Spruch:
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil - mit Ausnahme der Aussprüche nach § 34 SMG und § 26 StGB - aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden - so die vom Erstgericht vorgenommene Subsumtion - Siegfried Z***** „der Verbrechen nach § 28 Abs 3 SMG" (gemeint offenbar § 28 Abs 3 erster Fall SMG aF; A/I), „der Verbrechen nach § 28 Abs 2 (4. Fall) SMG" (gemeint offenbar § 28 Abs 2 erster Fall SMG aF) „iVm § 15 StGB" (A/III), „der Vergehen nach § 27 Abs 1 (1., 2. und 6. Fall)" (gemeint offenbar: SMG aF; B/I), Andreas K***** „der Verbrechen nach § 28 Abs 2 (1. Fall) SMG" aF (A/II), „der Vergehen nach § 27 Abs 1 (1., 2. und 6. Fall) und Abs 2 Z 1 SMG" aF (B/II) und Florian J***** „der Verbrechen nach § 28 Abs 2 (1. Fall) SMG" aF schuldig erkannt.
Danach haben den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift
„A. in einer (mehrfach) großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG aF)
I. in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung gleichartiger Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, in Verkehr gesetzt und zwar
Siegfried Z***** im Zeitraum Oktober 2005 bis Sommer 2006 in Klagenfurt mindestens 535 Gramm Cannabiskraut mit einer Reinsubstanz von mindestens 20 Gramm THC (ca 31, 67 Gramm) an die abgesondert verfolgten Rudolf K***** (gewinnbringender Verkauf von ca 50 Gramm Cannabiskraut), Michael B***** (gewinnbringender Verkauf von ca 35 Gramm Cannabiskraut) und an Jürgen H***** (gewinnbringender Verkauf von ca 450 Gramm Cannabiskraut);
II. erzeugt und zwar
1. Andreas K***** und Florian J***** im Zeitraum Oktober 2006 bis 13. November 2006 in E***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbare Täter mindestens 806 Gramm Cannabiskraut mit einer Reinsubstanz von mindestens 20 Gramm (ca 82,7 Gramm) THC, indem sie die von Siegfried Z***** angesetzten Cannabissetzlinge ernteten und trockneten, bis zur Sicherstellung am 13. November 2006;
2. Andreas K***** als Alleintäter im November 2005 in G***** mindestens 30 Gramm Cannabiskraut, indem er Cannabissetzlinge einer Outdoor-Plantage aberntete, trocknete, bis zum Konsum;
III. zu erzeugen versucht, und zwar
Siegfried Z***** im Zeitraum Mai 2006 bis Herbst 2006 in Klagenfurt eine unbestimmte Menge Cannabiskraut, indem er in zwei Angriffen insgesamt 20 Cannabissetzlinge aussetzte, kultivierte, bis zur Erntereife aufzog, bis zur Aberntung durch Andreas K*****, Florian J***** und bisher unbekannten Personen;
B. außer den Fällen des § 28 SMG aF erworben, besessen und anderen überlassen, und zwar
I. Siegfried Z***** im Zeitraum 2000 bis Oktober 2006 in E*****, S*****, K*****, Klagenfurt und anderen Orten mindestens 1950 Gramm Cannabiskraut, welches er
1. von den abgesondert Verfolgten Alois S*****, Markus W*****, Rudolf K***** und Michael B***** kaufte;
2. teils konsumierte
3. teils anlässlich des wiederholten, teils gemeinschaftlichen Konsums unter anderem mit Manfred P***** und anderen Personen zur Verfügung stellte;
II. Andreas K***** im Zeitraum November 2005 bis August 2006 in Klagenfurt und anderen Orten unbestimmte Mengen Cannabiskraut, welches er
1. von bisher nicht näher bekannten Personen teils kaufte, teils unentgeltlich zur Verfügung gestellt erhielt;
2. teils selbst konsumierte;
3. teils anlässlich des wiederholten, teils gemeinschaftlichen Konsums unter anderem mit den abgesondert Verfolgten Sonja T***** (geboren am 24. Oktober 1988), Corinna K***** (geboren am 10. Februar 1989), Sascha P*****, Markus W***** und Sonja G***** unentgeltlich zur Verfügung stellte, wodurch er auch Minderjährigen den Gebrauch von Suchtgiften ermöglichte und selbst volljährig und mehr als zwei Jahre älter als die Minderjährigen war."
Rechtliche Beurteilung
Ein Eingehen auf die dagegen (zugunsten der Angeklagten) erhobene, auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, mit der in Betreff der zu A. (I-III) ergangenen Schuldsprüche ein Verstoß gegen § 61 StGB durch Subsumtion der inkriminierten Tathandlungen unter die jeweiligen Bestimmungen des SMG in der Fassung vor BGBl I 2007/110 gerügt wird, erübrigt sich. Der Oberste Gerichtshof hat sich nämlich bereits aus ihrem Anlass von amtswegen von - nicht geltend gemachter - mehrfach unrichtiger Anwendung des materiellen Strafrechts (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) zum Nachteil der Angeklagten überzeugt (§ 290 Abs 1 zweiter Satz [erster Fall] StPO).
Klarstellend ist zunächst anzumerken, dass das Erstgericht die zu A/I als erwiesen angenommenen Tatsachen im Erkenntnis - weil trotz Feststellung einer in Verkehr gesetzten Menge von „mindestens 20 Gramm THC (ca 31,67 Gramm)" (US 2 f, 9), bei welchem Wirkstoff die Grenzmenge bei 20 Gramm liegt, zudem irrig die Verwirklichung mehrerer Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG in Realkonkurrenz angenommen wurde, jeweils - zu Unrecht auch dem § 28 Abs 3 (zu ergänzen: erster Fall) SMG aF subsumiert hat. Da die Tatrichter nämlich zugleich die Strafe nach Abs 2 ausgemessen und dem Angeklagten in den Entscheidungsgründen ausdrücklich die Privilegierung des § 28 Abs 3 zweiter Satz SMG aF zugebilligt haben (US 16), wurde Siegfried Z***** gerade nicht auch des § 28 Abs 3 erster Fall SMG aF, vielmehr bloß (richtig:) eines Verbrechens nach § 28 Abs 2 (vierter Fall) SMG aF schuldig erkannt (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO; RIS-Justiz RS0116768). Die gewerbsmäßige Begehung der Taten stellt damit übrigens keinen den Strafsatz bedingenden Umstand (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), also keine entscheidende Tatsache dar (13 Os 100/04), weshalb das Fehlen entsprechender Feststellungen auf sich beruhen konnte.
Zu A/I, A/II und A/III hinsichtlich aller drei Angeklagten sowie in Betreff des Schuldspruchs des Angeklagten Andreas K***** wegen § 27 Abs 2 Z 1 SMG aF (B/II) fehlen jedoch jeweils Feststellungen zu den entscheidenden Tatsachen in Bezug auf die subjektive Tatseite, Tatsachen also, deren Konstatierung sowohl zur Subsumtion des Geschehens unter die im Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) - zufolge unreflektierter Übernahme der rechtlichen Kategorien der Anklageschrift trotz zwischenzeitigen Inkrafttretens des SMG idF BGBl I 2007/110 unter Außerachtlassung des § 61 StGB verfehlt (vgl dazu unten) - genannten strafbaren Handlungen als auch bei rechtsrichtiger Anwendung der entsprechenden Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes in der geltenden Fassung erforderlich gewesen wären.
Den diesbezüglichen Urteilsannahmen ist nämlich weder zu entnehmen, dass der Vorsatz der Angeklagten überhaupt auf die Inverkehrsetzung (A/I) und die (in Betreff des Erstangeklagten versuchte) Erzeugung (A/II und A/III) einer großen Suchtgiftmenge gerichtet war, noch ob ein die jeweilige Grenzmenge erreichendes Suchtgiftquantum durch einen Einzelakt oder mehrere Teilakte in Verkehr gesetzt (A/I; US 9; vgl zum Verkauf von 450 Gramm Cannabis an Jürgen H***** übrigens S 55 des Aktes) oder erzeugt (A/II; US 10 f) wurde. Mehrere, für sich allein die Grenzmenge nicht erreichende Suchtgiftquanten waren nämlich nach alter Rechtslage nur insoweit zu jeweils großen Mengen zusammenzurechnen, als der Wille (§ 5 Abs 1 StGB) des Täters von vornherein die kontinuierliche Begehung und den daran geknüpften Additionseffekt mitumfasste. Auf diese Weise konnte das Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG aF wie auch jenes nach dem ersten Fall dieser Bestimmung auch als tatbestandliche Handlungseinheit im Sinn einer fortlaufenden Tatbestandsverwirklichung begangen werden (15 Os 66/90; RIS-Justiz RS0112225). Wurde ein solcher Täterwille nicht als erwiesen angenommen, konnten derartige Einzelakte nur jeweils das Vergehen nach § 27 Abs 1 dritter, sechster oder siebter Fall SMG aF begründen.
Nichts anderes gilt für das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a SMG idgF in Bezug auf das Erreichen einer die Grenzmenge des § 28b SMG idgF übersteigenden Menge (vgl dazu den Einführungserlass des BMJ zur SMG-Novelle 2007, AZ BMJ-L703.040/0001-II 2/2008, Punkt B/2/e vorletzter Absatz; Schroll, RZ 2008, 92).
Ebensowenig ist dem Urteil zu entnehmen, dass Andreas K***** es zumindest ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, dass Sonja T***** und Corinna K***** zur Tatzeit noch minderjährig und mehr als zwei Jahre jünger waren als er (B/II/3), was aber sowohl für eine Subsumtion unter § 27 Abs 2 Z 1 SMG aF als auch - nach geltender Rechtslage - unter § 27 Abs 4 Z 1 SMG erforderlich gewesen wäre (Hinterhofer/Rosbaud SMG § 27 Rz 44).
Da die aufgezeigten Feststellungsmängel vom Obersten Gerichtshof nicht saniert werden können, die Durchführung einer neuen Hauptverhandlung sohin unumgänglich ist, war bereits in nichtöffentlicher Beratung mit der Kassierung der davon betroffenen Schuldsprüche (A/I, A/II, A/III und in Betreff der zu B/II/3 erfolgten Subsumtion auch unter § 27 Abs 1 Z 1 SMG aF) sowie - um eine allfällige gesetzlich gebotene Diversion zu eröffnen (§§ 35 Abs 1, 37 SMG) - auch der verbleibenden Schuldsprüche wegen § 27 Abs 1 SMG aF (B/I und B/II; § 289 StPO) und mit dem Auftrag zur Verfahrenserneuerung (§ 285e StPO) vorzugehen.
Mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung war die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.
Im zweiten Rechtsgang wird das Erstgericht - neben der Behebung der aufgezeigten Mängel - bei der Subsumtion des Tatgeschehens den zufolge Inkrafttretens des SMG in der Fassung BGBl I 2007/110 am 1. Jänner 2008 erforderlichen Günstigkeitsvergleich nach § 61 StGB anzustellen haben. Danach sind Strafgesetze auf vor ihrem Inkrafttreten begangene Taten grundsätzlich dann anzuwenden, wenn die Gesetze, die zur Zeit der Tat gegolten haben, für den Täter in ihrer Gesamtsauswirkung nicht günstiger waren.
Schon weil bei gleich gebliebener Strafdrohung der Unterschied zwischen § 28a Abs 1 SMG und der Vorgängerbestimmung des § 28 Abs 2 SMG aF abgesehen von der hier nicht relevanten Ergänzung um die Tathandlung des Anbietens - bloß darin begründet liegt, dass früher tatbildlich handelte, wer „ein Suchtgift in einer großen Menge (= § 28 Abs 6 SMG aF)" erzeugte, einführte, ausführte oder in Verkehr setzte, während nunmehr das Tatbild erfüllt, wer die Tat in Bezug auf „Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge" begeht (A/I, A/II), ist im Falle einer diesen Tatbeständen zu subsumierenden Handlung die alte Rechtslage nicht günstiger, auch wenn sich der Oberste Gerichtshof - wie der Vollständigkeit halber anzumerken ist - der von der Staatsanwaltschaft (ersichtlich unter Berufung auf den bereits oben zitierten Einführungserlass des BMJ) vertretenen Auffassung, wonach ein Täter auch bei mehrfachem Überschreiten der Grenzmenge des § 28b SMG insgesamt nur ein Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a SMG verwirklichen könne, nicht anzuschließen vermag (vgl dazu 12 Os 73/08i; Schroll, RZ 2008, 92; Kroschl, RZ 2008, 182).
Gewerbsmäßig handelnde Täter unterfallen nunmehr nur dann § 28a Abs 2 Z 1 SMG, wenn sie schon einmal wegen einer Straftat nach Abs 1 verurteilt worden sind, sodass sich bei dem - nach der Aktenlage bloß wegen § 16 SGG und § 27 Abs 1 SMG aF vorbestraften - Erstangeklagten die Frage nach dem bei Vorliegen der privilegierenden Umstände des § 28a Abs 3 zweiter Halbsatz iVm § 27 Abs 5 SMG günstigeren Gesetz gar nicht stellt (vgl zum anders gelagerten Fall eines bereits wegen § 28 Abs 2 SMG aF vorbestraften gewerbsmäßig handelnden Täters 13 Os 151/07s).
Zu den Schuldsprüchen A/II und A/III ist anzumerken, dass nach ständiger Rechtsprechung zur bisherigen Rechtslage das Erzeugen von Suchtgift als Oberbegriff für dessen Herstellung und Gewinnung bereits beim Anbau suchtgifthältiger Pflanzen (hier: Cannabispflanzen) einsetzte, damit (solcherart bereits ausführungsspezifisch) jeden Akt der Aufzucht bis zur Erntereife umfasste und demgemäß - bis zum Erreichen der entsprechend quantifizierten Erntereife als Versuch - § 28 Abs 2 erster Fall SMG aF zu unterstellen war (RIS-Justiz RS0108972, dort va 14 Os 142/02, 14 Os 100/04). Nunmehr wurde durch § 27 Abs 1 Z 2 bzw § 28 Abs 1 zweiter SatzSMG idgF der Anbau (auch) von Cannabispflanzen zum Zweck der Suchtgiftgewinnung gesondert unter Strafe und damit klargestellt, dass der Anbau nicht mehr als Versuchsbeginn des Erzeugens anzusehen ist (vgl den oben zitierten Einführungserlass des BMJ zur SMG-Novelle 2007, Punkt B/1/c; RV 301 BGBl Nr 23, GP 10 f). Gilt nämlich als „Anbau" etwa das „Aussetzen", „Anpflanzen", „Aufziehen", „Züchten" oder das „Kultivieren" von Suchtgiftpflanzen, aus denen erst nach Erlangung der Erntereife Suchtgift gewonnen werden kann (vgl dazu schon zur alten Rechtslage: Zenz in Hinterhofer/Rosbaud SMG § 6 Rz 24 ff, Hinterhofer ebendort § 27 Rz 27), bedarf es zur Beurteilung des Tatgeschehens als (versuchte) „Erzeugung" iSd § 28a Abs 1 erster Fall SMG nunmehr einer im Hinblick auf die „Gewinnung" von Suchtgift ausführungsnahen, im Falle von Cannabispflanzen also einer nach den Vorstellungen des Täters der Trennung der Cannabisblüten und des Cannabisharzes von Blättern und Stengeln, maW dem Abschneiden der Pflanzen unmittelbar vorangehenden Handlung.
Bei unveränderter Feststellungsgrundlage und Bejahung eines auf eine große Menge Suchtgift gerichteten Tätervorsatzes wäre demnach der Anbau von Cannabispflanzen durch den Erstangeklagten (A/III) mangels einer in Bezug auf die Erzeugung ausführungsnahen Handlung als Verbrechen der Vorbereitung des Suchtgifthandels nach § 28 Abs 1 zweiter Satz SMG, das (ohne Kenntnis des Siegfried Z***** erfolgte) bereits gelungene Abernten der Pflanzen durch den Zweit- und Drittangeklagten jedoch als (vollendetes) Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall SMG zu beurteilen.
Bei allen Angeklagten werden zudem im Falle der Konstatierung tatbestandlichen Handelns iSd § 28 Abs 1 SMG oder § 28a Abs 1 SMG im zweiten Rechtsgang die Voraussetzungen des § 28 Abs 4 erster Halbsatz SMG bzw § 28a Abs 3 erster Halbsatz SMG, jeweils iVm § 27 Abs 5 SMG (vgl dazu übrigens in Betreff des Erstangeklagten US 10 und hinsichtlich der beiden Mitangeklagten US 11: „für den Eigenkonsum") zu überprüfen sein. Weiters werden jedenfalls die erweiterten Diversionsbestimmungen der §§ 35, 37 SMG idgF zu beachten sein, die - bei sachverhaltsmäßigem Bejahen der dort normierten Kriterien - eine obligatorische Einstellung des Verfahrens auch bei Verbrechen nach §§ 28 und 28a Abs 1 vorsehen.
Ein Kostenausspruch nach § 390a StPO hatte zufolge Aufhebung des Urteils zu unterbleiben (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 7).
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