OGH 7Ob245/07s

OGH7Ob245/07s11.6.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Scherbaum / Seebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei M***** Handelsgesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 5.999,77 EUR sA (Revisionsstreitwert: 4.730,40 EUR sA), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 11. Juli 2007, GZ 53 R 157/07f-30, womit das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 23. Jänner 2007, GZ 12 C 189/06d-24, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 399,74 EUR (darin 66,62 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Der Zulässigkeitsausspruch wird damit begründet, dass „zum Gefahrenübergang beim zufälligen Untergang von gelieferten und anschließend zur Verbesserung retournierten Sachen" bisher keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.

Diese Frage stellt sich hier jedoch gar nicht; nach der übereinstimmenden Beurteilung der Vorinstanzen wurde der auf Bezahlung gelieferter und übergebener, im Zuge der Rücksendung zur Verbesserung jedoch verloren gegangener Ware (146 Tiefziehkoffer und 71 Hüllen) gerichteten Klage nämlich (auch) deshalb stattgegeben, weil Punkt IX. 3. der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Klägerin lautet wie folgt:

„Die Rüge der Mängel hat jedenfalls unverzüglich ab Entdecken des Mangels und schriftlich zu erfolgen. Besteht für uns eine Mängelbehebungspflicht, so können wir uns - soweit tunlich - die mangelhafte Ware oder deren mangelhaften Teil zwecks Verbesserung zusenden lassen oder die mangelhafte Ware oder deren mangelhaften Teil ersetzen.

...

Werden als mangelhaft gerügte Waren in unser Werk retourniert, so hat der Auftraggeber die Kosten und die Gefahr für Hin- und Rücktransport zu übernehmen."

Von diesen, im vorliegenden Fall anzuwendenden AGB ausgehend hat das Erstgericht die Klagsstattgebung damit begründet, dass die Gefahr bei der Beklagten „verblieben" sei, die der zufällige Untergang der „schadhaft retournierten Ware" treffe. Eine davon abweichende mündliche Vereinbarung hinsichtlich der Gefahrtragung sei nie getroffen worden. Dass bzw weshalb die zitierte Klausel sittenwidrig sein sollte, habe die Beklagte nicht vorgebracht. Auch von einer Bestimmung ungewöhnlichen Inhalts im Sinn des § 864a ABGB könne nicht gesprochen werden, weil sie hier im Geschäftsverkehr unter „Vollkaufleuten" anzuwenden und keine versteckte Klausel sei. Außerdem sei vom Vorbringen der Beklagten auch nicht umfasst, dass die Gefahrtragungsbestimmung nachteilig sei und die Beklagte damit nicht habe rechnen müssen.

Das Berufungsgericht hat sich der Beurteilung, dass die in den AGB enthaltene Gefahrtragungsregel Gegenstand des Kaufvertrags geworden sei, angeschlossen, das Klagebegehren jedoch zusätzlich (also „unabhängig von den vereinbarten AGB") auch deshalb als berechtigt beurteilt, weil die Gefahr für den zufälligen Untergang „jedenfalls" (schon nach der dispositiven Rechtslage) bei der Beklagten verblieben wäre.

Ob dies zutrifft, ist vom Obersten Gerichtshof - entgegen der Ansicht der Revisionswerberin - schon deshalb nicht weiter zu prüfen, weil sich ihre Rechtsmittelausführungen von der im Revisionsverfahren nicht mehr angreifbaren Tatsachengrundlage der angefochtenen Entscheidung entfernen, die keinen Hinweis auf eine von der genannten Klausel abweichende mündliche Vereinbarung hinsichtlich der Gefahrtragung enthält. Die Beklagte geht dennoch weiterhin davon aus, Punkt IX. der AGB gelte nicht für die Rücksendung, weil er durch eine „Spezialvereinbarung ersetzt" worden sei, in der die Parteien vom geregelten „Standardfall" abgegangen seien. Die Auslegung einer Vereinbarung im Einzelfall (hier: ob die AGB der Klägerin anlässlich eines Gesprächs über den Ort der Reparatur abbedungen wurden) stellt jedoch keine erhebliche Rechtsfrage dar, wobei eine Fehlbeurteilung der Vorinstanzen nicht zu erkennen ist.

Was hingegen die nunmehr geltend gemachte Sittenwidrigkeit (§ 879 Abs 3 ABGB) der mit dieser Klausel „vertraglich überbundenen Gefahrtragung" betrifft, wird verkannt, dass die Sittenwidrigkeit nicht von Amts wegen, sondern nur auf Einrede wahrzunehmen ist, wobei Tatsachen vorzubringen sind, die die Sittenwidrigkeit begründen (stRsp; RIS-Justiz RS0016435, RS0016446, RS0016452, RS0016453; Bollenberger in KBB² § 879 ABGB Rz 28). Die erst im Rechtsmittelverfahren erhobene Einwendung stellt somit eine unzulässige Neuerung dar, auf die nicht weiter einzugehen ist (RIS-Justiz RS0016441 [T1 und T2]; RS0016481; 7 Ob 224/02w; 9 ObA 125/05f).

Da auch die Frage der Unwirksamkeit von Klauseln nach § 879 Abs 3 ABGB nur auf Einwendung wahrgenommen wird (Bollenberger in KBB² § 879 ABGB Rz 28), stellt sich diese Frage hier also gar nicht, sodass darin ebenfalls kein tauglicher Grund für die Zulassung der Revision gelegen sein kann (7 Ob 215/05a mwN).

Mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision zurückzuweisen.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.

Stichworte