OGH 9ObA16/06b

OGH9ObA16/06b1.2.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter KommR Mag. Paul Kunsky und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Parteien 1. Ing. Christian W*****, Berufspilot, *****, 2. Friedrich F*****, Berufspilot, *****, 3. Ing. Willibald K*****, Berufspilot, *****, 4. Ing. Ewald K*****, Berufspilot, *****, alle vertreten durch Teicht Jöchl Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung der aufrechten Arbeitsverhältnisse (Streitwert je klagender Partei EUR 36.336,42), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Oktober 2005, GZ 10 Ra 117/05g-65, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 25. November 2004, GZ 9 Cga 174/95p-56, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts, die bereits in ihren Punkten I.1. (soweit es die Feststellung aufrechter Arbeitsverhältnisse trotz Entlassung betrifft), I.2. (aufrechtes Arbeitsverhältnis trotz Kündigung vom 1. 8. 1995) und II. (Abweisung der Zwischenanträge der beklagten Parteien auf Feststellung) unangefochten in Teilrechtskraft erwuchs, in ihren Punkten I.1. (soweit es die Feststellung aufrechter Arbeitsverhältnisse über den 31. 3. 1996 hinaus trotz Kündigung vom 21. 9. 1995 betrifft) und I.3. (Kosten [berichtigt gemäß Beschluss ON 61]) wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit EUR 3.416,40 (darin EUR 569,40 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit EUR 2.459 (darin EUR 409,83 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im vorliegenden Revisionsverfahren geht es vor allem um die Frage, ob der Kündigungsschutz von Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnisse auf Grund eines Betriebsübergangs vom Veräußerer auf den Erwerber übergangen sind, im Fall einer Erwerberkündigung nach dem AVRAG befristet ist. Diese Frage wurde vom Erstgericht verneint, vom Berufungsgericht jedoch bejaht. Bevor hierauf näher eingegangen wird, sind zunächst nochmals aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit die Rahmenbedingungen des Verfahrens festzuhalten:

Mit Beschluss des Erstgerichts vom 7. 4. 2003 wurden die folgenden 14 beim Erstgericht anhängigen Arbeitsrechtssachen fünf verschiedener Kläger gegen die Beklagte zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden (ON 19), die ihrerseits wiederum drei verschiedenen Themenkreisen zuzuordnen sind:

1. Entlassung vom 11. 7. 1994:

14 Cga 160/94i, 15 Cga 148/94g, 16 Cga 143/94d, 17 Cga 156/94y.

2. Kündigung vom 11. 8. 1995:

9 Cga 174/95p, 9 Cga 175/95k, 4 Cga 208/95a, 4 Cga 209/95y, 4 Cga 210/95w.

3. Kündigung vom 21. 9. 1995:

2 Cga 306/95y (fälschlich als 2 Cga 206/95y bezeichnet), 17 Cga 370/95w, 17 Cga 371/95t, 17 Cga 372/95i, 17 Cga 373/95m. Zum führenden Akt wurde vom Erstgericht 9 Cga 174/95p bestimmt. Im Lauf des - im Hinblick auf den Vorprozess des Erstgerichts zu 19 Cga 138/94s (9 ObA 97/02h) jahrelang unterbrochenen - Verfahrens wurde in fünf der 14 verbundenen Arbeitsrechtssachen Ruhen des Verfahrens vereinbart, und zwar in 9 Cga 175/95k, 4 Cga 208/95a, 4 Cga 209/95y, 4 Cga 210/95w (ON 43) und 17 Cga 373/95m (ON 46). In der führenden Arbeitsrechtssache 9 Cga 174/95p wurde am 21. 1. 2004 ein rechtskräftiges Anerkenntnisurteil zugunsten des Klägers Ing. W***** gefällt (ON 43).

In den Arbeitsrechtssachen 14 Cga 160/94i, 15 Cga 148/94g, 16 Cga 143/94d und 17 Cga 156/94y gab das Erstgericht den Klagebegehren statt, indem es feststellte, dass die Arbeitsverhältnisse der vier im Kopf genannten Kläger ungeachtet der Entlassung vom 11. 7. 1994 (fälschlich 8. 7. 1994) aufrecht sind (Teil des Pkt I.1. des Ersturteils). Diese Entscheidung blieb unangefochten und erwuchs daher in Teilrechtskraft. Ebenso unangefochten blieb die Wiederholung des bereits rechtskräftigen Anerkenntnisurteils vom 21. 1. in Pkt I.2 des Ersturteils.

Offen sind sohin im Revisionsverfahren nur mehr vier von fünf Verfahren aus dem dritten Themenkreis „Kündigung vom 21. 9. 1995". Dabei handelt es sich um die Arbeitsrechtssachen 2 Cga 306/95y, 17 Cga 370/95w, 17 Cga 371/95t und 17 Cga 372/95i. Diesen Causen liegen Klagen der vier im Spruch der Revisionsentscheidung genannten Kläger zugrunde, worin sie gegen die Kündigungen der Beklagten vom 21. 9. 1995 verschiedene Einwände erhoben und die Feststellung begehrten, dass die von der Beklagten mit Schreiben vom 21. 9. 1995 ausgesprochenen Kündigungen rechtsunwirksam seien und die Arbeitsverhältnisse zwischen den Parteien ungekündigt aufrecht seien; hilfsweise begehrten die Kläger, die Kündigungen vom 21. 9. 1995 für rechtsunwirksam zu erklären. Von den von den Klägern erhobenen Einwänden ist hier nur mehr der (ebenfalls erkennbar erhobene) Einwand relevant, dass - wie schon die ersten Kündigungen der Beklagten vom 6. 6. 1994 - auch die Kündigungen vom 21. 9. 1995 wegen des Kündigungsschutzes bei einem Betriebsübergang nach dem AVRAG unwirksam seien.

Die Beklagte bestritt die Missachtung des Kündigungsschutzes nach dem AVRAG.

Unstrittig kam es am 1. 6. 1994 zu einem Betriebsübergang von der A***** GmbH (A*****) auf die Beklagte, auf Grund dessen die Arbeitsverhältnisse der Kläger auf die Beklagte übergingen. Dieser Betriebsübergang war bereits Gegenstand des Vorprozesses zwischen den Streitteilen auf Grund der Kündigungen der Beklagten vom 6. 6. 1994 (9 ObA 97/02h).

Soweit noch für das Revisionsverfahren relevant, traf das Erstgericht im Rahmen der rechtlichen Beurteilung auch die Feststellung, dass zwischen den Kündigungen vom 6. 6. 1994, die Gegenstand des Vorprozesses waren, und den gegenständlichen Kündigungen vom 21. 9. 1995 keine der Parteien Handlungen gesetzt hat, die in Bezug auf die Arbeitsverhältnisse der Kläger rechtliche Relevanz entfalten können. Blendet man vorerst den Aspekt der „rechtlichen Relevanz" aus, so traf damit das Erstgericht die (nicht weiter strittige) Tatsachenfeststellung, dass zwischen den Kündigungen der Beklagten vom 6. 6. 1994 und den Kündigungen vom 21. 9. 1995 außer dem bloßen Zuwarten auf den Fort- bzw Ausgang des Vorprozesses - dieser endete schließlich mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 5. 6. 2002 (9 ObA 97/02h) - nichts geschah.

Das Erstgericht gab den Klagebegehren statt, indem es - soweit hier relevant - feststellte, dass die Arbeitsverhältnisse der vier Kläger ungeachtet der Kündigung vom 21. 9. 1995 über den 31. 3. 1996 hinaus aufrecht sind. In rechtlicher Hinsicht verwarf es alle Einwände der Kläger gegen diese Kündigungen, bis auf jenen der Unwirksamkeit nach dem AVRAG. Hiezu führte es aus, dass nach der Vorentscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 9 ObA 97/02h davon auszugehen sei, dass die Kündigungen der Beklagten vom 6. 6. 1994 wegen Verstoßes gegen das AVRAG unwirksam gewesen seien. Da seither - außer einem bloßen Zuwarten der Beklagten bis zum Ausspruch der gegenständlichen Kündigungen vom 21. 9. 1995 - in Bezug auf die Arbeitsverhältnisse der Kläger nichts Relevantes geschehen sei, verstießen auch die neuen Kündigungen gegen das AVRAG.

Das Berufungsgericht gab der nur gegen die erstgerichtliche Feststellung der aufrechten Arbeitsverhältnisse der Kläger trotz Kündigungen vom 21. 9. 1995 erhobenen Berufung der Beklagten Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, dass es in Form eines Teilurteils zwar den aufrechten Bestand der Arbeitsverhältnisse trotz der Entlassungen vom 11. 7. 1994 feststellte, jedoch das Mehrbegehren, die Arbeitsverhältnisse seien trotz Kündigungen vom 21. 9. 1995 über den 31. 3. 1996 hinaus aufrecht, abwies. Das Erstgericht werde im fortgesetzten Verfahren noch über die Eventualbegehren der Kläger (Unwirksamerklärung der Kündigungen vom 21. 9. 1995) zu entscheiden haben. Das Berufungsgericht sprach weiters aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Rechtlich führte es aus, dass der Kündigungsschutz nach § 3 AVRAG nicht zeitlich unbegrenzt fortwirken könne. Einen Anhaltspunkt für die zeitliche Begrenzung biete § 4 Abs 1 Satz 2 AVRAG, wonach die Arbeitsbedingungen zum Nachteil des Arbeitnehmers durch Einzelarbeitsvertrag nur innerhalb eines Jahrs nicht beschränkt oder aufgehoben werden dürfen. Daraus sei abzuleiten, dass auch Kündigungen innerhalb eines Jahrs nach dem Betriebsübergang unwirksam seien, weil andernfalls die Garantie der Arbeitsbedingungen keine Wirkungen habe. Nach diesem Jahr bestehe aber der aus § 3 AVRAG abgeleitete Kündigungsschutz nicht mehr. Dehnte man diesen Kündigungsschutz über ein Jahr hinaus aus, hätte dies eine gleichheitswidrige Benachteiligung der Stammbelegschaft des Erwerbers zur Folge, wenn die übernommenen Arbeitnehmer überhaupt nicht gekündigt werden dürfen. § 3 AVRAG entfalte - auch bei Vorliegen früherer rechtswidriger Kündigungen und Entlassungen - keine pönalisierende Wirkung im Sinn einer immerwährenden Unkündbarkeit. Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil zur Frage der zeitlichen Begrenzung des sich aus § 3 AVRAG ergebenden Kündigungsschutzes, insb unter dem Aspekt des § 4 Abs 1 Satz 2 AVRAG, noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege. Gegen die Berufungsentscheidung (Abweisung des Mehrbegehrens, dass die Arbeitsverhältnisse der Kläger trotz der Kündigungen vom 21. 9. 1995 über den 31. 3. 1996 hinaus aufrecht seien) richtet sich die Revision der Kläger wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Klagebegehren auch in diesem Umfang stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Schon nach Art 3 Abs 1 der BetriebsübergangsRL 77/187/EWG vom 14. 2. 1977 gingen die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis auf Grund des Übergangs auf den Erwerber über. Diese RL wurde nach einigen Änderungen aufgehoben und durch die neue BetriebsübergangsRL 2001/23/EG vom 14. 3. 2001 ersetzt. Die genannte Regelung wurde wieder in Art 3 Abs 1 nahezu wörtlich übernommen. Dass sich der dem gegenständlichen Rechtsstreit zugrundeliegende Sachverhalt noch während der Geltung der alten RL 77/187/EWG ereignete, spielt keine besondere Rolle, weil es sich bei der neuen RL 2001/23/EG - jedenfalls soweit hier relevant - praktisch nur um eine „konsolidierte Wiederverlautbarung" handelt (vgl Schruiff, Die Betriebsübergangsrichtlinie der EG in der Fassung 2001/23/EG [2004], 17).

Art 4 Abs 1 Satz 1 der RL 77/187/EWG sah vor, dass der Übergang eines Unternehmens, eines Betriebs oder Betriebsteils als solcher für den Veräußerer oder den Erwerber keinen Grund zur Kündigung darstellt. In Satz 2 wurde dazu noch klargestellt, dass die Bestimmung in Satz 1 etwaigen Kündigungen aus wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Gründen, die Änderungen im Bereich der Beschäftigung mit sich bringen, nicht entgegensteht. Der Arbeitnehmer soll laut EuGH (Rs 19/83 [Wendelboe], Slg 1985, 457) vor Kündigungen geschützt werden, die nur mit dem Übergang begründet werden. Auch diese Bestimmung wurde in Art 4 Abs 1 der neuen RL 2001/23/EG nahezu wörtlich übernommen; sie wurde nur durch die ausdrückliche Aufnahme auch des Übergangs von Unternehmensteilen ergänzt.

Einleitend ist auch noch Art 3 Abs 2 der RL 77/187/EWG zu erwähnen. Danach hat der Erwerber nach dem Übergang die in einem Kollektivvertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen bis zu der Kündigung bzw dem Ablauf des Kollektivvertrags bzw bis zum In-Kraft-Treten oder bis zu der Anwendung eines anderen Kollektivvertrags in dem gleichen Maß aufrechtzuerhalten, wie sie in dem Kollektivvertrag für den Veräußerer vorgesehen waren. Die Mitgliedstaaten können aber den Zeitraum der Aufrechterhaltung der Arbeitsbedingungen begrenzen, sofern dieser nicht weniger als ein Jahr beträgt. Auch diese Regelung ist mit geringfügigen sprachlichen Modifikationen ebenfalls wieder in der RL 2001/23/EG enthalten; sie befindet sich jetzt allerdings in Abs 3 des Art 3.

Schon an dieser Stelle kann festgehalten werden, dass in keiner der beiden BetriebsübergangsRL eine Befristung der Unzulässigkeit der Kündigung wegen des Betriebsübergangs vorgesehen ist. Die Umsetzung dieser RL im österreichischen Recht erfolgte im Wesentlichen durch das Arbeitsvertragsrechtsanpassungsgesetz (AVRAG), BGBl 1993/459 (RV 1077 BlgNR 18. GP 8). Die hier einschlägigen Bestimmungen der §§ 3 und 4 AVRAG, deren Fassung seit dem In-Kraft-Treten am 1. 7. 1993 nicht geändert wurde, lauten auszugsweise wie folgt:

„§ 3. Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber.

(1) Geht ein Unternehmen, Betrieb oder Betriebsteil auf einen anderen Inhaber über (Betriebsübergang), so tritt dieser als Arbeitgeber mit allen Rechten und Pflichten in die im Zeitpunkt des Überganges bestehenden Arbeitsverhältnisse ein.

(2) ...

(3) Bei Betriebsübergang nach Abs 1 bleiben die Arbeitsbedingungen aufrecht, es sei denn, aus den Bestimmungen über den Wechsel der Kollektivvertragsangehörigkeit (§ 4), ... ergibt sich anderes. Der Erwerber hat dem Arbeitnehmer jede auf Grund des Betriebsüberganges erfolgte Änderung der Arbeitsbedingungen unverzüglich mitzuteilen.

(4) - (6) ..."

„§ 4. Betriebsübergang und Kollektivvertragsangehörigkeit.

(1) Nach Betriebsübergang hat der Erwerber die in einem Kollektivvertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen bis zur Kündigung oder zum Ablauf des Kollektivvertrages oder bis zum Inkrafttreten oder bis zur Anwendung eines anderen Kollektivvertrages in dem gleichen Maße aufrechtzuerhalten, wie sie in dem Kollektivvertrag für den Veräußerer vorgesehen waren. Die Arbeitsbedingungen dürfen zum Nachteil des Arbeitnehmers durch Einzelarbeitsvertrag innerhalb eines Jahres nach Betriebsübergang weder aufgehoben noch beschränkt werden.

(2) ..."

Das AVRAG enthält keine ausdrückliche Regelung zum Kündigungsschutz iSd Art 4 Abs 1 RL 77/187/EWG bzw RL 2001/23/EG . Noch weniger sieht es - auch dies kann bereits hier festgehalten werden - eine allfällige Befristung dieses Kündigungsschutzes vor. Mit dem ersten Aspekt, nämlich dem Fehlen einer ausdrücklichen Regelung zum Kündigungsschutz bei Betriebsübergang, haben sich Lehre und Rechtsprechung bereits ausführlich befasst. Der Extrakt der herrschenden Auffassung lautet wie folgt:

Gemäß § 3 Abs 1 AVRAG ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Erwerber im Fall eines Betriebsübergangs als Arbeitgeber mit allen Rechten und Pflichten in die zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse eintritt. Diese Bestimmung ist gemäß § 16 AVRAG zugunsten der Arbeitnehmer relativ zwingend. Eine nur wegen des Betriebsübergangs erfolgte Kündigung widerstreitet daher dem Grundsatz des ex-lege-Übergangs des Arbeitsverhältnisses. Wenn auch § 3 AVRAG keine ausdrückliche Regelung über ein Kündigungsverbot enthält, so ist dennoch ein solches Kündigungsverbot (über ein Verschlechterungsverbot hinausgehend) zur Erreichung des Schutzzwecks der BetriebsübergangsRL geboten. Aus § 3 AVRAG kann daher ein Verbot nicht richtlinienkonformer Kündigungen, welche durch den allgemeinen Kündigungsschutz nicht generell verhindert werden können, abgeleitet werden. Kündigungen, die ihren tragenden Grund im Betriebsübergang haben, sind nichtig gemäß § 879 ABGB (vgl an Stelle vieler 8 ObA 91/97h mwN, DrdA 1998/33 [Wagnest] = ZAS 1998/12 [Winkler] ua). Strittig ist nun allerdings die Frage, ob der besondere Kündigungsschutz wegen des Betriebsübergangs befristet ist. Hiezu wurde bereits bei der Erläuterung der einschlägigen Bestimmungen der RL und des AVRAG darauf hingewiesen, dass diese keine Befristung des Kündigungsschutzes enthalten. Dies gilt im Übrigen auch für die deutsche Umsetzung in § 613a Abs 4 BGB. Das Berufungsgericht argumentiert nun - dem Standpunkt der Berufung der Beklagten folgend - dahin, dass der Kündigungsschutz nach § 3 AVRAG nicht zeitlich unbegrenzt fortwirken könne. Einen Anhaltspunkt für die zeitliche Begrenzung des Kündigungsschutzes erblicke es in § 4 Abs 1 Satz 2 AVRAG, wonach die Arbeitsbedingungen zum Nachteil des Arbeitnehmers durch Einzelarbeitsvertrag nur innerhalb eines Jahrs nicht beschränkt oder aufgehoben werden dürfen. Nach diesem Jahr bestehe der aus § 3 AVRAG abgeleitete Kündigungsschutz nicht mehr.

Der Oberste Gerichtshof war bisher noch nicht mit der expliziten Annahme einer Befristung des Kündigungsschutzes im Fall eines Betriebsübergangs befasst. Auch das einschlägige Schrifttum hat diese Frage bisher eher nur am Rande erörtert. Soweit überblickbar wird die von der Beklagten geforderte Befristung von niemandem ausdrücklich bejaht, zum Teil wird sie ausdrücklich verneint:

Mayr (Kündigung im Betriebsübergang, ecolex 1995, 499 [500]) betont, dass sich die genaue Zeitspanne, in welcher vor und nach dem Betriebsübergang eine Kündigung verpönt sei, weder aus aus der RL noch aus dem AVRAG ergebe. Auch Grießer (Zur verfahrenstechnischen Umsetzung des § 3 AVRAG, RdW 1997, 669 [677]) bejaht - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - keine explizite Frist; er sieht nur in der Jahresfrist des § 4 AVRAG einen Anhaltspunkt bei der Prüfung, inwieweit dem Betriebsübergang noch entscheidende Bedeutung zukomme. Wagnest (infas 2003, 88 [93]) verneint den Bedarf für eine zeitliche Festlegung einer Frist, innerhalb der eine Kündigung wegen des Betriebsübergangs nichtig sei. Eine derartige Frist leistete wieder nur einer möglichen Umgehung Vorschub und erschiene im Übrigen im Einzelfall unbillig. Reissner (Zur Arbeitgeberkündigung nach Betriebsübergang, ZAS 2003, 254 [260]) betont, dass bei der Frage, für wie lange der Kündigungsschutz nach Betriebsübergang zu gewähren sei, auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen sei, und resümiert, dass eine fixe Zeitangabe dogmatisch nicht gerechtfertigt werden könne. Auch Schima (Umgründungen im Arbeitsrecht [2004], 165), auf den sich vor allem die Beklagte stützt, bejaht keine derartige Frist. Er vertritt jedoch die Auffassung, dass die Annahme eines zeitlichen Naheverhältnisses mit einem Betriebsübergang bei einem Abstand von mehr als sechs Monaten ausscheide. Darauf wird noch bei der Behandlung der Rolle des zeitlichen Zusammenhangs einzugehen sein. Pirker (Betriebsübergang und Kündigung, RZ 2004, 146 [156]) hält die Annahme, Kündigungen wären bezogen auf das AVRAG erst ab einem Jahr „unverdächtig" für zu streng; es sei auf vielmehr auf die jeweilige Fallkonstellation abzustellen. Er vertritt jedoch die Auffassung, dass Änderungskündigungen nach der Schutzfrist des § 4 Abs 1 AVRAG auch zu Lasten übernommener Arbeitnehmer zulässig seien. Nach Höfle (Absoluter Entgeltschutz für ein Jahr nach Betriebsübergängen?, AsoK 2005, 176) können einvernehmliche Verschlechterungsvereinbarungen - gegebenenfalls unter Androhung einer Änderungskündigung - sogar schon innerhalb eines Jahrs ab Betriebsübergang rechtswirksam abgeschlossen werden. Die Überlegungen zu Änderungskündigungen können hier auf sich beruhen, weil deren Vorliegen nicht behauptet wurde. Es genügt hier festzuhalten, dass offenbar auch diese beiden Autoren nicht vom Vorliegen eines unmittelbar befristeten Kündigungsschutzes ausgehen. Nur der Vollständigkeit halber sei aber angemerkt, dass auch jegliche Umgehung des Kündigungsschutzes beim Betriebsübergang verpönt ist. Es kann daher nicht darum gehen, ob die Änderungskündigung per se erlaubt oder verboten ist - die Änderungskündigung wird etwa im deutschen Schrifttum zum § 613a BGB in eine Reihe mit der ordentlichen und der außerordentlichen Kündigung gestellt (vgl BGB-RGRK/Ascheid12 [1997] § 613a Rz 251; MünchKommBGB/Müller-Glöge4 [2005] § 613a Rz 187; Palandt/Weidenkaff BGB66 [2007] § 613a Rz 33

ua) - sondern letztlich wiederum nur darum, ob eine allfällige Änderungskündigung wegen des Betriebsübergangs erfolgte (oder nicht.)

Wie schon dargelegt, gibt es keine normative Grundlage für die Annahme einer Befristung des Kündigungsschutzes. Aus den Verweisen des Berufungsgerichts und der Beklagten auf § 10 MSchG, § 7 VKG, § 12 APSG und § 8 Abs 3 JournG, die in ihren jeweiligen Anwendungsbereichen einen zeitlich begrenzten Kündigungsschutz vorsehen, ist für die Lösung des gegenständlichen Problems nichts zu gewinnen. Man muss zur Kenntnis nehmen, dass es Regelungen mit und Regelungen ohne eine zeitliche Begrenzung des Kündigungsschutzes gibt. Wesentlich ist der Aspekt, dass sowohl in den RL als auch im AVRAG nur für den Spezialfall der Änderung von Arbeitsbedingungen eine Befristung vorgesehen wurde. Dies bestärkt die Annahme, dass in Bezug auf die Frage der Befristung des Kündigungsschutzes keine ungewollte Regelungslücke anzunehmen ist. Die Rechtsprechung verneint im Übrigen auch im Fall des Motivkündigungsschutzes nach § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG das Bestehen einer zeitlichen Schranke (RIS-Justiz RS0051664 ua).

Abgesehen vom Fehlen einer normativen Grundlage erweisen sich auch die von der Beklagten für die Notwendigkeit einer Befristung des Kündigungsschutzes vorgetragenen Argumente als wenig stichhältig. Das Verbot der Kündigung von Arbeitnehmern wegen des Betriebsübergangs begründet auch ohne Befristung weder die von der Beklagten befürchtete „immerwährende Unkündbarkeit", noch zeichnet es dafür verantwortlich, dass bestimmte Arbeitnehmer „überhaupt nicht" gekündigt werden dürfen. In Umsetzung des Gemeinschaftsrechts ist davon auszugehen, dass eine Kündigung wegen des Betriebsübergangs ausgeschlossen ist. Die Verpöntheit bestimmter Gründe bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist nichts Neues (vgl etwa § 3 Z 7, § 17 Abs 1 Z 7 GlBG oder § 7b Abs 1 Z 7 BEinstG). Worin gerade beim Betriebsübergang eine „Diskriminierung" der Stammbelegschaft liegen soll, ist nicht nachvollziehbar. Es kann keine Rede davon sein, dass die übernommenen Arbeitnehmer - im Vergleich zur Stammbelegschaft - "überhaupt nicht" gekündigt werden dürfen. Eine Befristung des Kündigungsschutzes bei Betriebsübergang wird daher vom Obersten Gerichtshof verneint.

Dies leitet über zur allgemeinen Bedeutung des zeitlichen Zusammenhangs zwischen Betriebsübergang und Kündigung. Sichtet man die dazu bereits ergangene Rechtsprechung, so zeigt sich, dass hinsichtlich des Falls der „zeitlichen Ferne" noch ein gewisser Klarstellungsbedarf besteht, zumal bisher vor allem Fälle zu beurteilen waren, in denen der zeitliche Zusammenhang entweder kein besonderes Problem war oder schon die Ursächlichkeit des Betriebsübergangs für die Kündigung verneint wurde. Wie schon erwähnt, ist eine Kündigung wegen des Betriebsübergangs sittenwidrig iSd § 879 ABGB. Die zeitliche Komponente ändert per se nichts an dieser Sittenwidrigkeit, sofern die Kündigung - gleichgültig in welchem zeitlichen Abstand zum Betriebsübergang - (immer noch bzw immer wieder) wegen des Betriebsübergangs erfolgt.

Nach den RL-Vorgaben in Art 4 Abs 1 gibt es nur eine Voraussetzung für den gegenständlichen Kündigungsschutz, nämlich dass die Kündigung wegen des Betriebsübergangs erfolgte. In der Rechtsprechung des EuGH ist bezüglich des Aspekts der zeitlichen Nähe vor allem das Urteil vom 15. 6. 1988, Rs 101/87, in der Sache Bork (Slg 1988, 3057) einschlägig. Hierin war eine Kündigung durch den ursprünglichen Arbeitgeber zu beurteilen, die im selben Monat wie der anschließende Betriebsübergang erfolgte, wobei der Übernehmer nur die halbe Belegschaft des früheren Arbeitgebers wiedereinstellte. Der EuGH stellte dazu fest, dass bei der Beurteilung, ob die Kündigung entgegen Art 4 Abs 1 RL 77/187/EWG allein durch den Übergang begründet war, die objektiven Umstände zu berücksichtigen sind, unter denen die Kündigung erfolgte. Dazu zählt („in einem Fall wie dem vorliegenden") vor allem die Tatsache, dass die Kündigung zu einem Zeitpunkt nahe dem des Übergangs wirksam geworden ist und dass die betroffenen Arbeitnehmer vom Erwerber wiedereingestellt worden sind (Rz 18).

Es kann daher festgehalten werden, dass der EuGH den zeitlichen Zusammenhang nicht in den Rang einer selbständigen (weiteren) Voraussetzung des Kündigungsschutzes bei Betriebsübergang erhebt, sondern darin einen von allenfalls mehreren objektiven Umständen erblickt, der bei der Beurteilung, ob eine Kündigung allein durch den Betriebsübergang begründet war, zu berücksichtigen ist. Dem zeitlichen Zusammenhang zum Übergang kommt damit Indiz-Charakter zu (vgl Wagnest in DrdA 1998/33, 291).

Der Oberste Gerichtshof geht ebenfalls davon aus, dass bei der Beurteilung der Wirksamkeit einer Kündigung die objektiven Umstände zu berücksichtigen sind (9 ObA 274/97b; 8 ObA 98/04a ua). Unter Berufung auf von Alvensleben (Die Rechte der Arbeitnehmer bei Betriebsübergang im Europäischen Gemeinschaftsrecht [1992], 251) wird judiziert, dass man davon ausgehen kann, dass eine Kündigung dann auf Grund des Übergangs erfolgt und folglich als unwirksam anzusehen ist, wenn der Übergang nicht nur der äußere Anlass, sondern der tragende Grund für die Kündigung ist. Je näher die Kündigung oder deren Beendigungswirkung beim Übergangszeitpunkt liegt, desto naheliegender ist die Vermutung der Gesetzesumgehung, desto stärker werden die Anforderungen an die ausreichende sachliche Entkräftung der Umgehungsvermutung sein (Schrank, Probleme der Kündigung im Zusammenhang mit einem Betriebs(teil)übergang, in FS Tomandl [1995], 71 [78]). In einem derartigen Fall trägt der Veräußerer bzw der Erwerber die Beweislast dafür, dass die Kündigung nicht allein auf Grund des Übergangs, sondern aus betriebsbedingten oder auch aus personen- oder verhaltensbedingten Erfordernissen erfolgte (von Alvensleben aaO 251; 8 ObA 91/97h, DrdA 1998/33 [Wagnest] = ZAS 1998/12 [Winkler] ua). Der durch den zeitlichen Zusammenhang erbrachte prima-facie-Beweis über das verpönte Motiv ist vom Arbeitgeber zu entkräften (9 ObA 274/97b; 8 ObA 98/04a ua). Standen die Kündigung und ihre Beendigungswirkung in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Neubeginn des Arbeitsverhältnisses, ist die Vermutung der Gesetzesumgehung umso naheliegender. In einem solchen Fall trifft den Arbeitgeber die Beweislast für die sachliche Entkräftung der Umgehungsvermutung, dass die Kündigung nicht allein auf Grund des Übergangs erfolgte (9 ObA 55/98y).

Während die vorstehenden Rechtssätze auf der Linie der vom EuGH judizierten Bedeutung des zeitlichen Zusammenhangs liegen, könnte durch die Rechtsatzkette RIS-Justiz RS0102122 der fälschliche Eindruck entstehen, der Oberste Gerichtshof sähe im zeitlichen Zusammenhang eine selbständige Voraussetzung (arg „erforderlich"), ohne die die Annahme, dass die Kündigung wegen des Betriebsübergangs erfolgte, nicht möglich sei. Tatsächlich findet sich eine derartige Aussage nicht in den dort angeführten Entscheidungen 9 ObA 211/96, 8 ObA 91/97h und 9 ObA 274/97b. Richtig ist aber, dass die Aussage, der zeitliche Zusammenhang wäre „erforderlich", in 9 ObA 153/98k enthalten ist. Sie muss dort aber im Zusammenhang mit der weiteren Ausführung des Senats gesehen werden, dass den Veräußerer bzw Erwerber im Fall des zeitlichen Zusammenhangs die Behauptungs- und Beweislast dafür trifft, dass die Kündigung nicht allein auf Grund des Übergangs erfolgte. Sichtlich sah auch Mayr in seiner Entscheidungsbesprechung (DrdA 2000/10, 71) den Schwerpunkt in der zweiten Aussage, indem er nämlich zustimmend ausführte, dass der Oberste Gerichtshof klargestellt habe, dass die Tatsache der zeitlichen Nähe der Kündigung zum Betriebsübergang für das Motiv der Kündigung wegen des Übergangs spreche.

Ähnliche Erwägungen können auch für die Entscheidung 9 ObA 97/02h (DrdA 2003/28 [Binder] = ZAS 2003/46 iVm ZAS 2003, 54 [Reissner] = infas 2003, 88 [Wagnest]) gelten, die im Vorprozess der Parteien erging. Der Senat bezog sich dort zunächst auf den (nicht vorliegenden) Fall der Kündigung durch den Betriebsveräußerer und führte weiter aus, dass es für die Annahme einer gerade wegen des Betriebsübergangs erfolgten Kündigung „regelmäßig erforderlich" sei, dass die Kündigung in einem zeitlichen Zusammenhang zum Betriebsübergang stehe. Zur (dort vorliegenden) Erwerberkündigung hieß es dann, dass die Ansichten zur Frage, ob wegen des Normzwecks des § 3 Abs 1 AVRAG auch Kündigungen durch den Erwerber unwirksam seien, wenn diese aus Anlass des Betriebsübergangs „und" in engem zeitlichen Zusammenhang mit diesem ausgesprochen werden, uneinheitlich seien. Letztlich gelangte der Senat zu dem Ergebnis, dass auch die Erwerberkündigung der Unwirksamkeit anheimfalle, wenn die sonstigen Vorraussetzungen gegeben sind. Der zeitliche Zusammenhang war im Übrigen in dieser Entscheidung kein besonderes Problem.

Die drei Rezensenten der Entscheidung 9 ObA 97/02h verstanden die Ausführungen zum zeitlichen Zusammenhang offenbar ähnlich wie schon zuvor Mayr (in DRdA 2000/10, 71). So hebt etwa Binder (DRdA 2003/28, 328) zutreffend hervor, dass den Erwerber bei Kündigungen in unmittelbarer Nähe des Betriebsübergangs die Beweislast des Vorliegens betrieblicher Notwendigkeit treffe. Dies resultiere zum einen aus der Umgehungsvermutung bezüglich der zwingenden Vertragsübernahmeanordnung in § 3 Abs 1 AVRAG, zum anderen aus der für den Gekündigten gegebenen Schwierigkeit die betriebswirtschaftlichen Erfordernisse des Erwerberunternehmens zu eruieren und bewerten zu können. Ähnlich führt Reissner (ZAS 2003, 254 [260]) aus, dass es auf eine Beweisfrage hinauslaufe. Je größer der zeitliche Zusammenhang sei, desto höher seien die an den Arbeitgeber zu stellenden Anforderungen. Bei großer zeitlicher Nähe könne sich der Arbeitnehmer auf das Belegen des bloßen Zeitfaktors beschränken. Wagnest (infas 2003, 88 [93]) hebt schließlich auch den gegenteiligen Fall hervor: Je länger die ausgesprochene Kündigung zeitlich vom Betriebsübergang entfernt sei, umso weniger groß seien die Anforderungen an den Erwerber, den Beweis einer betriebs-, verhaltens- oder personenbezogenen Kündigung zu erbringen. Er relativiert damit zutreffend das „Erfordernis" des zeitlichen Zusammenhangs bei der Beurteilung des Zusammenhangs zwischen einer Kündigung und einem Betriebsübergang und knüpft damit im Ergebnis unter anderem an Schrank (in FS Tomandl 78) und Grießer (RdW 1997, 669 [677]) an, die schon zuvor auch den Umkehrschluss gezogen haben. Der zeitliche Zusammenhang ist somit nicht an einer bestimmten Frist festzumachen, und zwar weder absolut, noch in Bezug auf die Anforderungen an die Behauptungs- und Beweislast. Der Übergang ist vielmehr fließend. Der schon vorerwähnten Auffassung Schimas (Umgründungen im Arbeitsrecht 165), dass die Annahme eines zeitlichen Naheverhältnisses mit einem Betriebsübergang bei einem Abstand von mehr als sechs Monaten „ausscheide", kann daher mit dieser Absolutheit nicht beigetreten werden, sofern damit mehr als eine bloße Überlegung zur Wahrscheinlichkeit eines allfälligen Prozesserfolgs gemeint gewesen sein sollte.

Bei der von den Umständen des Einzelfalls abhängigen Prüfung der abschließenden Frage, ob die Kläger „wegen des Betriebsübergangs" gekündigt wurden (vgl Reissner, ZAS 2003, 254 [260]; Pirker, RZ 2004, 146 [156] ua), ist zunächst der Beklagten zuzugeben, dass der nicht mehr knappe Zeitabstand zwischen dem Betriebsübergang vom 1. 6. 1994 und den Kündigungen vom 21. 9. 1995 nach den vorstehenden Überlegungen für eine Lockerung der strengen Anforderungen an die Behauptungs- und Beweislast der Beklagten als Arbeitgeber spricht. Der zeitliche Zusammenhang ist aber, wie bereits dargelegt, nur einer von mehreren Umständen, denen Bedeutung zukommen kann; eben ein Indiz, dessen Stärke - aus der Sicht des Arbeitnehmers - vor allem dann zum Tragen kommt, wenn der zeitliche Abstand eher gering ist. Auch wenn also der konkrete zeitliche Abstand hier „prima facie" nicht für den Standpunkt der Kläger zu sprechen scheint, kommt im vorliegenden Fall ein anderer Umstand zum Tragen, der prima facie für den Betriebsübergang als wahren Kündigungsgrund spricht. Es ist hier nämlich nicht so, dass der Erwerber erstmals 15 Monate nach dem Betriebsübergang versucht hätte, Arbeitsverhältnisse mit übernommenen Arbeitnehmern zu beenden. Die gegenständlichen Kündigungen stellen sich vielmehr - nach den unwirksamen Kündigungen vom 6. 6. 1994 und den unwirksamen Entlassungen vom 8. 7. 1994 - als weiterer Versuch der Beklagten dar, die Arbeitsverhältnisse mit den Klägern - endlich und irgendwie - zu beenden. Dies allein besagte zwar auch noch nichts, wenn sich in der Zwischenzeit etwas Relevantes geändert hätte. Dafür bestehen jedoch keine Anhaltspunkte.

Es sei nochmals darauf verwiesen, dass der Senat im Vorprozess der Parteien zu dem Ergebnis kam, dass die ersten von der Beklagten am 6. 6. 1994 wegen des Betriebsübergangs ausgesprochenen (Erwerber-)Kündigungen der Kläger unwirksam waren (9 ObA 97/02h). Das von der Beklagten dort gebrauchte Argument, es sei ihr darum gegangen, in Ansehung des Gehalts der Piloten eine „Zwei-Klassen-Belegschaft" zu verhindern, wurde als nicht stichhältig angesehen, um deshalb nicht mehr von einer Kündigung wegen des Betriebsübergangs sprechen zu können. Es wurde darauf hingewiesen, dass sich der Erwerber vor dem Erwerb des Betriebs entscheiden müsse, ob er die in den einschlägigen Regelungen vorgesehene Rechtsfolge des Übergangs der Arbeitsverhältnisse ohne inhaltliche Änderung in Kauf nehmen wolle oder nicht. Wie nun ebenfalls schon ausgeführt, hat sich die Beklagte in erster Instanz weder darauf gestützt, es handle sich bei den neuen Kündigungen vom 21. 9. 1995 um Änderungskündigungen, noch hat sie ein anderes Motiv als den permanent im Raum stehenden Betriebsübergang genannt. Die Beklagte beschränkte sich auf den bloßen Zeitfaktor, indem sie zwischen den ersten Kündigungen vom 6. 6. 1994 und den gegenständlichen Kündigungen vom 21. 9. 1995 - abgesehen von noch dazwischenliegenden unwirksamen Entlassungen vom 8. 7. 1994 und strittigen Kündigungen vom 11. 8. 1995 - einfach nur Zeit verstreichen ließ. Neu ist lediglich, dass sie das - allerdings wie vorstehend nachgewiesen, nicht stichhältige - Argument forciert, der Kündigungsschutz sei im Fall des Betriebsübergangs mit einem Jahr befristet. Bei der besonderen Verfahrenslage kann in der Annahme des Erstgerichts, an den ausschließlich im Betriebsübergang begründeten Motiven der Beklagten, die Arbeitsverhältnisses der Kläger zu beenden, habe sich nichts geändert, keine Fehlbeurteilung erblickt werden. Von „Reorganisations- und Rationalisierungsmaßnahmen" der Beklagten war in erster Instanz keine Rede. Die verbundenen Arbeitsrechtssachen erweisen sich daher als spruchreif im Sinn einer Wiederherstellung des Ersturteils, soweit dieses noch der Anfechtung unterliegt.

Die Kostenentscheidung gründet sich hinsichtlich des Verfahrens erster Instanz auf § 41 ZPO, hinsichtlich der Rechtsmittelverfahren auch auf § 50 Abs 1 ZPO.

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