Spruch:
1. Die Revision wird zurückgewiesen.
2. Die Revisionsbeantwortung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Zu 1.:
Mario K***** verschuldete am 16. 5. 2004 als Lenker eines vom Kläger gehaltenen PKW, der bei der Beklagten haftpflichtversichert war, einen Verkehrsunfall, bei dem der Kläger als Beifahrer schwer verletzt wurde. Der Lenker, der zuvor gemeinsam mit dem Kläger in einem Gastlokal Alkohol konsumiert hatte, war alkoholisiert und besaß keinen Führerschein. Er wurde im Zusammenhang mit dem Unfall wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung unter besonders gefährlichen Verhältnissen (Lenken in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand und Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit) nach § 88 Abs 1, 3 und 4 (§ 81 Abs 1 Z 1) StGB strafrechtlich rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.
Der Kläger, der bei der Beklagten auch eine Fahrzeug-Rechtsschutzversicherung abgeschlossen hatte, der die Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung 2002 (ARB 2002) zugrunde lagen, erhob hinsichtlich seiner unfallskausalen Schadenersatzansprüche gegen Lenker und KFZ-Haftpflichtversicherer gegen die Beklagte (Rechtsschutz-)Deckungsklage. Er habe K***** sein Fahrzeug nicht überlassen, sondern dieser habe, während der Kläger - ebenfalls stark alkoholisiert - auf dem Beifahrersitz eingeschlafen sei, den Fahrzeugschlüssel an sich gebracht.
Die Beklagte wendete ein, dies sei eine Schutzbehauptung; tatsächlich habe der Kläger K***** das Fahrzeug zum Lenken überlassen. Wegen der den Kläger anzulastenden Obliegenheitsverletzungen nach Art 17 Punkt 4.1.1. (Führerscheinklausel) und Punkt 4.1.2. (Alkoholklausel) sei Leistungsfreiheit gegeben.
Ob Mario K***** den PKW mit Wissen und Willen des Klägers lenkte oder diesem den Fahrzeugschlüssel entwendete, war durch die Vorinstanzen nicht feststellbar; diesbezüglich wurde eine Negativfeststellung getroffen. Positiv steht hingegen fest, dass der Kläger nicht wusste, dass K***** keine Lenkerberechtigung hatte.
Das Berufungsgericht änderte die klagsstattgebende Entscheidung des Erstgerichts dahin ab, dass es die Deckungsklage abwies. Die Verletzung der Alkoholklausel falle dem Versicherungsnehmer nicht nur zur Last, wenn er selbst sein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe, sondern auch dann, wenn er sein Fahrzeug einer derart beeinträchtigten Person zur Lenkung überlassen habe. Der Versicherte könne sich von den Folgen dieser Obliegenheitsverletzung nur durch den Beweis des Fehlens jedes Verschuldens oder den Kausalitätsgegenbeweis befreien. Könne der Verdacht der Obliegenheitsverletzung nicht vollständig ausgeräumt werden, trete jedenfalls Leistungsfreiheit ein. Mit der Negativfeststellung betreffend die Frage, wie Mario K***** in den Besitz des Fahrzeugschlüssels gelangt sei, sei der vom Kläger zu erbringende Gegenbeweis, dass er die Verletzung der in Art 17 Punkt 4.1.1. ARB 2002 normierten Obliegenheit weder erkannt habe noch habe erkennen müssen, nicht erbracht. Gleiches gelte hinsichtlich der im Art 17 Punkt 4.1.2. ARB 2002 normierten Obliegenheit betreffend die Alkoholisierung des Lenkers, weil nicht feststehe, dass dieser, dessen massiver Alkoholkonsum dem Kläger jedenfalls bekannt gewesen sei, den PKW ohne Wissen und Willen des Klägers in Betrieb genommen habe. Weil die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Mario K***** im Spruch seiner rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung festgestellt worden sei, berufe sich die Beklagte zu Recht darauf, aufgrund zweier Obliegenheitsverletzungen leistungsfrei zu sein.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht jedoch 20.000 EUR übersteige. Weiters sprach es zunächst aus, dass die Revision nicht zulässig sei, gab dann aber der Zulassungsvorstellung (§ 508 Abs 1 ZPO) des Klägers statt. Zur Frage, ob die (bewusste und gewollte) Überlassung des Fahrzeugs an einen „untauglichen" Lenker durch den Versicherungsnehmer zum objektiven Tatbestand der Obliegenheitsverletzung gehöre und somit vom Versicherer unter Beweis zu stellen sei, oder ob der Versicherungsnehmer unter Beweis stellen müsse, dass er dem Lenker das Fahrzeug nicht überlassen und deshalb auch dessen „Untauglichkeit" weder gekannt habe noch kennen habe können und müssen, finde sich keine höchstgerichtliche Rechtsprechung.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen diesem, den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts ist die vom Kläger gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:
Maßgebend dafür, ob eine erhebliche Rechtsfrage zur Entscheidung vorliegt, ist der Stand der Rechtsprechung im Zeitpunkt der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0112921). Zur vom Berufungsgericht für die im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erheblich erachteten Frage der Beweislast hat der Oberste Gerichtshof in der zu 7 Ob 219/07t am 17. 10. 2007 ergangenen Entscheidung, die eine außerordentliche Revision in einem ganz vergleichbaren Fall zum Gegenstand hatte, Stellung genommen. Auch dort stand fest, dass der Lenker des Fahrzeugs des Versicherten im Unfallszeitpunkt weder über eine gültige Lenkerberechtigung verfügte noch sich - zufolge sehr starker Alkoholisierung - in einem fahrtüchtigen Zustand befand. Wie hier war unentscheidbar, ob dem Lenker das Fahrzeug vom Kläger (der wie hier Versicherungsnehmer und Revisionswerber war) überlassen worden war oder nicht. Zur strittigen Frage, zu wessen Lasten dies gehe, wurde ausgeführt:
„Durch die Negativfeststellung, dass nicht (mit Sicherheit) ausgeschlossen werden kann, dass sich der Lenker den Fahrzeugschlüssel des Klägers unbemerkt angeeignet hat, hat der Kläger ... den ihm obliegenden Gegenbeweis des Ausschlusses einer (möglichen) Überlassung seines Fahrzeugs an einen ... nicht geeigneten Lenker gerade nicht erbracht, zumal bei vom Versicherer nachgewiesener Obliegenheitsverletzung Zweifel zu Lasten des (klägerischen) Versicherungsnehmers gehen (vgl 7 Ob 2146/96f, VersR 1997, 647 unter Hinweis auf 7 Ob 36/84). Entgegen dem in der Revision eingenommen Standpunkt ist also insoweit nicht von einer Beweislast des beklagten Versicherers, sondern davon auszugehen, dass zu den in diesem Zusammenhang vorgetragenen Entlastungsbehauptungen des beweisbelasteten Klägers bezüglich der erwiesenen Obliegenheitsverletzungen die diesbezüglich getroffenen Negativfeststellungen zu seinen und nicht seiner Prozessgegnerin Lasten gehen."
Der Oberste Gerichtshof hat also in dieser Entscheidung ausgesprochen, dass auch in Fällen, in denen das Fahrzeug nicht vom Rechtsschutzversicherten selbst gelenkt wurde, die Obliegenheitsverletzung durch Verstoß gegen die Alkoholklausel feststeht, wenn nachgewiesen ist, dass sich der Lenker in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befand. Die gegenteilige Ansicht des Revisionswerbers, in einem solchen Fall sei eine Obliegenheitsverletzung erst dann zu bejahen, wenn vom Versicherer der Beweis erbracht sei, dass der Versicherungsnehmer (Versicherte) dem (alkoholisierten) Lenker das Fahrzeug überlassen habe, überzeugt nicht. Stellt es doch keineswegs die Regel, sondern eine Ausnahme dar, wenn ein Fahrzeug gegen Wissen und Willen des rechtsschutzversicherten Halters gelenkt wurde. Auch unter dem Aspekt der Beweisnähe ist es eher vom Versicherungsnehmer (Versicherten) zu verlangen, zu beweisen, dass der (alkoholisierte) Lenker das Fahrzeug unbefugt in Betrieb genommen habe, als vom Versicherer, dass das Fahrzeug mit Wissen und Willen des Versicherungsnehmers gelenkt wurde. Da die Entscheidung 7 Ob 219/07t demnach dem in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsatz der sogenannten „allgemeinen Beweislastregel" folgt, nach der jede Partei die Beweislast für das Vorliegen aller tatsächlichen Voraussetzung der ihr günstigen Rechtsnorm trägt (Rechberger in Rechberger³ Vor § 266 Rz 11 mwN aus Judikatur und Schrifttum), wurde schon dort die (außerordentliche) Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückgewiesen. Wiederholt wurde vom Obersten Gerichtshof auch schon ausgesprochen, dass dann, wenn der Verdacht der Obliegenheitsverletzung nicht vollständig ausgeräumt werden kann, jedenfalls Leistungsfreiheit eintritt (7 Ob 36/84, ZVR 1985/94 = RdW 1985, 372; 7 Ob 2146/96f, VersR 1997, 647; 7 Ob 219/07t). Da das Berufungsgericht im Einklang mit dieser Judikatur entschieden hat, liegt eine erhebliche Rechtsfrage nicht vor.
Dass die Verletzung der Alkoholklausel nach Art 17 Punkt 4.2. ARB 2002 von der weiteren Voraussetzung abhängig ist, dass die Alkoholbeeinträchtigung des Lenkers im Spruch oder in der Begründung einer im Zusammenhang mit dem Versicherungsfall ergangenen rechtskräftigen Entscheidung eines Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde festgestellt wurde, hat das Berufungsgericht entgegen der Ansicht des Revisionswerbers ohnehin erkannt und berücksichtigt. Im Einklang mit oberstgerichtlicher Judikatur ist es aber auch zutreffend davon ausgegangen, dass die Erwähnung der Alkoholbeeinträchtigung des Lenkers im Spruch des Strafurteils einer Annahme, der Lenker wäre nicht in einem seine Fahrtüchtigkeit beeinträchtigenden Ausmaß alkoholisiert gewesen, entgegensteht. Im Übrigen ist der Kläger in seinem Vorbringen selbst von einer Alkoholisierung des Lenkers von über 1,8%o ausgegangen und hat bei seiner Parteienvernehmung angegeben, K***** sei „total alkoholisiert" gewesen.
Ob wegen der festgestellten Nichtkenntnis des Klägers hinsichtlich der mangelnden Lenkerberechtigung entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ein Verschulden des Klägers hinsichtlich dieser Obliegenheitsverletzung zu verneinen ist, muss nicht mehr erörtert werden, da Leistungsfreiheit zufolge des Verstoßes gegen die Alkoholklausel feststeht.
Da sich somit insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO stellt, ist die Revision zurückzuweisen. Nach § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO konnten sich die Rechtsausführungen des Obersten Gerichtshofs auf die Darlegung der Zurückweisungsgründe beschränken.
Zu 2.:
Die Revisionsbeantwortung der Beklagten ist verspätet. Der Beschluss des Berufungsgerichts vom 3. 9. 2007, mit dem der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision geändert wurde, ist der Beklagten am 12. 9. 2007 zugestellt worden. Die gemäß § 507a Abs 2 Z 2 ZPO vierwöchige Frist zur Überreichung der Revisionsbeantwortung endete daher am 10. 10. 2007. Die Beklagte hat die Revisionsbeantwortung entgegen § 507a Abs 3 Z 1 ZPO beim Erstgericht eingebracht, das sie an das Berufungsgericht übersendet hat, wo sie am 16. 10. 2007 einlangte. Da nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung die unrichtige Adressierung einer fristgebundenen Eingabe die Anwendung des § 89 GOG ausschließt (Kodek in Rechberger³ Vor § 461 Rz 7 mwN; RIS-Justiz RS0041608), ist die Zeit der Übersendung des Schriftstücks vom unzuständigen an das zuständige Gericht in die Rechtsmittelfrist einzurechnen (RIS-Justiz RS0041584). Die demnach verspätete Revisionsbeantwortung der Beklagten ist zurückzuweisen.
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