OGH 3Ob258/07y

OGH3Ob258/07y30.1.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.-Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Friedhelm B*****, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt GmbH in Bregenz, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Ried im Innkreis als Berufungsgericht vom 10. August 2007, GZ 6 R 208/07s-10, womit aus Anlass der Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Ried im Innkreis vom 12. Juni 2007, GZ 5 C 278/07m-6, als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben. Der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Rekursverhandlung wird abgewiesen. Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 729,45 EUR (darin 243,15 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Oppositionskläger ist Geschäftsführer einer GmbH. Über ihn wurden in den Jahren 2002 bis 2004 vom zuständigen Firmenbuchgericht sechs Zwangsstrafen von insgesamt 15.600 EUR wegen Verletzung der Offenlegungsvorschriften (§ 283 HGB) in Ansehung von Jahresabschlüssen zum 31. Dezember 1998 und zum 31. Dezember 1999 verhängt. Vom Kostenbeamten wurden Zahlungsaufträge (in der Höhe der Geldstrafen) erlassen. Aufgrund dieser Exekutionstitel wurden der betreibenden Partei Republik Österreich am 11. Juni 2004 zu AZ 1 E 1547/04a des Bezirksgerichts Ried im Innkreis zur Hereinbringung von 5.114,54 EUR sA die Gehaltsexekution und am 29. März 2005 zu AZ 1 E 2715/05t des Bezirksgerichts Ried im Innkreis zur Hereinbringung von 12.635,81 EUR sA die Fahrnisexekution bewilligt. Am 1. Dezember 2006 legte der Kläger die genannten Jahresabschlüsse beim Firmenbuchgericht vor.

Mit seiner am 17. April 2007 beim Erstgericht eingelangten Oppositionsklage begehrte der Kläger die Feststellung, dass die Ansprüche der betreibenden Partei, wie sie in den in der Klage angeführten Strafbeschlüssen des Firmenbuchgerichts „festgesetzt und zur Zahlung vorgeschrieben wurden", erloschen seien (P 1. des Klagebegehrens) sowie die Aufhebung der „bisherigen Exekutionsakte in den Verfahren AZ 1 E 1547/04 und AZ 1 E 2715/05t". Der Kläger steht unter Hinweis auf die oberstgerichtliche Entscheidung 6 Ob 43/05z (= SZ 2005/60) auf dem Standpunkt, dass von der Einhebung der Zwangsstrafen nach der Zweckerreichung aufgrund nachträglicher Offenlegung Abstand zu nehmen sei.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klagebegehren und wandte ein, dass trotz späteren Einreichens der Jahresabschlüsse die verhängten Zwangsstrafen einzuheben seien, weil andernfalls mit der Strafdrohung kein psychologischer Druck (zur gesetzmäßigen rechtzeitigen Offenlegung) ausgeübt werden könne.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach der am 1. Juli 2006 in Kraft getretenen, hier noch nicht anzuwendenden Novellierung des § 283 HGB seien Zwangsstrafen auch nach erfolgter Einreichung der Jahresabschlüsse einzuheben. Nach den Gesetzesmaterialien hätten aber die Zwangsstrafen schon vor der Gesetzesänderung auch repressiven Charakter gehabt.

Das Berufungsgericht hob aus Anlass der Berufung des Klägers das erstinstanzliche Urteil als nichtig auf und wies die Klage zurück. Es zitierte aus der Entscheidung 3 Ob 199/03s (= RpflE 2004/16) wörtlich Folgendes:

„Wie sich aus den nicht bekämpften (und nicht bekämpfbaren) Feststellungen des Rekursgerichts ergibt, wurde der beklagten Partei gegen den Zweitkläger die Exekution auf Grund eines Zahlungsbefehls des zuständigen Kostenbeamten des Firmenbuchgerichts bewilligt. Solche Zahlungsaufträge sind nach stRsp des VwGH (2002/16/0022 = ÖStZB 2003/142; wN bei Tschugguel/Pötscher, Die Gerichtsgebühren7 § 6 GEG, E 15 ff), der sich auch der Oberste Gerichtshof angeschlossen hat (8 Ob 544/92; ebenso ua Heller/Berger/Stix aaO 88, 401), Bescheide einer Verwaltungsbehörde. § 6 Abs 1 vierter Satz GEG ordnet ausdrücklich an, dass es sich dabei um Exekutionstitel iSd Exekutionsordnung handle (zutreffend haben Heller/Berger/Stix aaO 85 bereits zu Zwangsstrafen nach der früheren Rechtslage gemäß §§ 132 ff FGG zur Erzwingung von Handlungen in Handelssachen ausgeführt, dass die Exekution nicht auf Grund des Strafbeschlusses, sondern auf Grund des Zahlungsauftrags bewilligt werde; ebenso zu einer Wertersatzstrafe nach dem FinStrG 8 Ob 544/92) .... . Demnach handelte es sich aber bei dem im vorliegenden Verfahren bekämpften Exekutionstitel um einen solchen nach § 1 Z 12 EO (8 Ob 544/92; wohl missverständlich Meinhart in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 1 Rz 15 unter unrichtiger Berufung auf Heller/Berger/Stix aaO 65 [richtig: 68], die nur - zu Recht - ausführen, es handle sich bei Zahlungsaufträgen von Kostenbeamten nicht um Beschlüsse der Zivilgerichte iSd § 1 Z 1 EO, zutr. dagegen der Hinweis von Meinhart aaO Rz 57 auf § 6 GEG). Gegen einen solchen Titel sind aber gemäß § 35 Abs 2 dritter Satz EO Einwendungen gegen den Anspruch bei jener Behörde anzubringen, von welcher der Exekutionstitel ausgegangen ist. Entgegen der Ansicht der Rechtsmittelwerber kann aus der Judikatur des VwGH nichts anderes abgeleitet werden. Zwar kann die Rechtmäßigkeit der schon rechtskräftig verhängten Geldstrafen nach der Rsp des VwGH im Wege des Berichtigungsverfahrens gegen den Zahlungsauftrag nicht mehr aufgerollt werden (2002/16/0157; 2002/16/0183; 2002/16/0184; 2002/16/0185). Daraus ist aber nicht abzuleiten, es wäre überhaupt unmöglich, Einwendungen iSd § 35 EO im Verwaltungsverfahren geltend zu machen (vgl dazu VwGH 90/17/0199 = AnwBl 1992, 751 [Arnold]). Insbesondere kann aber aus der Judikatur des VwGH in keiner Weise abgeleitet werden, es sei entgegen § 35 Abs 2 letzter Satz EO der Rechtsweg für Oppositionsklagen gegen Zahlungsaufträge von Kostenbeamten zulässig."

Nach Ansicht des Rekursgerichts liege hier eine idente Sach- und Rechtslage vor. Gegen Zahlungsaufträge könne nicht Oppositionsklage erhoben werden. Gemäß § 35 Abs 2 dritter Satz EO seien Einwendungen gegen den Anspruch bei jener Behörde anzubringen, von welcher die Exekutionstitel ausgegangen seien. Wenn dennoch Oppositionsklage erhoben werde, liege das Prozesshindernis der Unzulässigkeit des Rechtswegs und der Nichtigkeitsgrund iSd § 477 Abs 1 Z 6 ZPO vor. Mit seinem Rekurs beantragt der Kläger die Abänderung dahin, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag zur Verfahrensergänzung gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Wenn das Berufungsgericht unter Nichtigerklärung des erstinstanzlichen Verfahrens und des Urteils die Klage zurückweist, ist sein Beschluss gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO stets, also unabhängig vom Streitwert und vom Vorliegen erheblicher Rechtsfragen, anfechtbar (Kodek in Rechberger³, § 519 ZPO Rz 8; RIS-Justiz RS0043886; RS0043861).

2. Die Auffassung des Berufungsgerichts ist durch die zitierte Entscheidung des erkennenden Senats, AZ 3 Ob 199/03s, voll gedeckt. Die Unzulässigkeit einer Oppositionsklage (Einwendungen gegen den Anspruch) gegen einen von einer Verwaltungsbehörde erlassenen Exekutionstitel ergibt sich aus dem klaren Wortlaut des § 35 Abs 2 letzter Satz EO. Danach sind die Einwendungen bei jener Behörde anzubringen, von welcher der Exekutionstitel stammt. Dass nicht der vom Firmenbuchgericht erlassene Strafbeschluss, sondern erst der Zahlungsauftrag des Kostenbeamten der Exekutionstitel iSd EO ist, entspricht der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung (6 Ob 43/05z = SZ 2005/60 uva). Ob die in dieser Entscheidung unter Ablehnung einer gegenteiligen früheren Judikatur vertretene Ansicht über den reinen Beugecharakter von Zwangsstrafen auch für die noch nach der alten Rechtslage zu entscheidenden Fälle iSd Anliegens des Rekurswerbers aufrechtzuerhalten ist (vgl die vom Erstgericht zitierten Gesetzesmaterialien) braucht nicht erörtert werden, weil es hier nur um die Frage geht, in welchem Verfahren vor welchem Gericht oder welcher Behörde der allfällige Anspruch auf Einstellung von Vollzugsakten geltend zu machen ist. Nach der gefestigten oberstgerichtlichen Judikatur des für Firmenbuchsachen zuständigen Fachsenats ist darüber nicht im Firmenbuchverfahren, sondern erst im Vollstreckungsverfahren zu entscheiden (6 Ob 208/03m = SZ 2004/61; 6 Ob 43/05z). Dem schließt sich der erkennende Senat durchaus an, nicht aber dem in der E 6 Ob 208/03m aufgestellten Rechtssatz, dass die Frage des Erlöschens des betriebenen Strafverfolgungsanspruchs in der alleinigen Entscheidungskompetenz des Exekutionsgerichts liege. Wohl könnte die Exekution mit Zustimmung der betreibenden Partei vom Exekutionsgericht eingestellt werden, auch wenn der Exekutionstitel von einer Verwaltungsbehörde stammt. Im Streitfall ist aber bei einem solchen Titel ein Oppositionsverfahren vor Gericht unzulässig. Die dagegen vorgetragenen Argumente des Rekurswerbers sind nicht stichhältig:

Es trifft nicht zu, dass die Erhebung von Einwendungen gemäß § 35 EO vor der Verwaltungsbehörde mit der letzten Entscheidungskompetenz des Verwaltungsgerichtshofs eine Verweigerung des Zugangs zu einem unabhängigen Gericht bedeutet und der „Verwaltungsgerichtshof sich direkt in ein gerichtliches Verfahren, nämlich in ein Erzwingungsverfahren nach Firmenbuchrecht, einmischt". Diese These geht von einer Einheit des Firmenbuchverfahrens und des Vollstreckungsverfahrens aus, wie sie vom Obersten Gerichtshof in den zitierten sowie in zahlreichen weiteren Entscheidungen bereits begründet abgelehnt wurde. Die These ignoriert, dass im Oppositionsstreit der Entscheidungsgegenstand nicht mehr im Offenlegungsanspruch, sondern im titulierten Zahlungsanspruch besteht, der infolge eines nach der Titelschöpfung eingetretenen Sachverhalts nicht mehr aufrecht sein soll. Dem Rekurswerber kann höchstens eine Zweckmäßigkeitserwägung dahin eingeräumt werden, dass eine Gerichtszuständigkeit für den Oppositionsstreit unter dem Gesichtspunkt des Themenzusammenhangs allenfalls zweckmäßig sein könnte. Wenn aber der Gesetzgeber dem vom Firmenbuchgericht erlassenen Strafbeschluss nicht die Qualität eines Exekutionstitels zuordnet, im GEG ein Verfahren vor dem Kostenbeamten anordnet und erst dessen Zahlungsauftrag der Exekutionstitel ist, muss die in § 35 Abs 2 EO normierte Entscheidungskompetenz der Verwaltungsbehörde zur Entscheidung über Einwendungen gegen den Anspruch beachtet werden. Von einem Eingriff der Verwaltungsbehörden (des Verwaltungsgerichtshofs) in ein gerichtliches Verfahren kann hier ebenso wenig die Rede sein, wie dies auch für alle anderen in § 35 Abs 2 EO angeführten Exekutionstitel von Verwaltungsbehörden gilt, die im gerichtlichen Exekutionsverfahren vollstreckt werden. Es ist daher die mit der Entscheidung 3 Ob 199/03s begründete Judikatur fortzuführen. Im Sinne der dort gegebenen Begründung ist weiters der Antrag des Rekurswerbers auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung abzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten der Rekursbeantwortung beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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