OGH 7Ob1/94

OGH7Ob1/9423.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef L***** KG, ***** vertreten durch Dr.Wolfgang Dartmann und Dr.Haymo Modelhart, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei W***** Versicherung-Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr.Peter Rudeck und Dr.Gerhard Schlager, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 200.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 18.10.1993, GZ 4 R 146/93-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 4.Mai 1993, GZ 28 Cg 331/92-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 8336,20 (darin S 1.472,70 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die bei der beklagten Partei betriebshaftpflichtversicherte Klägerin hat im Sommer 1988 für die L***** Wasserversorgungsgesellschaft mbH Kanalbauarbeiten in L***** zum Zweck der Verlegung von Wasserrohren durchgeführt. Am 31.5.1990 wurde in diesem Bereich ein Wasserrohrbruch festgestellt, der auf die von der Klägerin zu vertretende mangelnde Verdichtung des unterhalb des Wasserrohres eingebrachten Grundmaterials zurückzuführen war, weshalb es zunächst zu einer Setzung, dann zu einer Durchbiegung des Rohres und letztlich zu einem Rohrbruch gekommen war. Die zur Behebung des Rohrschadens erforderlichen S 6.013,48 wurden von der beklagten Haftpflichtversicherin bereits beglichen, nicht jedoch die von der L***** Wasserversorgungsgesellschaft mbH geforderten S 440.000,-- für den Wasserverlust. Die Klägerin wurde daher von letzterer auf diesen Betrag beim Landesgericht für ZRS Graz zu 16 Cg 166/91 beklagt. Dieses Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Dem Haftpflichtversicherungsvertrag zwischen den Streitteilen liegen die AHVB 1978 zugrunde, die auszugsweise lauten:

"1. Versicherungsfall

Versicherungsfall ist ein Schadensereignis, das dem versicherten Risiko entspringt und aus welchem dem Versicherungsnehmer Schadenersatzverpflichtungen (Pkt.2) erwachsen oder erwachsen könnten.

2. Versicherungsschutz

2.1. Im Versicherungsfall übernimmt der Versicherer

2.1.1 die Erfüllung von Schadenersatzverpflichtungen, die dem Versicherungsnehmer wegen eines Personenschadens, eines Sachschadens oder eines Vermögensschadens, der auf einen versicherten Personen- oder Sachschaden zurückzuführen ist, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts erwachsen;

2.1.2 die Kosten der Feststellung und der Abwehr einer von einem Dritten behaupteten Schadenersatzverpflichtung im Rahmen des Art.5, Pkt.5.

2.2 Schadenersatzverpflichtungen aus Verlust oder Abhandenkommen körperlicher Sachen sind nur dann versichert, wenn eine in den Ergänzenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (EHVB) vorgesehene besondere Vereinbarung getroffen wurde. In derartigen Fällen finden die Bestimmungen über Sachschäden Anwendung.

2.3 Personenschäden sind die Tötung, Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung von Menschen. Sachschäden sind die Beschädigung oder die Vernichtung von körperlichen Sachen".

Die klagende Partei begehrt die Feststellung, daß die beklagte Haftpflichtversicherin auch für den gegen sie erhobenen Anspruch auf Ersatz eines Wasserverlustes in Höhe von brutto S 440.000,--, der Gegenstand des Verfahrens 16 Cg 166/91 des Landesgerichtes für ZRS Graz ist, Versicherungsdeckung zu gewähren hat. Der durch das Ausfließen des Wassers eingetretene Schaden falle nicht unter die Ausschlußklausel des Art.1 Abs.2 Z 2 der AHVB 1978.

Die beklagte Partei beantragte die Klagsabweisung und wandte ein, daß die Forderung auf Ersatz des Wasserverlustes eine Schadenersatzverpflichtung aus Verlust oder Abhandenkommen körperlicher Sachen gemäß Art.1.2 Z 2 der AHVB 1978 sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es folgerte rechtlich, daß es sich bei dem zufolge des von der Klägerin zu vertretenden Wasserrohrbruches ausgeflossenen Wassers um einen Sachschaden handle, der in unmittelbarer Folge des Wasserrohrbruches aufgetreten sei. Demgegenüber diene Art.1.2 Z 2 der AHVB 1978 der Abgrenzung gegenüber Sekundärschäden, für die die Versicherung nicht zu haften habe. Zu einem anderen Ergebnis komme man allerdings, wenn man Punkt 2.2 nicht als Ausschlußklausel der im Punkt 2.1 statuierten Deckungsverpflichtung, sondern als davon unabhängigen, bloß klarstellenden Hinweis darauf verstehe, daß für die Deckung von Schadenersatzverpflichtungen aus Verlust oder Abhandenkommen von Sachen der Abschluß einer besonderen Vereinbarung erforderlich sei, weil dann der "Haftungsausschluß" nicht auf die sekundären Schäden zu beziehen wäre. Es fielen dann zwar grundsätzlich alle Vermögensschäden, die auf einen versicherten Schaden zurückzuführen seien, unter den Versicherungsschutz, doch bestünde Versicherungsschutz dann nicht, wenn der Vermögensschaden gerade im Verlust einer körperlichen Sache bestehe. Zwar sei mit dem Versickern des Wassers eine körperliche Sache verlorengegangen. Gehe man aber davon aus, daß das ausgeflossene Wasser von der geschädigten L***** Wasserversorgungsgenossenschaft mbH als Handelsobjekt verwendet worden sei, könne bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise durchaus gesagt werden, daß das Wasser mit seinem Versickern für die Geschädigte zerstört ("vernichtet" iS des Art.1 Pkt 2.3 der Bedingungen) worden sei.

Das Berufungsgericht bestätigte mit der angefochtenen Entscheidung dieses Urteil. Es erklärte die Revision für zulässig. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes.

Die von der beklagten Partei erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Das Leistungsversprechen des Versicherers in Art.1 der AHVB 1978 bezieht sich nicht auf den gesamten Bereich des Schadensbegriffes im Sinne des § 1293 ABGB, sondern nur auf die Deckung von Personen- und Sachschäden sowie solcher Vermögensschäden, die auf einen versicherten Personen- oder Sachschaden zurückzuführen sind (vgl. Achatz ua AHVB 1986, 59). Demgegenüber sind sogenannte "reine" Vermögensschäden, das sind Schäden, die weder durch einen Personennoch durch einen Sachschaden entstanden sind (soweit sie nicht nach den EHVB unter Versicherungsschutz fallen), nicht mitversichert. Es kommt auf den Ursachenzusammenhang an: Ist der betreffende Vermögensschaden ein Schaden, der mit dem Personen- oder Sachschaden in einem ursächlichen Zusammenhang im Sinne der Lehre der Adäquanztheorie steht, so ist ein solcher Vermögensschaden als "unechter" Vermögensschaden regelmäßig gedeckt (vgl. Späte, Haftpflichtversicherung, 142 sowie Wussow, AHB6, § 1 Anm.58 mwN). Die Einbeziehung "reiner" Vermögensschäden in den Versicherungsschutz erfordert dagegen grundsätzlich eine besondere Vereinbarung mit dem Versicherer, wenn im Versicherungsvertrag nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist. Da die "unechten" Vermögenssschäden den Personen- oder Sachschäden zugerechnet werden, wird dieser Begriff in den Versicherungsbedingungen grundsätzlich nicht gesondert erwähnt, deshalb taucht auch dort der Gegenbegriff "reiner Vermögensschaden" nicht auf, diese werden bedingungsseitig nur mit "Vermögensschäden" bezeichnet (vgl. Späte aaO, 143, Wagner, Haftpflichtversicherung2, 121, Kuwert/Erdbrügger, Privathaftpflichtversicherung2, 138). "Unechte" Vermögensschäden sind beim Sachschaden der sogenannte Sachfolgeschaden, sohin etwa der Ersatz des Produktionsausfalles (vgl. Achatz aaO, 62, Schauer, Einführung in das österreichische Versicherungsvertragsrecht2, 303). Bei der Ausklammerung "reiner" Vermögensschäden handelt es sich um eine Risikobegrenzung nach der Art des Schadens.

Es besteht wohl kein Zweifel, daß der Wasseraustritt aus dem geborstenen Rohr in einem ursächlichen Zusammenhang im Sinne der Adäquanztheorie mit der fehlerhaften Arbeitsausführung durch die klagende Partei steht. Richtig ist, daß Allgemeingüter wie Luft, fließendes Wasser oder Grundwasser regelmäßig nicht als Sachen im Sinn der §§ 285 ff ABGB angesehen werden; anders ist es hingegen, wenn diese allgemeinen Güter abgegrenzt und einer gesonderten wirtschaftlichen Verwendung zugeführt werden (vgl. Späte, aaO, 130 f). Dies liegt hier vor, weil der Zweck der Betriebstätigkeit der L***** Wasserversorgungsgesellschaft mbH in der entgeltlichen Zuführung von Trinkwasser an ihre Kunden besteht. Sie hat mit dem Austritt beträchtlicher Wassermengen durch das geborstene Rohr nichts anderes als einen Produktionsausfall erlitten, der in einem ursächlichen Zusammenhang mit der fehlerhaften Ausführung der Arbeit der klagenden Partei steht. Diesen unechten Vermögensschaden oder Sachfolgeschaden hat die beklagte Partei im Rahmen ihrer Deckungspflicht zu ersetzen. Nur am Rande bemerkt sei, daß Sachen, wenn sie im kausalen Zusammenhang mit einem Sachschaden vernichtet werden oder verlorengehen, ebenfalls von der Deckungspflicht des Versicherers umfaßt sind (vgl.Wussow aaO, 133 f).

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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