Spruch:
Dem Revisionsrekurs der betreibenden Parteien wird teilweise Folge gegeben.
Die Beschlüsse des Erstgerichts werden mit der Abänderung in den Strafaussprüchen wiederhergestellt, dass über die verpflichtete Partei wegen des jeweils in den Anträgen der betreibenden Parteien angeführten titelwidrigen Verhaltens eine Geldstrafe von 10.000 EUR je Antrag, insgesamt also Geldstrafen von zusammen 280.000 EUR, verhängt werden.
Die betreibenden Parteien haben der verpflichteten Partei jeweils die Hälfte der mit 2.311 EUR (darin 385,17 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekurses an die zweite Instanz binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.
Die Kosten des Revisionsrekurses der betreibenden Parteien werden mit 1.965,95 EUR (darin 327,66 EUR Umsatzsteuer) als weitere Exekutionskosten bestimmt.
Der Antrag der verpflichteten Partei auf Zuspruch von Kosten für die Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.
Text
Begründung
Im Verfahren AZ 17 Cg 31/05y des Handelsgerichts Wien wurde die verpflichtete Partei (dort drittbeklagte Partei) mit einstweiliger Verfügung (EV) vom 7. November 2005 gegenüber den betreibenden Parteien zur Unterlassung verpflichtet, 1. das Zeichen „M*****" für näher bezeichnete Waren und Dienstleistungen, für die eingetragene Marken der betreibenden Parteien bestehen, zu verwenden „oder bei derartigen Handlungen mitzuwirken"; 2. das Zeichen „M*****" als Firmenschlagwort oder Etablissementbezeichnung im Zusammenhang mit Dienstleistungen des Unternehmensgegenstands der betreibenden Parteien (Bereitstellung von Arbeitskräften ua) zu verwenden „oder bei derartigen Handlungen mitzuwirken" und 3. das Unternehmen der erstbeklagten Partei (eine Tochtergesellschaft der verpflichteten Partei), ihren Betrieb oder Teilbetrieb betreffend die Bereitstellung von Arbeitskräften ua zu übertragen, ohne den Dritten zu den oben angeführten Unterlassungspflichten zu verhalten und/oder für die Einhaltung der Unterlassungspflichten Sorge zu tragen. In der rechtlichen Beurteilung qualifizierte das Titelgericht die verpflichtete Partei (Gesellschafterin der dort erstbeklagten Partei) als Anstifterin und Gehilfin der Wettbewerbsverstöße ihre Tochtergesellschaft.
Mit ihrem Exekutionsantrag vom 12. April 2006 beantragten die betreibenden Parteien aufgrund der EV die Unterlassungsexekution gemäß § 355 EO. Eine näher bezeichnete GmbH, deren weisungsbefugte Alleingesellschafterin die verpflichtete Partei sei, habe an näher angeführten Tagen ab dem 27. März 2006 das Zeichen „M*****" auf Geschäftsschildern, in Internetanzeigen und Stelleninseraten sowie E-Mailsignaturen verwendet. In den folgenden Strafanträgen (ON 2 bis 16, 18 bis 24 und 26 bis 30) behaupteten die betreibenden Parteien gleichartige Titelverstöße im Zeitraum 12. April bis 8. Juni 2006. Das Erstgericht bewilligte am 9. Mai 2006 die beantragte Exekution gemäß § 355 EO und verhängte eine Geldstrafe von 15.000 EUR (ON 1). Mit den folgenden Beschlüssen gab es den Strafanträgen der betreibenden Parteien statt und verhängte folgende Geldstrafen:
15.000 EUR (ON 2) 25.000 EUR (ON 3) 35.000 EUR (ON 4) 45.000 EUR (ON 5) jeweils 55.000 EUR (ON 6 bis 15) jeweils 60.000 EUR (ON 16, 18 bis 24) und jeweils 65.000 EUR (ON 26 bis 30).
Das Rekursgericht gab den insgesamt 28 Rekursen der verpflichteten Partei Folge und wies den Exekutionsantrag sowie sämtliche Strafanträge ab. Es folgte dem Rechtsstandpunkt der verpflichteten Partei, dass ihr die Handlungen der Tochtergesellschaft nicht zuzurechnen seien. Dass die verpflichtete Partei die Tochtergesellschaft zum titelwidrigen Handeln beauftragt habe, sei nicht einmal behauptet worden. Ein Haftungsdurchgriff käme nur bei einem Missbrauch der Gesellschaft durch den Einmanngesellschafter in Betracht. In der EV sei die Haftung der verpflichteten Partei als Anstifterin und Gehilfin infolge Gründung der im Titelverfahren erstbeklagten Tochtergesellschaft bejaht worden. Eine titelmäßige Verpflichtung, die Mitwirkung an Verstößen zu unterlassen, bestehe nur in Ansehung der im Titelverfahren erstbeklagten Partei. Der Exekutionstitel erstrecke sich nicht auf die Unterlassung von Mitwirkungshandlungen der verpflichteten Partei an Unterlassungspflichten anderer Gesellschaften, gegen die kein Exekutionstitel bestehe. Daher stelle eine unterbliebene Weisung des Alleingesellschafters an den Geschäftsführer der handelnden GmbH keinen vom Exekutionstitel erfassten Wettbewerbsverstoß dar. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragen die betreibenden Parteien die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Beschlüsse, hilfsweise die Aufhebung zur neuerlichen Entscheidung. Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof bindenden Ausspruch des Rekursgerichts zulässig und teilweise auch berechtigt. Die Freistellung einer Revisionsrekursbeantwortung ist nicht geboten (SZ 2004/26). Kosten für die dennoch eingebrachte Rechtsmittelbeantwortung sind daher nicht zuzusprechen.
Rechtliche Beurteilung
I. Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts sind die von den betreibenden Parteien behaupteten Verwendungen des Zeichens „M*****" durch eine Tochtergesellschaft der verpflichteten Partei zuzurechnen, vom Exekutionstitel erfasst und daher als Titelverstöße der verpflichteten Partei zu qualifizieren:
1. Das Bewilligungsgericht hat bei der Entscheidung über den Exekutionsantrag zu prüfen, ob das Begehren durch den Exekutionstitel gedeckt ist. Es hat die Verpflichtung nur aufgrund des Titels festzustellen und nicht zu untersuchen, was der Verpflichtete nach dem Gesetz zu leisten hat, sondern nur, wozu er im Titel verpflichtet wurde (RIS-Justiz RS0000217). Eine Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit des Titels findet nicht statt (3 Ob 209/01h uva). Grundsätzlich bildet nur der Spruch der Entscheidung in seinem objektiven Wortsinn den Titel, nicht aber die Entscheidungsbegründung (3 Ob 63/90 uva). Nur bei einem nicht eindeutig formulierten Spruch ist eine Auslegung anhand der Entscheidungsgründe zulässig und geboten (RIS-Justiz RS0000300; 3 Ob 280/00y mwN). Die im Revisionsrekurs breit dargestellte materielle Rechtslage zum Thema der Haftung eines Unternehmens für Handlungen Dritter (§ 18 UWG) ist damit im vorliegenden Exekutionsverfahren nicht entscheidungswesentlich.
2. Die vom Rekursgericht vorgenommene Einschränkung der Haftung der verpflichteten Partei für Handlungen Dritter auf Handlungen ihrer Tochtergesellschaft M***** GmbH (erstbeklagte Partei im Titelverfahren) übergeht den weit gefassten Spruch der EV, womit der verpflichteten Partei ganz allgemein die Mitwirkung an der Verwendung des Zeichens „M*****" durch Dritte verboten wurde. Auch wenn diese Verpflichtung auf solche Dritte eingeschränkt werden müsste, auf welche die verpflichtete Partei rechtlichen Einfluss nehmen kann, sind jedenfalls alle Tochtergesellschaften vom Spruch des Exekutionstitels erfasst, denen die verpflichtete Partei als Alleingesellschafterin Weisungen erteilen kann (§ 20 GmbHG). Insoweit ist der Spruch der EV eindeutig und nicht auslegungsbedürftig. Dass sich das Mitwirkungsverbot nur auf die im Titelverfahren erstbeklagte Tochtergesellschaft erstrecken sollte, geht im Übrigen auch nicht aus der Entscheidungsbegründung des Titelgerichts hervor. Die verpflichtete Partei wurde als Anstifterin und Gehilfin bei Wettbewerbsverstößen einer bestimmt bezeichneten Tochtergesellschaft qualifiziert, die zum Zweck der wettbewerbswidrigen Verwendung des markenrechtlich geschützten Zeichens der betreibenden Parteien gegründet worden war. Bei Richtigkeit der Ansicht des Rekursgerichts fiele nicht einmal die neuerliche Neugründung einer weiteren Tochtergesellschaft zum Zwecke der sanktionslosen Weiterverwendung des Zeichens unter das im Exekutionstitel verfügte Mitwirkungsverbot. Eine solche Auslegung ginge am Gesamtzusammenhang der Entscheidungsbegründung vorbei. Entscheidungswesentlich ist aber - wie ausgeführt - dass der Spruch der EV keine Einschränkung des Mitwirkungsverbots bloß auf die Tochtergesellschaft M***** GmbH enthält.
II. Da der Exekutionsantrag und die folgenden Strafanträge dem Grunde nach berechtigt sind, obliegt es dem Obersten Gerichtshof iSd E 3 Ob 215/02p, 321/02f = SZ 2002/178 über den Rekurs der verpflichteten Partei, insoweit damit auch die Angemessenheit der verhängten Geldstrafen bekämpft wird, abzusprechen:
1. Die auch hier anzuwendenden Grundsätze sind dabei:
Wegen eines jeden für verschiedene Tage behaupteten Titelverstoßes ist je Strafantrag eine gesonderte Strafe zu verhängen (3 Ob 168/99y = SZ 72/194).
2. Neuerungen, die für die Strafhöhe von Bedeutung sind, können auch im Rekurs vorgebracht werden, wenn der Verpflichtete (wie hier) vorher nicht gehört wurde (RIS-Justiz RS0110233). Wenn er gegen die Strafhöhe die Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz ins Treffen führt, hat er allerdings schon im Rekurs ein Sachvorbringen über konkrete Wirtschaftsdaten (Vermögen, Umsatz und Gewinn) zu erstatten und Bescheinigungsmittel anzubieten (3 Ob 153/98s). Letzteres unterließ die verpflichtete Partei. In ihrem Rekurs an die zweite Instanz verwies sie nur auf die Summe der verhängten Geldstrafen (1,49 Mio EUR), die „in keiner Relation zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der verpflichteten Partei" stehe. Es sei nicht Sinn und Zweck der Unterlassungsexekution, dass „Unternehmen in den Konkurs getrieben werden".
3. Daraus folgt, dass hier eine Herabsetzung der verhängten Strafen mangels konkreter Behauptungen der verpflichteten Partei zum Thema ihrer Leistungsfähigkeit nur nach der gebotenen allseitigen Beurteilung der Rechtslage iSd in der zitierten Entscheidung SZ 2002/178 angestellten Ermessenserwägungen in Frage kommt:
Gegen eine exorbitant hohe Geldstrafe spricht schon der Umstand, dass die verpflichtete Partei nur mittelbarer Täter ist und die betreibenden Parteien ein Handeln etwa aus „purer und sturer Hartnäckigkeit wider besseren Wissens" nicht behauptet und begründet haben. Eine „Hartnäckigkeit" kann auch nicht daraus abgeleitet werden, dass die verpflichtete Partei nach Kenntnis des Exekutionsantrags bzw. einzelner Strafanträge ihr titelwidriges Verhalten (durch Verhinderung der Wettbewerbsverstöße ihrer Tochtergesellschaft) fortgesetzt hätte, wurden doch sämtliche erstinstanzliche Beschlüsse erst am 20. September 2006 zugestellt. Bei diesem Sachverhalt ist weder von einem besonderen Unrechtsgehalt noch von einem besonders schwerwiegenden Verschulden auszugehen. Wohl ist aber der Umstand zu berücksichtigen, dass über mehrere Monate eine titelwidrige Verwendung des Zeichens der betreibenden Parteien erfolgte. Da keine Titelverstöße nach Zustellung der Exekutionsbewilligung und der einzelnen Strafbeschlüsse zu ahnden ist, bedarf es keiner Steigerung der Strafhöhe (3 Ob 153/98s mwN). Zur Verwirklichung der Strafzwecke reicht eine erheblich reduzierte Geldstrafe von 10.000 EUR je Antrag aus.
Die Kostenentscheidung beruht jeweils auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO iVm § 78 EO. Die betreibenden Parteien haben zu gleichen Teilen (§ 46 Abs 1 ZPO) der in Ansehung der Strafhöhe teilweise erfolgreichen verpflichteten Partei Rekurskostenfür einen Rekurs auf der Basis der Summe der entfallenden Strafbeträge als Kostenbemessungsgrundlage zu ersetzen. Im Hinblick auf die Zustellung der erstinstanzlichen Beschlüsse am selben Tag war die Einbringung von 28 getrennten Rekursen nicht zweckentsprechend. Hingegen waren die Kosten des dem Grunde nach erfolgreichen Revisionsrekurses der betreibenden Parteien auf der Basis des Werts des betriebenen Unterlassungsanspruchs und der (reduzierten) Strafen als Kostenbemessungsgrundlage als weitere Exekutionskosten zu bestimmen. Der gewählte Kostenansatz auf Basis nur des betriebenen Anspruchs ist für die antragsgemäße Kostenbestimmung maßgeblich.
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