OGH 4Ob175/06y

OGH4Ob175/06y17.10.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*****-GmbH, *****, vertreten durch Dr. Bernd Roßkothen, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei S*****gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Unterlassung, Urteilsveröffentlichung und Schadenersatz (Streitwert im Provisorialverfahren 120.000 EUR), über den Revisionsrekurs der Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 3. Juli 2006, GZ 3 R 134/06f-9, mit welchem der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 12. Mai 2006, GZ 6 Cg 76/06i-4, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird teils bestätigt und teils dahin abgeändert, dass die Entscheidung insgesamt zu lauten hat:

„Einstweilige Verfügung

Zur Sicherung des Anspruchs der Klägerin gegen die Beklagte auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen wird der Beklagten für die Dauer dieses Rechtsstreits verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs das Teilurteil des Landesgerichts Salzburg vom 31. August 2005, AZ 7 Cg 216/04g, zu veröffentlichen, wenn damit der unrichtige Eindruck erweckt wird, die Veröffentlichung sei durch eine Ermächtigung des Gerichts gedeckt.

Das darüber hinausgehende Begehren, die Veröffentlichung auch für den Fall zu verbieten, dass die Veröffentlichung in ihrer Gesamtheit, wie zB Inhalt, Textgröße, Platzierung, Medium etc, nicht durch eine gerichtliche Veröffentlichungsermächtigung gedeckt sei, und/oder dass der vom Gericht bei der Veröffentlichung gezogene Rahmen, wie zB Inhalt, Textgröße, Platzierung, Medium etc nicht eingehalten werde, wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Hälfte ihrer Kosten vorläufig selbst zu tragen; die andere Hälfte hat sie endgültig selbst zu tragen. Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten einen mit 528,70 EUR (darin 88,12 EUR USt) bestimmten Anteil an den Äußerungskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die Klägerin hat die Hälfte ihrer Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen; die andere Hälfte hat sie endgültig selbst zu tragen.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten einen mit 1.861,02 EUR (darin 310,17 EUR USt) bestimmten Anteil an den Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Parteien stehen miteinander im Wettbewerb beim Vertrieb von Dünger, Blumenerde und Pflanzenschutzmitteln. Sie haben mehrfach vor Gericht wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten ausgetragen und dabei wechselseitig Unterlassungstitel erwirkt.

Im Verfahren 10 Cg 260/04z des Landesgerichts Salzburg wurde die (hier und dort) Beklagte mit Urteil vom 28. Mai 2005 verpflichtet, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, von ihr vertriebene Produkte mit irreführenden Deklarationen über Inhaltsstoffe zu versehen. Im weiteren Rechtszug wurde die Klägerin ermächtigt, diese Entscheidung und die Veröffentlichungsermächtigung auf Kosten der Beklagten in einer Wochenendausgabe der Kronen Zeitung zu veröffentlichen.

Im Verfahren 7 Cg 216/04g des Landesgerichts Salzburg begehrte die (hier) Beklagte, der Klägerin bestimmte irreführende Werbeankündigungen zu verbieten. Weiters beantragte sie zunächst die Ermächtigung zur Veröffentlichung des Urteils in einer Samstagausgabe der Kronen Zeitung. Dieses Begehren modifizierte sie später dahin, dass die Veröffentlichung (nur) in zwei regionalen Medien erfolgen sollte. Das Gericht erließ am 31. August 2005 ein Teilanerkenntnisurteil zum Unterlassungsbegehren; dem (eingeschränkten) Veröffentlichungsbegehren gab es in weiterer Folge mit Endurteil vom 18. November 2005 statt.

Mit Schreiben vom 31. März 2006 kündigte der Klagevertreter der Beklagten die Veröffentlichung des zu ihren Lasten ergangenen Urteils vom 28. Mai 2005, 10 Cg 260/04z, an. Diese Veröffentlichung erfolgte sodann in der Kronen Zeitung, Gesamtausgabe Österreich, vom 16. April 2006, auf Seite 8.

In derselben Ausgabe dieser Zeitung schaltete die Beklagte auf Seite 6 folgendes Inserat:

Für diese Veröffentlichung gab es keine gerichtliche Ermächtigung. Gestalterisch wich sie (insbesondere durch die hervorgehobene Überschrift) von den Vorgaben der Ermächtigung zur Veröffentlichung in den zwei regionalen Medien ab. Inhaltlich wurde das Teilurteil aber korrekt wiedergegeben; es war zu diesem Zeitpunkt auch schon rechtskräftig.

Die Klägerin beantragt, der Beklagten zu verbieten, das Teilurteil des Landesgerichts Salzburg vom 31. August 2005, 7 Cg 216/04g, wie beispielsweise in der Neuen Kronen Zeitung, Gesamtausgabe Österreich, vom 16. April 2006 auf Seite 6, zu veröffentlichen, wenn (a) diese Veröffentlichung in ihrer Gesamtheit, wie zB Inhalt, Textgröße, Platzierung, Medium etc nicht durch eine gerichtliche Veröffentlichungsermächtigung gedeckt sei und/oder der vom Gericht im Urteil für die Veröffentlichung gezogene Rahmen nicht eingehalten werde, oder (b) damit der unrichtige Anschein erweckt werde, als sei die Urteilsveröffentlichung vom Gericht genehmigt.

Die Beklagte habe mit der Veröffentlichung die gerichtliche Ermächtigung missachtet und dadurch gegen § 1 UWG verstoßen. Die Veröffentlichung sei in einem anderen Medium erfolgt als in der Ermächtigung vorgesehen. Auch die gestalterischen und inhaltlichen Vorgaben der Ermächtigung seien nicht eingehalten worden. Zudem habe die Beklagte die Veröffentlichung bewusst zur selben Zeit und im selben Medium vorgenommen, in dem die Klägerin das ihrem Klagebegehren stattgebende Urteil mit gerichtlicher Ermächtigung veröffentlicht habe. Der unbefangene Leser müsse annehmen, dass die Veröffentlichung vom Gericht genehmigt worden sei. Darüber hinaus liege eine Irreführung iSv § 2 UWG vor, weil bei einem Vergleich mit der zwei Seiten später von der Klägerin geschalteten Urteilsveröffentlichung der falsche Eindruck entstehe, es würden zwei gleich massive Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht vorliegen. Die Beklagte wendet ein, dass eine private Urteilsveröffentlichung zulässig sei. Das folge schon daraus, dass die strittige Entscheidung in einer öffentlichen Verhandlung ergangen sei. Weiters sei die Veröffentlichung durch Art 10 EMRK gedeckt. Die Entscheidung sei rechtskräftig gewesen und auch inhaltlich korrekt abgedruckt worden. Eine Irreführung liege daher nicht vor. Das Unterlassungsbegehren sei zu weit gefasst, weil damit jede private Urteilsveröffentlichung verboten würde. Da sie nicht die Absicht habe, das Urteil nochmals zu veröffentlichen, bestehe auch keine Wiederholungsgefahr. Das Erstgericht erließ die beantragte Verfügung. Die Einschaltung der Beklagten habe nach ihrem äußeren Erscheinungsbild den Eindruck erweckt, es handle sich um eine „gerichtliche Urteilsveröffentlichung". Aus dem Umstand, dass die Beklagte das Urteil exakt in jener Ausgabe der Kronen Zeitung veröffentlicht habe, in der auch die Klägerin ihre Veröffentlichung geschaltet habe, sei abzuleiten, dass die Beklagte der Klägerin damit schaden wollte. Die Veröffentlichung sei durch die gerichtliche Veröffentlichungsermächtigung nicht gedeckt gewesen, auch deren gestalterische Vorgaben seien nicht eingehalten worden. Die Beklagte habe daher gegen § 1 UWG verstoßen. Bis zur Bescheinigung des Gegenteils sei Wiederholungsgefahr anzunehmen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Beklagten nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über 20.000 EUR und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Der Veröffentlichungsanspruch sei ein vom Unterlassungsanspruch abhängiger Nebenanspruch. Er setze nach § 25 Abs 3 UWG ein schutzwürdiges Interesse des mit dem Unterlassungsbegehren obsiegenden Klägers an der Aufklärung des Publikums voraus. Der Ausspruch über das Veröffentlichungsbegehren sei eine abschließende Entscheidung über die Veröffentlichung. Sie sei daher nur im Umfang und in der Form zulässig, die sich aus diesem Ausspruch ergebe. Die Beklagte habe sich schuldhaft darüber hinweggesetzt und damit gegen § 1 UWG verstoßen. Die Wiederholungsgefahr sei nicht weggefallen, weil die Beklagte auf der Rechtmäßigkeit ihres Verhaltens beharrt habe.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung erhobene Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig und teilweise berechtigt.

1. Entgegen der vom Rekursgericht vertretenen Auffassung ist die private, dh ohne gerichtliche Ermächtigung vorgenommene Veröffentlichung einer Entscheidung nach stRsp nicht grundsätzlich unzulässig oder rechtswidrig (4 Ob 71/33 = SZ 15/124, 2 Ob 99/55 = SZ 28/63; zuletzt etwa 4 Ob 293/99p; vgl RIS-Justiz RS0077699, RS0077806). Sie kann allerdings nach § 1 UWG sittenwidrig sein, wenn durch Art, Zeit, Unvollständigkeit der Veröffentlichung, fehlende Angaben über die Rechtskraft der Entscheidung oder ähnliche Umstände eine Irreführung des angesprochenen Publikums erfolgt (erfolgen kann) oder wenn die Veröffentlichung zum Zweck der Eigenwerbung und der Schädigung des Konkurrenten vorgenommen wird (4 Ob 323/74 = SZ 47/67 - Urteilsveröffentlichung auf eigene Kosten mwN; RIS-Justiz RS0077699; zuletzt etwa 4 Ob 293/99p). Eine in diesem Sinn relevante Irreführung liegt insbesondere dann vor, wenn der Eindruck erweckt wird, die Urteilsveröffentlichung beruhe auf einer gerichtlichen Ermächtigung (4 Ob 232/74 = SZ 47/67; 4 Ob 319/76). Diese differenzierende Auffassung wird auch im (jüngeren) Schrifttum geteilt (Ciresa, Handbuch der Urteilsveröffentlichung3 [2006] Rz 416 ff; Duursma-Kepplinger in Gumpoldsberger/Baumann, UWG [2006] § 25 Rz 10; Schönherr, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht [1982] Rz

590.1 f). Die strengere Auffassung von Schuster-Bonnott (Wesen und Grenzen der privatrechtlichen Befugnis zur Urteilsveröffentlichung mit Bemerkungen zur Wiederholungsgefahr, ÖBl 1980, 57 ff), wonach die Veröffentlichung nur nach Maßgabe einer gerichtlichen Ermächtigung zulässig sei, ist vereinzelt geblieben.

Der Senat sieht sich nicht veranlasst, von dieser Rechtsprechung abzugehen. § 25 Abs 3 UWG enthält keine abschließende Regelung zur Zulässigkeit von Urteilsveröffentlichungen oder von - grundsätzlich gleich zu beurteilenden (RIS-Justiz 0077868) - Mitteilungen über den Inhalt gerichtlicher Entscheidungen. Sein Regelungsgegenstand ist die Veröffentlichung auf Kosten des unterlegenen Beklagten. Daraus kann nur der Umkehrschluss gezogen werden, dass eine Veröffentlichung ohne gerichtliche Ermächtigung nicht vom Beklagten zu finanzieren ist. Die generelle Unzulässigkeit kann aus dieser Bestimmung aber nicht abgeleitet werden.

Die Unzulässigkeit kann sich im Einzelfall aus § 1 UWG oder aus dem allgemeinen Schikaneverbot des § 1295 Abs 2 ABGB ergeben. Dabei ist aber die Information der Öffentlichkeit über eine für die Gegenseite nachteilige Entscheidung nicht von vornherein als sittenwidrig anzusehen. Vielmehr ist im Einzelfall zu prüfen, ob eine Irreführung über den Inhalt oder die Tragweite der Entscheidung bezweckt oder zumindest in Kauf genommen wird, oder ob sonst sachfremde Motive derart im Vordergrund stehen, dass die Veröffentlichung ungeachtet des grundsätzlich bestehenden Rechts auf wahrheitsgemäße Information der Öffentlichkeit als sittenwidrig angesehen werden muss.

2. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall führt zu folgendem Ergebnis:

2.1. Die strittige Einschaltung hatte das typische Erscheinungsbild einer Urteilsveröffentlichung aufgrund einer gerichtlichen Ermächtigung. Daher wird ein nicht unbeträchtlicher Teil des Publikums annehmen, die Veröffentlichung sei tatsächlich vom Gericht „verfügt" worden. Damit verbunden wird oft die Annahme sein, dass eine solche „amtliche" Veröffentlichung in einer auflagenstarken Zeitung nur bei besonders gravierenden Wettbewerbsverstößen erfolgt. Das Unterlassungsurteil gewinnt dadurch in der Wahrnehmung der Leser ein besonderes Gewicht. Damit ist die Veröffentlichung zur Irreführung des Publikums geeignet. Aufgrund der Vorgeschichte - die Klägerin hatte die Veröffentlichung des zu ihren Gunsten ergangenen Urteils angekündigt - ist auch offenkundig, dass die Beklagte diese Wirkung beabsichtigt hatte. Daher haben die Vorinstanzen zu Recht angenommen, dass mit der Veröffentlichung der Eindruck einer gerichtlichen Ermächtigung erweckt werden sollte, um damit ein (auch formales) Gegengewicht zu der aufgrund einer solchen Ermächtigung erfolgenden Einschaltung des zu Lasten der Beklagten ergangenen Urteils zu schaffen. Darin liegt ein Verstoß gegen § 1 UWG. Das Vorliegen eines Wettbewerbsverstoßes indiziert die für das Bestehen des Unterlassungsanspruchs erforderliche Wiederholungsgefahr; für den Wegfall ist die Beklagte behauptungs- und beweispflichtig (RIS-Justiz RS0037661, RS0005402). Wiederholungsgefahr ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Beklagte - wie hier - ihre Unterlassungspflicht im Prozess bestreitet und (daher) keine Gewähr dafür besteht, dass sie Verstöße in Zukunft unterlässt (RIS-Justiz RS0012005).

Das von den Vorinstanzen ausgesprochene Verbot war daher zu bestätigen, soweit es das Erwecken des unrichtigen Eindrucks betrifft, es liege eine gerichtliche Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung vor.

2.2. Die Vorinstanzen haben der Beklagten darüber hinaus aber auch jede andere Veröffentlichung des Urteils verboten, soweit sie - in Bezug auf das Medium und/oder die Gestaltung - nicht durch eine Ermächtigung nach § 25 Abs 3 UWG gedeckt ist. Dieses umfassende Verbot steht im Widerspruch zur oben dargestellten Rechtsprechung, wonach private Urteilsveröffentlichungen nicht grundsätzlich unzulässig sind. Verboten kann die Veröffentlichung nur unter bestimmten, die Sittenwidrigkeit begründenden Umständen werden, nicht aber generell. Insofern waren die Entscheidungen daher im Sinn einer Teilabweisung abzuändern.

3. Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf den §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 43, 50 ZPO. Die Klägerin hat mit ihrem Begehren in allen Instanzen etwa zur Hälfte obsiegt.

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