Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:
Das Klagebegehren,
1. die Beklagte sei bei sonstiger Exekution schuldig,
a) das Verbreiten der Behauptung, dass die klagenden Parteien bei Vertrieb des Produkts „K*****" nach dem Muster einer anderen Firma bei Vertrieb des Produkts „C*****" vorgehe und damit gezielt mit den körperlichen Beschwerden eines verzweifelten, unter schwersten Krankheiten leidenden Patienten, Profit schlage, oder einer Behauptung ähnlichen Inhalts zu unterlassen;
b) die mit Schreiben vom 21. 11. 2005 gegenüber der Firma B***** GmbH *****, aufgestellten unrichtigen Behauptungen laut Punkt a des Urteils gegenüber der Firma B***** GmbH ***** binnen vierzehn Tagen als unwahr zurückzunehmen;
2. es werde festgestellt, dass die beklagte Partei den klagenden Parteien für alle künftigen Schäden, die diesen aufgrund der unrichtigen Behauptungen im Schreiben an die Firma B***** GmbH *****, vom 21. 11. 2005 laut Punkt 1 a dieses Urteils entstehen, hafte, wird abgewiesen.
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 13.608 EUR (darin 1.882,72 EUR USt und 2.312,20 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Erstklägerin war zu Beginn des Jahres 2006 Geschäftsführerin der Zweitklägerin.
Die Zweitklägerin vertreibt das Nahrungsergänzungsmittel „K*****". In der zweiten Jahreshälfte 2005 erfolgte der Vertrieb in Filialen der B***** GmbH und über den Apothekengroßhandel. Die Bewerbung des Produkts erfolgte unter anderem in der Neuen Kronen Zeitung unter der Überschrift „Zuerst stirbt der Wald, dann der Mensch" mit folgenden Aussagen:
„Der saure Regen sorgte vor Jahren für Schlagzeilen, der 'saure Mensch' wird es in Zukunft tun." Es folgten Ausführungen über die Auswirkungen einer Übersäuerung auf den menschlichen Organismus und was man dagegen tun könne, nämlich „[die Zweitklägerin] hat mit K***** ein einzigartiges Nahrungsergänzungsmittel auf den Markt gebracht, welches mit seinem hochwertigen Korallenkalzium den Säuren-Basen-Haushalt ins Lot bringt.
Wer sollte K***** nehmen?
- bei körperlichem und physischem Stress
- Frauen in den Wechseljahren
- bei schlechter und unausgewogener Ernährung
- generell als Vorsorge ab dem 30. Lebensjahr zu empfehlen" Zwischen September und November 2005 bewarb die Zweitklägerin das Nahrungsergänzungsmittel auch auf ihrer Website wie folgt:
„Alle kennen das Gefühl: Stress, zu wenig Bewegung, falsche Ernährung, Lustlosigkeit ... Meist sind dies alles Zeichen von Übersäuerung und man kann diesem Kreislauf nur schwer entrinnen, denn dies würde eine Umstellung der ganzen Lebensgewohnheiten bedeuten. K***** bringt die Lösung: Es besteht aus hochwertigem Korallenpulver der Okinavakoralle, reich an Kalium, Magnesium und Kalzium und hat in zahlreichen Testreihen bewiesen, wie man sich den vielfältigen Ausprägungen der Übersäuerung wirksam entziehen kann."
Der Internetauftritt der Zweitklägerin enthielt damals im Zusammenhang mit der Bewerbung des Produkts keinen Zusatz zur Klärung des Begriffs Testreihen. Die Zweitklägerin wies auch nicht darauf hin, dass sich diese Testreihen nicht auf ihr Produkt beziehen und dass sie nicht von ihr durchgeführt wurden.
In einem Schreiben vom 15. 11. 2005 teilte der Beklagtenvertreter Rechtsanwalt Dr. Stefan Schoeller den Klägern namens des Beklagten mit, dieser habe über einen Zeitraum von zwei Monaten das in B*****-Filialen erworbene Produkt „K*****" eingenommen. Mit Rücksicht auf die Bewerbung im Internet, wonach dessen Wirksamkeit „in zahlreichen Testreihen bewiesen" sei, fordere er die Kläger auf, dem Beklagten diese Testreihen bis zum 21. 11. 2005 zu seinen Handen zu übermitteln. Nachdem dies nicht geschehen war, wandte sich der Beklagtenvertreter mit Schreiben vom 21. 11. 2005 namens des Beklagten an die Geschäftsleitung der B***** GmbH. Er teilte mit, der Beklagte habe sich an ihn gewendet, weil er seit zwei Monaten das Produkt „K*****" der Packungsempfehlung entsprechend einnehme, um damit seine Migränebeschwerden zu bekämpfen. Dieses Produkt sei bereits mehrfach in der Österreichausgabe der „Neuen Kronen Zeitung" mit einer ausdrücklichen Empfehlung zur Anwendung bei Migränebeschwerden und einem Hinweis auf den Exklusivvertrieb über alle B*****-Filialen beworben worden. Sein Mandant habe die Produkte auch dort erworben. Die hervorragende Wirkung von „K*****" werde überdies im Internet unter Berufung auf zahlreiche Testreihen behauptet, wobei auch in diesem Zusammenhang auf den Vertrieb durch B***** hingewiesen werde. Trotz Einnahme in der beschriebenen Weise habe sich die Migräne beim Beklagten nicht nur nicht verbessert, es sei subjektiv sogar zu einer Verschlechterung seines Leidensbildes gekommen. Nach Einnahme über eine Dauer von zwei Monaten habe er überdies erste Anzeichen chronischer Durchfälle gezeigt. Wörtlich hieß es in diesem Schreiben weiter
„Vor diesem Hintergrund hat nun mein Mandant vor wenigen Tagen den in Fotokopie beiliegenden Artikel in der Zeitschrift 'N*****' gelesen. Dem Artikel ist zu entnehmen, dass die dort genannte Frau Sabine K***** nicht nur im Zusammenhang mit der Firma steht, die seinerzeit 'C*****' vertrieben hat, sondern auch Geschäftsführerin der [Zweitklägerin] ist, die den Vertrieb von 'K*****' an ihr geschätztes Unternehmen besorgt.
Ich habe namens meines Mandanten [die Zweitklägerin] ersucht, einen Einblick in die 'zahlreichen Testreihen' zu gestatten; [die Zweitklägerin] hat darauf erwartungsgemäß nicht reagiert. Auf Basis der Information des Artikels entsteht nun für meinen Mandanten der Eindruck, dass auch im Fall von 'K*****' nach dem Muster von 'C*****' gezielt mit den körperlichen Beschwerden eines verzweifelten, unter schwersten Krankheiten leidenden Patienten Profit geschlagen wird. Dieser Eindruck wird auch durch die höchst emotionale Werbungsüberschrift 'Zuerst stirbt der Wald, dann der Mensch' bestätigt."
Der Beklagtenvertreter forderte in der Folge die B***** GmbH auf, sich dafür einzusetzen, dass dem Beklagten die „zahlreichen Testreihen" übermittelt werden und auch von der B***** GmbH die Richtigkeit der in der Werbung behaupteten Wirkungen (Allergien, Arteriosklerose, Diabetes, Magen-Darm-Geschwüre, Migräne, Muskelverhärtungen) vor dem Hintergrund der fehlenden wissenschaftlichen Ergebnisse einer kritischen Würdigung unterzogen wird. Sollte der Beklagte insgesamt keine befriedigenden Auskünfte erhalten, werde er sich bemühen, gegen diese Art der Werbung und Vertrieb Unterstützung durch einen Schutzverband bzw einer breiteren Öffentlichkeit zu erhalten.
Der Beklagtenvertreter schloss seinem Schreiben eine Kopie des am 11. 11. 2005 in der Nummer 18 der Zeitschrift „N*****" erschienenen Artikels an. Er hatte nachstehenden Inhalt:
„Falsches Spiel mit kranken Menschen
Immer mehr ausländische Firmen entdecken Österreich als Spielwiese für ihre zweifelhaften Geschäfte. Ein besonders dreistes Beispiel, wie unter Vorspiegelung von falschen Tatsachen, erfundenen Ärzten, erfundenen Kliniken und nicht existenten Testreihen mit höchst positivem Ergebnis schwerkranken, verzweifelten Menschen das Geld aus der Tasche gelockt wird, ist die Firma H***** Ltd. mit Sitz in London.
Bereits im Februar dieses Jahres brachte diese Firma ein Produkt namens 'C*****' auf den Markt, das gegen Rheuma, Rachitis, Neurodermitis, Arthrose, Arthritis, Bluthochdruck, ja sogar bis zu Krebserkrankungen Hilfe versprach. In doppelseitigen Anzeigen in der auflagenstärksten österreichischen Tageszeitung wurden nun frei erfundene Ärzte (wie zB die Rheumatologin Fr. Dr. Elisabeth K***** aus Deutschland) vorgestellt, die in angeblich höchst positiv verlaufenen Testreihen (80 Prozent der Erfolgsquote) 250 Patienten behandelte. Nach genauen Recherchen des Vereines zur Förderung wahrer gesundheitsbezogener Werbung stellte sich heraus, dass alle Ärzte, Kliniken und Testreihen frei erfunden wurden! Der Konsument wurde somit wissentlich getäuscht.
'Interessante' Firmenkonstruktionen
E-Mails von Konsumentenseite an das Bundesministerium für Generationen, Abteilung Konsumentenschutz, brachten keinen Erfolg, diese Anfragen wurden nicht einmal beantwortet. Ein Großhandelsunternehmen mit den Rechercheergebnissen konfrontiert, war ebenfalls nicht bereit, das Produkt 'C*****' aus seinem Angebot zu nehmen - obwohl damals bekannt war, dass alle diese Behauptungen frei erfunden sind. Die Gründe für diese Ignoranz liegen auf der Hand, denn die wirtschaftliche Dimension ist eine gewaltige: Es ist davon auszugehen, dass von diesem Produkt, das noch immer in allen Apotheken Österreichs verkauft wird, bis heute 30.000 bis 35.000 Stück verkauft wurden. Die Umsätze belaufen sich allein mit diesem Produkt auf ca. 2 Millionen Euro. Abgewickelt werden die Geschäfte durch die H***** (UK) Ltd., die an einer Briefkastenadresse in London residiert und als Hersteller und Vertreiber von Produkten wie 'C*****', 'C*****' und 'S*****' auftritt.
Hinter dem Unternehmen steht jedoch das Geschwisterpaar K***** aus V***** in Oberösterreich, wobei Sabine K***** als Geschäftsführerin mittels der [Zweitbeklagten] auch Produkte für B***** und D***** vertreibt. Sämtliche Vorarbeiten zur Produkteinführung wie Listung beim Großhandel, Werbung etc. werden von Österreich aus betrieben, lediglich die Rechnung an den Pharmagroßhandel kommt aus England. Somit fließen alle Erlöse aus dem Verkauf nach England. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Nun fragt man sich als Leser und Konsument: Wie ist das möglich? Wie können unter Vorspiegelung von falschen Tatsachen, erfundenen Ärzten, Kliniken und Testreihen medizinisch völlig wertlose Produkte teuer an verzweifelte, kranke Menschen verkauft werden, um damit Millionen zu scheffeln? Die zuständigen Ministerien, die Apothekerkammer und der Pharmagroßhandel wissen davon, und trotzdem geht der Verkauf ungehindert weiter!
Erfreulicherweise sind die nachgewiesenen unwirksamen Inhaltsstoffe nicht gesundheitsschädlich. Unter dem Motto, wer's kauft, ist selber schuld, wird munter weiter beworben. Meist allerdings sind die Käufer dieser Produkte, die gezielt mit Berichten über wundersame Heilungserfolge angepriesen werden, bereits in einer schlimmen Lage und neigen in ihrer Verzweiflung dazu, diesen Berichten Glauben zu schenken.
Es ist zu hoffen, dass eine eingebrachte Sachverhaltsdarstellung wegen des Verdachts betrügerischer Handlungen bei der Staatsanwaltschaft Graz gegen besagtes Geschwisterpaar aus V***** diesem Treiben endlich ein Ende setzt. Es wäre höchste Zeit aufzuzeigen, dass man nicht so einfach die Verzweiflung von kranken Menschen ausnutzen und mit deren Hoffnung auf Heilung Geschäfte machen kann."
Die Kläger begehren, dem Beklagten die Verbreitung der Behauptung (oder ähnlicher Behauptungen) zu untersagen, sie würden beim Vertrieb des Produkts „K*****" nach dem Muster einer anderen Firma bei Vertrieb des Produkts „C*****" vorgehen und damit gezielt mit den körperlichen Beschwerden eines verzweifelten, unter schwersten Krankheiten leidenden Patienten Profit schlagen. Sie begehren ferner Widerruf gegenüber B***** und Feststellung der Haftung des Beklagten für alle künftigen Schäden, die den Klägern aufgrund der unrichtigen Behauptung entstünden. Die im Schreiben an B***** enthaltenen Behauptungen seien unrichtig und geeignet, Erwerb, Fortkommen und Kredit der Kläger zu gefährden. Der Beklagte unterstelle ihnen ein strafrechtlich relevantes, zumindest aber grob unlauteres Verhalten. Auch die Äußerung eines bloßen Verdachts, der auf entsprechende Tatsachen schließen lasse, sei eine Verbreitung von Tatsachen im Sinn des § 1330 ABGB. Der Beklagte müsse die Aussagen seines Rechtsvertreters gegen sich gelten lassen. Die Kläger hätten sowohl Anspruch auf Widerruf der tatsachenwidrigen Behauptungen gegenüber B***** als auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Haftung des Beklagten für künftige Schäden.
Der Beklagte beantragte Klageabweisung. Die beanstandete Äußerung sei im Zitat aus der Zeitschrift „N*****" und durch das Recht der freien Meinungsäußerung gedeckt. Das ihm zugerechnete Schreiben seines Rechtsanwalts enthalte die wertende, im Kern wahre Meinungsäußerung, dass auch die Kläger bei Vertrieb ihres Produkts in kritikwürdiger und den Patienten täuschender Weise vorgingen. Die Kläger hätten nämlich mehrfach damit geworben, dass die Wirksamkeit ihres Nahrungsergänzungsmittels „in zahlreichen Testreihen" erwiesen sei und dass es bei Migräne helfe. Beides sei erwiesenermaßen nicht der Fall. Es existierten weder die in der Werbung angeführten „zahlreichen Testreihen", noch wirke „K*****" in der beworbenen Weise. Der Beklagte habe sich mit dem Ersuchen um Übermittlung der Testreihen zunächst an die Kläger gewendet. Erst nachdem er von ihnen keine Information erhalten habe, sei er an B***** herangetreten, um Unterstützung zu erhalten. Seine im Schreiben an B***** enthaltenen Behauptungen seien wahr, jedenfalls aber als Kritik an gesundheitsbezogener Werbung zulässig.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren vollinhaltlich statt. Es stellte noch fest, dass Testreihen in Bezug auf das Produkt „K*****" nicht existierten, und die Kläger solche auch nicht hatten durchführen lassen.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht die beanstandete Äußerung als ehrverletzende und - aus Wertungen abzuleitende - kreditschädigende Tatsachenbehauptung. Sie sei nach dem Sachverhalt auch unwahr, weil der Werbeauftritt der Kläger nicht jenem für das Produkt „C*****" entspreche. Die Kläger hätten zwar (auch) in irreführender Weise mit Testreihen geworben, nicht aber - wie „C*****" - auch mit erfundenen Ärzten und Kliniken und unter Vorspiegelung sonstiger falscher Tatsachen. Die unwahre Tatsachenbehauptung des Beklagten sei durch das Recht der freien Meinungsäußerung nicht gedeckt. Sein Schreiben enthalte nicht bloß ein Zitat, er identifiziere sich vielmehr mit dessen Inhalt. Die Kläger hätten somit Anspruch auf Unterlassung und Widerruf der unwahren kreditschädigenden Tatsachenbehauptung. Es bestehe die konkrete Gefahr eines Schadenseintritts, sodass auch das Feststellungsinteresse bejaht werde.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig sei. Der Beklagte habe Tatsachen - wenngleich in Verdachtsform - verbreitet und sich mit dem seinem Schreiben angeschlossenen Artikel identifiziert. Seine Behauptung sei ehrverletzend und kreditschädigend. Sie sei nach dem Sachverhalt auch unwahr, weil der Werbeauftritt der Kläger nicht jenem für das Produkt „C*****" entspreche. Demnach sei auch der Vorwurf des Beklagten, die Kläger gingen beim Vertrieb ihres Produkts nach dem Muster einer anderen Firma vor und wollten damit gezielt schwerkranken, verzweifelten Menschen das Geld aus der Tasche locken, wahrheitswidrig. Einen Anspruch auf Ausfolgung von Testreihen habe der Beklagte nicht gehabt. Somit habe auch kein Anlass für ihn bestanden, sich an B***** zu wenden, geschweige denn, den Klägern ein strafrechtlich relevantes, zumindest aber grob unlauteres Verhalten beim Vertrieb ihres Produkts vorzuwerfen. Es sei ihm offenbar nur darum gegangen, die Kläger grob geschäftsschädigend herabzusetzen. Die Unrichtigkeit des Vorwurfs sei ihm auch bekannt gewesen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Beklagten ist zulässig, weil das Berufungsgericht die der Rechtsprechung des EGMR folgende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptung und Werturteil und zum Recht der freien Meinungsäußerung unrichtig angewendet hat. Das Rechtsmittel ist auch berechtigt.
1. § 1330 ABGB schützt die Ehre von Personen und ihren Ruf. § 1330 Abs 1 ABGB erfasst Ehrenbeleidigungen, die zugleich Tatsachenbehauptungen sein können; Abs 2 erfasst hingegen nur unwahre rufschädigende Tatsachenbehauptungen, nicht jedoch Werturteile. Eingriffe in das absolut geschützte Persönlichkeitsrecht auf Ehre können durch das verfassungsrechtlich gewährleistete Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gerechtfertigt sein. Bei Kollision der widerstreitenden Rechte ist eine umfassende Interessenabwicklung vorzunehmen. Den Interessen des Klägers am Rechtsgut der Ehre sind die Interessen des Äußernden und diejenigen der Allgemeinheit gegenüberzustellen (SZ 64/36; 6 Ob 321/04f; 6 Ob 79/07x). Bei der Interessenabwägung kommt es auf die Art der eingeschränkten Rechte, die Schwere des Eingriffs, die Verhältnismäßigkeit zum verfolgten Zweck, den Grad der Schutzwürdigkeit dieses Interesses, aber auch auf den Zweck der Meinungsäußerung an (SZ 61/210). Diese Kriterien sind für die Abgrenzung zwischen ehrenbeleidigender Rufschädigung einerseits und zulässiger Kritik und Werturteil andererseits entscheidend. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrecht auf freie Meinungsäußerung in einer demokratischen Gesellschaft ein hoher Stellenwert einzuräumen. Solange bei wertenden Äußerungen die Grenzen zulässiger Kritik nicht überschritten werden, kann auch massive, in die Ehre eines anderen eingreifende Kritik, die sich an konkreten Fakten orientiert, zulässig sein (6 Ob 93/98i = SZ 71/96 mwN; 6 Ob 321/04f; 6 Ob 79/07x; RIS-Justiz RS0054817). Selbst überspitzte Formulierungen und massive Kritik sind hinzunehmen, soweit kein massiver Wertungsexzess vorliegt (stRsp 6 Ob 159/06k; 6 Ob 250/06t; 6 Ob 79/07x).
2. Der EGMR legt zugunsten des Rechts auf freie Meinungsäußerung in der Diskussion von Fragen allgemein-öffentlichen Interesses einen großzügigen Beurteilungsmaßstab an. Er steckt die Grenzen zulässiger Kritik nicht nur an Politikern, sondern auch an Privatpersonen, die sich zu Themen allgemeinen Interesses öffentlich äußern, weiter als dies sonst bei Privatpersonen der Fall ist (zuletzt EGMR 25. 1. 2007 - Arbeiter gegen Österreich). Sie müssen einen höheren Grad an Toleranz vor allem dann zeigen, wenn sie selbst in der Öffentlichkeit Äußerungen tätigen, die geeignet sind, Kritik auf sich zu ziehen (6 Ob 245/04d; 6 Ob 79/07x). Diese Grundsätze sind auch auf gesundheitsbezogene Werbeaussagen in öffentlichen Medien anzuwenden.
3. Ob durch eine Äußerung Tatsachen verbreitet werden oder eine wertende Meinungsäußerung vorliegt, richtet sich nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck für den unbefangenen Durchschnittsadressaten (stRsp RIS-Justiz RS0031883). Gleiches gilt für die Frage, welcher Bedeutungsinhalt der Äußerung entnommen wird. Sie ist so auszulegen, wie sie von den angesprochenen Verkehrskreisen - hier die Repräsentanten jenes Unternehmens, das die Produkte der Kläger vertreibt - bei unbefangener Auslegung verstanden wird (stRsp RIS-Justiz RS0031815 und RS0115084). Wesentlich ist, ob sich ihr Bedeutungsinhalt auf einen Tatsachenkern zurückführen lässt, der einem Beweis zugänglich ist, sodass sie nicht nur subjektiv angenommen oder abgelehnt, sondern als richtig oder falsch beurteilt werden kann (6 Ob 295/03f = MR 2005, 371; 6 Ob 250/06t; 6 Ob 79/07x). Auch der EGMR unterscheidet zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteil und misst bei der Beurteilung der Grenzen der Meinungsäußerungsfreiheit die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs im Zusammenhang mit Werturteilen am Vorhandensein eines ausreichenden und richtigen Tatsachensubstrats (MR 2005, 86; MR 2005, 465). Zu prüfen ist daher, ob die notwendige Tatsachenbasis für einen wertenden Vorwurf vorliegt, weil auch ein Werturteil ohne unterstützende Tatsachengrundlage exzessiv sein kann (6 Ob 250/06t; 6 Ob 79/07x).
4. Wendet man diese Grundsätze im vorliegenden Fall an, so sind die Begehren der Kläger nicht berechtigt.
Die beanstandete Formulierung findet sich in einem Schreiben des Beklagtenvertreters an die Repräsentanten jenes Unternehmens, das das Produkt der Zweitklägerin vertreibt. Es ist davon auszugehen, dass diese Vertriebsgesellschaft die Werbung der Kläger kannte und wusste, für welchen Anwendungsbereich „K*****" empfohlen wird, und dass die Werbung der Kläger auf „zahlreichen Testreihen" hinweist. Betrachtet man den Inhalt des an sie gerichteten Schreibens in seinem Gesamtzusammenhang, so konnten die Empfänger nachstehende - dem Sachverhalt nach auch richtige - Behauptungen entnehmen:
Die Erstklägerin sei auch Geschäftsführerin jenes Unternehmens gewesen, das zuvor das Produkt „C*****" in Verkehr gebracht habe, sie bringe nun mit dem Unternehmen der Zweitklägerin das Produkt „K*****" in Verkehr. Beide Produkte würden insoweit gleich beworben, als die Werbung auf Testreihen verweise. Das Produkt der Kläger wirke beim Beklagten nicht so wie in der Werbung versprochen, der Beklagte habe trotz Aufforderung keine Information der Kläger über die Testreihen erhalten.
Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen bringt das Schreiben jedoch weder zum Ausdruck, dass die Kläger unter Vorspiegelung erfundener Ärzte und/oder erfundener Kliniken für „K*****" warben, noch enthält es die Behauptung, dass die Testreihen nicht existierten. Vielmehr ersuchte der Verfasser des Schreibens B*****, sich dafür einzusetzen, dass die Testreihen übermittelt und die in der Werbung behaupteten Wirkungen einer kritischen Würdigung unterzogen werden, weil die Kläger bisher auf sein Ersuchen nicht reagiert hätten und das Mittel beim Beklagten nicht so wirke, wie angekündigt. Von einer unrichtigen Tatsachenbehauptung kann insoweit keine Rede sein.
Soweit die Empfänger den Ausführungen im Zusammenhang mit dem beigelegten Artikel aus der Zeitschrift „N*****" vom 15. 11. 2005 entnehmen konnten, dass der Beklagte das Vorhandensein der beworbenen Testreihen bezweifelte, so handelt es sich dabei um eine wertende Meinungsäußerung, die der Verfasser im Schreiben selbst damit begründet, dass die Kläger seinem Ersuchen um Übermittlung der Testergebnisse nicht nachgekommen seien. Auch der Passus, nach Kenntnis des Artikels in der Zeitschrift „N*****" entstehe für den Beklagten der Eindruck, es werde gezielt mit den körperlichen Beschwerden verzweifelter, unter schwersten Krankheiten leidender Patienten Profit geschlagen, ist aus seinem Gesamtzusammenhang nicht Tatsachenbehauptung, sondern wertende Meinungsäußerung. Aus dem Gesamtzusammenhang des Schreibens ergibt sich nämlich eindeutig, worauf der Beklagte diese Äußerung seiner persönlichen Meinung gründet: Nämlich auf die Personenidentität der Geschäftsführer beider Unternehmen und den Umstand, dass auch die Kläger mit Testreihen werben, eine entsprechende Auskunft darüber dem Beklagten aber trotz seiner Anfrage nicht zukommen ließen. Dieser seiner kritischen Meinungsäußerung zugrundeliegende Tatsachenkern ist richtig. Die Mitteilung der eigenen wertenden Meinung an jenes Unternehmen, das das Produkt der Kläger vertreibt, ist auch keineswegs exzessiv. Wird ein Nahrungsergänzungsmittel zur Behandlung von Krankheiten unter Hinweis auf Testreihen öffentlich beworben, so muss es dem Anwender dieses Mittels erlaubt sein, sich gegenüber jenem Unternehmen, das den Vertrieb des Produkts vornimmt, kritisch über dessen Wirksamkeit zu äußern, und zwar insbesondere dann, wenn er von den Klägern eine entsprechende Information über die in der Werbung behaupteten Testreihen nicht erhält und deshalb an der Richtigkeit der Werbeaussage zweifeln durfte. Seine auf dem im Schreiben geschilderten Sachverhalt aufbauende Wertung beruht auf einem richtigen Tatsachenkern und überschreitet die Grenzen zulässiger, durch das Recht der freien Meinungsäußerung gedeckten Kritik nicht.
5. Der Revision des Beklagten war Folge zu geben und die Begehren der Kläger in Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen zur Gänze abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.
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