OGH 8Ob129/07i

OGH8Ob129/07i28.2.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Antonio N*****, vertreten durch Dr. Hanns-Christian Baldinger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Univ.-Prof. Dr. Harald R*****, vertreten durch Hule, Bachmayr-Heyda, Nordberg, Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 11.830 EUR sA und Feststellung (1.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 4. Juli 2007, GZ 13 R 25/07b-32, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 23. November 2006, GZ 10 Cg 174/05i-26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit 749,70 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 124,95 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der 1959 geborene Kläger litt an vergrößerten Brüsten (Gynäkomastie). Im Februar 2003 suchte er deshalb den Beklagten, der allgemeiner und kein plastischer Chirurg ist, in seiner Privatordination auf und gab an, immer wieder Schmerzen im Bereich der Brust zu haben und auch durch deren Größe psychisch belastet zu sein. Als Behandlungsmethode für die schmerzhafte Vergrößerung schlug der Beklagte eine Reduktion der Brust durch eine subcutane Mastektomie vor. Dabei werden zwei Schnitte unter den Brustwarzen vorgenommen. Der Beklagte wies darauf hin, dass er keine Schönheitsoperation vornehme und klärte auch auf die Möglichkeit von schmerzhaften und die Kosmetik störenden Narben auf. Am 18. März 2003 führte der Beklagte die subcutane beiderseitige Mastektomie durch. Die Operation wurde lege artis durchgeführt. Nach der Operation verblieben beim Kläger je eine 8 cm lange und stellenweise bis zu 1 cm breite, eingezogene hochgradig auffällige Narbe auf jeder Seite der Brust etwa 6 cm unterhalb der Brustwarze. Die Methode der Liposuction wird nahezu ausschließlich von plastischen Chirurgen angewendet. Allgemeinchirurgen bedienen sich regelmäßig der Methode der Mastektomie. Im Zeitpunkt der Operation ist bei Allgemeinchirurgen nicht bekannt gewesen, dass eine Liposuction auch bei Gynäkomastie angewendet werden kann. Sie schien zur Schmerzbeseitigung auch nicht geeignet.

Der Kläger begehrt Schmerzengeld und die Kosten der Folgeoperation sowie die Feststellung der Haftung des Beklagten für alle Folgen aus der Operation vom 18. März 2003, weil die Operation nicht lege artis durchgeführt und der Beklagte seiner Aufklärungspflicht über die alternative Methode der Fettabsaugung (Liposuction) nicht hinreichend entsprochen habe.

Der Beklagte wendete im Wesentlichen ein, im Hinblick auf die Schmerzen und die notwendige Entfernung des Fettgewebes unter der Brustwarze wäre eine Liposuction nicht zielführend gewesen, weshalb eine Aufklärung über diese Operationsmethode nicht erforderlich gewesen sei. Er habe die Operation sorgfältig und lege artis durchgeführt, die Operationsmethode sei anerkannt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das vom Kläger angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es vertrat die Rechtsansicht, der Beklagte habe nach ausreichender Aufklärung, entsprechend seinem zumutbaren Wissensstand eines Allgemeinchirurgen, eine medizinisch anerkannte Operationsmethode gewählt und lege artis operiert. In der Unterlassung eines Hinweises auf die Liposuction liege keine Verletzung der Aufklärungspflicht. Ferner sprach es zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zuzulassen sei, weil die Frage der Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht von den Umständen des Einzelfalls abhänge. Auf Antrag des Klägers änderte das Berufungsgericht diesen Ausspruch dahin ab, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei. Zur Begründung führte es aus, dass nicht geklärt sei, ob sich ein Allgemeinchirurg zumindest soweit über andere Fachgebiete informieren müsse und allgemein darüber aufzuklären habe, dass es eine alternative Operationsmöglichkeit gebe. Gleichzeitig bemerkte das Berufungsgericht, dass seine Ausführungen, die Fettabsaugung sei zur Entfernung von Fettgewebe hinter der Brustwarze ungeeignet, die Ausführungen des Sachverständigen zu stark verkürzt wiedergäben. „Richtigerweise ist dem Sachverständigengutachten zu entnehmen, dass bei zu großen Mengen (ab 200 cm3) Fettgewebe mit der Methode der Fettabsaugung kein hinreichender Erfolg zu erzielen und eine Mastektomie durchzuführen ist."

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger gegen das Berufungsurteil erhobene Revision ist entgegen dem gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

Soweit der Kläger releviert, dass der Beklagte nie ausdrücklich vorgebracht habe, im Zeitpunkt der Operation nichts von der Methode der Liposuction bei der Gynäkomastie gewusst zu haben, und eine überschießende Feststellung vorliege, ist dies insoweit nicht relevant, als das Berufungsgericht gar nicht auf die subjektive Kenntnis des Beklagten abstellt, sondern im Allgemeinen zutreffend auf die durchschnittlichen Kenntnisse seines Fachgebietes (RIS-Justiz RS0038202; RIS-Justiz RS0026489 jeweils mwN; Juen, Arzthaftungsrecht2, 164 f uva). Im Übrigen hat die Frage, ob Feststellungen sich im Rahmen des geltend gemachten Klagegrundes oder der erhobenen Einwendungen halten, regelmäßig keine über den vorliegenden Rechtsstreit hinausgehende Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0042828 oder RIS-Justiz RS0113563 jeweils mwN; 8 Ob 48/06a). Wenn das Berufungsgericht im Ergebnis davon ausging, dass das Vorbringen des Beklagten, er habe die Behandlungsmethode für die vorliegende Erkrankung als nicht geeignet erachtet, auch als Vorbringen zum mangelnden Kenntnisstand einstufte, so kann darin keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung gesehen werden. Geht es doch regelmäßig nicht darum, ob bestimmte Operationsmethoden überhaupt existieren, sondern darum, ob sie nach dem Kenntnisstand auch zur Behebung der konkreten Erkrankung geeignet sind.

Soweit der Revisionswerber geltend macht, dass es hinsichtlich der Feststellungen betreffend den erforderlichen Kenntnisstands einer Erörterung des Berufungsgerichts mit den Parteien bedurft hätte, ist dem schon entgegenzuhalten, dass der Kläger ja selbst in seiner Berufung einen dahingehenden Kenntnisstand der Allgemeinchirurgen behauptet hat.

Im Zusammenhang mit den Feststellungen zu dem Wissensstand der Allgemeinchirurgen bekämpft der Kläger weiters in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung (RIS-Justiz RS0043162 mwN; RIS-Justiz RS0043125 uva).

Auch in Hinblick auf die vom Revisionswerber behauptete Aktenwidrigkeit ist kein tauglicher Zulassungsgrund gegeben: Auch wenn das Berufungsgericht zugesteht, die Ausführungen des Sachverständigen verkürzt wiedergegeben zu haben, wonach die Fettabsaugung zur Entfernung von Fettgewebe hinter der Brustwarze ungeeignet sei, die im Widerspruch zur Feststellung des Ersturteils stehen, so muss die Aktenwidrigkeit für das Urteil von wesentlicher Bedeutung sein. Sie muss geeignet sein, die Entscheidungsgrundlage zu verändern (Kodek in Rechberger3, § 503 ZPO Rz 17 mwN; RIS-Justiz RS0043347 [T9]). Vor dem Hintergrund der Feststellung des Berufungsgerichts, wonach Allgemeinchirurgen im Zeitpunkt des Eingriffs die Liposuction bei der Gynäkomastie nicht bekannt war und diese sich der Methode der Mastektomie bedienten, wirkt sich diese Tatsachenfeststellung nicht auf die Entscheidungsgrundlage aus. Soweit der Revisionswerber schließlich eine Verletzung des Art 6 Abs 1 EMRK im Zuge des Berufungsverfahrens erblickt, so ist dies nicht verständlich, weil der Klagevertreter bei der mündlichen Berufungsverhandlung anwesend war, das ergänzende Gutachten des Sachverständigen gehört und von seinem Fragerecht Gebrauch gemacht hat (vgl auch RIS-Justiz RS0074953).

Insgesamt vermögen jedenfalls die konkreten Ausführungen der Revision keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO; der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Stichworte