Abs 5 ZPO von Amts wegen zu berichtigen ist.

Zu 2.): Der Kläger hat bei der Beklagten eine Gewerbegesamtversicherung abgeschlossen, die auch eine Betriebshaftpflichtversicherung beinhaltet. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen und Ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 1995 und EHVB 1995) zugrunde. Die AHVB 1995 (im Folgenden AHVB) enthalten unter anderem nachstehende, für den vorliegenden Rechtsfall maßgebliche Bestimmungen:

„Artikel 1

Versicherungsfall und Versicherungsschutz

...

2.1 Im Versicherungsfall übernimmt der Versicherer

2.1.1 die Erfüllung von Schadenersatzverpflichtungen, die dem Versicherungsnehmer wegen eines Personenschadens, eines Sachschadens oder eines Vermögensschadens, der auf einen versicherten Personen- oder Sachschaden zurückzuführen ist, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts erwachsen;

...

Artikel 7

Ausschlüsse vom Versicherungsschutz

Soweit nichts anderes vereinbart ist, gelten die folgenden

Bestimmungen:

1. Unter die Versicherung gemäß Art 1 fallen insbesondere nicht

1.1 Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel;

...

1.3 die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung.

...

10. Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an

...

10.3 jenen Teilen von unbeweglichen Sachen, die unmittelbar Gegenstand der Bearbeitung, Benützung oder einer sonstigen Tätigkeit sind."

Die Parteien vereinbarten auch die Klausel L15 - „Tätigkeiten an unbeweglichen Sachen"-, die folgenden Wortlaut hat:

„1. Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an jenen Teilen von unbeweglichen Sachen, die unmittelbar Gegenstand der Bearbeitung oder einer sonstigen Tätigkeit sind, gelten abweichend von Art 7 Pkt. 10.3 AHVB mitversichert.

2. Die Versicherungssumme beträgt im Rahmen der Pauschalversicherungssumme EUR 36.336,42.

3. Der Selbstbehalt des Versicherungsnehmers beträgt in jedem Versicherungsfall 10 % des Schadens, mindestens EUR 181."

Der Kläger verlegte im September 2002 im Auftrag einer Kundin in einer Wohnung in W***** einen Parkettboden. Da der darunter liegende Estrich nicht ausreichend ausgetrocknet war, wölbte sich das Parkett im Dezember 2002 auf; es kam zu Schüsselungen und Spaltbildungen. Die Auftraggeberin des Klägers machte gegen diesen deshalb gerichtlich Gewährleistungsansprüche und Schadenersatzforderungen geltend; unter anderem begehrte sie vom Kläger Miet- und Betriebskostenentfall, Energiekosten, die Kosten des Ab- und Aufbaus diverser Einrichtungsgegenstände, Kosten von Maler- und Tapeziererarbeiten, Anwaltshonorar und Sachverständigenkosten für eine Beweissicherung. Der Kläger meldete den Schaden unverzüglich der Beklagten, die am 7. 10. 2005 Versicherungsdeckung ablehnte.

Daraufhin begehrte der Kläger mit der Klage Deckungsschutz mit der Behauptung, er verlange nicht reine Vermögensschäden ersetzt, sondern Mangelfolgeschäden, die vom Versicherungsschutz umfasst seien. Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Ebenso wie Gewährleistungsansprüche seien auch die weiteren geltend gemachten Schäden als bloße Vermögensschäden des Kunden nicht von der Betriebshaftpflichtversicherung gedeckt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Ansprüche der Auftraggeberin des Klägers wie Mietentfall, zusätzliche Energiekosten, diverse Montagen und Demontagen seien reine Vermögensschäden, die nicht auf einen versicherten Personen- oder Sachschaden zurückzuführen seien. Mangelhafte Verlegung sei kein versicherter Sachschaden. Es seien keine Sachen der Auftraggeberin des Klägers beschädigt worden.

Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung der ersten Instanz dahin ab, dass es die Beklagte verpflichtete, dem Kläger den begehrten Deckungsschutz zu gewähren, „soweit es sich nicht um reine Gewährleistungs- und Erfüllungsansprüche handelt, also insbesondere für Mangelfolgeschäden". Das Berufungsgericht führte dazu im Wesentlichen aus, die Betriebshaftpflichtversicherung erstrecke sich nicht auf die Ausführung der bedungenen Leistung und auch nicht auf Erfüllungssurrogate. Gedeckt seien aber Schadenersatzansprüche, die dem Vertragspartner des Versicherungsnehmers aus der fehlerhaften Leistung entstanden seien. Allgemein könne also gesagt werden, dass der Ersatz von Mangelfolgeschäden umfasst sei. In der Entscheidung 7 Ob 147/07d habe der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass ein von den AHVB nicht umfasster reiner Vermögensschaden im Sinn eines Mangelfolgeschadens nur dann gedeckt sei, wenn die Parteien eine besondere Vereinbarung darüber geschlossen hätten, was dort geschehen sei. Hier habe der Kläger die besondere Vereinbarung L15 mit der Beklagten getroffen. In der Entscheidung 7 Ob 12/93 habe sich der Oberste Gerichtshof mit einem ähnlich gelagerten Fall auseinandergesetzt. Wende man die dort dargestellten Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, sei dem Kläger beizupflichten, dass Mangelfolgeschäden, also Schäden, die sich nicht unmittelbar auf die Erstellung des Werks bezögen, sondern daraus resultierten, dass die mangelhafte Leistung zu anderen vermögenswerten Schäden geführt habe, vom Versicherungsschutz gedeckt seien. In der Klage der Auftraggeberin des Klägers gegen diesen würden unter anderem Energiekosten, Miet- und Betriebskostenentfall, Anwaltshonorar etc geltend gemacht. Diese Ansprüche seien keinesfalls als an die Stelle der Gewährleistung tretende Schadenersatzansprüche (Erfüllungssurrogate) zu qualifizieren. Ein näheres Eingehen auf diese Frage könne unterbleiben, da die Prüfung, welche der Forderungen tatsächlich dem Grunde nach zu Recht bestünden, dem Leistungsstreit vorbehalten sei. Der Deckungsanspruch des Klägers bestehe zu Recht.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil sich die Entscheidung auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs stütze. Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten, die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen (und damit das Ersturteil wiederhergestellt) werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, dem Rechtsmittel seiner Prozessgegnerin keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist, da das Berufungsgericht die Rechtslage verkannt hat, entgegen dessen Ausspruch, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508a Abs 1 ZPO), zulässig und auch berechtigt. Die Revisionswerberin macht zutreffend geltend, dass der zu beurteilende Sachverhalt zwar mit jenem, der der Entscheidung 7 Ob 147/07d zugrundelag, an sich ganz vergleichbar ist, sich die Bedingungslage aber in einem Punkt wesentlich unterscheidet: Während zu 7 Ob 147/07d mit der Besonderen Bedingung Nr 0934 ein sekundärer Risikoeinschluss für reine Vermögensschäden abweichend von Art 1 Punkt 2.1.1 AHVB 1997 erfolgte, betrifft die im vorliegenden Fall vom Berufungsgericht jener Klausel gegenübergestellte Besondere Vereinbarung L15 einen sekundären Risikoeinschluss der sogenannten Tätigkeitsklausel des Art 7 Punkt 10.3 AHVB, die mit der Frage der Deckung reiner Vermögensschäden nichts zu tun hat. Wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, bezieht sich das Leistungsversprechen des Versicherers in Art 1 Punkt 2.1.1 der (insofern wortgleichen) diversen AHVB (1978, 1986, 1995 und 1997) nicht auf den gesamten Bereich des Schadensbegriffs des § 1293 ABGB, sondern nur auf die Deckung von Personenschäden und Sachschäden sowie solcher Vermögensschäden, die auf einen versicherten Personenschaden oder Sachschaden zurückzuführen sind. Dem gegenüber sind sogenannte reine Vermögensschäden, das sind Schäden, die weder durch einen versicherten Personenschaden noch durch einen versicherten Sachschaden entstanden sind, nicht mitversichert. Es kommt auf den Ursachenzusammenhang an: Ist der betreffende Vermögensschaden ein Schaden, der mit dem versicherten Personenschaden oder Sachschaden in einem ursächlichen Zusammenhang im Sinn der Lehre der Adhäsionstheorie steht, so ist ein solcher Vermögensschaden als „unechter" Vermögensschaden regelmäßig gedeckt (7 Ob 1/94; 7 Ob 257/06d; 7 Ob 147/07d; RIS-Justiz RS0081414). Schauer, Versicherungsvertragsrecht3, 393f, führt als Beispiel für „reine Vermögensschäden", die vom Deckungsumfang ausgeklammert sind, etwa den Fall eines Versicherungsnehmers an, der seinem Kunden schuldhaft einen mangelhaften Stromerzeugungsgenerator liefert, dessen Ausfall zu Produktionsausfällen führt. Da die Ersatzansprüche aus der Mangelhaftigkeit der Leistung selbst nicht zu den versicherten Sachschäden zählten, stehe auch für den folgenden Vermögensschaden kein Versicherungsschutz zu.

Da auch hier alle von der Auftraggeberin des Klägers geltend gemachten Schäden allein aus der mangelhaften Werkleistung des Klägers, also nicht aus einem versicherten Personen- oder Sachschaden resultieren, stellen sie reine Vermögensschäden dar, die demnach nicht versichert sind.

Die in der Entscheidung 7 Ob 60/00z vertretene Ansicht, dass nach den AHVB sogenannte Mängelfolgeschäden gedeckt werden, also Schäden, die sich nicht unmittelbar auf die Erstellung des Werks beziehen, sondern daraus resultieren, dass die mangelhafte Leistung an anderen Vermögenswerten Schäden hervorruft (RIS-Justiz RS0114204), lässt sich nicht auf Vermögensschäden ausdehnen, die durch einen ausgeschlossenen Sachschaden („mittelbar") verursacht werden. Die in Deutschland vertretene gegenteilige Ansicht beruht darauf, dass die deutsche Bedingungslage insofern von der österreichischen abweicht, als eine Art 1 Punkt 2.1.1 AHVB entsprechende Bestimmung fehlt. Während es nach § 1 dAHB genügt, dass Vermögensschäden durch einen Sachschaden verursacht sind, auch wenn die Deckung des Sachschadens selbst ausgeschlossen ist (vgl Voit/Knappmann in Prölss/Martin, VVG27 § 4 AHB Rn 72), steht in Österreich einer solchen Rechtsmeinung der klare Wortlaut des Art 1 Punkt 2.1.1 AHVB entgegen. Es entspricht einem Grundgedanken der Haftpflichtversicherung, das Unternehmerrisiko im Allgemeinen nicht auf den Versicherer zu überwälzen (RIS-Justiz RS0081518). Zur Absicherung des Grundsatzes, dass die bedungene Leistung des Versicherungsnehmers nicht versichert sein soll (RIS-Justiz RS0081685), dienen die Haftungsausschlüsse des Art 7 AHVB (7 Ob 262/02h; 7 Ob 111/05g); demgemäß sind nach Punkt 1.1 Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Unter „Ansprüche aus Gewährleistung" fallen dabei nicht nur die Kosten der Behebung des Mangels an sich, sondern auch jene der vorbereitenden Maßnahmen, die zur Mangelbehebung erforderlich sind (RIS-Justiz RS0021974) sowie Erfüllungssurrogate (RIS-Justiz RS0081685). Soweit Schadenersatzansprüche ebenfalls Erfüllungssurrogate sind, weil sie an Stelle eines Gewährleistungsanspruchs den Geschädigten so stellen sollen, wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung gestanden wäre - zum Beispiel bei einer Ersatzpflicht für die Kosten der Mangelbehebung - sind sie ebenfalls von der Deckungspflicht ausgenommen (Schauer, aaO 400; näher Zankl, Haftpflichtversicherung, Gewährleistung und Schadenersatz, ecolex 1990, 278; vgl 7 Ob 89/07z).

Sachschaden ist die Beschädigung und Vernichtung von Sachen (Art 1 Punkt 2.3 AHVB). Eine Beschädigung liegt vor, wenn auf die Substanz einer (bereits bestehenden) Sache körperlich so eingewirkt wird, dass deren zunächst vorhandener Zustand beeinträchtigt und dadurch ihre Gebrauchsfähigkeit aufgehoben oder gemindert wird (Voit/Knappmann aaO § 1 dAHB Rn 12). Die mangelhafte Herstellung einer Sache ist grundsätzlich keine Sachbeschädigung (Voit/Knappmann aaO ua). Ist nämlich die Sache noch nicht fehlerfrei hergestellt, kann sie nicht durch die Leistung des Versicherungsnehmers beschädigt werden (7 Ob 147/07d).

Durch die fehlerhafte Werkleistung des Klägers sind hier ausschließlich von den AHVB nicht umfasste reine Vermögensschäden im Sinn von Mangelfolgeschäden (genauer Nichterfüllungsschäden, vgl Zankl aaO 279) entstanden (vgl 7 Ob 147/07d). Diese wären nur gedeckt, wenn die Parteien eine besondere Vereinbarung darüber geschlossen hätten, was hier aber - anders als in der Entscheidung 7 Ob 147/07d - nicht geschehen ist. Der Einwand des Klägers in der Revisionsbeantwortung, aufgrund des Risikoeinschlusses der Klausel L15 seien abweichend von der Tätigkeitsklausel des Art 7.10.3 AHVB Schäden an jenen Teilen von unbeweglichen Sachen mitversichert, die unmittelbar Gegenstand der Bearbeitung, Benützung oder einer sonstigen Tätigkeit sind, trifft nicht zu. Der Kläger übersieht, dass die Schäden nicht durch seine Tätigkeiten unmittelbar entstanden und daher nicht auf einen versicherten Sachschaden zurückzuführen sind, sondern Kosten der Schadenssanierung und damit reine Vermögensschäden darstellen.

Zutreffend weist die Revisionswerberin auch noch darauf hin, dass auch die vom Berufungsgericht weiters zitierte Entscheidung 7 Ob 12/93 die angefochtene Entscheidung insofern nicht stützt, als dort ein Parkettboden durch unsachgemäße Estrichverlegung des Versicherungsnehmers beschädigt wurde, während hier nur am mangelhaften Werk des Klägers selbst Schäden entstanden sind. Ohne dass noch auf die weiteren Revisionsausführungen (wonach das Berufungsgericht von den Feststellungen des Erstgerichts abgewichen sei und einen unklaren und unschlüssigen Urteilsspruch gefasst habe) eingegangen werden müsste, erweist sich die Rechtsrüge demnach als berechtigt. In Stattgebung der Revision ist die angefochtene Entscheidung daher dahin abzuändern, dass das klagsabweisende Ersturteil wiederherzustellen ist.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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