OGH 10ObS55/08y

OGH10ObS55/08y27.5.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Hon.-Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Thomas Neumann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Eva-Maria Florianschütz (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Helga K*****, kaufmännische Angestellte, *****, vertreten durch Dr. Ferdinand Rankl, Rechtsanwalt in Micheldorf, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, wegen Berufsunfähigkeitspension, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. März 2008, GZ 11 Rs 24/08 s-21, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die am 29. 5. 1953 geborene Klägerin hat im Jahr 1968 eine Lehre zur Einzelhandelskauffrau begonnen und im Oktober 1968 abgebrochen. Von Februar 1969 bis Juni 1991 war sie - mit Unterbrechungen - als Hilfsarbeiterin, als Portierin, als Verkäuferin in einer Tabaktrafik und als Serviererin in einem Café tätig. Seit August 1991 ist sie in einem Kaufhaus als Hauptkassiererin an einer Sammelkasse mit Scanner teilzeitbeschäftigt. Sie hat auch Regale zu betreuen und ist - zu etwa 30 bis maximal 40 % ihrer Gesamtarbeitszeit - für den Einkauf, die Preisgestaltung und die Retouren diverser Waren zuständig (Süßwaren, Zeitschriften, Büro- und Schulartikel).

Unter Zugrundelegung des verbliebenen Leistungskalküls sind der Klägerin die bisher ausgeübte Tätigkeit als Kassiererin und eine Tätigkeit als Verkäuferin nicht mehr möglich. Sie könnte noch einfachste Bürotätigkeiten, etwa Tätigkeiten in einer innerbetrieblichen Briefpoststelle oder Bürohilfsarbeiten im engeren Sinn verrichten (Belege ordnen und sortieren, Archiv- und Registraturarbeiten). Die Klägerin hat zwar beruflich nie am Computer gearbeitet, jedoch im privaten Bereich eine gewisse Erfahrung am Computer erworben. Aufgrund ihrer kognitiven Fähigkeiten wäre sie in der Lage, sich innerhalb einiger Wochen bis Monate einfache EDV-Kenntnisse anzueignen.

Das Erstgericht wies das auf Gewährung der Berufsunfähigkeitspension ab dem Stichtag 1. 10. 2006 gerichtete Klagebegehren - im Hinblick auf die Verweisbarkeit der in der Beschäftigungsgruppe 3 des Kollektivvertrags für die Handelsangestellten tätigen Klägerin auf Tätigkeiten der kollektivvertraglichen Beschäftigungsgruppe 2 - ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die Revision im Hinblick auf die Einzelfallbezogenheit nicht zu. Die vom Erstgericht vorgenommene Einstufung der bisherigen Tätigkeit der Klägerin in die Beschäftigungsgruppe 3 sei nicht zu beanstanden; eine Ausübung der möglichen Verweisungstätigkeiten, die in die Beschäftigungsgruppe 2 einzureihen sei, sei zumutbar, weil zum einen mit der bisherigen Tätigkeit keine besondere Verantwortung verbunden gewesen sei und sich die Klägerin auch mit den Verweisungstätigkeiten ihren Berufsschutz erhalte.

In der Zulassungsbeschwerde wird als erhebliche Rechtsfrage releviert, (a) ob die Verweisung innerhalb derselben Berufsgruppe erfolgt ist und (b) ob aufgrund der verantwortlichen, in die Beschäftigungsgruppe 4 einzuordnenden Tätigkeit der Klägerin eine Verweisung auf einfachste Tätigkeiten einen unzumutbaren sozialen Abstieg bedeute.

Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 10 ObS 56/05s ausgeführt, dass ein Versicherter nicht auf eine Tätigkeit verwiesen werden darf, durch deren Ausübung er den Berufsschutz nach § 273 ASVG verlieren würde (10 ObS 111/91 = SZ 64/44 = SSV-NF 5/45 mwN; 10 ObS 79/01t; RIS-Justiz RS0083742, RS0084837). Verlangen nämlich die möglichen Verweisungstätigkeiten keine ähnliche Ausbildung und keine gleichwertigen Kenntnisse und Fähigkeiten wie die zuletzt ausgeübte Tätigkeit, seien sie schon nicht derselben Berufsgruppe zuzurechnen. Eine Berufsgruppe ist nach der Rechtsprechung dadurch charakterisiert, dass die darin enthaltenen Berufe eine ähnliche Ausbildung und gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten verlangen. Das Abstellen auf eine „ähnliche Ausbildung" und „gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten" impliziert, dass für die Beurteilung möglicher Verweisungsberufe keineswegs eine gleiche Ausbildung und gleiche Kenntnisse und Fähigkeiten maßgeblich sind (10 ObS 402/02v = SSV-NF 17/9). In die Berufsgruppe einer der kollektivvertraglichen Beschäftigungsgruppe 3 zugehörigen Einzelhandelskauffrau wären beispielsweise auch einfache Ein- und Verkaufstätigkeiten einzureihen, die ihrer Wertigkeit nach der Beschäftigungsgruppe 2 angehören. In der Entscheidung 10 ObS 95/07d hat der Oberste Gerichtshof die Verweisbarkeit eines in die kollektivvertragliche Beschäftigungsgruppe 2 oder 3 einzureihenden Außendienstmitarbeiters auf der Beschäftigungsgruppe 2 zugehörende einfache Angestelltentätigkeiten im Postein- und -auslauf bejaht (ebenso 10 ObS 93/06h). Ungeachtet des Umstands, dass es sich bei einer solchen Tätigkeit um eine sehr einfache Bürotätigkeit handelt, die nach einer kurzen Einschulungszeit verrichtet werden kann und keine vorausgehende Ausbildung erfordert, ist sie nach der kollektivvertraglichen Einordnung als Angestelltentätigkeit zu qualifizieren.

Dem steht auch nicht die Entscheidung 10 ObS 186/06k entgegen, der zugrunde lag, dass die dortige Versicherte den Beruf einer Einzelhandelskauffrau erlernt und qualifizierte Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hatte, die in einem möglichen Verweisungsberuf verwertbar sein mussten, um diesen Beruf in dieselbe Berufsgruppe einzuordnen wie den zuletzt ausgeübten Beruf. Im vorliegenden Fall benötigt(e) die Klägerin im zuletzt ausgeübten Beruf kaufmännische Kenntnisse und Fähigkeiten nur in einem untergeordneten Maß. Auch eine Position, die eine besondere Verantwortung mit sich brächte, hat(te) sie - in Übereinstimmung mit der Berufungsentscheidung und entgegen dem Revisionsvorbringen - nicht inne.

Da die angefochtene Entscheidung mit der höchstgerichtlichen Judikatur in Einklang steht, ist die außerordentliche Revision der Klägerin gemäß § 508a Abs 2 ZPO zurückzuweisen.

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