OGH 6Ob54/05t

OGH6Ob54/05t31.8.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Firmenbuchsache der zu FN *****beim Handelsgericht Wien zur Eintragung angemeldeten H*****, D*****, I***** & T***** OEG mit dem Sitz in W*****, über den Revisionsrekurs der Gesellschafter Karoly H*****, 2. Zoltan D*****, 3. Geza I***** , und 4. Sandor T*****, alle vertreten durch Mag. Ulrich Salburg, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 14. Jänner 2005, GZ 28 R 227/04i-11, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 13. September 2004, GZ 72 R 7469/04w-8, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Firmenbuchsache zur neuerlichen Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Abweisungsgrund an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Die Einschreiter meldeten mit Schriftsatz vom 24. 6. 2004 beim Erstgericht eine offene Erwerbsgesellschaft unter der Firma H*****, D*****, I***** & T***** OEG zur Eintragung in das Firmenbuch an. Sie hätten diese Gesellschaft, deren Sitz in W***** sei, mit Gesellschaftsvertrag vom 25. 3. 2003 gegründet. Gegenstand des Unternehmens sei die Ausübung des Gewerbes Stukkateur und Trockenausbau. Jeder der Gesellschafter sei berechtigt, die Gesellschaft selbständig zu vertreten. Der Umfang des Unternehmens gehe über das Kleingewerbe nicht hinaus.

Das Erstgericht forderte die Einschreiter auf, ihre Staatsbürgerschaft bekanntzugeben. Sollten sie „Staatsbürger eines Landes außerhalb der Europäischen Union oder Staatsbürger eines Landes der Europäischen Union mit Übergangsbestimmungen" sein, bedürfe es für die Eintragung der Gesellschaft in das Firmenbuch entweder eines Feststellungsbescheids oder eines Befreiungsscheins des Arbeitsmarktservice.

Die Einschreiter gaben mit Schriftsatz vom 14. 7. 2004 bekannt, sie seien ungarische Staatsangehörige. Mit dem Beitritt der Republik Ungarn zur Europäischen Union seien Übergangsbestimmungen betreffend die Arbeitnehmerfreizügigkeit, nicht aber betreffend die Niederlassungsfreiheit vereinbart worden. Hinsichtlich der Niederlassung als Selbständige in Österreich seien ungarische Staatsbürger seit 1. 5. 2004 gleich wie Staatsbürger eines „alten" EU-Mitgliedsstaats zu behandeln. Nach Art 43 EG sei die Beschränkung der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaats verboten. Nach dessen Abs 2 umfasse die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeit sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen, insbesondere von Gesellschaften gemäß Art 48 Abs 2 EG. Wenn das Erstgericht von den Einschreitern einen Feststellungsbescheid als Voraussetzung für die Eintragung einer offenen Erwerbsgesellschaft verlange, stelle dies einen eindeutigen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht dar, würden doch dadurch die Bürger der neuen EU-Mitgliedsstaaten diskriminiert. Dies verstoße gegen die Niederlassungsfreiheit innerhalb der Europäischen Union. Deshalb werde ein Feststellungsbescheid des Arbeitsmarktservice nicht vorgelegt.

Das Erstgericht ersuchte die Landesgeschäftsstelle Wien des Arbeitsmarktservice um Stellungnahme zu diesem Schreiben der Einschreiter „hinsichtlich der Übergangsbestimmungen der 'neuen' EU-Länder".

Die Landesgeschäftsstelle Wien des Arbeitsmarktservice antwortete, die Ausführungen der Einschreiter bezögen sich im Wesentlichen auf die aufenthaltsrechtliche Situation. Dass die Staatsbürger jener Staaten, die am 1. 5. 2004 der Europäischen Union beigetreten seien, Niederlassungsfreiheit genössen, impliziere nicht gleichzeitig deren Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt als selbständig Erwerbstätige. Das Ausländerbeschäftigungsgesetz gewähre keinen uneingeschränkten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt. Aufgrund des Vorbehalts Österreichs unterlägen die Staatsbürger der neuen Mitgliedsstaaten vorerst bis 30. 4. 2006 weiterhin dem Regulativ des Ausländerbeschäftigungsgesetzes. Zur Klärung, ob tatsächlich eine selbständige Erwerbstätigkeit angestrebt werde und nicht durch das Vortäuschen von Gesellschaftskonstruktionen das Ausländerbeschäftigungsgesetz umgangen werden solle, sei daher eine Beurteilung im Sinn des § 2 Abs 4 AuslBG vorzunehmen. Zu diesem Schreiben des Arbeitsmarktservice nahmen die Einschreiter Stellung. Die Staatsangehörigen aller am 1. 5. 2004 der Europäischen Union beigetretenen Staaten genössen Niederlassungsfreiheit. Deshalb dürften auch Bürger dieser Staaten hinsichtlich der Gründung einer offenen Erwerbsgesellschaft keinerlei Beschränkung unterworfen werden. Die Ausführungen des Arbeitsmarktservice zu § 2 Abs 4 AuslBG seien daher irrelevant und unzutreffend. Art 43 EG verdränge jedenfalls das Ausländerbeschäftigungsgesetz. Daraus ergebe sich, dass nicht die Antragsteller beweispflichtig seien bzw nicht verpflichtet seien, einen Antrag zu stellen, um nachzuweisen, dass sie tatsächlich zu einer Gesellschaftsgründung berechtigt seien. Aus diesen Gründen würden die Einschreiter keinen Antrag beim Arbeitsmarktservice stellen, insbesondere aber auch deshalb nicht, weil die Erfahrung gezeigt habe, dass das Arbeitsmarktservice völlig ohne Begründung bei offenen Erwerbsgesellschaften generell davon ausgehe, dass es sich bei den Gesellschaftern um Arbeitnehmer handle. Daraufhin wies das Erstgericht den Eintragungsantrag ab. Wie der Oberste Gerichtshof ausgesprochen habe, habe das Firmenbuchgericht im Falle des Verdachts zu überprüfen, ob die der Anmeldung zugrunde liegenden Rechtsakte wegen Umgehung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes unwirksam seien. In solchen Fällen sei das Firmenbuchgericht zu einer amtswegigen Prüfung berechtigt und auch verpflichtet. Es sei vom Erstgericht versucht worden, mit Hilfe des Arbeitsmarktservice zu klären, ob die Gesellschaft nur zum Zweck der Umgehung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes gegründet worden sei. Das Arbeitsmarktservice habe klar ausgesprochen, dass ein Feststellungsbescheid einer regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice unbedingt erforderlich sei. Da dieser nicht vorgelegt worden sei, sei der Eintragungsantrag abzuweisen gewesen. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Das mit den der Europäischen Union am 1. 5. 2004 beigetretenen Mitgliedsstaaten unter anderem auch von Österreich vereinbarte Übergangsarrangement nenne lediglich die Artikel 39 (Arbeitnehmerfreizügigkeit) und 49 (Dienstleistungsfreiheit) EG, nicht aber die Niederlassungsfreiheit. Inhaltlich vereinbarten die Staaten, darunter auch Österreich und Ungarn, aber, dass sie bis zu einem Zeitraum von zwei (fünf) Jahren nach dem Beitritt nationale oder sich aus bilateralen Abkommen ergebende Maßnahmen anwenden können, um den Zugang ungarischer Staatsangehöriger zu ihren Arbeitsmärkten zu regeln. Österreich habe dementsprechend von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, während der Übergangsfrist für den Arbeitsmarkt auf den Zugang von Staatsangehörigen der neuen Mitgliedsstaaten - mit Ausnahme von Zypern und Malta - weiterhin die nationalen und die sich aus bilateralen Abkommen ergebenden Regeln anzuwenden. Das EU-Erweiterungs-Anpassungsgesetz diene unter anderem der Klarstellung, dass neue EU-Bürger für die Dauer der Anwendung des Übergangsarrangements nicht vom Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ausgenommen seien und deren Neuzulassung weiterhin nach den Regeln dieses Gesetzes erfolge. Daher kämen auch nach den Vereinbarungen in der Beitrittsakte die einschlägigen innerstaatlichen Bestimmungen und somit auch § 2 Abs 4 AuslBG und damit verbunden die ausschließliche Möglichkeit, die dort verankerte gesetzliche Vermutung mit einer Bestätigung oder einem Befreiungsschein des Arbeitsmarktservice zu widerlegen, weiter zur Anwendung.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Anwendbarkeit des § 2 Abs 4 AuslBG auf Angehörige von Staaten, die am 1. 5. 2004 der Europäischen Union beigetreten seien, nicht vorliege.

Der Revisionsrekurs der Gesellschafter ist zulässig und auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Ungarische Staatsangehörige sind auch nach dem Beitritt Ungarns zur Europäischen Union am 1. 5. 2004 nicht vom Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ausgenommen und können grundsätzlich nur nach den Regeln dieses Gesetzes zu einer Beschäftigung zugelassen werden (§ 32a AuslBG; Deutsch/Neurath/Nowotny/Seitz, Ausländerbeschäftigungsrecht 472). Mit der durch das EU-Erweiterung-Anpassungsgesetz, BGBl I 2004/28, eingeführten und am 1. 5. 2004 in Kraft getretenen Bestimmung des § 32a AuslBG machte Österreich von der im Vertrag über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union (ABl 2003 L 236, 17 ff) vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch, während einer Übergangsfrist für den Zugang ungarischer Arbeitnehmer zum österreichischen Arbeitsmarkt Übergangsregelungen zu treffen, die eine Einschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art 39 ff EG) und der Dienstleistungsfreiheit (Art 49 ff EG) erlauben (Art 24 des Beitrittsvertrags; Anh X Ungarn 1. Freizügigkeit). Die erste Phase dieser Übergangsregelungen endete am 1. 5. 2006. Österreich teilte der Europäischen Kommission am 24. 4. 2006 - fristgerecht - mit, dass es seine Einschränkungen nicht vor dem 30. 4. 2009 aufheben wird (Memo/06/176 der Europäischen Kommission vom 28. 4. 2006). Seit dem Beitrittszeitpunkt Ungarns ist die in Art 43 bis 48 EG geregelte Niederlassungsfreiheit unbeschränkt anzuwenden (Windisch-Graetz in Mayer [Hrsg], Kommentar zu EU- und EG-Vertrag Art 39 EGV Rz 34). Art 43 erster Satz EG verbietet die Beschränkung der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaats. Die Niederlassungsfreiheit umfasst die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen, insbesondere von Gesellschaften im Sinn des Art 48 Abs 2 EG, nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen (Art 43 Abs 2 EG). Die Niederlassungsfreiheit erfasst nur selbständig ausgeübte Erwerbstätigkeiten; damit wird sie von der Arbeitnehmerfreizügigkeit abgegrenzt. Als selbständige Erwerbstätigkeit im Sinn des Art 43 EG ist jede Tätigkeit anzusehen, die auf wirtschaftlichen Erfolg gerichtet ist und die jemand nicht im Rahmen eines Unterordnungsverhältnisses in Bezug auf die Arbeitsbedingungen und das Entgelt und in eigener Verantwortung ausübt (EuGH Rs C-268/99 , Jany ua, Slg 2001, I-08615, Rz 34 ff mwN; Mayer in Mayer aaO Art 43 EGV Rz 8 und 11). Auf die Niederlassungsfreiheit kann sich nach der Rechtsprechung des EuGH nur ein Angehöriger eines Mitgliedsstaats berufen, der in einem anderen Mitgliedsstaat „in stabiler und kontinuierlicher Weise eine Berufstätigkeit" (EuGH Rs C-55/94 , Gebhard, Slg 1995, I-4165 Rz 25 ff) ausübt (ausüben will). Nach der Rechtsprechung des EuGH müssen nationale Maßnahmen, die die Ausübung der durch den EG-Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten (wozu die Niederlassungsfreiheit zählt) behindern oder weniger attraktiv machen können, vier Voraussetzungen erfüllen: sie müssen in nicht diskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des allgemeinen Interesses gerechtfertigt sein, sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (EuGH Urteil Gebhard aaO Rz 37).

Wie der erkennende Senat wiederholt ausgesprochen hat (6 Ob 19/93; 6 Ob 7/94; 6 Ob 122/99f), sind Gesellschaftsverträge oder Gesellschafterbeschlüsse zur Geschäftsführerbestellung, durch die das Erfordernis einer behördlichen Genehmigung umgangen werden soll und die Parteien die behördliche Genehmigung absichtlich nicht beantragen, weil sie wissen, dass diese nicht erteilt wird, nichtig, wenn alle Beteiligten gemeinsam zu diesem Zweck zusammenwirken, einem oder mehreren von ihnen eine Position zu verschaffen, deren Auswirkung einem gesetzlichen Verbot zuwiderläuft. Ein solches „Verbotsgesetz" ist - wie in den genannten Entscheidungen ausgeführt wird - auch das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das die Beschäftigung von Ausländern im Bundesgebiet regelt. § 2 Abs 2 AuslBG umschreibt den Begriff der Beschäftigung durch eine Aufzählung der darunterfallenden (Rechts-)Verhältnisse (Arbeitsverhältnis, arbeitnehmerähnliches Verhältnis, Ausbildungsverhältnis, Verwendung nach den Bestimmungen des § 18 AuslBG [betriebsentsandte Ausländer], Überlassung von Arbeitskräften). Nach § 2 Abs 4 Satz 1 AuslBG ist für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung im Sinn des Abs 2 vorliegt, der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhalts maßgebend. § 2 Abs 4 AuslBG bestimmt weiters, dass eine Beschäftigung im Sinn des Abs 2 insbesondere auch dann vorliegt, wenn ein Gesellschafter einer Personengesellschaft zur Erreichung des gemeinsamen Gesellschaftszwecks Arbeitsleistungen für die Gesellschaft erbringt, die typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden, es sei denn, die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice stellt auf Antrag fest, dass ein wesentlicher Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft durch den Gesellschafter tatsächlich persönlich ausgeübt wird. Den Nachweis hiefür hat der Antragsteller zu erbringen.

Die Vorschrift will die Umgehung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes durch Vortäuschen von Gesellschaftsverhältnissen verhindern. Im Zusammenhalt mit dem Gebot, nicht auf die äußere Erscheinungsform des Sachverhalts, sondern auf seinen wahren Gehalt zu sehen, bringt das Erfordernis einer „tatsächlichen" Ausübung von Gesellschafterbefugnissen nur die Voraussetzung zum Ausdruck, dass die beabsichtigte Tätigkeit nicht nur nach den formellen rechtlichen Gegebenheiten des (vielleicht nur vorgeschobenen) Gesellschaftsvertrags, sondern nach der wahren Absicht der Parteien wirklich als Ausfluss der Gesellschafterstellung in Verbindung mit der hiefür typischen Einflussmöglichkeit auf die Geschäftsführung ausgeübt werden soll. Bloße Geschäftsführungstätigkeiten fallen nicht unter Arbeitsleistungen, die „typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden" (VfSlg 15.099).

§ 2 Abs 4 AuslBG wurde durch das Bundesgesetz BGBl I 2005/101 mit Wirkung 1. 1. 2006 dahin ergänzt, dass für die Erlassung des Feststellungsbescheids eine Frist von drei Monaten festgesetzt und weiters bestimmt wurde, dass nach Ablauf dieser Frist die Tätigkeit auch ohne den erforderlichen Feststellungsbescheid aufgenommen werden darf. Wird der Antrag nach Ablauf der Frist abgewiesen, ist die bereits begonnene Tätigkeit umgehend, spätestens jedoch binnen einer Woche nach Zustellung des Bescheids, zu beenden.

Die Materialien (ErläutRV 948 BlgNR 22. GP 4 f) führen dazu aus:

„Die Europäische Kommission kritisiert in einem aktuellen Mahnschreiben an die österreichische Bundesregierung, dass das Erfordernis eines sogenannten „Feststellungsbescheides" des Arbeitsmarktservice über den wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung eines Unternehmens die freie selbständige Erwerbstätigkeit von Einzelunternehmern und Arbeitsgesellschaftern im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit unzulässigerweise einschränkt. Insbesondere wird an der geltenden Regelung bemängelt, dass für den Feststellungsbescheid keine Entscheidungsfrist vorgegeben ist. .... Mit dieser Regelung soll die derzeitige Einschränkung der Erwerbsausübung bei langen Prüfverfahren weitestgehend beseitigt und dennoch eine ausreichende Frist zur EU-konformen Prüfung des Vorliegens einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit eingeräumt werden."

Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats besteht für das Firmenbuchgericht eine Prüfungspflicht, wenn nach dem Inhalt des Gesellschaftsvertrags der dringende Verdacht besteht, dass die der Anmeldung zugrunde liegenden Rechtsakte wegen Umgehung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes unwirksam sein könnten (6 Ob 7/94 ua). Mit der Entscheidung 6 Ob 7/94 wurde die Versagung der Eintragung einer GmbH & Co OEG wegen Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrags bestätigt. In diesem Fall war jedoch nach den Feststellungen des Firmenbuchgerichts der Gesellschaftsvertrag nur zum Zweck der Umgehung von Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes abgeschlossen worden. Eine derartige Feststellung hat das Erstgericht im vorliegenden Fall nicht getroffen. Es gründete die Ablehnung der Eintragung schlicht darauf, dass nach Ansicht der Landesgeschäftsstelle Wien des Arbeitsmarktservice ein Feststellungsbescheid nach § 2 Abs 4 AuslBG unbedingt notwendig, dieser aber nicht vorgelegt worden sei. Dies reicht aber für die Annahme einer Umgehungsabsicht nicht aus. Es wird nämlich übersehen, dass die in § 2 Abs 4 AuslBG normierte Vermutung des Vorliegens einer Beschäftigung zur Voraussetzung hat, dass der Personengesellschafter Arbeitsleistungen für die Gesellschaft erbringt, die typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden. Zu dieser Voraussetzung enthalten die Äußerungen der Einschreiter im erstinstanzlichen Verfahren keine Angaben. Das Erstgericht hat dazu keine Erhebungen gepflogen und auch keine Feststellungen getroffen. Die Annahme, ein Feststellungsbescheid des Arbeitsmarktservice sei im vorliegenden Fall notwendig, ist daher nicht schlüssig. Aus der Weigerung der Einschreiter, einen Feststellungsbescheid des Arbeitsmarktservice zu erwirken, lässt sich daher nicht der Schluss ziehen, der Gesellschaftsvertrag sei nur zur Umgehung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes geschlossen worden. Die begehrte Eintragung scheitert daher nicht daran, dass der Gesellschaftsvertrag wegen beabsichtigter Umgehung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes nichtig ist. Dies führt zu einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und Rückverweisung der Firmenbuchsache an das Erstgericht mit dem Auftrag, neuerlich unter Abstandnahme vom gebrauchten Abweisungsgrund zu entscheiden. Im Hinblick darauf muss nicht zur Frage Stellung genommen werden, ob bei Erfüllung der Voraussetzungen des Niederlassungsrechts nach Art 43 EG ein ungarischer Staatsbürger als Gesellschafter einer österreichischen offenen Erwerbsgesellschaft eine selbständige Erwerbstätigkeit auch ohne die ausdrückliche Feststellung ausüben darf, dass er einen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft tatsächlich persönlich ausübe.

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