OGH 9Ob34/08b

OGH9Ob34/08b7.5.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Mag. Franz K*****, Rechtsanwalt, *****, vertreten durch Schmidtmayr Sorgo Wanke Rechtsanwälte OEG, Wien, gegen die beklagte und widerklagende Partei Wolfgang K*****, Pensionist, *****, wegen 10.153,12 EUR sA (Klage) und 292.424 EUR sA (Widerklage) über die außerordentliche Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Februar 2008, GZ 14 R 213/07g-74, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 3. Juli 2007, GZ 56 Cg 82/05y (56 Cg 95/05k)-63, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1.) Die außerordentliche Revision der beklagten und widerklagenden Partei wird, soweit sie sich gegen die Entscheidung über die Widerklage richtet, gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

2.) Die Akten werden dem Erstgericht zur weiteren Veranlassung betreffend die Anfechtung der Entscheidung über die Klage zurückgestellt.

Text

Begründung

Der Kläger begehrte vom Beklagten die Zahlung von 10.153,12 EUR sA an Honorar für erbrachte Anwaltsleistungen. Der Beklagte wendete einerseits die Zwecklosigkeit der erbrachten Leistungen, andererseits aufrechnungsweise Schadenersatzforderungen wegen unzureichender Vertretung und Beratung ein.

Mit seiner Widerklage begehrte der Beklagte seinerseits 292.424 EUR sA an Schadenersatz wegen unzureichender Vertretung und Beratung durch den Kläger.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt und wies das Widerklagebegehren ab.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig ist.

zu 1.)

Die behauptete Mangelhaftigkeit und Aktenwidrigkeit wurden geprüft,

sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Bei der Beurteilung des an die Tätigkeit eines Rechtsvertreters anzulegenden Sorgfaltsmaßstabs sind der konkrete Auftrag und die sonstigen Umstände des Einzelfalls maßgeblich, weshalb darin in der Regel keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung liegt (RIS-Justiz RS0026584 [17]). Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass einen Rechtsanwalt zwar im Rahmen seiner Interessenwahrungspflicht Warn-, Aufklärungs-, Informations- und Verhütungspflichten gegenüber seinem Mandanten treffen (RIS-Justiz RS0112203), dass aber die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht eines Rechtsberaters nicht überspannt werden dürfen (RIS-Justiz RS0026584). Jedenfalls vertretbar ist daher die Auffassung, dass der Kläger mangels konkreter Befassung keinen Hinweis auf eine mögliche Anfechtung der Syndikats- und Generalversammlungsbeschlüsse über eine Kapitalerhöhung geben musste. Lediglich illustrativ sei darauf verwiesen, dass es der Beklagte als Geschäftsführer war, der die aus der Beschlussfassung resultierende Firmenbucheingabe unterfertigte (S 12 in ON 63). Der Zuspruch des behaupteten „Verzögerungsschadens" wegen eines angeblich schon früher möglichen Austritts des Beklagten (als angestellter Geschäftsführer) muss schon daran scheitern, dass trotz ausdrücklicher Anleitung zur Konkretisierung durch das Erstgericht (AS 113 in Bd I) das Vorbringen zum angeblichen Austrittsgrund auf „rechtswidrigen Druck der Gegenseite" (AS 145 in Bd I), „rechtswidrige und existenzbedrohende Pression" (AS 225 in Bd I) und den Hinweis auf „jeden Anlass zum Austritt" (AS 326 in Bd I) beschränkt blieb. Darüber hinaus muss aber einem Anwalt, der den Auftrag hat, einen Generalvergleich herbeizuführen (S 13 in ON 63) zugebilligt werden, erst in letzter Konsequenz zu einem Austritt zu raten. Auch der Schmerzengeldanspruch wurde schon deshalb mit vertretbarer Rechtsauffassung verneint, weil aus dem trotz Anleitung (s oben) dürftig gebliebenen Vorbringen der „mangelnden Verhinderung bzw Verstärkung rechtswidrigen Drucks durch den Gegner" rechtswidriges Verhalten des Klägers auch nicht annähernd erschließbar ist. Letztlich lässt auch die Annahme, der Kläger habe keine Veranlassung zur Betrauung eines anderen/weiteren Rechtsanwalts gegeben, keine unvertretbare Rechtsauffassung erkennen. Zusammenfassend vermag der Beklagte im Zusammenhang mit der Behandlung seiner Widerklage keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

zu 2.)

Die Vorlage der Akten auch hinsichtlich der zu 56 Cg 82/05y

eingebrachten Klage ist verfehlt:

Die Verbindung mehrerer Streitsachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung hat auf die Zulässigkeit von Rechtsmitteln gegen das gemeinsame Urteil keinen Einfluss (RIS-Justiz RS0037252). Auch bei gemeinsamer Entscheidung über Klage und Widerklage ist die Frage der Zulässigkeit grundsätzlich getrennt zu beurteilen (RIS-Justiz RS0037252 [T13]). Die Zulässigkeit der Revision gegen die Entscheidung über die Klage richtet sich daher nach § 502 Abs 3 ZPO, weil der diesbezügliche Entscheidungsgegenstand (10.153,12 EUR) zwar 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen ist auch ein außerordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Eine Partei kann in einem solchen Fall nur gemäß § 508 Abs 1 ZPO einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass das ordentliche Rechtsmittel doch für zulässig erklärt werde. Mit demselben Schriftsatz ist das ordentliche Rechtsmittel auszuführen. Dieser Antrag, verbunden mit dem ordentlichen Rechtsmittel, ist beim Prozessgericht erster Instanz einzubringen und gemäß § 508 Abs 3 und 4 ZPO vom Rechtsmittelgericht zu behandeln. Erhebt in den dargestellten Fällen eine Partei ein Rechtsmittel, so ist dieses gemäß § 507b Abs 2 ZPO dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen. Das gilt auch dann, wenn das Rechtsmittel als „außerordentliches" Rechtsmittel bezeichnet wird und wenn es an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist; auch dieser darf hierüber nur und erst entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei. Dies gilt ferner auch dann, wenn der Rechtsmittelwerber in dem Schriftsatz nicht im Sinne des § 508 Abs 1 ZPO den Antrag auf Abänderung des Ausspruchs des Gerichts zweiter Instanz gestellt hat, weil dieser Mangel gemäß § 84 Abs 3 ZPO verbesserungsfähig ist (RIS-Justiz RS0109623).

Das Erstgericht wird somit das Rechtsmittel dem Berufungsgericht vorzulegen haben. Ob der Schriftsatz den Erfordernissen des § 508 Abs 1 ZPO entspricht oder ob er einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten.

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