Spruch:
Mona S***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 29. Oktober 2007 wurde die am 14. September 2007 über Mona S***** wegen des dringenden Verdachts des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 287b Abs 2 StGB aus den Haftgründen der Flucht-, Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1, 2 und 3 lit a und b StPO (idF vor BGBl I 2004/19) verhängte (ON 157) und mit - unbekämpft in Rechtskraft erwachsener - Entscheidung des Untersuchungsrichters vom 26. September 2007 (ON 181) fortgesetzte Untersuchungshaft aus den Haftgründen des § 180 Abs 2 Z 1 und 3 lit a und b StPO (idF vor BGBl I 2004/19) neuerlich fortgesetzt (ON 198). Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Wien der dagegen erhobenen Beschwerde der Beschuldigten keine Folge und ordnete seinerseits die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus den schon vom Erstgericht angenommenen Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 und 3 lit a und b StPO (idF vor BGBl I 2004/19) iVm § 35 Abs 1 zweiter Satz JGG mit Wirksamkeit bis 15. Jänner 2008 an (ON 238).
Nach den Sachverhaltsannahmen des Oberlandesgerichts Wien ist die am
1. Dezember 1986 geborene Mona S***** dringend verdächtig, sich an
einer terroristischen Vereinigung, nämlich der Al-Qaida oder einem
anderen international tätigen radikal-islamistischen Terrornetzwerk
in dem Wissen beteiligt zu haben, dadurch diese Vereinigung zu
fördern, indem sie wiederholt für die Webseite der Globalen
Islamischen Medienfront sowie für andere Internetforen
propagandistische Botschaften (darunter eine Ansprache von Osama
B*****, BS 6 unten), die die Ideologie der Al-Qaida verbreiten, und
Begleittexte und Überschriften zu Videos, in denen terroristische
Anschläge verherrlicht werden, überarbeitete, von der englischen in
die deutsche Sprache und umgekehrt übersetzte und an ihren Mann (den
Mitbeschuldigten Mohamed M*****) übermittelte, ... wobei sie wusste
und beabsichtigte, dass eine Verbreitung im Internet stattfinden
werde ... (BS 5 bis 6).
Als gesetzliche Bezeichnung dieser für sehr wahrscheinlich gehaltenen Taten wurde im angefochtenen Beschluss das Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB genannt (§§ 179 Abs 4 Z 4, 182 Abs 4 zweiter SatzStPO idF vor BGBl I 2004/19). Die Annahme dringenden Tatverdachts leitete das Beschwerdegericht aus den Erhebungen des Bundesministeriums für Inneres (Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung sowie Bundeskriminalamt [SEO]), insbesonders den Ergebnissen der dabei durchgeführten Überwachung einer Telekommunikation und der optischen und akustischen Überwachung von Personen unter Verwendung technischer Mittel (§§ 149a, 149d Abs 1 Z 3 lit a und b, 149e Abs 1 dritter Satz StPO idF vor BGBl I 2004/19), der Verantwortung der Beschwerdeführerin und der Mitbeschuldigten Mohamed M***** und Umer H***** sowie belastenden Angaben des Zeugen Hashem H***** ab (BS 3 f und 6).
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen von Mona S***** erhobenen Grundrechtsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.
§ 2 Abs 1 GRBG bezeichnet nur unrichtige Gesetzesanwendung als Grundrechtsverletzung und führt dabei „insbesondere" einzelne gravierende Fälle namentlich an. Ermessensausübung innerhalb der gesetzlichen Grenzen hingegen kann zwar durch eigenes Ermessen des Rechtsmittelgerichts ersetzt, nicht aber als unrichtig charakterisiert werden.
Der Oberste Gerichtshof ist demnach nicht dazu aufgerufen, als weitere Haftbeschwerdeinstanz eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen der angefochtenen Entscheidung zu setzen, vielmehr Rechtsfehler wahrzunehmen (vgl auch §§ 3 Abs 1 erster Satz, 7 Abs 1, 11 GRBG).
Da zudem - anders als bei einer Haftbeschwerde an das Oberlandesgericht - nicht die Haft, vielmehr die Entscheidung über die Haft den Gegenstand des Erkenntnisses über eine Grundrechtsbeschwerde bildet, und § 3 Abs 1 GRBG hinsichtlich der dort angeordneten Begründungspflicht des Beschwerdeführers nichts anderes vorsieht, kann im Verfahren über eine Grundrechtsbeschwerde nach seit Langem einhelliger, ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die Sachverhaltsgrundlage des dringenden Tatverdachts nur - aber immerhin - nach Maßgabe der Mängel- und Tatsachenrüge der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO in Frage gestellt werden (vgl RIS-Justiz RS0120817, RS0114488, RS0112012, RS0110146). Formal mangelhaft im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 StPO sind die Entscheidungsgründe, soweit undeutlich bleibt, was in Hinsicht auf entscheidende Tatsachen überhaupt angenommen werden sollte oder unklar ist, aus welchen Gründen eine solche Sachverhaltsannahme getroffen wurde. Neben einer solchen Undeutlichkeit, die - wie gesagt - Sachverhaltsannahmen und deren Begründung betreffen kann, kommt als zweiter Fall des § 281 Abs 1 Z 5 StPO die sog Unvollständigkeit ins Spiel. Dieser zweite Fall der Mängelrüge soll verhindern, dass ein erheblicher Beweis bei der Beweiswürdigung unberücksichtigt bleibt. Der dritte Fall der Z 5 betrifft im Wesentlichen Widersprüche innerhalb von Sachverhaltsannahmen in Betreff entscheidender Tatsachen oder beweiswürdigenden Erwägungen und stellt nur einen besonderen Fall von Undeutlichkeit, also des ersten Falls der Z 5, dar. Der vierte sanktioniert eine gänzlich fehlende oder offenbar unzureichende Begründung für die (Verdachts-)Annahme einer entscheidenden Tatsache. Er wird immer wieder als Möglichkeit zur Bekämpfung der Beweiswürdigung verkannt, soll aber nur geradezu willkürliche Sachverhaltsannahmen zu entscheidenden Tatsachen hintanhalten und entspricht solcherart dem allgemein geltenden Willkürverbot. Aktenwidrigkeit nach Z 5 letzter Fall liegt schließlich vor, wenn der Inhalt einer gerichtlichen Aussage oder Urkunde in der Begründung der angefochtenen Entscheidung in erheblicher Weise unrichtig wiedergegeben wurde. Über die formalen Grenzen der Beweiswürdigung hinaus kann zwar auch das Beweiswürdigungsermessen einer letztinstanzlichen Entscheidung zum Gegenstand einer Grundrechtsbeschwerde gemacht werden, jedoch nur nach Maßgabe deutlich und bestimmt bezeichneter Aktenteile und der in der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO genannten Erheblichkeitsschwelle (13 Os 125/06s = EvBl 2007/47, 252 = JBl 2007, 604 mit zustimmender Anmerkung von Burgstaller).
Anstelle einer solcherart prozessordnungskonformen Argumentation bestreitet die Beschwerde das Vorliegen dringenden Tatverdachts allein mit der substratlosen Behauptung „Die Beschuldigte war kein Mitglied einer terroristischen Vereinigung. Die GIMF ist keine derartige Verbindung." und vertritt - unter Hinweise auf eine unvollständig zitierte und missverstandene Kommentarstelle - die Ansicht, die (bloße) Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung sei generell nicht strafbar (vgl dagegen § 278b Abs 2 StGB; zum Ganzen Plöchl in WK² § 278b Rz 6 ff). Sie zeigt damit weder einen Darstellungs- oder Begründungsmangel noch sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Verdachtsausspruch in Richtung § 278b Abs 2 StGB zugrundeliegenden entscheidenden Tatsachen auf. Zudem verfehlt sie den Bezugspunkt einer Grundrechtsbeschwerde, indem sie nicht von den Sachverhaltsannahmen des Oberlandesgerichts ausgeht, nach denen die Beschuldigte der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung (im Sinne des § 287b Abs 1 erster Satz StGB), nämlich der Al-Qaida oder einem anderen international tätigen radikal-islamistischen Terrornetzwerk dringend verdächtig ist, und nicht - wie die Beschwerde vermeint - der Mitgliedschaft an der „Globalen Islamischen Medienfront (GIMF)" oder einer terroristischen Vereinigung, die sich auf die Drohung mit terroristischen Straftaten beschränkt (§ 278b Abs 1 zweiter Satz StGB).
Dass den Gründen ausdrückliche Sachverhaltsannahmen zur subjektiven Tatseite (vgl dazu Plöchl in WK² § 278a Rz 29) nicht zu entnehmen sind, macht den angefochtenen Beschluss übrigens nicht undeutlich im Sinn der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19) und wurde aus Z 5 erster Fall nicht gerügt. Entsprechende Feststellungen wird das erkennende Gericht zu treffen haben. Die rechtliche Annahme einer der von § 180 Abs 2 StPO (idF vor BGBl I 2004/19; vgl nunmehr § 173 Abs 2 StPO) genannten Gefahren wird vom Obersten Gerichtshof im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens dahin geprüft, ob sie aus den in der angefochtenen Entscheidung angeführten bestimmten Tatsachen abgeleitet werden durfte, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als unvertretbar („willkürlich") angesehen werden müsste (RIS-Justiz RS0117806). Die Beschwerdeführerin zeigt mit ihrer Behauptung, die Fortsetzung ihrer bloß für den Beschuldigten Mohamed M***** durchgeführten Übersetzungstätigkeit sei schon zufolge dessen Inhaftierung nicht mehr möglich, keinerlei Willkür bei der Annahme der Tatbegehungsgefahr auf.
Die begründete Gefahr, die Beschuldigte werde auf freiem Fuß ungeachtet des gegen sie geführten Strafverfahrens weitere strafbare Handlungen mit schweren Folgen begehen, die gegen das selbe Rechtsgut gerichtet sind, wie die ihr angelasteten - wiederholt begangenen - Handlungen mit schweren Folgen, leitete das Oberlandesgericht Wien aus der nach der Verdachtslage zumindest mehrmonatigen Tatbegehung, der engen Involvierung in terroristische Vereinigungen und der ideologisch tief verankerten Tatmotivation der - radikal-islamistische Ideen befürwortenden - Beschuldigten ab. Auf dieser - von der Beschwerde gar nicht bestrittenen - Grundlage aber wurde die Annahme von Tatbegehungsgefahr gesetzmäßig begründet. Eine Erörterung der weiteren Einwände gegen die vom Oberlandesgericht ebenfalls als bestehend angesehene Fluchtgefahr erübrigt sich, weil bei gegebenem dringenden Tatverdacht bereits ein Haftgrund die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft rechtfertigt (RIS-Justiz RS0061196).
Somit wurde die Beschuldigte im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb die Beschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.
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