OGH 2Ob48/07h

OGH2Ob48/07h17.12.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dragomir R*****, vertreten durch Dr. Margit Stüger, Rechtsanwältin in Frankenmarkt, gegen die beklagte Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Klaus Plätzer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen EUR 25.500 sA und Feststellung (Streitinteresse: EUR 4.000), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 4. Jänner 2007, GZ 2 R 239/06i-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 4. Oktober 2006, GZ 3 Cg 35/06s-18, aufgehoben wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.503,54 (darin EUR 250,59 USt) bestimmten Kosten ihrer Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz, § 528a ZPO).

Das Berufungsgericht hat den Rekurs gegen seinen Aufhebungsbeschluss an den Obersten Gerichtshof mit der Begründung für zulässig erachtet, dass trotz der Vielzahl der zum Haftungsprivileg des § 333 Abs 1 ASVG bereits ergangenen Entscheidungen zu einem dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbaren Fall noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes existiere, wobei im Hinblick auf die Vielzahl derartiger Rechtsstreitigkeiten die Frage der Abgrenzung von kurzzeitiger Eingliederung und Nichteingliederung bei Be- und Entladungsvorgängen in den fremden Betrieb von erheblicher Bedeutung sei.

Der von der beklagten Partei erhobene Rekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig; weder in dessen Begründung noch im Rechtsmittel der beklagten Partei wird eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dargetan. Eine solche wird insbesondere dadurch nicht begründet, dass ein völlig gleichgelagerter Sachverhalt vom Obersten Gerichtshof bisher noch nicht entschieden worden ist (RIS-Justiz RS0107773).

Nach ständiger Rechtsprechung ist in Fällen, in denen zwei Betriebsunternehmer als Vertragskontrahenten einander gegenüberstehen, die Haftung des einen Unternehmers bei Verletzung eines Betriebsangehörigen des anderen Unternehmers durch § 333 ASVG solange nicht ausgeschlossen, als jeder Unternehmer innerhalb der Sphäre seines eigenen Betriebes tätig bleibt. Zum Haftungsausschluss kann es dann kommen, wenn der Verletzte die Sphäre seines eigenen Betriebes verlässt und sich in den Aufgabenbereich des anderen Unternehmers, wenn auch nur kurzfristig, einordnet (2 Ob 24/05a mwN; RIS-Justiz RS0021534). Der Verletzte muss bei Verrichtung dieser Tätigkeit in den fremden Betrieb eingegliedert sein; ein Verhältnis persönlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit ist allerdings nicht erforderlich (2 Ob 24/05a mwN).

Wie das Berufungsgericht selbst richtig erkennt, liegt bereits eine Vielzahl von Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes zu den für eine das Haftungsprivileg des § 333 Abs 1 ASVG auslösende Eingliederung des Betriebsangehörigen eines Unternehmers in den fremden Betrieb maßgeblichen Kriterien vor (vgl nur die unter RIS-Justiz RS0084209 angeführten Entscheidungen). Das Berufungsgericht stützte sich primär auf die Entscheidung 2 Ob 24/05a, in welcher der erkennende Senat die wesentlichen, auch hier zu beachtenden Grundsätze zu diesem Themenbereich mit Hinweisen auf die einschlägige Vorjudikatur ausführlich dargestellt hat. Danach steht der Eingliederung in den fremden Betrieb (ua) nicht entgegen, dass die Mithilfe nicht aufgrund einer Aufforderung des Unternehmers, sondern freiwillig und aus bloßer Gefälligkeit erfolgte. Wesentlich ist bei der Verrichtung des Gefälligkeitsdienstes nur, dass die Tätigkeit ihrer Art nach einer abhängigen Beschäftigung entspricht und dass sie nicht zum eigenen betrieblichen Aufgabenbereich des Verletzten gehört. Der Helfende ist in das (fremde) Unternehmen eingegliedert, wenn er mit ausdrücklichem oder stillschweigend zum Ausdruck kommendem oder nach Lage der Sache zu vermutendem Einverständnis des Unternehmers handelt und zumindest bereit ist, nach den den Arbeitsvorgang bestimmenden Weisungen des Unternehmers, in dessen Interesse (auch) die Tätigkeit ausgeübt wird, oder dessen Vertreters zu handeln. Auch derjenige kann also als eingegliedert angesehen werden, der unaufgefordert und ohne vorherige Absprache aus eigenem Entschluss helfend eingreift, wobei bereits seine Bereitschaft genügt, sich während seiner Tätigkeit im fremden Aufgabenbereich den Weisungen des fremden Unternehmers oder des von diesem bestellten Aufsehers zu unterwerfen.

Ob nun nach diesen Grundsätzen von der Eingliederung in einen fremden Betrieb auszugehen ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des konkreten Einzelfalles und begründet daher keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO.

Die Berufungsentscheidung steht im Einklang mit der dargestellten Judikatur. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes hat der Kläger, dessen Dienstgeber mit der Abholung des Aschecontainers beauftragt worden war, den Container unbeobachtet bestiegen und versucht, den „Aschegupf" mit einer Schaufel zu glätten, obwohl der Heizmeister der beklagten Partei das Angebot einer derartigen „Hilfeleistung" zuvor mit dem Hinweis abgelehnt hatte, dass das Glätten der Asche wie üblich mit einem firmeninternen Radlader bewerkstelligt werden wird. Die „Hilfeleistung" des Klägers erfolgte somit weder im ausdrücklichen noch im stillschweigenden oder nach Lage der Sache zu vermutenden Einverständnis mit dem Heizmeister der beklagten Partei. Bei dieser Sachlage lässt die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, der Kläger sei in den Betrieb der beklagten Partei nicht eingegliedert gewesen, keine Fehlbeurteilung des vorliegenden Einzelfalles erkennen, die aus Gründen der Rechtssicherheit einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf. Bereits in der Entscheidung 7 Ob 280/99y (= RIS-Justiz RS0112655) wurde klargestellt, dass von einem sozialversicherungsrechtlich geschützten Gefälligkeitsdienst keine Rede sein kann, wenn sich der in der Folge durch den Unfall Verletzte gegen den ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des fremden Unternehmers in einen von dessen Aufgabenbereich umfassten Arbeitsvorgang eingemischt hat (vgl auch Neumayr in Schwimann, ABGB³ VII § 333 ASVG Rz 28 mwN in Fn 163). Soweit das Berufungsgericht zur Klärung der Verschuldensfrage - der Kläger hat seine Ansprüche auf die Verletzung der gebotenen Schutzmaßnahmen und die Unterlassung jeglicher Warnung vor der Gefahr einer „Staubexplosion" gestützt - eine Verbreiterung der Sachverhaltsgrundlage durch Verfahrensergänzung für nötig erachtet hat, kann dem der Oberste Gerichtshof, der selbst nicht Tatsacheninstanz ist, nicht entgegentreten (RIS-Justiz RS0042179; Kodek in Rechberger, ZPO³ § 519 Rz 26).

Da es der Klärung von erheblichen Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht bedurfte, war der Rekurs als unzulässig zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in seiner Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen. Für einen Kostenvorbehalt nach § 52 Abs 1 ZPO besteht kein Anlass, weil durch die Zurückweisung des Rechtsmittels der beklagten Partei wegen Unzulässigkeit eine abschließende und vom Ergebnis der Hauptsachenentscheidung unabhängige Erledigung des Rechtsmittels möglich war (2 Ob 155/06t; 2 Ob 194/07d ua).

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