OGH 5Ob220/07z

OGH5Ob220/07z20.11.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache der Antragstellerin T***** OEG, *****, vertreten durch Dr. Horst Auer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegner 1. Dr. Eva Maria H*****, 2. Eigentümergemeinschaft *****, 3. Mag. Johannes K*****, 4. Fang-Yi L*****, 5. Gerald K*****, 6. Monika F*****, 7. An-Na G*****,

8. Mag. Sonja N*****, 9. Barbara M*****, 10. Dr. Waltraud D*****, 11. DI Erich T*****, 12. Aya Maria T*****, 13. Ing. Ferdinand Robert K*****, 14. Mag. Gefjon S*****, 13. und 14. Antragsgegner vertreten durch Dr. Christian Prader, Rechtsanwalt in Innsbruck, 15. Ulrike R*****, 16. Wilhelm R*****, 17. Mag. Susanne K*****, wegen § 52 Abs 1 WEG 2002 und Feststellung, über die Revisionsrekurse a) der Antragstellerin und b) der 13. und 14. Antragsgegner gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 29. Mai 2007, GZ 41 R 27/07k-14, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 17. Dezember 2006, GZ 45 Msch 53/06i-8, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.

Die Antragstellerin ist schuldig, der Erst- und der Zweitantragsgegnerin binnen 14 Tagen die mit EUR 824,67 (darin enthalten EUR 137,44 USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Antragstellerin ist Eigentümerin folgender Anteile an einer Liegenschaft in Wien:

130/1622 verbunden mit Wohnungseigentum an der Wohnung 1 des Hofgebäudes,

105/1622 verbunden mit Wohnungseigentum an der Wohnung 2 des Hofgebäudes,

9/1622 verbunden mit Wohnungseigentum an der Garage G1. Die Erstantragsgegnerin ist die Verwalterin der Wohnungseigentumsanlage. Als Zweitantragsgegnerin wird die Eigentümergemeinschaft bezeichnet. Die übrigen Mitbeteiligten sind sämtliche Mit- und Wohungseigentümer des Hauses. Auf der Liegenschaft ist ein Mietwohnhaus errichtet; es bestehen noch „Altmietverträge", die vor der 1998 erfolgten Wohnungseigentumsbegründung abgeschlossen worden sind.

Zum Zeitpunkt der Wohnungseigentumsbegründung befanden sich auf der Liegenschaft neben dem Hofgebäude, wo zwei Wohnungen ausgebaut werden sollten, noch zwei Holzschuppen. Im Dachgeschoss des (straßenseitigen) Gebäudes sollten vier Wohnungen ausgebaut werden. Zusätzlich war im Hof die Errichtung einer Garage mit fünf PKW-Einstellplätzen geplant. Die der Wohnungseigentumsbegründung vorangegangene Entscheidung der Schlichtungsstelle vom 21. 1. 1998 hatte alle diese Objekte berücksichtigt.

Im Mai 2004 wurden die Hof-Zubauten abgebrochen, die dort vorgesehenen Wohnungen 1 und 2 wurden nicht errichtet. Der geplante Dachgeschoss-Ausbau wurde dahingehend geändert, dass nur drei Wohnungen ausgebaut wurden. Das Vorhaben, die Garage mit fünf PKW-Abstellplätzen im Hof auszuführen, wurde fallen gelassen. Statt der Garage wurden an der hinteren Grundgrenze (an jener Stelle, an der früher das Hofgebäude stand) acht PKW-Abstellplätze eingerichtet. In Punkt 13. des Wohnungseigentumsvertrages wurde vereinbart, dass die Aufteilung sämtlicher Aufwendungen im Verhältnis der Nutzflächen im Sinne des MRG zu erfolgen hat. Die Parteien des Wohnungseigentumsvertrages einigten sich weiters, dass für die Kosten der ordnungsgemäßen Erhaltung des Hauses monatlich die jeweils gesetzlich vorgesehenen Beiträge zur Bildung einer Rücklage bei der Hausverwaltung zu erlegen sind. Auch die Beiträge zu dieser Rücklage sollten nach dem Verhältnis der Nutzflächen zueinander zu entrichten sein.

In den Jahren 2005 und 2006 schrieb die Erstantragsgegnerin als Hausverwalterin der Antragstellerin Beiträge zu den Bewirtschaftungskosten bzw zur Rücklage für die (nicht mehr existierenden) Wohnungen des Hofgebäudes Top 1 und 2 und für zwei PKW-Abstellplätze (Top G1 und G2) vor. Die Antragstellerin bezahlte die vorgeschriebenen Beträge.

Die Antragstellerin erhebt folgende Begehren:

a) Festzustellen, dass entsprechend dem näher bezeichneten Punkt des Wohnungseigentumsvertrages die Nutzflächen der Objekte in dem im Jahr 2004 abgebrochenen Hoftrakt (Wohnungen 1 und 2 in diesem Hoftrakt) und der (insgesamt acht) PKW-Abstellplätze an der hinteren Grundstücksgrenze seit dem 1. 1. 2005 weder für die Aufteilung der Aufwendungen nach § 32 WEG 2002 noch für die Aufbringung der anteiligen Rücklagen nach § 31 WEG 2002 heranzuziehen sind;

b) der Erstantragsgegnerin aufzutragen, im Zuge der Verwaltung des Wohnungseigentumsobjektes für die in a) genannten ehemaligen Objekte keine Beträge aus dem Titel der Aufwendungen und der Rücklage vorzuschreiben;

c) der Zweitantragsgegnerin die Rückzahlung der zu Unrecht für die oben genannten Objekte von Jänner 2005 bis August 2006 bezahlten Beträge von EUR 15.691 aufzutragen.

Die Erstantragsgegnerin und die Zweitantragsgegnerin verweisen in ihrer Stellungnahme darauf, dass eine Veränderung des Verteilungsschlüssels erst nach Festsetzung eines abweichenden Verteilungsschlüssels durch das Gericht und nur für die folgende Abrechnungsperiode erfolgen könne. Der gestellte Antrag sei insofern verfehlt, als es dem Wohnungseigentümer gemäß § 37 MRG freistehe, vor der Schlichtungsstelle eine Feststellung der Nutzflächen gemäß § 17 MRG zu beantragen.

Das Erstgericht wies die Anträge ab. Der Untergang eines Wohnungseigentumsobjektes rechtfertige nur einen - hier nach § 10 Abs 2 WEG verfristeten - Antrag auf Festsetzung der Nutzwerte. Ein Antrag auf Festsetzung der Nutzflächen setze zwingend die Vorschaltung der Schlichtungsstelle voraus.

Das von der Antragstellerin angerufene Rekursgericht bestätigte diesen Sachbeschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt EUR 10.000 übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die zu a) und c) gestellten Begehren fielen nicht unter § 52 Abs 1 Z 6 WEG 2002, auf den die Antragstellerin ihre Sachanträge gestützte habe. Ebenso wenig sei über den zu b) gestellten Antrag im Verfahren nach § 52 Abs 1 WEG 2002 zu entscheiden. Aufgrund der wesentlichen Änderung der Nutzungsmöglichkeit seit der Vereinbarung nach § 32 Abs 2 WEG 2002 (damals § 19 Abs 2 WEG 1975) stehe der Antragstellerin zwar ein Antrag nach § 32 Abs 5 (iVm § 52 Abs 1 Z 9) WEG 2002 offen. Die Antragstellerin ziele aber letztlich auf das unhaltbare Ergebnis, als Liegenschaftseigentümerin von sämtlichen Zahlungen zur Rücklage (§ 31 WEG 2002) und sonstigen Aufwendungen (§ 32 WEG 2002) befreit zu sein. Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil der unter c) - richtig b) - formulierte Teil des Sachantrages zumindest im Wortlaut des § 52 Abs 1 Z 6 WEG 2002 Deckung finde und oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob das in der Judikatur geforderte weite Verständnis der Verweisungsnorm des § 52 Abs 1 Z 6 WEG 2002 über den Bereich der Abrechnungspflicht hinausgehend anzuwenden sei.

Die Antragstellerin beantragt in ihrem Revisionsrekurs die Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinn einer Stattgebung ihrer Sachanträge. Die 13. und 14. Antragsgegner erklären ihren Beitritt auf Seiten der Antragstellerin und erheben ihrerseits einen Revisionsrekurs, in dem sie primär die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen, hilfsweise die Abänderung der Entscheidung des Rekursgerichtes im Sinne einer Stattgebung der Sachanträge zu a) und

b) beantragen.

Die Erstantragsgegnerin und die Zweitantragsgegnerin beantragen in der Revisionsrekursbeantwortung, beide gegnerische Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise dem Revisionsrekurs der Antragstellerin nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurse sind entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichtes mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

Die Zulässigkeit des außerstreitigen Verfahrens ist für wohnrechtliche Angelegenheiten gegeben, wenn das Gesetz die betreffende Angelegenheit ausdrücklich oder wenigstens unzweifelhaft schlüssig in das außerstreitige Verfahren verweist (RIS-Justiz

RS0005948; RS0012214 [T1]; 5 Ob 211/03w mwN = wobl 2004/56, 191; 5 Ob

469/97z = immolex 1998/137, 216; vgl § 1 Abs 2 AußStrG). Ob eine Angelegenheit im streitigen oder außerstreitigen Rechtsweg zu behandeln ist, richtet sich nach dem Wortlaut des Begehrens und dem anspruchsbegründenden Tatsachenvorbringen (5 Ob 96/06p mwN = wobl 2007/60; RIS-Justiz RS0013639).

Die Frage, welchen Sachverhalt und welches Begehren ein Antrag enthält und wie der Antrag daher zu verstehen ist, ist von den Umständen des Einzelfalles abhängig und bildet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0042828 [T10]; vgl RS0044273 [T41]).

Im konkreten Fall lässt sich eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Rekursgerichtes über die Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtsweges für sämtliche Anträge nicht erkennen.

§ 52 Abs 1 WEG 2002 verweist ua folgende Angelegenheiten in das Verfahren Außerstreitsachen:

Z 6: Durchsetzung der Pflichten des Verwalters mit Ausnahme der Herabsetzung des Entgeltes (§§ 20 Abs 1 bis 7, 31 Abs 3);

Z 9: Zulässigkeit eines vereinbarten oder Festsetzung eines abweichenden Aufteilungsschlüssels oder einer abweichenden Abrechnungs- oder Abstimmungseinheit (§ 32 Abs 2, 5 und 6), verbrauchsabhängige Aufteilung von Aufwendungen (§ 32 Abs 3), benützungsabhängige Einhebung von Energiekosten bei Gemeinschaftsanlagen (§ 32 Abs 4).

Der zu a) gestellte Sachantrag zielt nach seinem Wortlaut iVm dem anspruchsbegründenden Tatsachenvorbringen nicht auf die Festsetzung eines - grundsätzlich nur für zukünftige Abrechnungsperioden zulässigen (vgl RIS-Justiz RS0106570) - geänderten Aufteilungsschlüssels wegen einer wesentlichen Änderung der Nutzungsmöglichkeit (Abbruch des Hoftraktes iVm der Nichterrichtung der Wohnungseigentumsobjekte). Die Antragstellerin bezweckt vielmehr eine Interpretation der im Wohnungseigentumsvertrag festgelegten Aufteilungsvereinbarung (gänzliche Ausnahme ihrer Wohnungseigentumsobjekte), was nicht nur durch den Wortlaut des Antrages („entsprechend dem Wohnungseigentumsvertrag"), sondern auch durch ihren Hinweis auf die Bestimmungen des Wohnungseigentumsvertrages bekräftigt wird: Danach sollen nämlich die Nutzflächen der noch nicht errichteten Wohnungseigentumsobjekte (darunter jene der Antragstellerin) bis zur Erteilung der Benutzungsbewilligung bzw tatsächlichen Benutzung dieser Objekte bei der Aufteilung der Aufwendungen außer Betracht bleiben.

Die in diesem Zusammenhang vom Rekursgericht vertretene

Rechtsauffassung, die von der Antragstellerin bezweckte Klärung

strittiger Fragen der Auslegung des Wohnungseigentumsvertrages sei

dem streitigen Verfahren vorzubehalten, entspricht der Judikatur (vgl

8 Ob 161/67 = MietSlg 19.475 = SZ 40/91 = EvBl 1968/181; 5 Ob 26/82 =

EvBl 1982/196 = MietSlg 34/18; 5 Ob 56, 57/89 = MietSlg 41/25; 5 Ob

85/92; 5 Ob 93/99h = wobl 1999, 318/150 [Call]; 5 Ob 241/98x =

MietSlg 50.673; 5 Ob 270/00t = immolex 2001/53 = MietSlg 52.533;

RIS-Justiz RS0005846; RS0013661; vgl M. Mohr in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht § 52 WEG Rz 7 mwN).

Dasselbe gilt für die Beurteilung der Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtsweges für die zu b) und c) gestellten Sachanträge: Der begehrte Auftrag an die Hausverwalterin, für bestimmte Objekte keine Beträge vorzuschreiben, ist logische Konsequenz der von der Antragstellerin angestrebten Interpretation des Wohnungseigentumsvertrages, dient aber nicht der Durchsetzung der in § 20 Abs 1 WEG 2002 (insbesondere Befolgung der Weisungen der Mehrheit der Wohnungseigentümer) oder § 20 Abs 3 WEG 2002 (Verpflichtung zur Legung einer ordnungsgemäßen und richtigen Abrechnung) geregelten Verpflichtungen des Hausverwalters, was Voraussetzung für den angezogenen Kompetenztatbestand des § 52 Abs 1 Z 6 WEG 2002 wäre. Wird die Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtsweges für die zu a) und b) gestellten Sachanträge verneint, scheidet auch die „Annexzuständigkeit" (§ 52 Abs 2 WEG 2002 iVm § 37 Abs 4 MRG) für das Rückzahlungsbegehren aus.

Es begründet auch keine erhebliche Rechtsfrage, dass das Rekursgericht die den Antrag abweisende erstinstanzliche Entscheidung bestätigt hat, statt eine Zurückweisung des Antrages auszusprechen:

Das Erstgericht hat nämlich inhaltlich die Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtsweges, wenn auch mit einer anderen Begründung als das Rekursgericht verneint, indem es auf die zwingende Vorschaltung der Schlichtungsstelle bei der nach § 17 MRG zu beurteilenden Nutzflächenverteilung verwies.

Nicht verständlich ist der Hinweis der Antragstellerin auf die Verpflichtung, die Anträge ins streitige Verfahren zu verweisen, beharrt sie doch noch in ihrem Revisionsrekurs auf der Zulässigkeit des außerstreitigen Verfahrens nach dem § 52 Abs 1 Z 6 und 9 AußStrG (vgl 5 Ob 170/01p = RIS-Justiz RS0070463 [T1 und T2]). Die Kostentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG. Billigkeitserwägungen rechtfertigen den Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung an die Erst- und Zweitantragsgegner, die in ihrer Rechtsmittelgegenschrift auf die Unzulässigkeit der Revisionsrekurse hingewiesen haben.

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