OGH 14Os73/08d

OGH14Os73/08d8.7.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Juli 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp und Hon.-Prof. Dr. Schroll sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Harammer als Schriftführer in der Strafsache gegen Bilal Efe C***** wegen Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Jugendschöffengericht vom 10. März 2008, GZ 9 Hv 170/07v-20, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die (angemeldete) Berufung wegen Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet. Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Bilal Efe C***** der Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (A) I.) sowie der Vergehen der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (A) II.) und der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 (B) und (C) schuldig erkannt.

Demnach hat er in Herzogenburg

A) ab Oktober 2006 bis Mitte März 2007 Tanja R***** und Jacqueline

D*****

I. mit Gewalt zur Duldung geschlechtlicher Handlungen genötigt, indem er sie in mehrfachen Angriffen pro Woche jeweils an den Handgelenken festhielt, gegen die Wand oder gegen einen Sessel drückte, mit dem Unterkörper Bewegungen gegen das Gesäß und gegen den Unterkörper der Mädchen vornahm und sie am Gesäß, an der Brust und zwischen den Beinen betastete;

II. durch die Äußerungen: „Wartet nur, bis ich euch sehe ...!" und „dass etwas passieren würde, wenn sie zum Direktor gehen", die Genannten durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von der Meldung der unter I. angeführten Handlungen an den Schuldirektor, zu nötigen versucht;

B) am 26. September 2007 Arslan G***** durch einen wuchtigen

Faustschlag in das Gesicht, wodurch sie einen Bruch des Kieferköpfchens, sohin eine an sich schwere Verletzung erlitt, vorsätzlich am Körper verletzt;

C) am 8. Dezember 2007 Kevin R***** durch einen Schlag ins Gesicht

vorsätzlich am Körper verletzt, wodurch dieser einen Nasenbeinbruch mit Dislokation der Bruchenden, sohin eine an sich schwere Verletzung, erlitt.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen aus den Gründen der Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl. In seiner die Schuldsprüche B) und C) betreffenden Mängelrüge (Z 5) vermisst der Angeklagte eine Begründung insbesondere zur Schwere der Verletzungen der Arslan G***** und des Kevin R*****, übersieht dabei jedoch, dass das Gericht bei der Verletzung der Erstgenannten - im Rahmen der Feststellungen - auf die Diagnose des Landeskrankenhauses St. Pölten verwiesen hat (US 7) und sich hinsichtlich der Verletzung des Zweitgenannten auf dessen Aussage stützte (US 15 ff), aus der sich - in Verbindung mit den Depositionen vor der Polizei (S 237 iVm S 193 f) - die Verschiebung der Bruchenden und damit die Schwere der Verletzung aus der Erforderlichkeit einer Operation ergibt. Ausgehend von den getroffenen Feststellungen zum Grad der Verletzungen bei den Zeugen Arslan G***** und Kevin R***** geht auch die Subsumtionsrüge (Z 10), die sich nicht an diesen Konstatierungen orientiert, ins Leere.

In seiner gegen den Schuldspruch A) I. gerichteten Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst der Angeklagte Feststellungen dahingehend, dass „Gewalthandlungen dazu eingesetzt worden sind, die zur unmittelbaren Geschlechtssphäre gehörenden Körperpartien der Zeuginnen zu berühren", und zur Intensität dieser Handlungen. Damit übergeht er aber die ohnedies getroffenen Konstatierungen, wonach er unter Einsatz nicht unerheblicher Körperkraft die Zeuginnen Tanja R***** und Jacqueline D***** trotz ihrer Ablehnung zur Duldung der festgestellten geschlechtlichen Handlungen nötigte (US 5 f; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581 ff). Welche darüber hinausgehenden Feststellungen das Erstgericht zu treffen gehabt hätte, vermag der Angeklagte ebenso wenig darzutun, wie weshalb das Drücken seines Unterkörpers gegen das Gesäß oder den Schambereich der Mädchen oder das - nach gezieltem Stoßen - erfolgte Betasten am Gesäß, an den Brüsten und zwischen den Beinen bloß eine flüchtige Berührung im Sinne eines in verschiedenen Lebensbereichen anzutreffenden ungewollten Berührungskontaktes und keine unzumutbare sozialstörende Rechtsgutbeeinträchtigung im Intimbereich darstellen solle (vgl RIS-Justiz RS0078135, RS0102141, RS0095733, RS0095739). Soweit der Angeklagte unsubstantiiert - und damit einer konkreten Erwiderung nicht zugänglich - „aushilfsweise ... all dies auch unter dem Gesichtspunkt eines Begründungsmangels im Sinn der Ziff. 5" geltend macht, ist er auf die ausführliche - insbesondere auf die Aussagen der Zeugen gestützte - Urteilsbegründung zu verweisen (US 9 ff).

Auch die den Schuldspruch A/II. betreffende Rechtsrüge (Z 9 lit a) hält nicht am konstatierten Sachverhalt fest, weil das Jugendschöffengericht ohnedies Feststellungen zur objektiven Eignung der gefährlichen Drohung getroffen (US 14 f) und die inkriminierten Handlungen erst ab Oktober 2006 (US 2), somit bereits nach Erreichen der Strafmündigkeit des am 19. September 1992 geborenen Angeklagten, angenommen hat.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Gleiches gilt für die angemeldete in der „vollen" Berufung miteingeschlossene Berufung wegen Schuld, weil ein solches Rechtsmittel gegen kollegialgerichtliche Urteile in den Verfahrensgesetzen nicht vorgesehen ist.

Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe (§ 285i StPO). Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

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