OGH 3Ob227/07i

OGH3Ob227/07i19.12.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.-Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 9. November 2004 verstorbenen Rottraud Adalbertina S*****, wegen Nachlassseparation gemäß § 812 ABGB, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers Vinzenz Bernhard J*****, vertreten durch Schmid & Horn Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 6. März 2007, GZ 5 R 239/06p-75, womit infolge Rekurses des Antragstellers und des Zweitantragstellers Dr. Helfried J*****, vertreten durch Schmid & Horn Rechtsanwälte GmbH in Graz, der Beschluss des Bezirksgerichts Graz vom 17. Oktober 2006, GZ 17 A 283/04s-71, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die beantragte Nachlassseparation bewilligt wird.

Der Antrag auf Ersatz der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die am 9. November 2004 Verstorbene bestimmte mit ihrem Testament vom 24. September 2002 und der Ergänzung vom 25. Oktober 2004 ihren Cousin zum Alleinerben und vermachte zahlreiche Legate. Dem bedingt erbserklärten Alleinerben wurde am 13. Dezember 2005 die Besorgung und Verwaltung des ruhenden Nachlasses eingeräumt. Am 19. Mai 2006 beantragten zwei Legatare und Nachlassgläubiger, die zuvor im Verlassenschaftsverfahren Forderungen von 242.242 EUR und 310.000 EUR angemeldet hatten, die Nachlassseparation. Der Erstantragsteller (Revisionsrekurswerber) hat seine Forderung inzwischen bereits klageweise geltend gemacht. Der Separationsantrag wurde zunächst nur mit der Höhe der Forderungen der Gläubiger und der Gefahr der Vermengung des Nachlasses mit dem Vermögen des Erben begründet. In der Folge führten die Antragsteller ergänzend aus, dass der Erbe das Nachlassvermögen geradezu „verschleudere", weil er zu Unrecht ein Legat an eine familienfremde Person anerkannt habe, der nichts zustehe. Im Testament sei ein Fonds mit der Bezeichnung „Capital Invest Osteuropa-Fonds" als Legat vermacht worden, der Erbe habe jedoch ein Legat über Wertpapiere mit der Bezeichnung „Capital Invest Euro Liquid Fonds" anerkannt. Schließlich bestünden zwischen der vorläufigen Vermögensaufstellung des Gerichtskommissärs und den Angaben in der Todfallsaufnahme Unregelmäßigkeiten bezüglich der dort angeführten Sparbücher. Die in der Todfallsaufnahme angeführten Sparbücher bei der Bank Austria Creditanstalt AG mit den dort bezeichneten Kontonummern fehlten. Weiters habe der Erbe in einer Tagsatzung vor dem Gerichtskommissär erklärt, dass sich im Safe der Erblasserin außer den Sparbüchern keine Vermögenswerte befänden, tatsächlich sei dort aber nicht unbeträchtlicher Schmuck und Münzen vorhanden gewesen.

Der Universalerbe sprach sich gegen die Nachlassseparation aus. Eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Forderungen der Antragsteller sei nicht gegeben. In Ansehung des Wertpapierdepots sei der Erblasserin ein Irrtum unterlaufen. Sie habe im Legat den Namen des Fonds aus einem Prospekt herangezogen, nicht aber den Fonds, dessen Wertpapiere sie besessen habe. Im Übrigen verfüge der Erbe über ein nicht unbeträchtliches eigenes Vermögen, mit dem er den Verlassenschaftsgläubigern zusätzlich hafte. Der Erbe habe seit 27 Jahren gemeinsam mit der Erblasserin Zugang zu dem Safe gehabt, sodass es ihm im Bedarfsfall leicht möglich gewesen wäre, den Schmuck aus dem Safe zu entfernen. Dies sei nicht geschehen. Der gesamte Schmuck sei inventarisiert und geschätzt worden.

Das Erstgericht wies den Separationsantrag ab. Mit der Nachlassabsonderung solle allen Gefahren vorgebeugt werden, die sich aus der tatsächlichen Verfügungsgewalt des Erben ergeben. Es genügten zwar hinreichend motivierte, subjektive Bedenken der Antragsteller. Es müssten aber zumindest Umstände behauptet werden, die bei vernünftiger Überlegung die Besorgnis rechtfertigten. Hier gäbe es keine Anhaltspunkte, dass der Erbe verschuldet wäre und dass deswegen durch die Vermengung des Nachlasses „der Haftungspool für die Einschreiter drastisch vermindert wäre". Aus dem Anerkenntnis eines Legats gehe eine Verschleuderung des Nachlasses nicht hervor. Der Erbe habe nachvollziehbar dargelegt, dass sich die Erblasserin in der Bezeichnung des der Legatarin vermachten Wertpapierdepots nur geirrt habe. Dass in der Todfallsaufnahme ein Sparbuch angeführt werde, dessen Kontonummer bei der Bank aber nicht bekannt sei, könne dem Erben nicht angelastet werden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller nicht Folge. Es teilte die Auffassung des Erstgerichts, dass die Gläubiger eine Gefährdung ihrer Ansprüche nicht bescheinigen, wohl aber eine Besorgnis schlüssig behaupten müssten. Die abstrakte Möglichkeit, dass der Erbe nachteilige Verfügungen über den Nachlass treffen könnte, reiche nicht aus. Dem Erben sei es gelungen, die Besorgnisse der Antragsteller zu zerstreuen. Es sei nachvollziehbar, dass sich die Erblasserin bei der Bezeichnung des Wertpapierdepots geirrt habe. Ein Wertpapierdepot mit der Bezeichnung „Capital Invest Osteuropa-Fonds" sei im Nachlass überhaupt nicht enthalten. Der Inhalt des Safes sei bereits inventarisiert. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Alleinerbe, der 27 Jahre lang Zugang zum Safe gehabt habe, den Nachlass habe beiseite schaffen wollen. Bei der Eröffnung seien Schmuck und Münzen gefunden worden, welche in der Tagsatzung des Gerichtskommissärs nicht angeführt worden seien. Aus der Gegenüberstellung der Todfallsaufnahme und der vorläufigen Vermögensaufstellung des Gerichtskommissärs lasse sich für den Standpunkt der Separationswerber nichts gewinnen, „zumal aufgrund der Vielzahl der Sparbücher, Girokonten und Wertpapierdepots offensichtlich erst in der vorläufigen Vermögensaufstellung genaue Angaben möglich waren".

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Mit seinem Revisionsrekurs beantragt der Erstantragsteller die Abänderung dahin, dass dem Antrag auf Nachlassseparation stattgegeben werde, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung. Der Universalerbe beantragt mit der ihm freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts zulässig, weil bei der Verneinung einer subjektiven Besorgnis der Antragsteller entgegen der oberstgerichtlichen Rechtsprechung ein zu strenger Maßstab angelegt wurde. Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

1. Das Rekursgericht zitiert völlig richtig die in der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Grundsätze, dass für die Bewilligung der Nachlassseparation iSd § 812 ABGB schon die subjektive Besorgnis über die Einbringlichkeit der Forderung des antragstellenden Gläubigers ausreicht. Die Gefährdung muss nicht bescheinigt werden (RIS-Justiz RS0013068). Die subjektiven Bedenken müssen lediglich behauptet werden und hinreichend motiviert sein. Die Anführung konkreter Umstände ist erforderlich (so schon 5 Ob 600/77 mwN; 6 Ob 12/84; 4 Ob 374/97x; 3 Ob 86/05a mwN). Die im § 812 ABGB erwähnte Vermengung der Verlassenschaft mit dem Vermögen des Erben ist nur ein Beispiel einer möglichen Gefährdung der Erbschaftsgläubiger (RIS-Justiz RS0013049). Die Nachlassseparation soll allen Gefahren vorbeugen, die sich aus der Verfügungsgewalt des Erben ergeben (RIS-Justiz RS0013073). Eine bloß abstrakte Möglichkeit, der Testamentserbe könnte für die Gläubiger nachteilig über den Nachlass verfügen, rechtfertigt die Absonderung nicht (RIS-Justiz RS0013072). Die Nachlassseparation ist aber auch nicht an strenge Bedingungen zu knüpfen (RIS-Justiz RS0013070).

2. Das Rekursgericht hat entgegen dem zuletzt angeführten Grundsatz an die Rechtfertigung der begehrten Nachlassseparation zu strenge Anforderungen gestellt und hat im Ergebnis ein Bescheinigungsverfahren zum Thema des vom Erben anerkannten Legats durchgeführt und danach eine Unbedenklichkeit der Verfügung des Universalerben angenommen, der die subjektiven Bedenken der Antragsteller „zerstreuen" habe können. Für die Schlüssigkeit der subjektiven Bedenken, die bloß zu behaupten waren, reichte aber der von den Antragstellern relevierte Umstand aus, dass der vermachte Wertpapierfonds im Nachlass nicht aufscheint, sondern nur Wertpapiere eines Fonds mit einem bloß ähnlichen Namen, wobei sich die Ähnlichkeit nur auf die beiden ersten (allgemeinen) Wörter („Capital Invest") bezieht („Capital Invest Euro Liquid Fonds" versus „Capital Invest Osteuropa Garantie"). Die gegen die Anerkennung des Legats durch den Erben geäußerten Bedenken der Antragsteller stützten sich demnach auf einen konkreten Umstand und sind als schlüssig zu beurteilen. Noch mehr gilt dies für die schon im Verfahren erster Instanz von den Nachlassgläubigern (in ON 67) aufgezeigten Divergenzen zwischen den in der Todfallsaufnahme angeführten, mit Kontonummern näher bezeichneten Sparbüchern einer Bank und der vorläufigen Vermögensaufstellung des Gerichtskommissärs (ON 51), in der diese Sparbücher nicht aufscheinen. Der Revisionsrekurswerber führt dazu dem Akteninhalt entsprechend aus, dass sich der Erbe zum Verbleib der „verschwundenen" Sparbücher nicht einmal geäußert habe und bekämpft im Ergebnis zu Recht die vom Rekursgericht gegebene Begründung, dass „erst in der vorläufigen Vermögensaufstellung genaue Angaben möglich" gewesen seien. Auf die Richtigkeit dieser vom Rekursgericht geäußerten Vermutung kommt es nicht an. Entscheidend ist, ob die aufgezeigte Diskrepanz zwischen der mit dem Erbenmachthaber errichteten Todfallsaufnahme und der vorläufigen Vermögensaufstellung des Gerichtskommissärs Anlass für subjektive Bedenken der Separationswerber sein konnte. Diese Frage ist zu bejahen. Dem Separationsantrag ist demnach stattzugeben.

3. Abschließend ist noch zur Revisionsrekursbeantwortung des Universalerben Stellung zu nehmen:

a) Richtig ist die formelle Rüge, dass der in der Freistellung der Rechtsmittelbeantwortung gegebene Hinweis auf § 521a ZPO, §§ 78, 402 EO verfehlt war und richtig auf § 71 Abs 2 AußStrG hätte verwiesen werden müssen. Durch den unrichtigen Hinweis ist der Einschreiter aber in keiner Weise beschwert.

b) In der Sache selbst releviert der Universalerbe einen Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses des Separationswerbers, weil sein im Verlassenschaftsverfahren angemeldeter und auch eingeklagter Gläubigeranspruch in der Zwischenzeit rechtskräftig abgewiesen worden sei (8 Ob 106/07g). Das Legat des Separationswerbers sei diesem bereits ausgefolgt worden. Dieses Vorbringen verstößt gegen das im Revisionsrekursverfahren herrschende Neuerungsverbot (§ 66 Abs 2 AußStrG). Die zitierte oberstgerichtliche Entscheidung wurde erst im November 2007 gefällt. Die angefochtene Entscheidung des Rekursgerichts ist auf der Sachverhaltsgrundlage zum Zeitpunkt ihrer Beschlussfassung zu beurteilen. Zum übrigen Vorbringen in der Revisionsrekursbeantwortung ist auf die schon gegebene Begründung (oben P 1. und 2.) zu verweisen.

Der Universalerbe hat die Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen (§ 185 AußStrG).

Stichworte