Spruch:
Ein Unternehmen kann schon vor der Betriebsaufnahme verpachtet werden.
Entscheidung vom 2. April 1958, 5 Ob 70/58.
I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.
Text
Die Miteigentümer der Liegenschaft EZ. 533 KG. St. L. verpachteten mit Vertrag vom 23. September 1932 der Beklagten die auf der Liegenschaft errichtete Großgaragenanlage mit Kesselanlage und Nebenräumlichkeiten. Der Pachtvertrag sagt ausdrücklich, daß alle Maschinen und Fahrnisse, die in einem abgesonderten Verzeichnis aufgezählt sind, und zwar die gesamte Garageneinrichtung und die Maschinen, bestehend aus einer Hebebühne, einem Vorderachs-Heber, einem Kompressor und verschiedenen Preßluftgeräten sowie anderen Gegenständen, laut gesonderter Aufstellung der Pächterin übergeben würden. Die gewerbliche Berechtigung zum Betriebe habe die Pächterin beizustellen. Diese verpflichtete sich auch, das im Bestandobjekt geplante Garagenunternehmen ganzjährig mit Tag- und Nachtdienst zu betreiben und aufrechtzuerhalten. Bei nicht ausreichendem Geschäftsgang war die Pächterin berechtigt, die Garagenhalle als Ausstellungsraum zu benützen und allenfalls die Räume zur Gänze oder zum Teil zu vermieten oder auch ihre Rechte abzutreten. Die Pachtdauer wurde mit 20 Jahren, und zwar endigend mit 30. September 1952, festgelegt. Schließlich räumten die Verpächter der Beklagten ein Vorkaufsrecht an der Liegenschaft ein. Am 20. Oktober 1936 kamen die Vertragspartner überein, daß die Vereinbarungen vom 23. September 1932, 27. Februar 1933 und 28. November 1933 als Mietvereinbarungen geschlossen gelten sollten. Sie fügten allerdings bei, daß dadurch an dem aufrechten Bestand der getroffenen Vereinbarung keine Änderung eintrete. Der Mietzins wurde laut der zuletzt angeführten Vereinbarung für einen Teil des Bestandgegenstandes mit 12.000 S jährlich, für einen anderen Teil mit 50 S monatlich vereinbart. Bereits am 8. September 1933 wurde die Bestandzeit bis 30. September 1957, also um fünf Jahre über die im Pachtvertrag vom 23. September 1932 festgesetzte Zeit hinaus, verlängert.
Die Kläger als Miteigentümer der Liegenschaft zu insgesamt sechs Achteln stellten mit Rücksicht auf das Ende der Bestandzeit den Antrag, der beklagten Partei aufzutragen, die Großgaragenanlage samt dazu gehörigen Nebenräumlichkeiten am 1. Oktober 1957 geräumt zu übergeben.
Das Erstgericht hob den am 3. April 1957 zu 24 K 46/57 erlassenen Übergabsauftrag mit Urteil auf und wies das Räumungsbegehren ab. Es stellte fest, daß die Pächterin in Abänderung des Pachtvertrages die Verpflichtung übernommen habe, die Zentralheizungsanlage auf ihre Kosten errichten zu lassen. Die beklagte Partei habe erst am 13. März 1933 das Gewerbe für Handel, Garagierung und Verleih von Kraftfahrzeugen bei der Gewerbebehörde angemeldet. Der Betrieb des Garagenunternehmens sei erst mit der Einstellung des Johann B. als kaufmännischen Angestellten aufgenommen worden. Am 23. September 1932 seien die Anlagen noch gar nicht in allen betriebsnotwendigen Einzelheiten fertiggestellt gewesen. Gegenstand eines Pachtvertrages sei jedoch nur ein lebendes Unternehmen, nicht aber ein, wie hier, im wesentlichen betriebsbereites, bisher aber nicht betriebenes Unternehmen. Es liege daher eine reine Raummiete vor, die aber nur im Sinne der §§ 19 bis 23 MietG. zur Auflösung gebracht werden könne. Abgesehen davon seien nach der Entscheidung MietSlg. 5362 die Bestimmungen der §§ 560 ff. ZPO. über das Bestandverfahren bei Unternehmenspachtungen nicht anwendbar.
Das Berufungsgericht vertrat hingegen die Auffassung, daß ein Pachtvertrag vorliege, da die notwendigen Maschinen und sonstigen Einrichtungen mit den Räumen übergeben und auch eine Betriebspflicht des Bestandnehmers hinsichtlich des Unternehmens festgelegt worden sei. Es gelangte daher zur Abänderung des Ersturteils und verpflichtete demgemäß die beklagte Partei zur Räumung der Großgaragenanlage samt Nebenräumen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Frage, ob bei einer Unternehmenspacht das Verfahren nach den §§ 560 ff. ZPO. Platz zu greifen hat, ist bestritten. Sie wurde vom Obersten Gerichtshof u. a. in der Entscheidung JBl. 1956 S. 413 bejaht, hingegen in der Entscheidung ÖRiStA. 1954 Nr. 51 verneint. Selbst wenn man der zuletzt angeführten Auffassung beipflichtet, läge in der Anwendung der Vorschriften über das Bestandverfahren nur ein Verfahrensverstoß, keinesfalls eine Nichtigkeit (7 Ob 128/56). Der Verfahrensverstoß muß aber, wenn seine Rüge zum Erfolg führen soll, für das Verfahren und für die zu fällende Entscheidung von Bedeutung sein (3 Ob 573/56). Nun behauptet die Beklagte allerdings, sie sei infolge der im Bestandverfahren geltenden Eventualmaxime gehindert gewesen, die von ihr nach Erhebung der Einwendungen aufgefundenen Urkunden als Beweismittel anzubieten und insbesondere das gesamte zwischen dem Erstkläger und Josef P. vor Abschluß der strittigen Verträge bestehende Verhältnis darzulegen, woraus sich der zwingende Schluß ergeben hätte, daß die Absicht der Parteien dahin gegangen sei, dem Erstkläger die wertgesicherte Anlage seines Kapitals, der Beklagten aber den Eigentumserwerb der Liegenschaft zu ermöglichen. Selbst wenn die von der Beklagten erwähnten Urkunden die oben wiedergegebene Behauptung erwiesen hätten, wäre damit nichts gewonnen, weil sich daraus keineswegs ein Schluß auf den rechtlichen Charakter des Bestandvertrages ergäbe. Die Aufnahme von Beweisen in der angeführten Richtung wäre daher abzulehnen gewesen. Damit zeigt sich, daß die Art des durchgeführten Verfahrens auf die zu fällende Entscheidung ohne Einfluß war. In den Einwendungen hat sich übrigens die Beklagte selbst auf den Standpunkt gestellt, daß das Bestandverhältnis gerichtlich aufzukundigen sei.
Die Frage, ob ein Pachtverhältnis vereinbart wurde, das mit Ablauf der vereinbarten Bestandzeit endet, hängt davon ab, ob ein Unternehmen gepachtet oder bloß ein Mietverhältnis begrundet wurde. Ein solches sucht die beklagte Partei darzutun. Beide Untergerichte haben zutreffend darauf hingewiesen, daß die Entscheidung, ob ein Pacht- oder ein Mietverhältnis vorliege, von den Umständen des Falles abhängt. Das Berufungsgericht hat auch richtig hervorgehoben, daß das Unternehmen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht betrieben wurde, daß also weder von der Übernahme eines Kundenstockes durch den Bestandnehmer noch von einem in diesem Zeitpunkt bestehenden Ruf des Unternehmens die Rede sein könne. Gegenstand eines Pachtvertrages ist das Unternehmen. Da sich erst durch die Betriebsaufnahme Ruf und Kundenstock bilden, ist es fraglich, ob vor der Betriebsaufnahme die Verpachtung eines Unternehmens möglich ist. Der Oberste Gerichtshof ist der Ansicht, daß eine solche Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden kann. In diesem Zusammenhang sei auf die Entscheidungen MietSlg. 3489 und 4964 verwiesen. Auch in den diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Fällen hatte sich weder ein Kundenstock noch ein Ruf des Unternehmens zu bilden vermocht. Swoboda hat in seinem Kommentar zum MietG. (2. Aufl. S. 16) zutreffend darauf hingewiesen, daß der Bestandnehmer nur den Gebrauch von einer Sache zu machen berechtigt ist, der ihm eingeräumt wurde, und daß er auch verpflichtet ist, die Sache in einer bestimmten Weise zu nutzen, wenn er eine solche Verpflichtung übernommen hat. Es liegt also, wenn der Bestandnehmer verpflichtet wird, mit den beigestellten sachlichen Grundlagen ein Unternehmen bestimmter Art zu betreiben und dieses in Betrieb befindliche Unternehmen seinerzeit bei Auflösung des Bestandverhältnisses dem Bestandgeber zu überlassen, ein Pachtverhältnis vor (Swoboda a. a. O.). Daß auch die Beklagte bestimmte Betriebsmittel und Einrichtungen anzuschaffen hatte und, wie sie behauptet, in den Jahren 1932 bis 1934 für solche Anschaffungen entsprechende Aufwendungen in der Höhe von 5179 S 04 g machte, schließt die Annahme eines Pachtverhältnisses nicht aus. Jedenfalls hat die Beklagte nicht nur die Betriebsräume, sondern auch Maschinen und Garageneinrichtungen übernommen. Sie hat sich im Pachtvertrag vom 23. September 1932 verpflichtet, die Garage bei Tag und Nacht zu betreiben. Daß die Beklagte berechtigt ist, bei nicht ausreichendem Geschäftsgang die Garagenhalle als Ausstellungsraum zu benützen, hebt die Betriebspflicht, für das Garagenunternehmen nicht auf. Aus dem Vertrag ergibt sich ferner, daß nicht etwa nur Räumlichkeiten und Betriebseinrichtungen, sondern auch das Unternehmen selbst zurückzustellen ist. Daß die Parteien am 20. Oktober 1936 vereinbarten, der Pachtvertrag gelte als Mietvereinbarung geschlossen, ändert nichts an dem Wesen des Pachtverhältnisses, denn es kommt nicht darauf an, welche Bezeichnung von den Parteien für das Bestandverhältnis gewählt wird. Abgesehen davon enthält das Schreiben vom 20. Oktober 1986 den Beisatz, daß dadurch an dem aufrechten Bestand der getroffenen Vereinbarungen, also auch an dem Vertrag vom 23. September 1932, keine Änderung eintrete. Es war also nach wie vor nicht ein Mietgegenstand, sondern ein gepachtetes Unternehmen nach Ablauf der Bestanddauer zurückzustellen.
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