OGH 3Ob205/07d

OGH3Ob205/07d19.12.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.-Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Georg Prantl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Fachverband der Buch- und Medienwirtschaft, Wien 4, Wiedner Hauptstraße 63, vertreten durch Dr. Bernhard Tonninger und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Unzulässigkeit der Exekution (§ 36 EO), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 28. Juni 2007, GZ 17 R 71/07y-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Mödling vom 27. Dezember 2006, GZ 10 C 10/06b-7, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 1.754,82 EUR (darin 292,47 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zum besseren Verständnis der im Revisionsverfahren wesentlichen Themen ist die österreichische Rechtslage kurz dahin zu skizzieren, dass der Gesetzgeber mit dem ursprünglich auf fünf Jahre befristeten Bundesgesetz über die Preisbindung von Büchern (BGBl I 2000/45, im Folgenden nur BPrBG), das nunmehr unbefristet Geltung hat (Neufassung des § 8 durch das BGBl I 2004/113), den freien Warenverkehr im Buchhandel beschränkte. Verleger und Importeure von Büchern sind verpflichtet, den Letztverkaufspreis festzusetzen und diesen bekanntzumachen (§ 3 Abs 1 BPrBG), der vom Letztverkäufer beim Verkauf an Letztverbraucher mit Ausnahme eines Rabatts von 5 % nicht unterschritten werden darf (§ 5 Abs 1). Die Ankündigung einer Unterschreitung des Letztverkaufspreises ist verboten (§ 5 Abs 2). Gesetzgeberische Absicht dieser Regelung ist die Aufrechterhaltung der Büchervielfalt (Bericht des Kulturausschusses, AB 113 XXI. GP, 1).

Die Impugnationsklägerin ist Buchhändlerin. Der beklagte Fachverband erwirkte beim Landesgericht Wiener Neustadt am 29. Juni 2006 zu AZ 27 Cg 99/06f eine einstweilige Verfügung (EV). Der Impugnationsklägerin wurde aufgetragen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Unterlassungsklage die Ankündigung von Preisen zu unterlassen, „die den festgesetzten österreichischen Mindestpreis (Letztverkaufspreis + Umsatzsteuer) für das jeweilige angekündigte preisgebundene Buch unterschreiten" (in der EV werden beispielsweise - arg.:

„insbesondere" - mehrere von der Klägerin vertriebene Bücher und deren Preise angeführt). Der Fachverband beantragte aufgrund der EV zu AZ 10 E 5981/06x des Bezirksgerichts Mödling die Bewilligung der Exekution durch Verhängung einer Geldstrafe. Die Klägerin (Verpflichtete des Exekutionsverfahrens) habe mehrmals im Internet preisgebundene Bücher zu einem unter dem österreichischen Mindestpreis liegenden Preis angekündigt und die Bücher mit den unzulässigen Preisen vor ihren Filialen in Prospekten und auf Plakaten beworben. Das Bezirksgericht Mödling bewilligte am 6. Oktober 2006 die Exekution und verhängte über die Klägerin eine Geldstrafe von 20.000 EUR.

Mit ihrer Impugnationsklage beantragte die Klägerin die Unzulässigerklärung und Aufhebung der bewilligten Exekution. Sie stellte den im Exekutionsantrag behaupteten Sachverhalt über die Art der Ankündigung der Bücher ebenso außer Streit wie den Umstand, dass eine Bekanntmachung des Buchpreises durch die Klägerin (in ihrer Eigenschaft als Buchimporteurin) nicht auf den Internetseiten des Bundesgremiums, wohl aber auf der eigenen Internetseite unter www.l *****.at erfolgt sei. Die Klägerin habe sämtliche Bücher aus Deutschland unter Erzielung von Handelsvorteilen importiert und sei deshalb gemäß § 3 Abs 1 BPrBG berechtigt, den Buchpreis eigenständig festzusetzen. Einige Bücher seien zwar unter Zwischenschaltung eines dritten Unternehmens importiert worden, doch habe die Klägerin auch hier die Preisvereinbarungen getroffen und sei deshalb auch in diesen Fällen als Importeurin anzusehen. Beim Aufstellen von Plakatständern vor Filialen, bei der Werbung in Schaufenstern und beim Auflegen von Prospekten in den Filialen der Klägerin handle es sich um bloße Preisauszeichnungen und keine Ankündigungen. Die vom beklagten Fachverband beanstandeten Preise lägen überdies im Rahmen des zulässigen Preisrabatts von 5 %. Schließlich verstoße der Exekutionstitel gegen das Gemeinschaftsrecht. Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) dürften auch bestandskräftig gewordene individuelle Rechtsakte, die unmittelbare Wirkung entfaltendem Gemeinschaftsrecht widersprechen, nicht angewendet werden. Die grenzüberschreitende österreichische Buchpreisbindung verstoße gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs (Art 28 EGV) und gegen den Grundsatz der Vertragstreue. Der österreichische Gesetzgeber habe zuvor bestandene kartellrechtswidrige Vereinbarungen zwischen österreichischen und deutschen Verlegern in Gesetzesform festgeschrieben.

Der beklagte Fachverband beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Wenn die Klägerin den im Exekutionsantrag angeführten Sachverhalt nicht bestreite und nur rechtliche Erwägungen ins Treffen führe, stehe hiefür nur der Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung, nicht aber die Impugnationsklage zur Verfügung. Einen vom festgesetzten Mindestpreis abweichenden anderen Mindestpreis habe der Importeur zu melden, damit der Preis in dem vom beklagten Fachverband mit dem Hauptverband des österreichischen Buchhandels bestimmten Medium veröffentlicht werden könne. Eine solche Meldung sei nicht erfolgt, sodass die Klägerin auch in ihrer Eigenschaft als allfällige Importeurin trotz allenfalls erzielter Einkaufsvorteile an den veröffentlichten Mindestpreis gebunden sei. Die Werbemaßnahmen der Klägerin seien für einen größeren Personenkreis bestimmte Ankündigungen gewesen und keine Preisauszeichnungen. Die österreichische Buchpreisbindung verstoße auch nicht gegen das Gemeinschaftsrecht oder die Judikatur des EuGH. Die Regelung gelte für alle Marktteilnehmer und betreffe nur Verkaufsmodalitäten, die nicht den Marktzugang an sich regelten. Die Buchpreisbindung sei aus kulturellen Gründen zum Schutz von kleinen Buchhändlern und von Qualitätsbüchern gegenüber „billiger Massenware" erforderlich. Bücher seien Kulturgut.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Klägerin bestreite den im Exekutionsantrag angeführten Sachverhalt, also das Zuwiderhandeln gegen den Exekutionstitel, nicht. Für rechtliche Bestreitungen stehe die Impugnationsklage nicht zur Verfügung. Auf die Rechtsausführungen, die Exekutionsbewilligung verstoße gegen das Gemeinschaftsrecht, sei daher nicht einzugehen. Ein Importeur, der aus dem Europäischen Wirtschaftsraum Bücher zu einem vom üblichen Einkaufspreis abweichenden Preis kaufe, könne den vom Verleger festgesetzten Preis zwar unterschreiten, müsse aber gemäß § 4 BPrBG vor dem Inverkehrbringen der Bücher den von ihm festgesetzten Letztverkaufspreis im Internet veröffentlichen und zwar nach § 4 Abs 2 leg cit auf der vom Bundesgremium der Buch- und Medienwirtschaft in Zusammenarbeit mit dem Hauptverband des österreichischen Buchhandels zugänglich gemachten Internetseite. Da die Klägerin eine derartige Veröffentlichung unterlassen habe, gelte der dort veröffentlichte Preis und sei die Prüfung der Frage nicht mehr erforderlich, ob die Klägerin tatsächlich Importeurin sei und ob sie Preisvorteile erzielt habe. Das Aufstellen von Plakatständern vor Filialen, die Werbung in Schaufenstern oder in Prospekten, seien Ankündigungen iSd BPrBG. Alle diese Werbemaßnahmen entsprächen sogar öffentlichen Bekanntmachungen bzw Mitteilungen, die für einen größeren Personenkreis bestimmt seien. Die Ankündigungen seien nicht bloße Preisauszeichnungen, wie beispielsweise Preisetiketten auf der Ware selbst.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es teilte die Auffassung des Erstgerichts, dass die Impugnationsklage nicht dazu diene, die Rechtsrichtigkeit der Exekutionsbewilligung zu überprüfen. Im Impugnationsverfahren habe der Beklagte das Zuwiderhandeln des Verpflichteten zu beweisen, das mangelnde Verschulden am Verstoß gegen den Exekutionstitel müsse der Impugnationskläger nachweisen. Hier sei daher der behauptete Verstoß des Exekutionstitels gegen das Gemeinschaftsrecht nicht zu prüfen. Im Übrigen könne sich die Klägerin auch nicht auf ihre Eigenschaft als Importeurin berufen, weil sie gemäß § 4 BPrBG zur Bekanntmachung eines Letztverkaufspreises verpflichtet gewesen wäre. Die Ankündigung der Bücher auf der eigenen Internetseite www.l *****.at reiche nicht aus. Ein mangelndes Verschulden am Verstoß gegen den Exekutionstitel habe die Klägerin nicht nachgewiesen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zum Buchpreisbindungsgesetz fehle.

Mit ihrer Revision beantragt die Klägerin die Abänderung dahin, dass der Impugnationsklage stattgegeben werde, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung. Hilfsweise wird ferner die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH beantragt. Der beklagte Fachverband beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin wiederholt im Revisionsverfahren im Wesentlichen ihre schon vor den Vorinstanzen vorgetragenen Argumente. Sie sei als Importeurin berechtigt, den Letztverkaufspreis festzusetzen und selbst auf ihrer Internetseite zu veröffentlichen. Dies ergäbe sich aus § 4 Abs 1 BPrBG. Die Homepage der Klägerin sei ein geeignetes Medium, weil sie für jedermann zugänglich sei. Im Übrigen diene das Verzeichnis der Preise nicht der Information der Verbraucher, sondern der Letztverkäufer. Bei der vom beklagten Fachverband bekämpften Werbung handle es sich nicht um eine Ankündigung iSd § 5 Abs 1 BPrBG, sondern um bloße Preisauszeichnungen. Rabatte bis zu 5 % seien zulässig. Schwerpunkt der Revision sind schließlich die Ausführungen zur Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der grenzüberschreitenden Buchpreisbindung (S 6 bis 17 der Revision), auf die allerdings - wie auszuführen sein wird -, aus verfahrensrechtlichen Gründen nur in einem Punkt, nämlich in Ansehung der Frage einzugehen ist, ob die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit eines Exekutionstitels (hier eine einstweilige Verfügung) im Exekutionsverfahren bzw im Verfahren über eine Impugnationsklage wahrnehmbar ist oder ob ein solcher Titel wegen seiner Rechtskraft Grundlage der Exekutionsführung bleiben kann und muss.

I. Zum eingeschränkten Prozessthema im Impugnationsstreit nach § 36

EO:

1. Substrat der Exekutionsbewilligung nach § 355 EO oder eines darauffolgenden Strafbeschlusses ist nur das vom betreibenden Gläubiger behauptete Verhalten. Nur dieses kann dann Gegenstand eines vom Verpflichteten eingeleiteten Impugnationsverfahrens sein (RIS-Justiz RS0080946). Der betreibende Gläubiger muss das Zuwiderhandeln, auf das er sein Exekutionsrecht stützt, konkret und schlüssig im Exekutionsantrag behaupten. Der Verpflichtete muss nämlich wissen, welches Zuwiderhandeln ihm vorgeworfen wird, damit er in die Lage versetzt wird, allenfalls seine Einwendungen gegen die Exekutionsbewilligung nach § 36 Abs 1 Z 1 EO erheben zu können (RIS-Justiz RS0000709).

Bestreitet der Verpflichtete, dass der behauptete Sachverhalt rechtlich ein Zuwiderhandeln gegen das titelmäßige Duldungs- oder Unterlassungsgebot darstellt, steht ihm dafür nur der Rekurs, nicht auch die Impugnationsklage zur Verfügung. Bestreitet er hingegen, den als Zuwiderhandlung behaupteten Sachverhalt verwirklicht zu haben, kann er sowohl gegen die Exekutionsbewilligung als auch gegen den Strafbeschluss Impugnationsklage nach § 36 Abs 1 Z 1 EO erheben (Jakusch in Angst, EO, § 36 Rz 20 mwN). Im Impugnationsprozess hat der Beklagte das Zuwiderhandeln gegen den Exekutionstitel zu beweisen (SZ 57/137; SZ 68/151; RIS-Justiz RS0000756). Dem Kläger (Verpflichteten) steht, wenn er das Zuwiderhandeln nicht bestreitet, aber auch der Beweis offen, ihn treffe am Zuwiderhandeln kein Verschulden (SZ 68/151; 3 Ob 159/06p mwN). Auf ein mangelndes Verschulden am Zuwiderhandeln kommt die Revisionswerberin hier allerdings nicht mehr zurück.

Die Impugnationsklage ist aber kein Mittel, die Rechtsrichtigkeit der Exekutionsbewilligung zu bekämpfen (Jakusch aaO Rz 9) oder die Richtigkeit des Exekutionstitels zu überprüfen. Letzteres ist schon Folge der materiellen Rechtskraft des Titels.

2. Die Vorinstanzen haben diese Grundsätze durchaus richtig erkannt und den von der Klägerin außer Streit gestellten Sachverhalt der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt. Auf der Sachverhaltsebene durfte die Klägerin einen Titelverstoß aber dahin in Abrede stellen, dass ein anderer bekanntgemachter Letztverkaufspreis existiere, den die Klägerin mit ihren Ankündigungen nicht unterschritten habe. Zu diesem Thema ist entscheidend, ob die Klägerin die gegenständlichen Bücher importierte und ob die Preise von ihr iSd § 3 Abs 1 BPrBG festgesetzt und dem Gesetz entsprechend bekanntgemacht wurden. Dabei kommt es entscheidend auf die Auslegung des § 4 leg cit an.

3. Entgegen dem Revisionsvorbringen hat die Klägerin die Letztverkaufspreise mit deren Veröffentlichung auf der eigenen Homepage nicht wirksam bekannt gemacht:

§ 3 Abs 1 leg cit normiert, dass der Importeur den Letztverkaufspreis festzusetzen und bekanntzumachen hat. Nach § 4 Abs 1 ist der Letztverkaufspreis im Internet oder in geeigneten anderen Medien rechtzeitig vor dem ersten Inverkehrbringen oder vor jeder Preisänderung bekanntzumachen. Diese Bestimmung ist im Zusammenhang mit dem folgenden zweiten Absatz des § 4 und dem vom Gesetzgeber mit der Veröffentlichungspflicht verfolgten Gesetzeszweck auszulegen. Der Revisionswerberin ist einzuräumen, dass nach dem Gesetzeswortlaut allein eine Veröffentlichung auf der Homepage des Importeurs als ausreichend erachtet werden könnte. Aus dem Zitat von Berka und Eilmansberger (Das Buchpreisbindungsgesetz auf dem Prüfstand des Verfassungsrechts und Gemeinschaftsrechts, WBl 2007, 205 [206, FN 8]), kann dies allerdings nicht erschlossen werden. Im zitierten Ausschussbericht heißt es zu § 4 Abs 2 (aaO 7):

„Da die Preisfestsetzungspflicht gemäß § 3 auch den einzelnen Buchhändler bei Kleinstimporten treffen wird, dieser von der Bekanntmachungspflicht übermäßig belastet würde, ist es notwendig, das entsprechende Veröffentlichungsmedium dafür bereitzustellen. Die Verantwortung für dieses Internetportal bzw Datenbank soll beim Bundesgremium in Zusammenarbeit mit dem Hauptverband liegen."

Entgegen der im zitierten Schrifttum vertretenen Auffassung ist das vom Bundesgremium zur Verfügung gestellte Internetportal nicht bloß eine unverbindliche Serviceleistung, die von den Verlegern und Importeuren nicht in Anspruch genommen werden müsste. Nach dem Zweck der Veröffentlichungspflicht ist § 4 BPrBG vielmehr dahin auszulegen, dass dann, wenn vom Bundesgremium eine Internetseite unterhalten wird, die Veröffentlichung im Internet stets dort zu erfolgen hat, weil anders die angestrebte Transparenz des verbindlichen Buchpreises nicht hergestellt werden kann und den Verlegern und Importeuren nur die Möglichkeit verbleibt, die Bekanntmachung „in geeigneten anderen Medien" vorzunehmen, wofür wohl nur eine Veröffentlichung in einer amtlichen Zeitung (beispielsweise in der Wiener Zeitung oder in einem allen Buchhändlern zur Verfügung gestellten Organ der Bundeswirtschaftskammer) in Frage kommt, weil sichergestellt sein muss, dass sich tatsächlich alle Adressaten, also die Buchhändler als Letztverkäufer, schnell und sicher über den aktuellen festgesetzten Buchpreis informieren können. Aus dem Preisfestsetzungsrecht der Importeure ergibt sich die systembedingte Besonderheit, „dass für dieselbe Ware je nach Importeur verschiedene Letztverkaufspreise bestehen" können (AB aaO 6). Bei mehreren tausend Buchhändlern in Österreich, von denen jeder zu Buchimporten berechtigt ist, liegt es auf der Hand, dass mit einer Veröffentlichung des von einem Importeur festgelegten Buchpreises nur auf dessen eigener Homepage eine verlässliche Bekanntmachung nicht bewerkstelligt werden kann und dass die Ermittlung dieses Preises durch einen Letztverkäufer praktisch unmöglich ist, müsste er sich doch bei einer Vielzahl von ihm gar nicht bekannten Importeuren kundig machen. Es ist daher die Auslegung der Bekanntmachungsvorschriften durch die Vorinstanzen nicht zu beanstanden, dass die Klägerin, wenn sie den von ihr selbst festgesetzten Letztverkaufspreis im Internet veröffentlichen wollte, dazu das Internetportal des Bundesgremiums zu verwenden gehabt hätte.

4. Zu den Revisionsausführungen, dass es sich bei dem außer Streit gestellten Sachverhalt über die Art der Werbung der Klägerin (auf Plakatständern vor Filialen; in Schaufenstern und Prospekten) um bloße Preisauszeichnungen und nicht um Ankündigungen iSd § 5 Abs 1 BPrBG handle, ist auf die zutreffende Begründung des Berufungsgerichts zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). Von einer Rabattgewährung kann keine Rede sein. Das Unterlassungsgebot der Exekutionsbewilligung betrifft nur Ankündigungen von Buchpreisen, die die veröffentlichten Mindestpreise unterschreiten.

II. Zur Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der grenzüberschreitenden Buchpreisbindung in Österreich macht sich die Revisionswerberin im Wesentlichen die Bedenken von Berka und Eilmansberger (aaO) zu eigen und versucht eine Unvereinbarkeit der österreichischen Rechtslage mit dem Gemeinschaftsrecht und der Judikatur des EuGH darzulegen. Im Impugnationsstreit ist der Exekutionstitel nicht auf seine materielle Richtigkeit zu überprüfen. Es geht - wie ausgeführt - nur um das Zuwiderhandeln gegen den Titel auf der Sachverhaltsebene. Die Revisionsausführungen zum Gemeinschaftsrecht sind aber dort wesentlich, wo unter Hinweis auf EuGH-Judikatur behauptet wird, dass ein Exekutionstitel, der mit dem Gemeinschaftsrecht in Widerspruch steht, von den Gerichten nicht (mehr) anzuwenden sei. Dazu ist Folgendes auszuführen:

1. Das unmittelbar geltende Gemeinschaftsrecht genießt Vorrang gegenüber dem nationalen Recht (RIS-Justiz RS0109951), selbst gegenüber dem nationalen Verfassungsrecht (1 Ob 57/04w = SZ 2004/76; SZ 73/44 ua). Das Gemeinschaftsrecht ist aber - schon wegen fehlender gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften - nach den nationalen Verfahrensvorschriften zu vollziehen („Verfahrensautonomie der Mitgliedsstaaten"). Das nationale Verfahrensrecht darf allerdings nicht ungünstiger ausgestaltet werden als für Verfahren, die rein innerstaatliche Sachverhalte betreffen (Diskriminierungsverbot), und es darf die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts nicht praktisch unmöglich gemacht werden (Effektivitätsgebot). Daher sind auch die Rechtswirkungen individueller Vollzugsakte einschließlich ihrer Anfechtbarkeit und Bestandskraft nach dem nationalen Recht zu beurteilen (10 ObS 172/04y = SZ 2005/29). Zum Verfahrensrecht gehören auch die Bestimmungen über die Anfechtbarkeit und die Rechtskraft von Entscheidungen.

2. Die Revisionswerberin steht unter Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 29. April 1999, Rs C-224/97 , Ciola vs. Land Vorarlberg (veröffentlicht in EuZW 1999, 405) auf dem Standpunkt, dass die einstweilige Verfügung ungeachtet ihrer Rechtskraft, von den Gerichten nicht zu beachten sei. Der zitierten Entscheidung des EuGH lag ein in mancher Hinsicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Mit einem rechtskräftigen Verwaltungsbescheid wurde dem Betreiber eines Bootshafens erlaubt, in seinem Hafen 60 Boote unterzubringen, deren Eigner ihren Wohnsitz im Ausland haben. Der Beschwerdeführer überschritt dieses Kontingent. Über ihn wurde eine Geldbuße verhängt. Über Ersuchen des mit der Sache befassten Verwaltungsgerichtshofs führte der EuGH in seiner Vorabentscheidung aus, dass der Bescheid der Verwaltungsbehörde über das Ausländerkontingent gegen die Dienstleistungsfreiheit verstoße und deshalb bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Geldstrafe, die nach dem Zeitpunkt des Beitritts Österreichs zur Gemeinschaft wegen der Nichtbeachtung dieses Verbots verhängt wurde, unangewendet bleiben müsse. Mit dieser Entscheidung verließ der Gerichtshof allerdings seine Vorjudikatur, wonach bei der Kollision der Grundsätze über den Vorrang des Gemeinschaftsrechts einerseits und die Anwendung nationalen Verfahrensrechts andererseits letzterer Grundsatz den Vorrang genieße (dazu ausführlich die schon zitierte E SZ 2005/29 mwN). Schon in seiner unmittelbar nach der E Ciola vs. Land Vorarlberg ergangenen Entscheidung vom 1. Juni 1999, Rs C-126/97 , Eco Swiss vs. Benetton (EuZW 1999, 565) judizierte der EuGH wieder, dass das Gemeinschaftsrecht es einem nationalen Gericht nicht gebiete, von der Anwendung seiner nationalen Vorschriften über die Rechtskraft abzusehen. Wiederholt verwies der EuGH in seinen Entscheidungen auf die Bedeutung der Rechtskraft für die Rechtssicherheit. Erst jüngst führte er aus, dass zur Gewährleistung des Rechtsfriedens und der Beständigkeit rechtlicher Beziehungen sowie einer geordneten Rechtspflege nach Ausschöpfung des Rechtswegs oder nach Ablauf der entsprechenden Rechtsmittelfristen unanfechtbar gewordene Gerichtsentscheidungen nicht mehr in Frage gestellt werden könnten. Das Gemeinschaftsrecht gebiete es einem nationalen Gericht nicht, von der Anwendung innerstaatlicher Verfahrensvorschriften, aufgrund deren eine Entscheidung Rechtskraft erlangt habe, abzusehen, selbst wenn dadurch ein Verstoß dieser Entscheidung gegen Gemeinschaftsrecht abgestellt werden könnte (Urteil des EuGH vom 16. März 2006, Rs C-234/04 , Kapferer vs. Schlank & Schick GmbH). Im Hinblick auf diese jüngste Judikatur des EuGH ist für den Standpunkt der Revisionswerberin aus der offenbar vereinzelt gebliebenen Entscheidung Ciola vs. Land Vorarlberg nichts zu gewinnen. Die Frage der allfälligen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des rechtskräftigen Exekutionstitels (der einstweiligen Verfügung) ist weder im Exekutionsverfahren noch über eine Impugnationsklage zu untersuchen. Sie wird allerdings im noch anhängigen Verfahren über die Hauptsache (über den Unterlassungsanspruch des beklagten Fachverbands) entscheidungswesentlich sein.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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