OGH 13Os107/07w

OGH13Os107/07w7.11.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. November 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Maschler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Richard P***** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 22. Mai 2007, GZ 21 Hv 113/06w-137, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er „im April 2006 in Bregenz die ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, nämlich seine Verfügungsmacht über den ihm von Volker B***** als bevollmächtigter Vertreter der P***** AG am 13. April 2006 überwiesenen Geldbetrag in der Höhe von 400.000 Euro, die mit der Befugnis, den Geldbetrag kurzfristig auf seinem (P*****s) Konto mit der Nummer ***** bei der Ba***** AG in Bregenz zu deponieren, um das Kapital bei Kreditverhandlungen im Interesse der P***** AG zur Dokumentation vorhandenen Eigenkapitals einzusetzen, und mit dem Auftrag verbunden war, diesen Geldbetrag bis spätestens 21. April 2006 im Namen der P***** AG auf das Notaranderkonto des Notars Heribert H***** als erste Teilzahlung für die Abwicklung des Kaufvertrages des Schlachthofes N***** zu transferieren, wissentlich missbraucht, indem er vom überwiesenen Kapital am 14. April 2006 und 24. April 2006 Teilbeträge in der Höhe von 222.816,31 Euro und 100.000 Euro behob und entgegen seinem vorgeschilderten Auftrag der Transferierung auf das Anderkonto des Notars Heribert H***** für eigene Zwecke verwendete (wobei er den Verbleib der Gelder den Treugebern bis dato verschweigt), und dadurch der P***** AG einen 50.000 Euro übersteigenden Vermögensnachteil zugefügt."

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4, 5, 5a, 9 lit a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl. Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) hat das Erstgericht den Antrag auf „Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Finanzwesen zum Beweis dafür, dass es sich bei dem dargelegten Reinvestitionsmodell gemäß der heutigen Darstellung des Angeklagten Richard P***** (um) ein gebräuchliches und seriöses Investitionsmodell handelt, was im Geschäftsleben zur Finanzierung regelmäßig Verwendung findet" (S 242/VI), ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen (S 244/VI), weil sich der Beweisantrag nicht auf schuld- oder subsumtionsrelevante Umstände bezog. Dem Verfahren liegt nämlich der Vorwurf zugrunde, der Beschwerdeführer habe einen mit dem Auftrag innerhalb weniger Tage vorzunehmender Weiterleitung an einen zuvor bestimmten Notar erhaltenen Geldbetrag vereinbarungswidrig verwendet, womit die Frage nach dem Wesen des dieser (auftragswidrigen) Verwendung allenfalls zugrunde liegenden Investitionsmodells hier ohne Belang ist.

Das den Antrag ergänzende Beschwerdevorbringen hat aufgrund des im Nichtigkeitsverfahren bestehenden Neuerungsverbots auf sich zu beruhen.

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider ist der Schuldspruch keineswegs unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall). Die Tatrichter leiten ihre Feststellungen nämlich aktenkonform aus den Aussagen der aufgrund des in der Hauptverhandlung vermittelten Eindrucks als glaubwürdig erachteten (§ 258 Abs 2 StPO) Zeugen ab (US 19 bis 21) und legen in logisch wie empirisch einwandfreier Beweiswürdigung dar, aus welchen Gründen sie der Verantwortung des Beschwerdeführers nicht gefolgt sind (US 12 bis 19). Indem die Beschwerde diesen Erwägungen das unsubstantiierte Argument entgegensetzt, die Zeugenaussagen würden „jeder inneren Logik entbehren und auch im Widerspruch zu den im Geschäftsleben üblichen Praktiken stehen", wendet sie sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die erstgerichtliche Beweiswürdigung.

Der Einwand, die angefochtene Entscheidung übergehe den Beteiligungsvertrag zwischen der D***** gesellschaftmbH und der P***** AG (S 131 bis 135/III = S 43 bis 47/IV) mit Stillschweigen (Z 5 zweiter Fall), trifft nicht zu (US 8 bis 10). Im Übrigen entfernt sich die Behauptung, dieser Vertrag widerspreche der Urteilsannahme, der Beschwerdeführer sei nicht befugt gewesen, über den auf sein Konto überwiesenen Geldbetrag frei zu verfügen, von der Aktenlage; vielmehr wird im Beteiligungsvertrag ausdrücklich festgehalten, dass die Einlage der P***** AG auf einem „Verrechnungskonto" gebucht wird und der Kapitalanteil von 400.000 Euro am 21. April 2006 auf ein Notaranderkonto einzuzahlen ist (S 133/III). Hiezu hält das Erstgericht übrigens aktenkonform (S 137/III = S 49/IV) fest, dass der Beschwerdeführer die vertragsgemäße Durchführung dieser Zahlung überdies in einem gesonderten Schreiben zugesagt hat (US 10). Das Beschwerdeargument, die gewählte rechtliche Konstruktion einer atypischen stillen Gesellschaft spreche gegen eine Verfügungsbeschränkung, geht schon im Ansatz fehl, weil der Gesellschaftsvertrag nach der diesbezüglichen Urkunde zwischen der D*****gesellschaftmbH und der P***** AG abgeschlossen worden ist, während der Beschwerdeführer lediglich als „Kontoverwalter" aufscheint (S 131, 133/III).

Soweit die Tatsachenrüge (Z 5a) unsubstantiiert auf das Vorbringen der Mängelrüge verweist, verfehlt sie die prozessordnungskonforme Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes, weil sie nicht erkennen lässt, aus welchen Verfahrensergebnissen sich aufgrund welcher Überlegungen erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen ergeben sollen.

Hinsichtlich der Schlussfolgerung aus der rechtlichen Konstruktion des Beteiligungsvertrags auf den Umfang der Verfügungsmacht des Beschwerdeführers sei zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die Darlegungen zum im Wesentlichen gleichlautenden Einwand der Mängelrüge verwiesen.

Die Beschwerdeprämisse, der Zeuge Volker B***** habe in der Hauptverhandlung angegeben, von der P***** AG ausschließlich zum Abschluss des Beteiligungsvertrags (S 131 bis 135/III) bevollmächtigt gewesen zu sein, entfernt sich von der Aktenlage (S 243/VI). Der Einwand der Rechtsrüge (Z 9 lit a), die angefochtene Entscheidung enthalte keine Feststellungen über den Beteiligungsvertrag, ignoriert die in den US 8 bis 10 getroffenen Konstatierungen. Der aus dem Vertrag gezogene Schluss, der Beschwerdeführer sei über den auf sein Konto überwiesenen Geldbetrag frei verfügungsberechtigt gewesen, übergeht die gegenteiligen Urteilsannahmen und verfehlt solcherart den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt.

Ebenfalls nicht am Urteilssachverhalt orientiert sich die Beschwerdebehauptung, durch das konstatierte Handeln des Beschwerdeführers sei kein Vermögensschaden entstanden. Nach den insoweit wesentlichen Urteilsfeststellungen war der Beschwerdeführer verpflichtet, den erhaltenen Geldbetrag zwecks Erwerbs eines Schlachthofes an ein Notaranderkonto weiterzuleiten (US 8), wogegen er in zwei Tranchen einen Teilbetrag von rund 323.000 Euro behob, den er sodann für eigene Zwecke verwendete (US 10).

Das Vorliegen der Voraussetzungen des Strafaufhebungsgrundes der tätigen Reue (§ 167 StGB) wird inhaltlich nicht einmal behauptet, aus welchem Grund der - im Übrigen urteilsfremde - Einwand, die stille Gesellschaft habe den Schlachthof zwischenzeitig erworben (nominell auch Z 10, der Sache nach wohl Z 9 lit b), auf sich beruhen kann. Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass die zur Untermauerung des diesbezüglichen Beschwerdeeinwands angeführten Zeugenaussagen selbst die Annahme nachträglicher Schadensgutmachung nicht stützen. Nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung (ON 136) gab nämlich Volker B***** an, die P***** AG habe den Schlachthof mittlerweile via Fremdfinanzierung erworben (S 206/VI); aus den Depositionen des Zeugen S***** lassen sich zur relevierten Frage überhaupt keine Erkenntnisse gewinnen (S 231/VI).

Die Sanktionsrüge (Z 11) wendet sich mit der Begründung gegen die Abschöpfung der Bereicherung (§ 20 Abs 1 Z 1 StGB), mit Blick auf den Beteiligungsvertrag (S 131 bis 135/III) habe sich der Beschwerdeführer durch die Tathandlungen nicht unrechtmäßig bereichert. Die Unrichtigkeit dieser Prämisse wurde bereits im Rahmen der Ausführungen zur Mängel- und zur Rechtsrüge dargestellt. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Gerichtshof zweiter Instanz zu (§ 285i StPO).

Vollständigkeitshalber sei festgehalten, dass der Beschwerdeführer - wie die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt - durch die Tat nicht das Verbrechen der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB, sondern jenes der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB begangen hat. Vorauszuschicken ist, dass Bankguthaben nach ständiger Judikatur dem Begriff „Gut" zuzurechnen sind (SSt 56/17; RIS-Justiz RS0093878). Anvertraut iSd § 133 StGB sind solche Guthaben dem Täter beispielsweise dann, wenn sie ihm - wie hier - mit dem Auftrag überwiesen worden sind, sie für einen vom Auftraggeber bestimmten Zweck zu verwenden. Eignet sich der Täter das Bankguthaben entgegen dieser Zweckbestimmung zu, verwirklicht er daher (bei Vorliegen auch der übrigen - fallbezogen konstatierten [US 11] - Voraussetzungen) den Tatbestand der Veruntreuung (Bertel in WK² § 133 Rz 20 mwN; vgl auch 11 Os 31/02, 13 Os 140/04). Da der aufgezeigte Subsumtionsfehler aber in concreto nicht zum Nachteil des Beschwerdeführers wirkt, war ein Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO nicht geboten.

Bezugspunkt der Anfechtung von Urteilsfeststellungen mit Nichtigkeitsbeschwerde ist, wie der Äußerung des Beschwerdeführers zur Stellungnahme der Generalprokuratur gegenüber angemerkt sei, stets die Urteilsausfertigung (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO), nicht jedoch sind dies die mündlich bekannt gegebenen Gründe (§ 268 StPO). Missachtung des § 262 StPO aber wurde - aus Z 8 des § 281 Abs 1 StPO - nicht geltend gemacht, womit sich Erörterungen zur Wahrung der Verteidigungsgrundrechte nach Art 6 Abs 3 lit a und b MRK erübrigen. Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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