OGH 12Os79/07w

OGH12Os79/07w23.8.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. August 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Höller als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Charlotte M***** und Peter M***** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 25. Jänner 2007, GZ 31 Hv 6/07a-21, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Berufungen wegen Schuld werden zurückgewiesen.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Strafsache zu neuer Verhandlung sowie Entscheidung an das Landesgericht Salzburg zurückverwiesen. Mit ihren Berufungen wegen des Strafausspruchs werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten Charlotte M***** und Peter M***** jeweils des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB, Letzterer als Beitragstäter (§ 12 dritter Fall StGB), schuldig erkannt.

Nach dem Urteilstenor haben

1) Charlotte M***** als Schuldnerin mehrerer Gläubiger einen Bestandteil ihres Vermögens beiseite geschafft und dadurch die Befriedigung der S***** AG geschmälert, indem sie am „13. bzw 17."

Februar (richtig:) 2003 mit ihrer Tochter Mag. Andrea M***** einen Kaufvertrag über eine ihr gehörende Liegenschaft im Wert von 48.600 Euro abschloss, der am 16. Februar 2004 aufgrund eines Rangordnungsbeschlusses samt des zugunsten von Charlotte M***** und Peter M***** vereinbarten Belastungs- und Veräußerungsverbots vorrangig grundbücherlich einverleibt wurde, und den Verkaufserlös für vereinbarungswidrige Zwecke verwendete, sowie

2) Peter M***** dadurch, dass er gemeinsam mit Charlotte M***** beschloss, deren Liegenschaft an Mag. Andrea M***** zu verkaufen, und zu seinen Gunsten ein Belastungs- und Veräußerungsverbot einverleiben ließ, zu der unter Punkt 1 beschriebenen Tat beigetragen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen, gemeinsam ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten sind im Recht.

Wie die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zutreffend festhält, geschieht eine (wirkliche) Vermögensverringerung iSd § 156 StGB dann nicht, wenn nach der inkriminierten Handlung das Vermögen in seiner Gesamtheit unvermindert bleibt, also etwa bei Zahlung bestehender Verbindlichkeiten (Kirchbacher/Presslauer in WK² § 156 Rz 10). Im Hinblick darauf reicht aber (abgesehen von der Vollendungsproblematik) die Feststellung, die Angeklagten hätten beabsichtigt, den Verkaufserlös der Liegenschaft „privat zu verwenden" (US 8), als Anknüpfungspunkt für das Tatbestandselement der Vermögensverringerung nicht hin. Die Rechtsansicht des Erstgerichts, die S***** AG sei schon durch den Kaufvertrag und die (zu Lasten der Käuferin wirkende) Einräumung des Belastungs- und Veräußerungsverbots geschädigt worden (US 10), widerspricht den Urteilskonstatierungen, wonach die Beschwerdeführer mit der S***** AG den freihändigen Verkauf der Liegenschaft vereinbart haben (US 5). Das Anführen des Deliktsmerkmals der Vermögensverringerung im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) vermag die insoweit fehlenden Feststellungen in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht zu ersetzen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 271; zuletzt 14 Os 130/06h).

Der im Rahmen der rechtlichen Beurteilung vorgenommenen Wertung der Gegenleistung für den Erwerb der Liegenschaft als wirtschaftlich inadäquat (US 11) mangelt es an einer tragfähigen Feststellungsbasis. Aufgrund der dargelegten Mängel war der Nichtigkeitsbeschwerde schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort Folge zu geben (§ 285e StPO). In Anbetracht dessen erübrigt sich das Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.

Im zweiten Rechtsgang werden folgende materiellrechtliche Aspekte zu berücksichtigen sein:

Der Tatbestand der betrügerischen Krida (§ 156 Abs 1 StGB) setzt eine Gläubigermehrheit, das Vereiteln oder Schmälern der Befriedigung wenigstens eines Gläubigers sowie eine der in § 156 Abs 1 StGB bezeichneten Tathandlungen (hiezu Kirchbacher/Presslauer in WK² § 156 Rz 10 bis 18) voraus. Die allfällige Erfüllung dieser Tatbestandsmerkmale ist durch entsprechende Feststellungen zur subjektiven und zur objektiven Tatseite zu klären.

Bei Verneinung einer Verringerung des allen Gläubigern gemeinsamen Befriedigungsfonds, aber Annahme der vorzugsweisen Befriedigung einzelner Gläubiger ist der Sachverhalt aus dem Blickwinkel des § 158 Abs 1 StGB zu prüfen.

Grundsätzlich denkbar wäre auch die Verwirklichung des Tatbestandes der betrügerischen Krida als leitende Angestellte (§ 161 Abs 1 StGB) der G***** GmbH (vgl US 4 f). Voraussetzung hiefür wäre aber, dass die in Rede stehenden Vermögenswerte - wirtschaftlich - diesem Unternehmen zuzurechnen sind.

Schließlich käme noch die Erfüllung des Tatbestandes des Betruges zum Nachteil der S***** AG in Betracht. Dies würde voraussetzen, dass die Beschwerdeführer die zum Zweck der Krediterlangung getroffene Vereinbarung über die Verwertung der Liegenschaft (US 5) mit Täuschungs-, Bereicherungs- und Schädigungsvorsatz getroffen haben. Sollten die Tatrichter im zweiten Rechtsgang eine andere Subsumtion in Erwägung ziehen als die der Anklage zugrunde liegende (ON 19), wird der Bestimmung des § 262 StPO Rechnung zu tragen sein. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass Art 6 Abs 3 lit a MRK nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte dem Angeklagten das Recht zusichert, nicht nur über die ihm angelasteten Taten, sondern auch über deren rechtliche Charakteristik in Kenntnis gesetzt zu werden. Aufgrund des engen Zusammenhangs zwischen dieser Informationspflicht und dem Recht des Angeklagten auf Vorbereitung seiner Verteidigung (Art 6 Abs 3 lit b MRK) müssen die erforderlichen Informationen entweder in der Anklageschrift oder zumindest im Zuge des Erkenntnisverfahrens konkret erteilt werden. Der bloße Hinweis auf die abstrakte Möglichkeit einer von der Anklage abweichenden rechtlichen Qualifikation durch das erkennende Gericht ist demnach nicht ausreichend (11 Os 78/06i).

In Bezug auf die allfällige Erfüllung von Wertqualifikationen (§§ 147 Abs 2 und Abs 3, 156 Abs 2 StGB) wird - wie die Subsumtionsrüge (Z 10) zutreffend ausführt - die mit dem Budgetbegleitgesetz 2005, BGBl I 2004/136 erfolgte Gesetzesänderung zu beachten und iSd §§ 1, 61 StGB vorzugehen sein.

Die hinsichtlich der Subsumtion grundsätzlich gebotene Angleichung der Urteilsausfertigung (US 3) an das mündlich verkündete Urteil (S 347) erübrigt sich mit Blick auf die Aufhebung der Schuldsprüche. Eine Berufung wegen Schuld ist im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehen, aus welchem Grund diese - angemeldeten (ON 22), aber nicht ausgeführten (ON 23) - Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen waren.

Mit ihren Strafberufungen waren die Angeklagten auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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