OGH 9ObA274/97b

OGH9ObA274/97b22.10.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Mag.Dr.Gerhard Stadler und Brigitte Haumer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Bruno L*****, Revierjäger, *****, vertreten durch Dr.Peter Steinbauer, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1. A*****verwaltungs-AG, *****, 2. D*****-Industrieberatung *****, beide vertreten durch Dr.Rainer H.Schuster, Rechtsanwalt in Wien, wegen Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13.März 1997, GZ 7 Ra 299/96m-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 13. Juni 1996, GZ 23 Cga 151/95p-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 15.097,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 2.516,25 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Erstbeklagte verfügt über eine Jagdfläche von ca 48.000 ha. Das Gebiet D***** umfaßt ca 10.000 ha und wird von einem Jagdleiter und vier Berufsjägern betreut. Der Kläger war bei der Erstbeklagten seit 10.5.1991 als Revierjäger beschäftigt und hatte vorwiegend das Revier L***** zu betreuen. Auf das Dienstverhältnis findet der Kollektivvertrag für jagd- und forstwirtschaftliche Angestellte (Gutsangestellte) Anwendung. Das Dienstverhältnis des Klägers wurde mit Schreiben vom 30.3.1995 zum 31.5.1995 gekündigt. Seit 1995 ist das gesamte Jagdgebiet der erstbeklagten Partei verpachtet. Die Zweitbeklagte ist aufgrund des Jagdpachtvertrages vom 1.2.1994 ab 1.4.1995 Jagdpächterin des gesamten Jagdgebietes D*****. Zu den Aufgaben des Klägers zählte auch die Betreuung von Jagdgästen, die Wildfütterung, die Überwachung von Wildschäden und forstlichen Schäden etc. Der Kläger sollte sich in ein seit langem bestehendes Team einfügen. Am 14.8.1992 kam es wegen diverser Probleme mit dem Kläger erstmals zu einer internen Dienstbesprechung. Der Kläger hatte ausgedehnte Gasthausbesuche unternommen und im alkoholisiertem Zustand den Dienstwagen gelenkt sowie Inhalte einer Dienstbesprechung an die Öffentlichkeit getragen. Der Kläger hatte sich auch über seinen Vorgesetzten, seinen Beruf und das Arbeitsklima im allgemeinen negativ geäußert. Es hatten sich auch Beschwerden der Jagdgäste über den Kläger gehäuft. Weiters befolgte der Kläger auch nicht Anordnungen seines Vorgesetzten. Er wurde darauf hingewiesen, daß Konsequenzen gezogen werden müssen, wenn die angeführten Mißstände nicht abgestellt würden. Es kam dann zu einer kurzfristigen Besserung im Verhalten des Klägers. Wegen der gleichen Mißstände gab es im Juli 1993 eine weitere Aussprache. Der Kläger wurde vom Forstdirektor verwarnt und darauf hingewiesen, daß ein Weiterarbeiten im Betrieb nur möglich sei, wenn er sich wesentlich ändert. Es kam dennoch nicht zu einer dauerhaften Besserung des Verhaltens des Klägers. Auch 1994 und 1995 beschwerten sich immer wieder Jagdgäste. Sie weigerten sich auch ausdrücklich, mit dem Kläger auf Pirsch zu gehen. Andererseits wünschten einzelne Jagdgäste ausdrücklich nur den Kläger. Es gab aber praktisch keinen Abschußnehmer, der sich nicht über den Kläger beschwert hätte. Die an die zweitbeklagte Partei herangetragenen Beschwerden der Jagdgäste leitete der Geschäftsführer an den Oberförster weiter. Im November 1994 beschwerte sich Ing.Ernst R***** darüber, daß der Kläger sich in ordinärer Ausdruckweise über Kollegen, Beruf und Vorgesetzte geäußert hätte. Insbesondere hätte der Kläger den Beruf eines Jägers als "Arschberuf" bezeichnet und gemeint "der Betrieb sei sowieso nur Scheiße und alle Kollegen hätten sowieso keine Ahnung". Seinen vorgesetzten Oberförster hätte der Kläger als Autojäger bezeichnet, der nur mit dem Auto herumfährt. In der Folge kam es am 6.3.1995 zu einer weiteren Aussprache, in der dem Kläger der mangelnde berufliche Kontakt zu seinen Kollegen sowie die unkorrekte Behandlung der Jagdgäste vorgeworfen wurden. Während der Kläger den mangelnden beruflichen Kontakt zugestand, hielt er die Behandlung der Jagdgäste für in Ordnung. Dem Kläger wurde aus diesem Grund die Kündigung angedroht, sollte sich sein Verhalten nicht kurzfristig bessern. Bereits ca zehn Tage nach diesem Gespräch teilte Helmut K***** Dipl.Ing.St***** mit, daß sich im Verhalten des Klägers zu ihm und seinen Berufskollegen nichts geändert hätte. In der zweiten Märzhälfte führte Dipl.Ing.St***** ein Gespräch mit dem Kläger, der meinte, daß aus seinem Verhalten zu seinen Kollegen und Oberförster K***** "nichts mehr werden wird". Nach dem Gespräch vom 6.3.1995 hatte sich auch Michael H***** bei seinen Jagdgästen über das Verhalten des Klägers erkundigt. Diese bestätigten die Vorwürfe gegen ihn. Michael H***** wies den Forstdirektor St***** und Oberförster K***** auf eine Bestimmung im Pachtvertrag hin, wonach eine Auflösung des Pachtvertrages möglich wäre, wenn dessen Fortsetzung nicht zumutbar sei. Wegen der angeführten Mißstände kam es am 30.3.1995 zur Kündigung des Dienstverhältnisses des Klägers durch die Erstbeklagte. Mit Schreiben vom 27.7.1995 wurde der Kläger "vorsichtshalber" auch von der Zweitbeklagten zum 30.9.1995 gekündigt.

Der Kläger begehrt die Feststellung, daß die von der erstbeklagten Partei mit Schreiben vom 30.3.1995 sowie die von der zweitbeklagten Partei mit Schreiben vom 27.7.1995 erfolgte Kündigung des Dienstverhältnisses des Klägers rechtsunwirksam seien. Die Kündigung sei im Übergang des Unternehmens begründet und daher gemäß § 879 Abs 1 ABGB rechtsunwirksam.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil die Kündigung nicht wegen des Betriebsüberganges erfolgt sei, sondern im Verhalten des Klägers gegründet wäre.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es vertrat die Rechtsansicht, daß auch die Verpachtung des bloßen Jagdausübungsrechtes einen Betriebsübergang im Sinne des AVRAG darstelle. Der Kläger sei aber nicht wegen des Betriebsüberganges, sondern wegen der zahlreichen Beschwerden der Jagdgäste und der mangelnden Kooperation mit seinen Berufskollegen gekündigt worden.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es führte rechtlich aus, daß der Pachtvorgang der gegenständlichen Jagdpacht kein Betriebsübergang im Sinne des § 3 Abs 1 AVRAG sei. Habe kein Betriebsübergang stattgefunden, so sei die von der Zweitbeklagten vorsorglich ausgesprochene Kündigung gegenstandslos und die Erstbeklagte sei durch die Verpachtung in ihrem Kündigungsrecht nicht beschränkt gewesen. Selbst wenn ein Betriebsübergang vorläge, wäre für den Kläger nichts gewonnen, weil die Kündigung primär aus in der Person des Klägers gelegenen Gründen erfolgt sei. Selbst wenn die Kündigung als nichtig anzusehen wäre, sei das Rechtsgestaltungsbegehren auf Unwirksamerklärung der Kündigung verfehlt. Er hätte dann auf Feststellung des Fortbestehens des Dienstverhältnisses oder auf Leistung klagen müssen. Eine amtswegige Umdeutung des Rechtsgestaltungsbegehrens in ein Feststellungsbegehren oder Leistungsbegehrens sei nicht möglich.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagten Parteien beantragen, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Ob der Abschluß eines Jagdpachtvertrages der Verpachtung eines Unternehmens oder einem vergleichbaren Nutzungsvertrag, der zu einer Betriebsübernahme nach § 3 Abs 1 AVRAG führt, gleichkommt (Krejci, Betriebsübergang 56 f), braucht hier nicht untersucht zu werden. Entscheidend ist nämlich, daß eine Kündigung auch für den Fall des Vorliegens eines Betriebsüberganges im Zusammenhang mit einem solchen nur dann unwirksam ist, wenn damit die zwingenden Bestimmungen des AVRAG unterlaufen werden, dh wenn die Kündigung wegen der Betriebsübernahme erfolgt. Nur solche Kündigungen können mit dem gesetzlich positivierten Grundsatz des ex lege-Überganges des Arbeitsverhältnisses auf den neuen Betriebsinhaber in Kollision geraten (Holzer, Kündigungen bei Betriebsübergängen, DRdA 1995, 375; Grillberger, Betriebsübergang und Arbeitsverhältnis - Neuregelung durch das AVRAG, WBl 1993, 305; Tinhofer, Betriebsübergang und Kündigung - Keine Neuregelung durch das AVRAG? WBl 1994, 321; RdW 1996, 71). Es sind daher die objektiven Umstände zu berücksichtigen, unter denen die Kündigung erfolgt ist. Der Schutzzweck des § 3 Abs 1 AVRAG mit der Anordnung der Vertragsübernahmeautomatik schließt aus, daß der Betriebsübergang das ausschlaggebende Motiv für die ausgesprochene Kündigung ist, nicht jedoch, daß die Kündigung aus anderen Gründen, beispielsweise verhaltensbedingten Gründen, ausgesprochen werden kann (Holzer aaO 376; Tinhofer aaO 326 f).

Der zeitliche Zusammenhang der mit Schreiben vom 30.3.1995 ausgesprochenen Kündigung mit einer allfälligen Betriebsübernahme durch den Pachtvertrag vom 1.2.1994 (der ab 1.4.1995 als abgeschlossen zu gelten hat) liegt vor. Der damit vorliegende prima-facie-Beweis über das verpönte Motiv war somit vom Arbeitgeber zu entkräften (Holzer aaO 376; Tinhofer aaO 327).

Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen kam es seit 1992 immer wieder zu Beschwerden der Abschußnehmer über den Kläger. Der Kläger äußerte sich auch über Kollegen, den Beruf und Vorgesetzte in ordinärer Ausdrucksweise und der Kläger meinte hinsichtlich eines guten beruflichen Kontaktes zu den Berufskollegen noch in der zweiten Märzhälfte 1995, daß daraus "nichts mehr werden wird". Bereits in einem anderen Gespräch am 6.3.1995 war ihm die Kündigung für den Fall, daß sich sein Verhalten nicht kurzfristig bessern sollte, angedroht worden. Soweit Jagdgäste nach diesem Gespräch die Vorwürfe der unkorrekten Behandlung der Jagdgäste durch den Kläger bestätigten und er nicht einmal die Absicht zeigte, sein Verhalten zu den Berufskollegen zu ändern, so steht die durch das Verhalten des Klägers begründete Kündigung zwar im Zusammenhang mit dem Abschluß des Jagdpachtvertrages, doch bildete dieser nicht das ausschlaggebende Motiv der Kündigung (Binder, Die österreichische Betriebsübergangsregelung - Eine geglückte Bedachtnahme auf die europarechtlichen Vorgaben? DRdA 1996, 1 [9]; Tinhofer aaO 327).

Daß die Rechtsunwirksamkeit einer nichtigen Kündigung mit einer auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichteten Feststellungsklage und nicht mit Rechtsgestaltungsklage geltend zu machen ist (Arb 11.248), hat im vorliegenden Fall keine prozeßentscheidende Bedeutung, weil eine Rechtsgestaltungsklage nicht erhoben wurde.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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