OGH 7Ob126/08t

OGH7Ob126/08t27.8.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei *****, vertreten durch Goldsteiner Strebinger Rechtsanwälte GmbH in Wiener Neustadt, gegen die beklagte Partei G*****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 29. Jänner 2008, GZ 21 R 2/08i-14, womit das Urteil des Bezirksgerichts St. Pölten vom 27. November 2007, GZ 6 C 831/07a-9, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 297,40 EUR (darin enthalten 49,56 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil nach der Judikatur unklar sei, wie der Versicherte die Durchführung eines vertraglich vereinbarten Schiedsgutachterverfahrens durchsetzen könne und ob es dem Versicherer anheim gegeben sei, ein solches Verfahren durch seinen einseitigen Widerstand scheitern zu lassen.

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO unzulässig. Die Entscheidung kann sich auf die Anführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die vom Berufungsgericht formulierte Rechtsfrage stellt sich im vorliegenden Fall aus nachstehenden Gründen nicht:

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass das in den ABS 1997 vorgesehene Schiedsverfahren zur Prüfung der Frage, ob zwischen 1. 7. 2006 mittags und 3. 7. 2006 frühmorgens in das Geschäft der Klägerin ein Einbruch stattgefunden habe, zuständig sei. Die Beklagte verweigere die Risikoabdeckung mit der Behauptung, es habe kein Einbruch stattgefunden. Sie habe die Einleitung eines Schiedsgutachterverfahrens zur Abklärung, ob ein Einbruchsdiebstahl stattgefunden habe, verweigert und die Leistung abgelehnt. In der letzten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung brachte die Klägerin vor, sie habe nunmehr zur Abwehr der drohenden Verjährung eine Leistungsklage eingebracht.

Art 11 der hier anzuwendenden ABS 1997 lautet:

„Sachverständigenverfahren

1. Jeder Vertragspartner kann verlangen, dass Ursache und Höhe des Schadens durch Sachverständige festgestellt werden. Die Feststellungen, die die Sachverständigen im Rahmen ihrer Zuständigkeit treffen, sind verbindlich, wenn nicht nachgewiesen wird, dass sie offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweichen.

2. Für das Sachverständigenverfahren gelten, soweit im Folgenden nichts Abweichendes bestimmt wird, die Bestimmungen der Zivilprozessordnung über Schiedsgerichte:

a) Jeder Vertragspartner ernennt einen Sachverständigen. Jeder Vertragspartner kann den anderen unter Angabe des von ihm gewählten Sachverständigen zur Ernennung des zweiten Sachverständigen schriftlich auffordern. Erfolgt diese Ernennung nicht binnen zwei Wochen nach Empfang der Aufforderung, wird auf Antrag des anderen Vertragspartners der zweite Sachverständige durch das für den Schadenort zuständige Bezirksgericht ernannt. In der Aufforderung ist auf diese Folge hinzuweisen. ..."

Richtig ist, dass die ABS zu Gunsten beider Parteien zum Zweck der Herbeiführung einer raschen und kostengünstigen Entscheidung ein fakultatives (RIS-Justiz RS0116382) Schiedsgutachterverfahren im Sinn des § 64 VersVG vorsehen. Die Einleitung des Schiedsgutachterverfahrens bewirkt, dass der Anspruch des Versicherungsnehmers in materiellrechtlicher Hinsicht grundsätzlich nicht fällig ist, solange das Verfahren nicht durchgeführt wurde (RIS-Justiz RS0081371 und RS0082250).

Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass der Versicherer auf die Einrede des Sachverständigenverfahrens verzichten kann, indem er dieses (nur fakultativ vorgesehene) nicht verlangt (RIS-Justiz RS0081393; 7 Ob 15/05i mwN). Ein solcher Verzicht kann auch schlüssig erfolgen und wurde immer dann angenommen, wenn der Versicherer - wie hier - die Versicherungsleistung endgültig ablehnt. In diesem Fall wird der Entschädigungsanspruch sofort fällig (7 Ob 15/05i mwN, RIS-Justiz RS0080481).

Die Klägerin hat auch zwischenzeitig, ohne im Sinn des Art 11 ABS gerichtliche Hilfe zur Einleitung des Schiedsgutachterverfahrens in Anspruch zu nehmen, gegen die Beklagte eine Leistungsklage erhoben. Damit ist aber ihr rechtliches Interesse an einem Schiedsverfahren jedenfalls erloschen, sodass sich die vom Berufungsgericht formulierte Rechtsfrage nicht stellt.

Abgesehen davon dient das Schiedsgutachterverfahren dazu, „einzelne Voraussetzungen des Anspruchs oder die Höhe des Schadens durch das Schiedsgutachterverfahren durch Sachverständige" feststellen zu lassen. Es obliegt ihm danach nicht die Gesamtbeurteilung, ob überhaupt ein Versicherungsfall vorliegt. Gegenstand des Schiedsgutachterverfahrens ist daher lediglich die einer oder mehreren Personen übertragene Aufgabe, einzelne Tatbestandselemente oder einzelne Tatsachen festzustellen (RIS-Justiz RS0045365, RS0080464). Schiedsgutachter entscheiden daher nicht, was zwischen den Parteien rechtens ist, sondern sie schaffen bloß die Grundlage für eine solche Entscheidung bzw Streitbereinigung zwischen den Parteien selbst (RIS-Justiz RS0045057). Die Frage, ob überhaupt ein Versicherungsfall vorliegt, ist von der Kompetenz des Schiedsgutachterverfahrens grundsätzlich nicht umfasst (RIS-Justiz RS0080449). Dies stimmt auch mit § 64 VersVG überein, nach dem das Schiedsgutachterverfahren nur die vereinbarten einzelnen Voraussetzungen des Anspruchs oder die Höhe abklären soll. Die von der Klägerin begehrte rein rechtliche Beurteilung, dass hier aufgrund nicht bestrittener äußerer Umstände (den Tatort umgebende Mauern, Zäune udgl, die überwunden worden seien) ein Einbruchsdiebstahl vorgelegen sei, wäre ohnehin einem Schiedsgutachten entzogen.

Es liegen also keine erheblichen Rechtsfragen zur Entscheidung vor. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO. Für die Kostenentscheidung ist von der Bewertung des Feststellungsbegehrens durch die Klägerin (1.000 EUR) auszugehen.

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