Spruch:
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Bei der Unterscheidung zwischen Geschäftslokalmiete und Unternehmenspacht kommt es immer auf die Gesamtheit der Umstände des Einzelfalls an (1 Ob 637/95; SZ 70/184; SZ 2002/160; RIS-Justiz RS0031183). Unternehmenspacht liegt in der Regel dann vor, wenn ein lebendes Unternehmen, also eine organisierte Erwerbsgelegenheit mit allem, was zum Begriff des good will gehört, übergeben wird (JBl 1993, 590; SZ 58/8; 10 Ob 11/00s uva). Nach ständiger Rechtsprechung kann Gegenstand einer Unternehmenspacht auch ein stillgelegter oder erst zu gründender Betrieb sein (SZ 31/54; EvBl 1957/105; 4 Ob 249/97i; 6 Ob 154/02v; 8 Ob 11/04g uva). In diesem Fall sind allerdings die Anforderungen für die Annahme von Unternehmenspacht strenger; es kann nur dann, wenn der Bestandgeber alle wesentlichen Grundlagen des künftigen Unternehmens zur Verfügung stellt, Pacht angenommen werden (4 Ob 249/97i mwH). Es reicht aber die Pflicht des Bestandnehmers aus, mit den beigestellten sachlichen Mitteln ein Unternehmen bestimmter Art zu betreiben und dieses bei Vertragsbeendigung zu überlassen (WoBl 1996/57). Dem sonst für die Unterscheidung zwischen Miete und Pacht besonders wesentlichen Kriterium der Betriebspflicht wird in dem Fall, in dem lediglich für den Zweck des in Aussicht genommenen Unternehmens noch gar nicht geeignete Räumlichkeiten überlassen werden, weniger Bedeutung zugemessen (8 Ob 11/04g).
Nach den Feststellungen gab die beklagte Partei der klagenden Partei im Jänner 1990 Räumlichkeiten in Bestand, in denen zwar bis Ende Mai 1989 ein Gasthaus betrieben worden war, die sich aber in einem derart desolaten Zustand befanden, dass zur Erfüllung der behördlichen Auflagen für einen Gastronomiebetrieb umfangreiche und kostenintensive Sanierungsarbeiten und Investitionen erforderlich waren. Die klagende Partei verpflichtete sich im Bestandvertrag zur „Errichtung eines gastronomischen Betriebs" und baute das Objekt, von dem faktisch nur die tragenden Mauern und Außenmauern erhalten blieben, um rund 20 Mio ATS so um, dass sie etwa im Mai 1992 ihr „Biererlebnislokal" eröffnen konnte.
Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, dass der zwischen den Streitteilen geschlossene Bestandvertrag als Geschäftsraummiete und nicht als Unternehmenspacht zu qualifizieren sei, hält sich im Rahmen der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Deren Rechtsansicht, dass der vereinbarten Betriebspflicht keine überragende Bedeutung bei der Abwägung der für und gegen die Annahme einer Unternehmenspacht sprechenden Kriterien zukäme, haftet keine (erhebliche) Fehlbeurteilung an. Die beklagte Partei räumt selbst ein, dass sich im Bestandvertrag keine Verpflichtung zur Rückgabe eines lebenden Unternehmens findet, vermeint diese aber aus der Betriebspflicht ableiten zu können. Dabei übergeht sie allerdings die Feststellung, wonach für den Fall der Kündigung des Vertrags vereinbart war, dass die von der klagenden Partei bezahlten und nicht entfernbaren Investitionen von der beklagten Partei zum Buchwert abgelöst werden sollten. Hieraus ergibt sich aber eindeutig, dass die „entfernbaren Investitionen" bei Beendigung des Bestandverhältnisses gerade nicht an die beklagte Partei übergeben werden sollten. Die Rechtsmittelwerberin meint, es liege eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung deshalb vor, weil der hier zu beurteilende Bestandvertrag untrennbar mit einer Getränkebezugsverpflichtung gekoppelt ist und es sich bei derartigen Vereinbarungen um „häufige Konstellationen" handle. Im „Pachtvertrag" sei ein Verstoß gegen die Getränkebezugsverpflichtung ausdrücklich als Kündigungsgrund angeführt, woraus sich hinlänglich das wirtschaftliche Interesse der beklagten Partei am Fortbestand des Gastgewerbebetriebs der klagenden Partei ergebe. Die vom Berufungsgericht vorgenommene „künstliche Aufspaltung" zwischen der Stellung der beklagten Partei als Getränkelieferant einerseits und Bestandgeber andererseits sei verfehlt.
Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:
Rechtliche Beurteilung
Zwar wird in der Lehre und Rechtsprechung vor allem im Zusammenhang mit Bestandverhältnissen in Einkaufszentren die Auffassung vertreten, dass das wirtschaftliche Interesse des Betreibers eines solchen Zentrums nicht nur in der Erzielung von Bestandzins für bereit gestellte Räume liege, sondern vielmehr ein besonderes eigenes Interesse am Betrieb der einzelnen Unternehmen bestehe. Der Bestandnehmer beziehe seinerseits die Vorteile nicht nur aus den bereit gestellten Räumen, sondern aus der Existenz des Einkaufszentrums insgesamt und dessen good will. Dem Bestandnehmer stehe in der Regel die gesamte Infrastruktur des Einkaufszentrums mit attraktiver Ausgestaltung der Gemeinschaftsflächen zur Verfügung. Im Allgemeinen sei die Vereinbarung einer Betriebspflicht das wesentlichste Kriterium für die Qualifikation als Pachtvertrag, sofern diese auf einem wirtschaftlichen Interesse des Bestandgebers in der Art des Betriebes und an seinem Bestehen beruhe (SZ 70/184; SZ 73/180; 6 Ob 154/02v ua). Die Akzeptanz des einzelnen Unternehmers seitens der Kunden und dessen Erfolg oder Misserfolg stehe in Wechselwirkung sowohl zu den Erfolgen der anderen Unternehmer als auch zum Erfolg des Einkaufszentrums insgesamt (6 Ob 154/02v). Karollus fasst die Meinung der „Pacht-Protagonisten" bei Bestandverträgen in Einkaufszentren dahin zusammen, dass es bei solchen „nicht um eine Unternehmenspacht in Bezug auf das in den einzelnen Bestandräumlichkeiten vom Bestandnehmer betriebene Unternehmen (etwa den einzelnen Textil- oder Drogeriebetrieb)" gehe, sondern dass alle diese Autoren zumindest im Grundsatz übereinstimmend darauf abstellten, dass „eine Beteiligung des Bestandnehmers an dem Gesamtunternehmen Einkaufszentrum und den daraus erzielbaren Geschäftschancen" erfolge (JBl 2006, 76 [78]). Er sieht als entscheidendes Kriterium zur Abgrenzung zwischen Miete und Pacht an, „ob der Bestandgeber einen eigenen - übergeordneten - Gesamtbetrieb führt, in den der einzelne Bestandnehmer eingegliedert wird" (WBl 2005, 341 [348]). Oberhammer weist darauf hin, dass für den Obersten Gerichtshof eine genaue Analyse des Zwecks der Betriebspflicht eine gewichtige Rolle spiele. Sinn der Betriebspflicht sei, dass der Bestandgeber sein „lebendes" Unternehmen zurück bekomme (WoBl 2005, 293 [298 f]). Auch im Zusammenhang mit der sogenannten „Nebenbetriebsjudikatur" besteht eine enge wirtschaftliche Verknüpfung zwischen einem Hauptunternehmen des Bestandgebers und dem in dessen organisatorischen Rahmen eingegliederten Nebenunternehmen des Bestandnehmers, wobei es im Kern jeweils darum geht, dass die vom Bestandgeber organisierte Erwerbsgelegenheit für den Kundenstrom zum „Nebenunternehmen" verantwortlich ist. Typische Fälle sind etwa eine Gaststätte in einem Theater, Hotel, Strandbad, einem Bahnhof oder Flughafen, eine Tabaktrafik im Eingangsbereich eines Großrestaurants und vieles mehr (Oberhammer aaO).
Die Vorinstanzen sind ohne (wesentliche) Fehlbeurteilung davon ausgegangen, dass die zur Unterscheidung zwischen Geschäftsraummiete und Pacht in Einkaufszentren und bei „Nebenbetrieben" entwickelten Grundsätze auf den vorliegenden Fall nur beschränkt Anwendung finden. Weder besteht eine organisatorische Eingliederung des Betriebs der klagenden Partei als „Nebenunternehmen" in das „Hauptunternehmen" der Bestandgeberin, noch kann von einer engen wirtschaftlichen Verknüpfung zwischen den beiden Unternehmen gesprochen werden. Auch ist hier nicht wesentlicher Zweck der Betriebspflicht die Zurückstellung eines „lebenden" Unternehmens an die Bestandgeberin sondern erschöpft sich das wirtschaftliche Interesse der beklagten Partei am Bestand des Unternehmens der klagenden Partei in einem möglichst hohen Absatz an Getränken.
Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass die vereinbarte Betriebspflicht im Zusammenhang mit der Überlassung der Konzession unter Berücksichtigung der weit überwiegenden Argumente, die für das Vorliegen von Geschäftsraummiete sprechen, nicht ausreiche, um das Bestandverhältnis zwischen den Streitteilen als Unternehmenspacht zu qualifizieren, ist jedenfalls vertretbar.
Die außerordentliche Revision ist somit zurückzuweisen.
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