OGH 3Ob86/05a

OGH3Ob86/05a27.7.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach Gertraud S*****, infolge Revisionsrekurses der pflichtteilsberechtigten Tochter Prof. Mag. Gertraud L*****, vertreten durch Dr. Alexander Hofmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 25. Jänner 2005, GZ 44 R 583/04t-51, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 27. August 2004, GZ 1 A 193/03z-35, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Antragstellerin machte gegenüber der Verlassenschaft nach ihrer am 22. November 2003 verstorbenen Mutter bzw ihren beiden Brüdern, die als Testamentserben je zur Hälfte des Nachlasses bedingte, zu Gericht angenommene Erbserklärungen abgegeben hatten und denen das Erstgericht die Verwaltung und Besorgung des Nachlasses überlassen hatte, Pflichtteilsansprüche geltend. Sie brachte mittlerweile gegen ihre Brüder die Klage auf Leistung des Nachlasspflichtteils von 85.587,99 EUR sowie des Schenkungspflichtteils von 597.052,63 EUR ein.

Die Antragstellerin begehrte Nachlassseparation und begründete die Höhe des von ihr geforderten Pflichtteils mit den inzwischen ermittelten Nachlassaktiven von 213.527,97 EUR, zu welchen sie noch geschätztes verschwiegenes Vermögen von 300.000 EUR hinzurechnete, weil auf Grund negativer Bankauskünfte anzunehmen sei, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit von den Erben Bargeld und Bankguthaben in dieser Höhe verschwiegen worden sei. Für den geforderten Schenkungspflichtteil stützte sie sich auf Schenkungen der Erblasserin an ihre Brüder, die mehrere Liegenschaften und Geschäftsanteile erhalten hätten. Zur Gefährdung führte sie aus, die gesamten Pflichtteilsansprüche einschließlich des Schenkungspflichtteils könnten aus dem Nachlass nicht befriedigt werden. In diesem befinde sich kein werthaltiges unbewegliches Vermögen, das zur Deckung der Pflichtteilsansprüche herangezogen werden könnte. Die Töchter eines der Erben hätten überdies bewegliche Sachen, die zum Nachlass gehörten, aus der Wohnung der Verstorbenen verbracht.

Die Erben traten dem Separationsbegehren der Antragstellerin entgegen, bestritten die geltend gemachten Pflichtteilsansprüche dem Grunde nach unter Hinweis auf die Verzichtserklärungen der Antragstellerin ON 4 und 5 und der Höhe nach mit der Behauptung, die Antragstellerin habe nur Unterstellungen vorgebracht und eine Überschuldung der Erben nicht einmal behauptet, zumal eine solche auch nicht vorliege.

Das Erstgericht wies im zweiten Rechtsgang den Separationsantrag neuerlich mit der Begründung ab, die dem Schenkungspflichtteil zugrundegelegten Werte beruhten auf bloßen Vermutungen, im Übrigen habe die Antragstellerin nicht einmal behauptet, die Erben wären überschuldet, wofür sich auch aus dem Akt keine Hinweise ergäben. Die Verbringung von beweglichen Nachlasssachen könne nicht dazu führen, dass die Ansprüche der Antragstellerin in den übrigen nicht zu verbringenden Nachlasswerten keine Deckung fänden. Die Besorgnis, dass die Erben den Nachlass und damit den Befriedigungsfonds für die Forderungen der Antragstellerin schmälern könnten, sei nicht ausreichend motiviert. Die Inventarisierung des Nachlasses sei bereits erfolgt und die Höhe des Nachlassvermögens stehe fest. Eine mögliche Verbringung von Nachlassvermögen ins Ausland sei von der Antragstellerin nicht einmal behauptet worden.

Das Rekursgericht bestätigte die Antragsabweisung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels Rsp des Obersten Gerichtshofs zur Nachlassabsonderung wegen eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs bei ausreichendem Vermögen der Erben sowie zur Abwendung einer grundsätzlich berechtigten Separation durch Verzicht auf die Verfügung über den Nachlass oder Nachlassteile bis zur Entscheidung über den Pflichtteilsprozess zulässig sei.

Es fehle sowohl an einer Bescheinigung des Grundes als auch der Höhe des Anspruchs auf Pflichtteilsergänzung. Der von der Antragstellerin geltend gemachte Pflichtteilsanspruch selbst sei aber in den von einer allfälligen Verbringung nicht betroffenen Teilen des Nachlasses (Bankguthaben) jedenfalls gedeckt. Darüber hinaus fehle es aber gerade auf Grund der Darlegungen der Antragstellerin über den Wert der im Vermögen der Erben enthaltenen geschenkten Sachen an einer nachvollziehbaren Begründung der Besorgnis einer Gefahr durch die Vermengung des Nachlasses mit dem Vermögen der Erben, weil dieses Vermögen mit 3,582.315 EUR bewertet werde, sodass der Anspruch auf Erhöhung des Pflichtteils mit 597.052,63 EUR errechnet worden sei. Allein das geschenkt erhaltene Vermögen der Erben reiche also zur Deckung aller geltend gemachten Ansprüche mehrfach aus. Dass die Befriedigung des Schenkungspflichtteils nicht aus dem Nachlass erfolgen könne, rechtfertige seine Absonderung vom Vermögen der Erben nicht, weil deren Überschuldung nicht einmal ansatzweise behauptet oder auch nur für möglich gehalten worden sei. Daran ändere auch die behauptete Verbringung von beweglichen Nachlasssachen nichts. Zur Befriedigung allfälliger Pflichtteilsergänzungsansprüche und des Ausfalls ihrer Deckung wegen mangelnden Zureichens des Nachlasses stehe reichlich Vermögen der Erben zur Verfügung. Eine Nachlassseparation führe zu keiner Verbesserung der Deckungssituation der Antragstellerin. Trotz Verbringung von Nachlassfahrnissen durch die Erben lasse sich keine Tendenz zur Verbringung des ganzen Nachlasses oder des eigenen Vermögens erkennen. Vielmehr sei die Antragstellerin zur Deckung ihrer Ansprüche auf den Nachlass nicht angewiesen.

Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

a) Der Oberste Gerichtshof ist gemäß § 16 Abs 3 AußStrG (in der hier gemäß § 203 Abs 7 AußStrG 2003 infolge erstinstanzlicher Entscheidung vor dem 31. Dezember 2004 noch anzuwendenden aF) bei der Prüfung der Zulässigkeit eines Revisionsrekurses an Aussprüche des Gerichts zweiter Instanz nach § 13 Abs 1 Z 2 AußStrG 1854 nicht gebunden.

b) Im Verlassenschaftsverfahren haben Noterben die Rechte gemäß den §§ 784, 804 und 812 ABGB und sind deshalb Beteiligte nach § 9 AußStrG 1854 (1 Ob 2222/96p = EFSlg 81.359 ff; 1 Ob 9/99a = EFSlg 90.003 ff mwN). Demnach ist ein Noterbe nicht nur berechtigt, die Errichtung des Inventars zu fordern (§ 804 ABGB), sondern kann im Rahmen der Voraussetzungen des § 812 ABGB auch die Nachlassabsonderung verlangen. Deren Zweck als Rest einer amtswegigen Fürsorge für die Erbschaftsgläubiger (1 Ob 9/99a mwN) besteht darin, die Befriedigung des Absonderungsgläubigers aus dem getrennt verwalteten Sondervermögen auch noch nach Einantwortung des Nachlasses sicherzustellen, somit den Separationsgläubiger vor allen Gefahren zu schützen, die infolge der tatsächlichen Nachlassverfügungsgewalt des Erben samt der daraus folgenden Verquickung vermögensrechtlicher Beziehungen entstehen können (1 Ob 9/99a mwN).

Nach hA genügt für eine Absonderung jede hinreichende - wenngleich bloß subjektiv motivierte - Besorgnis des Antragstellers, dass der Erbe den Nachlass und damit den Befriedigungsfonds für die Nachlassforderung schmälern könnte. Der Nachlassgläubiger muss nur jene Umstände angeben, die eine solche Besorgnis bei vernünftiger Auslegung rechtfertigen. Nicht erforderlich ist dagegen die Bescheinigung oder gar der Nachweis einer der subjektiven Besorgnis entsprechenden Gefahrenlage, soll doch die Absonderung allen (abstrakt) vorstellbaren Gefahren vorbeugen. In diesem Zusammenhang erwähnt das Gesetz die Gefahr der Nachlassvermengung mit dem Erbenvermögen nur als Beispiel (1 Ob 9/99a mwN; RIS-Justiz RS0013068). Es reicht zwar schon jedes hinreichend motivierte subjektive Bedenken des Gläubigers zur Erfüllung der Voraussetzungen für den Absonderungsanspruch hin, dem Gläubiger obliegt aber doch die Behauptung - nicht auch die formelle Bescheinigung - konkreter Umstände, die die geltend gemachte Besorgnis wenigstens subjektiv begründet erscheinen ließen (6 Ob 12/84). Ob im jeweils zu beurteilenden Fall konkrete Umstände vorliegen, die eine solche subjektive Besorgnis für die Einbringlichmachung der Forderung begründen können, richtet sich nach den konkret behaupteten Umständen. Ihrer Beurteilung kommt keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (6 Ob 32/01a = EFSlg 96.924; 3 Ob 107/04t). Vom hier nicht vorliegenden Fall einer auffallenden Fehlbeurteilung durch das Rekursgericht abgesehen - liegt daher keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 14 Abs 1 AußStrG 1854 vor.

c) Der Pflichtteilsergänzungsanspruch der erbl Tochter findet in den von einer allfälligen Verbringung nicht bedrohten Teilen des inventierten Nachlasses (Bankguthaben) Deckung. Zur Sicherung dieses Anspruchs bedarf es daher von vornherein keiner Nachlassseparation. Der Anspruch auf Pflichtteilsergänzung wegen den Erben früher gemachter Geschenke richtet sich schon begrifflich gegen das Vermögen der Erben, dessen Vergrößerung die (zu Unrecht verkürzte) Pflichtteilsberechtigte ja behauptet. Das Vermögen der Erben, auf das die Pflichtteilsberechtigte insoweit angewiesen ist, vermag eine Nachlassseparation aber nicht zu sichern. Auch bei ausreichend dargelegter Besorgnis der Nachlassminderung muss das Separationsbegehren der erbl Tochter daher erfolglos bleiben.

d) Dem Gericht zweiter Instanz unterlaufene Verfahrensverstöße sind nur dann wahrzunehmen, wenn sie (abstrakt) geeignet waren, eine unrichtige Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz herbeizuführen (stRsp; RIS-Justiz RS0043027; zuletzt ausdrücklich auch für das Rekursverfahren in Außerstreitsachen 3 Ob 15/02f = EFSlg 100.346, 103.058).

Der Revisionsrekurs ist zurückzuweisen.

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