OGH 12Os17/08d

OGH12Os17/08d13.3.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. März 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pulker als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Harald K***** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 9. November 2007, GZ 13 Hv 162/07b-44, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Strafsache zu neuer Verhandlung sowie Entscheidung an das Landesgericht Leoben zurückverwiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte des iSd § 161 Abs 1 StGB als leitender Angestellter begangenen Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er als Geschäftsführer der G***** GmbH in der Zeit vom 26. April 1996 bis zum 28. Mai 1997 in zahlreichen Angriffen durch zweckentfremdete Barbehebungen Bestandteile des Gesellschaftsvermögens beiseite geschafft und damit die Befriedigung wenigstens eines Unternehmensgläubigers, nämlich der B***** GmbH, hinsichtlich deren Forderung von zumindest 121.148,33 Euro vereitelt.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist im Recht. Die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) kritisiert zutreffend, dass die Feststellung, der Angeklagte habe das Vermögen der G***** GmbH (im Folgenden: G*****) verringert, nicht hinreichend begründet ist. Eine - hier relevante - wirkliche Verringerung des Vermögens geschieht nämlich nur dann, wenn die Aktiven ohne entsprechenden Gegenwert verkürzt oder die Passiven ohne gleichwertige Aufstockung der Aktiven erhöht werden. Betrügerische Krida ist demnach nicht gegeben, wenn das Vermögen in seiner Gesamtheit unvermindert bleibt, also etwa bei Zahlung bestehender Verbindlichkeiten (Kirchbacher/Presslauer in WK² § 156 Rz 10, zuletzt 12 Os 79/07w). Hievon ausgehend trägt aber der beweiswürdigende Hinweis auf die Aussage des Zeugen Dipl.-Ing. L*****, wonach es unmöglich gewesen sei, „dass der Angeklagte rund 2,5 Mio ATS an Lieferanten für Materialien etc ausgeben musste, um das gegenständliche Bauprojekt fertigzustellen" (US 10), die Konstatierung der Vermögensverringerung nicht, weil er nicht erkennen lässt, aus welchem Grund die Tatrichter davon ausgegangen sind, dass die behobenen Gelder nicht dafür verwendet wurden, (andere) Verbindlichkeiten der G***** zu begleichen. Hinzu kommt, dass insoweit die Bezugnahme auf eine Zeugenaussage schon im Ansatz verfehlt ist, weil Gegenstand einer Zeugenvernehmung nur Wahrnehmungen von Tatsachen, nicht aber - wie hier herangezogen - Schlussfolgerungen oder Wertungen sind (Kirchbacher, WK-StPO § 247 [aF] Rz 5).

In Bezug auf die konstatierte Verringerung des Gesellschaftsvermögens zeigt die Beschwerde darüberhinaus auch mit Recht einen inneren Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zur Urteilsannahme auf, nicht feststellen zu können, wofür die gegenständlichen Geldbeträge verwendet worden sind (US 8).

Auch der Beschwerdevorwurf unterbliebener Begründung der Konstatierungen zur subjektiven Tatseite (Z 5 vierter Fall) trifft zu.

Aufgrund der dargelegten Mängel war der Nichtigkeitsbeschwerde schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort Folge zu geben (§ 285e StPO). Ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen erübrigt sich daher.

Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass die - im Übrigen nur im Rahmen der Beweiswürdigung getroffene - Feststellung, es sei durch das Handeln des Beschwerdeführers zu einer Verringerung des Vermögens der G***** gekommen (US 11), nicht hinreicht, den Schuldspruch wegen des Verbrechens der Untreue nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB zu tragen, weil sie keine Aussage zum Überschreiten der Wertgrenze der als erfüllt erachteten Qualifikationsnorm enthält. Im zweiten Rechtsgang werden folgende materiellrechtliche Aspekte zu berücksichtigen sein:

Der Tatbestand der betrügerischen Krida (§ 156 Abs 1 StGB) setzt eine - in der angefochtenen Entscheidung nicht festgestellte - Gläubigermehrheit, das Vereiteln oder Schmälern der Befriedigung wenigstens eines Gläubigers sowie eine der in § 156 Abs 1 StGB bezeichneten Tathandlungen (hiezu Kirchbacher/Presslauer in WK² § 156 Rz 10 bis 18) voraus. Die allfällige Erfüllung dieser Tatbestandsmerkmale ist durch entsprechende Feststellungen zur subjektiven und zur objektiven Tatseite zu klären.

Bei Verneinung der Verringerung des allen Gläubigern gemeinsamen Befriedigungsfonds, aber Annahme der vorzugsweisen Befriedigung einzelner Gläubiger ist der Sachverhalt aus dem Blickwinkel des § 158 Abs 1 StGB zu prüfen.

Grundsätzlich denkbar wäre auch die Verwirklichung des Tatbestands der Veruntreuung (§ 133 Abs 1 StGB), weil (hier relevant) auch Bankguthaben nach ständiger Judikatur dem Begriff „Gut" zuzurechnen sind (SSt 56/17; RIS-Justiz RS0093878). Anvertraut iSd § 133 StGB sind solche Guthaben dem Täter beispielsweise dann, wenn sie ihm mit dem Auftrag überwiesen worden sind, sie für einen vom Auftraggeber bestimmten Zweck zu verwenden. Eignet sich der Täter das Bankguthaben entgegen dieser Zweckbestimmung zu, verwirklicht er daher (bei Vorliegen auch der übrigen Voraussetzungen) den Tatbestand der Veruntreuung (Bertel in WK² § 133 Rz 20 mwN; jüngst 13 Os 107/07w). Auch die Subsumtion unter diesen fordert freilich entsprechende Feststellungen zur subjektiven und zur objektiven Tatseite. Sollten die Tatrichter im zweiten Rechtsgang eine andere rechtliche Unterstellung in Erwägung ziehen als die der Anklage zu Grunde liegende (ON 35), wird der Bestimmung des § 262 StPO Rechnung zu tragen sein. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass Art 6 Abs 3 lit a MRK nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dem Angeklagten das Recht zusichert, nicht nur über die ihm angelasteten Taten, sondern auch über deren rechtliche Charakteristik in Kenntnis gesetzt zu werden. Aufgrund des engen Zusammenhangs zwischen dieser Informationspflicht und dem Recht des Angeklagten auf Vorbereitung seiner Verteidigung (Art 6 Abs 3 lit b MRK) müssen die erforderlichen Informationen entweder in der Anklageschrift oder zumindest im Zuge des Erkenntnisverfahrens konkret erteilt werden. Der bloße Hinweis auf die abstrakte Möglichkeit einer von der Anklage abweichenden rechtlichen Qualifikation durch das erkennende Gericht ist demnach nicht ausreichend (12 Os 79/07w).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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