OGH 6Ob70/07y

OGH6Ob70/07y25.5.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Gerhard J*****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei KR Ernst S*****, vertreten durch Dr. Karl Schön, Rechtsanwalt in Wien, wegen 28.000 EUR sA (Revisionsinteresse 17.726,51 EUR sA), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 17. Jänner 2007, GZ 15 R 244/06x-18, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Der Sohn des Beklagten wurde mit Versäumungsurteil vom 27. 6. 2003 zur Zahlung von 35.319 EUR samt Anhang an den Kläger verpflichtet, dem am 16. 9. 2003 auch die Exekution nach § 294a EO bewilligt wurde. Mit Beschluss vom 7. 3. 2005 wurde über das Vermögen des Sohnes des Beklagten das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet und ein Masseverwalter bestellt, der unter anderem mit der „Prüfung von vertraglichen Absonderungsrechten an den Bezügen des Gemeinschuldners sowie [der] Prüfung von Anfechtungsansprüchen hieraus und [einer] allfällige[n] Durchsetzung derselben" betraut wurde.

Gegenstand der vorliegenden Anfechtungsklage, die der Kläger auf § 2 Z 3 AnfO stützt, ist die Verpfändung der dem Sohn des Beklagten „jetzt und künftig zustehenden Ansprüche auf Lohn- und Gehaltsbezüge einschließlich eventueller Abfertigungsansprüche und sonstiger geldwerter Ansprüche gegen seinen Arbeitgeber" an den Beklagten am 27. 6. 2003. Aufgrund dieser Verpfändung waren von Oktober 2003 bis Februar 2005 17.726,51 EUR und von März bis September 2005 8.629,90 EUR an den Beklagten geflossen.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren im Umfang von 17.726,51 EUR statt und verwies im Übrigen die Rechtssache an das Erstgericht zurück; es erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig, einen Zulässigkeitsausspruch im Zusammenhang mit dem Aufhebungsbeschluss enthält die Berufungsentscheidung nicht.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Beklagte meint zunächst in seiner außerordentlichen Revision, das Berufungsgericht habe zu Unrecht - und im Gegensatz zum Erstgericht - dem Kläger die Aktivlegitimation zur Geltendmachung des gegenständlichen Anfechtungsanspruchs zuerkannt; tatsächlich weise „ergangene Judikatur des Obersten Gerichtshof" diese dem Masseverwalter zu.

1.1. Nach § 37 Abs 1 KO übt (grundsätzlich) der Masseverwalter das Anfechtungsrecht aus. Wurde - wie hier - über das Vermögen des Gemeinschuldners das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet und ein Masseverwalter bestellt, so ist dieser mangels einer festgelegten Besonderheit (§ 181 KO) gemäß § 37 Abs 1 KO zu Anfechtungsklagen nach den § 27 ff KO legitimiert (4 Ob 99/97f). Allerdings gilt dies nach § 37 Abs 5 KO nicht für Anfechtungsansprüche, die Absonderungsgläubigern nach der Anfechtungsordnung zur Wahrung ihres Rechtes auf abgesonderte Befriedigung und zur Bestreitung des Anspruchs eines anderen Absonderungsgläubigers auf dieselbe Sache zustehen.

Dass dem Kläger ein Absonderungsrecht an den gemäß §§ 290a ff EO beschränkt pfändbaren Bezügen des Sohnes des Beklagten gegenüber diesem als seinem Arbeitgeber jedenfalls hinsichtlich des vor Eröffnung des Konkursverfahrens liegenden Zeitraums zusteht, bestreitet der Beklagte nicht. Dieses Absonderungsrecht wurde gemäß § 11 Abs 1 KO auch nicht durch die Konkurseröffnung berührt.

Bereits nach dieser - an sich klaren - Gesetzeslage ist mit dem Berufungsgericht die Aktivlegitimation des Klägers zur Geltendmachung des gegenständlichen Anfechtungsanspruchs zu bejahen. Soweit sich dem gegenüber das Erstgericht, dem nunmehr der Beklagte in seiner außerordentlichen Revision ohne weitere eigene Argumentation folgt, auf die Entscheidung 1 Ob 818/76 (= SZ 50/39) berief, wonach § 37 KO dem Masseverwalter allein die Anfechtung im Konkurs vorbehalte, ist diese Entscheidung ebenso wenig einschlägig wie die weitere vom Erstgericht erwähnte Entscheidung 5 Ob 575/81 (= SZ 54/153): Im ersten Fall trat ein Konkursgläubiger als Kläger auf, weshalb § 37 Abs 5 KO gar nicht zur Anwendung kommen konnte; im zweiten Fall richtete sich die Anfechtungsklage des Masseverwalters gegen einen Konkursgläubiger.

1.2. In der Literatur wies bereits Albert Ehrenzweig (Kommentar zur Anfechtungsordnung und zu den Anfechtungsnormen der Konkursordnung [1916] 344 ff) darauf hin, dass aufgrund § 37 Abs 5 KO Absonderungsgläubiger durch das Anfechtungsmonopol des Masseverwalters nicht getroffen würden; die Anfechtung des Absonderungsgläubigers, die zeitlich im Konkurs erfolgt, sei „rechtlich in all und jeder Hinsicht (insbesondere auch bezüglich der zulässigen Anfechtungsgründe) als Anfechtung außerhalb des Konkursverfahrens zu behandeln"; soweit die Absonderungsgläubiger Rechtshandlungen anfechten würden, die die ihrem Absonderungsrecht unterliegende bestimmte Sache betreffen, werde ihr Anfechungsrecht durch das Konkursverfahren nicht berührt, sodass diesem Anfechtungsrecht auch Verzicht, Anerkennung, Abweisung udgl des Masseverwalters nicht präjudizieren könnten; dies alles folge „schon daraus, dass die Absonderungsrechte als solche durch die Konkurseröffnung nicht berührt werden".

Bartsch/Heil (Grundriß des Insolvenzrechts4 [1983] Rz 266), Heil (Insolvenzrecht [1989] 137) und König (Die Anfechtung nach der Konkursordnung³ [2003] Rz 18/19) verwiesen darauf, dass im Hinblick auf § 37 Abs 5 KO „Anfechtungsklagen unter Absonderungsgläubigern" von der Konkurseröffnung nicht betroffen werden bzw Absonderungsgläubiger das Anfechtungsmonopol des Masseverwalters nicht berührt.

In jüngerer Zeit meinten auch Koziol/Bollenberger (in Bartsch/Pollak/Buchegger, Insolvenzrecht [2000] § 37 KO Rz 26), dass sich das Anfechtungsmonopol des Masseverwalters nicht auf Anfechtungsansprüche von Absonderungsgläubigern erstreckt; diesen stehe die Einzelanfechtung zur Wahrung ihres Rechtes auf abgesonderte Befriedigung und zur Bestreitung der Rechte anderer Absonderungsgläubiger auch während des Konkurses zu. Sie heben zwar hervor, dass die Einzelanfechtung „freilich bloß" im Rahmen ihres auf eine „bestimmte Sache" gerichteten Absonderungsrechts erfolgen könne, erwähnen jedoch ausdrücklich die Anfechtung eines anfechtbar begründeten, dem Absonderungsgläubiger vorgehenden Pfandrechts (ebenso bereits Bartsch/Pollak, Konkursordnung³ [1937] 234).

Damit steht auch die herrschende Lehre der Annahme der Aktivlegitimation des Klägers nicht entgegen.

1.4. Soweit zuletzt Rebernig (in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze [2006] § 37 KO Rz 21) ausführte, bei mehreren Absonderungsgläubigern sei die Anfechtung von Pfandrechten auf das dem Konkurs unterworfene Vermögen „primär" Aufgabe des Masseverwalters, weil wegen der nur relativen Unwirksamkeit der angefochtenen Pfandrechtsbegründung nachfolgende Pfandgläubiger nicht „vorrücken" würden, ist dem nicht zu folgen: Rebernig beruft sich zur Begründung seiner Meinung auf Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs (5 Ob 242/65 = Jbl 1966, 376 und 1 Ob 684/89 = SZ 63/26), die Anfechtungsklagen von Masseverwaltern zum Gegenstand hatten. Danach dürfe das Ergebnis der Anfechtung einer dinglichen Belastung nicht das Nachrücken nachfolgender Pfandgläubiger sein; die Anfechtung wirke wie die Übertragung der Hypothek an den Gemeinschuldner, weshalb die Anfechtungsklage auch nicht auf Löschung der anfechtbaren Belastung gerichtet sein dürfe; dies gelte nur dann nicht, wenn das angefochtene Pfandrecht die einzige oder letzte Belastung ist, weil es dann zu einem Nachrücken nachstehender Berechtigter nicht kommen könne. Begründet werden diese Entscheidungen mit der relativen Wirkung einer Anfechtung gemäß § 27 KO (in diesem Sinn im Übrigen auch Koziol/Bollenberger, aaO § 27 KO Rz 18 ["wenn ein Masseverwalter ein Pfandrecht anficht, rücken die nachfolgenden Pfandgläubiger nicht nach"]). Nach der Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0050378) gilt dies auch für Anfechtungen nach der Anfechtungsordnung. Rebernig schließt nun daraus, dass der tatsächliche Anwendungsbereich des § 37 Abs 5 KO in der Praxis stark eingeschränkt sei; er sei im Ergebnis nämlich so auszulegen, dass nur für den Fall eines vom Masseverwalter nicht verfolgten Anfechtungsanspruchs dem betroffenen Absonderungsgläubiger die Einzelanfechtung gegenüber dem vorrangigen Absonderungsberechtigten zusteht.

Richtig ist zwar, dass sich aus § 27 KO die relative Unwirksamkeit der angefochtenen Rechtshandlung ergibt, das heißt, dass sie nur zwischen dem Anfechtenden und dem Anfechtungsgegner Rechtswirkungen entfaltet und sich ein Dritter nicht auf die Unwirksamkeit berufen kann. Allerdings hat dies nichts damit zu tun, wer Anfechtungskläger sein kann, dem das Ergebnis der erfolgreichen Anfechtung zugute kommt. § 37 Abs 5 KO trifft in diesem Zusammenhang die - sich auch aus dem allgemeinen Grundsatz, wonach „Absonderungsrechte als solche durch die Konkurseröffnung nicht berührt werden", ergebende - Anordnung, dass das Anfechtungsmonopol des Masseverwalters Absonderungsgläubiger nicht berührt; sie können einzelanfechten. Dass manche Autoren Masseverwalter und Absonderungsgläubiger nebeneinander die Verfolgung von Anfechtungsansprüchen einräumen, weil diese unterschiedliche Ziele anstreben (vgl etwa Albert Ehrenzweig, aaO 347; Bartsch/Pollak, aaO), bedeutet nicht, dass - wie Rebernig meint - dem Absonderungsgläubiger nur ein subsidiäres Anfechtungsrecht zukommt.

Das Berufungsgericht ist daher zutreffend von der Aktivlegitimation des Klägers ausgegangen.

2. Der Beklagte wendet sich in seiner außerordentlichen Revision weiters gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die vorgenommene Pfandrechtsbegründung sei für den ihm gegenüber „rangniedrigeren" Kläger nachteilig gewesen; tatsächlich sei außerhalb eines Konkurses eine Gläubigerbenachteiligung nicht schon ohne Weiteres dann anzunehmen, wenn eine ältere, richtige Forderung bezahlt wird und eine jüngere „durchfällt".

Der Sohn des Beklagten verpfändete diesem seine „jetzt und künftig zustehenden Ansprüche auf Lohn- und Gehaltsbezüge einschließlich eventueller Abfertigungsansprüche und sonstiger geldwerter Ansprüche gegen seinen Arbeitgeber" am selben Tag, an dem er mit Versäumungsurteil zur Zahlung von 35.319 EUR verpflichtet wurde. Dem Beklagten war bekannt, dass sein Sohn namhafte Schulden (auch) bei anderen Gläubigern hatte und dass bereits Gehaltsexekutionen gegen seinen Sohn liefen. Die Verpfändung der Ansprüche bedeutete daher im Hinblick auf die - ihm auch bekannte - wirtschaftliche Lage seines Sohnes objektiv nicht bloß eine zeitliche oder modale Besserstellung des Beklagten gegenüber den übrigen Gläubigern, sondern eine deren Befriedigungsaussichten praktisch vernichtende Bevorzugung; sonstiges Einkommen oder Vermögenswerte wurden ja nicht festgestellt.

Bei insofern vergleichbarem Sachverhalt hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass eine in einer solchen Situation vorgenommene (dort) Forderungsabtretung der Anfechtung nach § 2 Z 3 AnfO unterliegt. Ein derartiger Vorgang stelle nicht bloß einen Verstoß gegen das vom Kridatar zu beachtende Gleichbehandlungsgebot, sondern eine Benachteiligung aller nicht von der Abtretung begünstigten Gläubiger dar; obwohl die angefochtene Forderungsabtretung zahlungshalber im Hinblick auf eine aufrechte und fällige Forderung der (dort) Beklagten erfolgt sei, die im Falle der Erwirkung eines Exekutionstitels auch ohne Mitwirkung des Schuldners im Wege der Zwangsvollstreckung eine gleichartige Rechtsstellung wie durch den Abtretungsvertrag erwirken hätten können, bestehe objektiv der massive Anschein einer Benachteiligung der anderen Gläubiger durch den Schuldner, weil er die Befriedigungsaussichten der übrigen Gläubiger durch die Verfügung über sein praktisch einziges pfändbares Vermögen zu deren Nachteil gegenüber seinen Töchtern ganz entscheidend verändert habe; bei dieser Sachlage wäre es jedenfalls Sache der (dort) Beklagten gewesen, die Tatumstände zu behaupten und zu beweisen, aus denen auf den Abgang einer im Sinne des § 2 Z 3 AnfO erheblichen Benachteiligungsabsicht des Schuldners zu schließen gewesen wäre; einen solchen Beweis hätten die (dort) Beklagten nicht erbracht; es sei daher von einer Benachteiligungsabsicht des Vaters der (dort) Beklagten auszugehen; ihre Kenntnis von einer Konkurrenz mit anderen Gläubigern sei festgestellt worden; es wäre daher auch den (dort) Beklagten oblegen, den Beweis für solche Tatumstände anzutreten, aus denen zu folgern gewesen wäre, dass ihnen aus besonderen Gründen die Benachteiligungsabsicht ihres Vaters nicht bekannt hätte sein müssen (6 Ob 569/93 = SZ 67/232).

Da es im Übrigen nach der Rechtsprechung gleichgültig ist, welche Gläubiger der Schuldner benachteiligen wollte - gegenwärtige, künftige, bestimmte, unbestimmte, alle oder einige - (3 Ob 490/28 = SZ 10/157; 5 Ob 155/65; RIS-Justiz RS0050608), hat das Berufungsgericht zutreffend dem Anfechtungsbegehren im revisionsgegenständlichen Umfang stattgegeben.

3. Der Beklagte setzt sich in der außerordentlichen Revision auch mit jenem Teil des Anfechtungsbegehrens auseinander, hinsichtlich dessen das Berufungsgericht das Ersturteil aufgehoben hat. Dies ist aber gemäß § 527 Abs 2 ZPO unzulässig, weil insofern der Rekurs an den Obersten Gerichtshof nicht zugelassen worden ist.

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