Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 499,39 (darin enthalten EUR 83,23 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Zwischen den Parteien besteht ein Betriebshaftpflichtversicherungsvertrag, dem die AHVB 1997 und EHVB 1997 sowie die Besondere Bedingung Nr 0934 zugrunde liegen.
Die AHVB lauten auszugsweise:
„Art 1
Was gilt als Versicherungsfall und was ist versichert?
.....
2. Versicherungsschutz
2.1 Im Versicherungsfall übernimmt der Versicherer
2.1.1 die Erfüllung von Schadenersatzverpflichtungen, die dem Versicherungsnehmer wegen eines Personenschadens, eines Sachschadens oder eines Vermögensschadens, der auf einen versicherten Personen- oder Sachschaden zurückzuführen ist, auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts erwachsen.....
Art 7
Was ist nicht versichert? (Risikoausschlüsse)
1. Unter die Versicherung gemäß Art 1 fallen insbesondere nicht
1.1. Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel;
....
1.3. die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung. ....."
Die Besondere Bedingung Nr 0934 lautet:
„Reine Vermögensschäden
1. Reine Vermögensschäden sind abweichend von Art 1, Punkt 2.1.1 AHVB mitversichert.
....
3. Ausgeschlossen vom Versicherungsschutz sind Schadenersatzverpflichtungen aus
....
3.7 Nichterfüllung, Schlechterfüllung oder nicht rechtzeitiger Erfüllung von Verträgen; ...."
Der Kläger wurde mit der Verlegung eines Fliesenbodens in einem Geschäftslokal einer Supermarktkette beauftragt. Die Eröffnung des Geschäftslokales war für den 31. 9. 2004 geplant. Der Kläger erbrachte seine Leistungen von Mitte August 2004 bis Ende September 2004. Durch das Befahren des von ihm verlegten Fliesenbodens mit einem Hubwagen beim Anliefern der Waren am 24. 9. 2004 entstanden an der Verfliesung Abplatzungen und Sprünge, die auf einen Verlegefehler des Klägers (Verwendung des falschen Untergrundes) zurückzuführen waren. Noch am selben Tag beschloss der Generalunternehmer, das gesamte Fliesenbett abzubrechen und zu erneuern.
Die aus dem Verlegefehler entstandenen Schäden durch sogenannte „sonstige Mehrkosten des Bauträgers" (zusätzlich zu den Kosten der Herstellung des Werkes), und zwar für Personalaufwand für Filialmitarbeiter, Ertragsverlust aufgrund der späteren Eröffnung der Filiale, frustrierten Werbeaufwand samt Versandkosten, entgangenen Baukostenzuschuss, Rechtsanwaltskosten, Mietentgang aufgrund der späteren Übergabe an den Betreiber für den Monat Oktober und Kosten eines Unternehmens für die Abwicklung des Schadenereignisses belaufen sich auf EUR 345.203,87. Die genaue Schadenshöhe steht noch nicht fest. Der Generalunternehmer trat mit dieser Forderung an den Kläger heran.
Der Kläger begehrt aufgrund des bestehenden Betriebshaftpflichtversicherungsvertrages die Feststellung, dass die Beklagte Deckung für den Schadensfall vom 24. 9. 2004 zu gewähren habe. Er führt - soweit es für das Revisionsverfahren von Bedeutung ist - aus, dass die Deckungspflicht der Beklagten für die sogenannten „sonstigen Mehrkosten des Bauträgers" bestehe. Folgeschäden aus mangelhafter Vertragserfüllung seien reine Vermögensschäden und nach der Bedingung Nr 0934 abweichend von Art 1.2.1.1 AHVB versichert.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens mit der Begründung - soweit sie für das Revisionsverfahren von Bedeutung ist -, dass auch diese Schäden auf einen Verarbeitungsfehler der Mitarbeiter des Klägers und damit auf einen nicht versicherten Sachschaden zurückzuführen seien, sodass keine Deckung bestehe. Auch die Besondere Bedingung Nr 0934 ändere nichts daran, weil sich diese bloß auf reine Vermögensschäden beziehe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsansicht, dass hier nicht von bloßen Begleitschäden zu sprechen sei, sondern die mangelhafte Vertragserfüllung ursächlich für den Schaden gewesen sei. Es handle sich daher um unechte Vermögensschäden, die nicht gedeckt seien. Aus der besonderen Bedingung Nr 0934 könne für den Kläger nichts gewonnen werden, da diese lediglich für reine Vermögensschäden gelte. Bei reinen Vermögensschäden handle es sich aber nur um solche, die nicht auf der Verletzung eines absolut geschützten Rechtsgutes beruhten.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge und änderte das angefochtene Urteil in dem für das Revisionsverfahren noch gegenständlichen Umfang teilweise dahingehend ab, dass es die Deckungspflicht der Beklagten für die sonstigen Mehrkosten des Bauträgers wie in der Klage ON 1, Punkt 3 (richtig 4) lit c) bis zum Betrag von EUR 100.000 feststellte. Hinsichtlich des Mehrbegehrens bestätigte es das klageabweisende Urteil des Erstgerichtes. Die Herstellung einer von vornherein fehlerhaften Sache sei kein Sachschaden im Sinn der Versicherungsbedingungen, weil ein Sachschaden eine Einwirkung aus der Sphäre des Versicherungsnehmers auf die Sache voraussetze, also einen einmal vorhandenen Zustand beeinträchtigen müsse. Das Herstellen einer von vornherein fehlerhaften Sache stelle folglich einen reinen Vermögensschaden dar, der nach der Besonderen Bedingung Nr 0934 gedeckt sei. Der Kläger habe sich auf diese Sondervereinbarung gestützt. Sei es demnach vereinbarungsgemäß zu keiner Risikobegrenzung nach der Art des Schadens gekommen, wäre es an der Beklagten gelegen, insofern anspruchsvernichtende Umstände vorzubringen. Ein amtswegiges Aufgreifen von allenfalls rechtsvernichtenden Vertragsklauseln - wie etwa Punkt 3.7 der Besonderen Bedingung Nr 0934 über den Ausschluss von Schadenersatzverpflichtungen aus Nichterfüllung, Schlechterfüllung oder nicht rechtzeitiger Erfüllung von Verträgen - scheide aus.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000 übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil neuere höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob aus der Mangelhaftigkeit des Werkes Sachschäden bzw damit im Zusammenhang stehende unechte Vermögensschäden oder ausschließlich sogenannte reine Vermögensschäden entstanden seien. Auch stehe die abschließende Klärung der vom Versicherungsvertrag umfassten Ansprüche schon im Deckungsprozess in einem Spannungsverhältnis zur Entscheidung 7 Ob 12/93.
Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
Nach ständiger Rechtsprechung ist nach dem versicherungswirtschaftlichen Zweck in der Betriebshaftpflichtversicherung das Unternehmerrisiko selbst grundsätzlich nicht versicherungsfähig (RIS-Justiz RS0081518). Grundsätzlich ist daher nicht die Ausführung der bedungenen Leistung versichert. Die Versicherung erstreckt sich auch nicht auf Erfüllungssurrogate (RIS-Justiz RS0081685). Wohl aber sind Schadenersatzansprüche gedeckt, die dem Vertragspartner des Versicherungsnehmers aus der fehlerhaften Leistung entstanden sind. Allgemein kann also gesagt werden, dass von der Betriebshaftpflichtversicherung der Ersatz von Mangelfolgeschäden umfasst ist, nicht jedoch jener von Erfüllungssurrogaten (7 Ob 177/06i; RIS-Justiz RS0114204). Deckung besteht also nur für jene Schäden, die jenseits des Interesses liegen, das an der ordnungsgemäßen Herstellung und Lieferung einer Sache besteht (7 Ob 177/06i). In diesem Sinn ist der vorliegende Art 7 AHVB 1997 zu verstehen.
Nach Art 1.2.1.1 AHVB 1997 bezieht sich das Leistungsversprechen nicht auf den Gesamtbereich des Schadensbegriffes des § 1293 ABGB, sondern nur auf die Deckung von Personenschäden und Sachschäden sowie solcher Vermögensschäden, die auf einen versicherten Personenschaden oder Sachschaden zurückzuführen sind. Demgegenüber sind sogenannte reine Vermögensschäden, das sind Schäden, die weder durch einen versicherten Personenschaden noch durch einen versicherten Sachschaden entstanden sind, nicht mitversichert. Es kommt auf den Ursachenzusammenhang an. Ist der betreffende Vermögensschaden ein Schaden, der mit dem versicherten Personenschaden oder Sachschaden in einem ursächlichen Zusammenhang im Sinn der Lehre der Adhäsionstheorie steht, so ist ein solcher Vermögensschaden als unechter Vermögensschaden regelmäßig gedeckt (vgl zu den wortgleichen Bestimmungen AHVB 1986 und auch 1978: 7 Ob 257/06d mwN; RIS-Justiz RS0081414).
Sachschaden ist die Beschädigung oder Vernichtung von Sachen. Eine Beschädigung liegt vor, wenn auf die Substanz einer (bereits bestehenden) Sache körperlich so eingewirkt wird, dass deren zunächst vorhandener Zustand beeinträchtigt und dadurch ihre Gebrauchsfähigkeit aufgehoben oder gemindert wird (Prölss/Martin, VVG27, § 1 dAHB Rn 12). Die mangelhafte Herstellung einer Sache ist grundsätzlich keine Sachbeschädigung (Prölss/Martin, aaO; Späte, Haftpflichtversicherung § 1 dAHB Rn 61, 68, 81 und 106; Littbarski, AHB § 1 dAHB Rn 24, 89). Ist nämlich die Sache noch nicht fehlerfrei hergestellt, kann sie nicht durch die Leistung des Versicherungsnehmers beschädigt werden.
Durch die fehlerhafte Werkleistung des Klägers ist also ein von den AHVB nicht umfasster reiner Vermögensschaden im Sinn eines Mangelfolgeschadens entstanden. Dieser ist nur dann gedeckt, wenn die Parteien eine besondere Vereinbarung darüber geschlossen haben, was hier durch die Vereinbarung der Besonderen Bedingung Nr 0934 geschehen ist.
Auf die Frage, ob das Vorbringen der Beklagten dazu ausreichend gewesen wäre, dass sich das Berufungsgericht mit der Bestimmung Punkt 3.7 der Besonderen Bedingung Nr 0934 hätte auseinandersetzen müssen oder ob das Berufungsgericht allenfalls seine Erörterungspflicht gemäß § 182a ZPO verletzt habe (wie die Beklagte als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens rügt), kommt es in rechtlicher Hinsicht nicht an, weshalb darauf nicht weiter einzugehen ist:
Wie oben dargelegt, erfolgt mit der Besonderen Bedingung Nr 0934 ein sekundärer Risikoeinschluss für reine Vermögensschäden abweichend von Punkt 1.2.1.1 AHVB 1997. In Punkt 3.3.7 der Besonderen Bedingung Nr 0934 allerdings werden die Schadenersatzverpflichtungen aus Nichterfüllung bzw Schlechterfüllung oder nicht rechtzeitiger Erfüllung von Verträgen wieder ausgeschlossen. Das Berufungsgericht hielt es offenbar für möglich, dass aus dieser Bestimmung ein Entfall der Deckungspflicht der Beklagten abgeleitet werden könnte (es setzte sich damit aber aus formellen Gründen nicht weiter auseinander). Dieser Rechtsansicht kann nicht gefolgt werden.
Nach ständiger Rechtsprechung sind Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie sie von einem durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer zu verstehen sind, wobei Unklarheiten zu Lasten des Versicherers gehen (RIS-Justiz RS0017960 ua). Nach den AHVB sind, wie bereits dargelegt, nur Personenschäden, Sachschäden und Vermögensschäden, die auf einen versicherten Sach- oder Personenschaden zurückzuführen sind, versichert. Wird nun der reine Vermögensschaden durch die Besondere Bedingung Nr 0934 wiederum eingeschlossen und pauschal in Punkt 3.3.7 Schadenersatzforderungen aus Nichterfüllung, Schlechterfüllung oder nicht rechtzeitiger Erfüllung von Verträgen wieder ausgeschlossen, so kann dies von einem verständigen Versicherungsnehmer nur so aufgefasst werden, dass auch für reine Vermögensschäden der oben dargelegte Grundsatz ausdrücklich vereinbart werden soll, dass dem Versicherungsnehmer nicht das unternehmerische Risiko abgenommen wird und auch bei reinen Vermögensschäden alle Erfüllungssurrogate nicht ersetzt werden sollen. Nicht hingegen kann der Bestimmung entnommen werden, dass für Mangelfolgeschäden generell nicht gehaftet wird, da ansonsten dem Risikoeinschluss kaum Anwendungsraum verbliebe. Der Sinn dieser Bestimmung ist es ja gerade, Mängelfolgeschäden als reine Vermögensschäden aus Schlecht- oder Nichterfüllung abzudecken. Dieser Sinn würde durch die von der Beklagten vertretenen Auslegung vollständig unterlaufen. Die Beklagte ist also verpflichtet, Deckung für Mangelfolgeschäden aus Schlechterfüllung zu gewähren.
Der von der Revisionswerberin aufgezeigte Widerspruch zur Entscheidung 7 Ob 1/94 liegt nicht vor. Sie übergeht nämlich, dass in dem dort zugrunde liegenden Rechtsfall ein Schaden an fremden Sachen entstanden ist, nämlich durch den Austritt von Wasser, das von der Wasserversorgungsgesellschaft entgeltlich den Kunden als Trinkwasser zur Verfügung gestellt wurde.
Da die Teilabweisung des Berufungsgerichtes mangels Anfechtung durch den Kläger in Rechtskraft erwachsen ist, stellt sich die Frage der Spruchformulierung im Sinn der Entscheidung 7 Ob 12/93 im vorliegenden Fall nicht, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.
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