OGH 6Ob122/99f

OGH6Ob122/99f11.11.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Firmenbuchsache der zu FN 169062x des Firmenbuches beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz angemeldeten D***** Ltd mit dem Sitz in F*****, Vereinigtes Königreich England, und der Zweigniederlassung in Graz über den Revisionsrekurs der Gesellschaft, vertreten durch Dr. Richard Benda, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 24. März 1999, GZ 4 R 45/99s-21, womit der Beschluss des Landes- als Handelsgerichtes Graz vom 29. Jänner 1999, GZ 27 Fr 2025/98v-18, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die D***** Ltd wurde in der Rechtsform einer "Private Limited Company" nach dem Recht des Vereinigten Königreiches Großbritannien (The Companies Act 1985) gegründet und ist in Companies House Cardiff zur Firmennummer 3516976 registriert. Sitz und Geschäftsanschrift befinden sich in F*****, Großbritannien. Ihr Kapital beträgt 100 englische Pfund. Geschäftsführerin ist die ungarische Staatsbürgerin Anita B*****.

Die Gesellschaft begehrt unter Bezugnahme auf das EUGesRÄG BGBl 1996/304 die Eintragung ins Firmenbuch beim Landes- als Handelsgericht Graz. Sie habe in Graz eine Zweigniederlassung mit dem Tätigkeitsbereich Bordellbetrieb errichtet. Der Anmeldung waren - jeweils in beglaubigter Übersetzung - angeschlossen:

Eine vom Führer des Gesellschaftsregisters für England und Wales ausgestellte Bestätigung, wonach die Gesellschaft am "25. 2. 1988" (offenbar richtig: 25. 2. 1998) gemäß den Companies Act 1985 als Kapitalgesellschaft gegründet wurde und seit ihrer Gründung ohne Unterbrechung bestanden hat, Anita B***** "Direktor" und Christian S***** "Sekretär" der Gesellschaft sind, das Stammkapital der Gesellschaft 100 englische Pfund beträgt und die Gesellschaft nach Kenntnis des Registerführers nicht in Liquidation ist, kein Konkursbeschluss gegen die Gesellschaft vorliegt und kein Zwangs- oder Vermögensverwalter bestellt wurde;

die Gründungsurkunde und die Statuten einer Kapitalgesellschaft (Mustersatzung). Die Gründungsurkunde nennt als Geschäftszweck die Geschäftstätigkeit als allgemeine Handelsgesellschaft. Als Gründer scheinen Anita B***** mit einer Anschrift in Ungarn und Christian S***** mit einer Anschrift in Österreich auf;

Musterzeichnungen der Anita B***** und des Christian S***** jeweils als Geschäftsführer.

In einem Nachtrag wurde klar gestellt, dass Anita B***** und nicht, wie im Kopf der ursprünglichen Eingabe angeführt, Christian S*****, zum Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt wurde. Diese sei als Geschäftsführerin im Handelsregister einzutragen. Anita B***** habe ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Der Meldezettel Anita B***** wurde nachgereicht. Demnach ist sie ungarische Staatsbürgerin mit Wohnsitzen sowohl in Ungarn als auch in Graz.

Die Wirtschaftskammer Steiermark bestätigte die Errichtung der Zweigniederlassung im Sinn der Vorschriften des Handelsgesetzbuches am in der - auch insofern letztlich berichtigten - Anmeldung angegebenen Standort.

Weiters wurde auch eine Liste der Gesellschafter nachgereicht, die Anita B***** mit einem Anteil von 60 % und Christian S***** mit einem Anteil von 40 % ausweist. Schließlich wurde die Anmeldung auch insoweit saniert, als sie von Anita B***** öffentlich beglaubigt unterfertigt wurde.

Das Erstgericht forderte die Antragstellerin auch noch auf, mit einer neuen Anmeldung den einzutragenden Firmenwortlaut zu ändern, weil der vorgesehene mit der bereits eingetragenen Firma "V***** GmbH in Liquidation" (FN 136594z), die ihren Sitz ebenfalls in der politischen Gemeinde Graz habe, verwechslungsfähig sei. Zudem seien hinsichtlich Anita B***** entweder der Nachweis über die österreichische Staatsbürgerschaft bzw eine EU-Staatsbürgerschaft oder aber eine gültige Aufenthaltsbewilligung sowie eine arbeitsrechtliche Bewilligung vorzulegen.

Letztlich verlangte das Erstgericht die Nachreichung einer Bestätigung der für die Hauptniederlassung zuständigen Gewerbebehörde über Bestand und regelmäßige Geschäftstätigkeit sowie die Art der Geschäfte der Gesellschaft.

Diesen Aufforderungen kam die Antragstellerin nicht nach. Sie sei an den Firmennamen der in England gegründeten D***** Limited gebunden. Zudem bestehe keine Verwechslungsfähigkeit. Anita B***** benötige weder eine Aufenthaltsbewilligung noch eine Arbeitsbewilligung, weil sie als Mehrheitsgesellschafterin selbständig tätig sei. Weiters wies die Antragstellerin auf die Niederlassungsfreiheit juristischer Personen im EU-Raum hin.

Das Erstgericht wies das Eintragungsbegehren ab. § 107 GmbHG sehe zwar die Vorlage einer Bestätigung über die regelmäßige Geschäftstätigkeit der Hauptniederlassung nicht vor. Dessen ungeachtet werde das Firmenbuch nicht von seiner materiellen Prüfpflicht enthoben und sei berechtigt, eine entsprechende Bestätigung zu verlangen, wenn der Verdacht bestehe, dass bestehende Vorschriften umgangen werden sollten. Da die Antragstellerin die Bestätigung über die Geschäftstätigkeit der Hauptniederlassung nicht vorgelegt habe, sei auf Grund der Umstände davon auszugehen, dass eine solche Geschäftstätigkeit in England tatsächlich nicht ausgeübt werde. Nach § 10 IPRG richte sich das Personalstatut einer juristischen Person nach dem Sitz ihrer Hauptverwaltung. Diese sei nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes jener Ort, an dem die grundlegende Entscheidung über die Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werde. Die D***** Limited weise daher österreichisches Personalstatut auf und wäre als österreichische GmbH nach österreichischem Recht zu gründen gewesen. Schon deshalb sei der Antrag abzuweisen. Hinzu komme noch, dass offensichtlich versucht werde, Anita B***** ohne Aufenthaltsbewilligung in einem Bordellbetrieb arbeiten zu lassen. Diese habe nach eigenen Angaben bisher nur als Bardame gearbeitet und weise als Geschäftsführerin überhaupt keine Erfahrungen auf. Auch darin zeige sich ein Umgehungsversuch bestehender Rechtsvorschriften, sodass auch aus diesem Grund der Eintragungsantrag abzuweisen sei.

Das Rekursgericht bestätigte die Abweisung des Eintragungsbegehrens. Gemäß § 13 HGB iVm § 107 GmbHG, beide in der Fassung EU-GesRÄG, sei im Falle der Anmeldung der inländischen Zweigniederlassung einer ausländischen Kapitalgesellschaft diese selbst in das Firmenbuch einzutragen und das Bestehen des Rechtsträgers als solchen nachzuweisen. Der Nachweis seines Bestehens sei - soweit vorhanden - durch einen Auszug aus dem Register, bei dem der Rechtsträger geführt werde, zu erbringen. Nach der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofes verstoße ein Mitgliedstaat, der die Eintragung der Zweigniederlassung einer Gesellschaft verweigere, die in einem anderen Mitgliedstaat, in dem sie ihren Sitz habe, rechtmäßig errichtet worden sei, aber keine Geschäftstätigkeit entfalte, gegen

Artikel 52 und 58 EGVÜ, wenn die Zweigniederlassung errichtet werde, ohne dort eine Gesellschaft zu errichten, um damit das dortige - höhere Anforderungen an die Einzahlung des Mindestgesellschaftskapitals stellende - Recht über die Errichtung von Gesellschaften zu umgehen. Sinn der Vorschriften über die Niederlassungsfreiheit sei es, den nach dem Recht eines Mitgliedstaates errichteten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben, zu erlauben, mittels einer Agentur, Zweigniederlassung oder Tochtergesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat tätig zu werden. Dass eine Gesellschaft im Mitgliedstaat ihres Sitzes keine Geschäftstätigkeit entfalte und ihre Tätigkeit ausschließlich im Mitgliedstaat ihrer Zweigniederlassung ausübe, belege noch kein missbräuchliches und betrügerisches Verhalten, das die Nichtanwendung der Gemeinschaftsvorschriften über das Niederlassungsrecht erlauben würde. Im Sinn dieser Rechtsgrundsätze müsse nur das rechtliche Bestehen der Gesellschaft bescheinigt werden, hingegen bedürfe es eines Nachweises der tatsächlichen Geschäftstätigkeit am Sitz der Hauptniederlassung nicht.

§ 13 Abs 3 HGB sehe aber auch die Eintragung des Personalstatuts des Rechtsträgers vor. Personalstatut sei nach § 10 IPRG das Recht jenes Staates, in dem das Gebilde den tatsächlichen Sitz seiner Hauptverwaltung habe. Damit folge Österreich - entgegen dem englischen Recht, das von der Gründungstheorie ausgehe - der in Kontinentaleuropa vorherrschenden Sitztheorie. Danach sei der Ort der Tätigkeit der Gesellschaft und der dazu berufenen Vertretungsorgane, somit jener Ort maßgebend, wo die grundlegenden Entscheidungen zur Unternehmensleistung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden. Das Personalstatut sei auch für die Frage der Rechtsfähigkeit maßgeblich. Folge der Sitztheorie sei es aber, dass juristische Personen, die in Staaten, die der Gründungstheorie folgen, registriert sind, dort aber nur ihren statutarischen Sitz haben, zwar im Gründungsstaat, nicht aber in dem Staat, in dem sich ihr Hauptsitz befindet, Träger von Rechten und Pflichten sein können. Die Sitztheorie werde aber auch durch die EG-rechtliche Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit der Artikel 52 und 58 EGV nicht verdrängt. Das Erstgericht habe daher im Rahmen seiner materiellen Prüfungspflicht und in Anwendung der Sitztheorie den Nachweis des tatsächlichen Bestehens der Hauptniederlassung zu Recht verlangt. Ob den Unterschieden in der Bezeichnung des Unternehmensgegenstandes der Hauptniederlassung und der Zweigniederlassung rechtliche Relevanz zukomme, könne ebenso dahingestellt bleiben wie die Beurteilung der Frage, ob die vom Erstgericht durchgeführten Erhebungen sowie die im angefochtenen Beschluss hiezu getroffenen Feststellungen für die Bejahung einer Umgehungsabsicht betreffend die Vorschriften des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ausreichten und inwieweit sich eine solche Umgehung der Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes auf das Eintragungsverfahren bei Anmeldung einer rechtmäßig in einem Mitgliedstaat der EU gegründeten ausländischen Gesellschaft im Sinn des § 13 HGB auswirke.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil der Frage, inwieweit sich die aus der Anwendung der Sitztheorie ergebende materielle Prüfungspflicht hinsichtlich des tatsächlichen Sitzes der Hauptniederlassung einer ausländischen Gesellschaft mit den Art 52 und 58 EGV in Einklang stehe, erhebliche Bedeutung zukomme.

In ihrem Revisionsrekurs macht die Gesellschaft geltend, die angefochtene Entscheidung stehe mit den im Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofes vom 9. 3. 1999, GZ Rs 10-212/97 formulierten Auslegungsgrundsätzen in Widerspruch.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht angeführten Gründen zulässig. Er ist jedoch im Ergebnis nicht berechtigt.

Der erkennende Senat hat sich mit der aufgezeigten Frage in seinen jüngst ergangenen Entscheidungen 6 Ob 123/99b und 6 Ob 124/99z je vom 15. 7. 1999 in insoweit gleichgelagerten Fällen (Gründung einer Kapitalgesellschaft in England mit einem Stammkapital von 100 englischen Pfund; Errichtung einer Zweigniederlassung in Österreich und Antrag auf Eintragung ins Firmenbuch beim Landesgericht als Handelsgericht Graz) befasst. Nach Darlegung der Rechtslage unter Berücksichtigung der Lehre und insbesondere des im Revisionsrekurs zitierten Erkenntnisses des EuGH (9. 3. 1999, GZ Rs C 212/97 - Centros Ltd/Erhvervs-og Selskabsstyrelsen, Hojesteret, WBl 1999, 262 ff = EuGRZ 1999/469ff) zusammenfassend erwogen:

Die in § 10 IPRG vertretene Sitztheorie steht mit der durch Artikel 48 Abs 1 EG (früher 58 Abs 1) iVm § 43 EG (früher § 52) eingeräumten sekundären Niederlassungsfreiheit in Widerspruch (vgl Behrens, Niederlassungsfreiheit und internationales Gesellschaftsrecht, RabelsZ 1988, 523; Troberg in Groeben/Thiesing/Ehlermann, Kommentar zum EU-/EG-Vertrag5 Rz 18 zu Art 58; Roth RdW 1999, 381 ff [383]):

Während die im EG-Vertrag geregelte sekundäre Niederlassungsfreiheit es jeder nach dem Recht eines Mitgliedstaates rechtmäßig errichteten Gesellschaft gestattet, Zweigniederlassungen in einem anderen Mitgliedstaat auch dann zu errichten, wenn sie im Gründungsstaat selbst keine Geschäftstätigkeit ausübt und die Zweigniederlassung der alleinigen Geschäftstätigkeit der Gesellschaft dienen soll, richtet sich das nach der Sitztheorie für die Anerkennung der Rechts- und Handlungsfähigkeit von Gesellschaften maßgebliche Personalstatut einer Gesellschaft nach dem tatsächlichen Sitz seiner Hauptverwaltung. Danach wäre es Gesellschaften, die nach dem Recht des Gründungsstaates zwar rechtmäßig errichtet wurden, im Gründungsstaat aber keine geschäftliche Tätigkeit ausüben (damit dort über keine Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung verfügen), mangels Rechtspersönlichkeit nicht möglich, Zweigniederlassungen in einem anderen Mitgliedstaat, der die Sitztheorie vertritt, zu errichten.

Nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes hat das durch den EG-Vertrag geschaffene Recht - so auch die Grundfreiheiten betreffenden Regelungen - im Falle einer Normenkollision vor wie immer gearteten innerstaatlichen Rechtsvorschriften Vorrang und ist von den Gerichten der Mitgliedstaaten unmittelbar anzuwenden (Thun-Hohenstein/Cede, Europarecht 86 ff; Schwimann, Internationales Privatrecht2, 12 f; Karollus in Eiselsberg, Gesellschaftsrecht in Europa 20; Behrens aaO 502 f 505; Deckert, Europäisches Unternehmensrecht EWS 1996, 265 ff [267 und 270]; EuGH Rs 6/64 Slg 1964/1251, 1269; Kostner/E.N.E.L.).

Aus dem Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechtes folgt aber in Fällen der Gründung von Zweigniederlassungen ausländischer Kapitalgesellschaften die eingeschränkte Anwendung der in § 10 IPRG verankerten Sitztheorie (vgl Korn/Thaler WBl 1999, 247 ff [253]; im Ergebnis auch Roth RdW 1999, 381 ff [383]).

Die Rechts- und Handlungsfähigkeit der in einem Mitgliedstaat rechtswirksam errichteten ausländischen juristischen Person ist im Zusammenhang mit der Errichtung einer Zweigniederlassung in Österreich nach jenem Recht zu beurteilen, nach dem die juristische Person gegründet wurde, sofern sich ihr satzungsgemäßer Sitz oder die Hauptverwaltung oder die Hauptniederlassung in einem Mitgliedstaat befinden.

Der Umstand, dass sich Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung nicht im Gründungsstaat (wohl aber in einem anderen Mitgliedstaat) befinden, steht in diesem Fall einer Anerkennung der Rechtspersönlichkeit der ausländischen Gesellschaft nicht entgegen.

Die sekundäre Niederlassungsfreiheit kommt damit auch einer nach dem Recht eines Mitgliedstaates rechtmäßig errichteten Gesellschaft zugute, die im Gründungsstaat selbst nur ihren statutarischen Sitz hat, dort jedoch keine Geschäftstätigkeit entfaltet und deren Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung sich in einem anderen Mitgliedstaat befindet.

Soweit nach Art 13 Abs 3 HGB das Personalstatut der ausländischen juristischen Personen ins Firmenbuch einzutragen ist, ergibt die EU-konforme Auslegung dieses Begriffes im Sinn der dargelegten Grundsätze die Erfassung der Rechtsordnung jenes Mitgliedstaates, in dem sich der statutarische Sitz der juristischen Person befindet und nach dessen Recht sie wirksam gegründet wurde; im vorliegenden Fall ist das Großbritannien.

Das Fehlen einer Geschäftstätigkeit im Heimatstaat steht somit entgegen der Auffassung der Vorinstanzen einer Eintragung der in Großbritannien rechtswirksam errichteten - der Rechtsform der GmbH vergleichbaren - juristischen Person nicht entgegen.

Die Unbeachtlichkeit einer Geschäftstätigkeit (und damit einer Hauptverwaltung) im Gründungsstaat wird auch dadurch deutlich, dass im Zuge der Novellierung der die Errichtung von Zweigniederlassungen betreffenden Bestimmungen des GmbHG durch das EU-GesRÄG § 108 Z 1 aF, der den Nachweis einer "wirklichen und regelmäßigen" Geschäftstätigkeit der Gesellschaft im Sitzstaat als Eintragungserfordernis normierte, ersatzlos aufgehoben wurde.

Die Anwendung dieser Grundsätze ergibt daher auch im vorliegenden Fall, dass der von der Vorinstanzen herangezogene Abweisungsgrund, dass der Nachweis des tatsächlichen Bestehens der Hauptniederlassung nicht erbracht worden sei, im Sinne der Judikatur des EuGH nicht vorliegt.

Zu den weiteren, von den Vorinstanzen in Erwägungen gezogenen Abweisungsgründen ist auszuführen:

Die im Firmenbuch beim Landes- als Handelsgericht Graz eingetragen gewesene V***** GmbH (in Liquidation) mit dem Sitz in Graz (FN 136594z) wurde, wie sich aus dem eingeholten Auszug mit historischen Daten ergibt, am 23. 6. 1998 gelöscht, sodass sich die Frage der Verwechslungsfähigkeit dieser Firma mit der D***** Ltd nicht mehr stellt.

Den Gesellschaftern kann auch nicht die vom Erstgericht in Erwägung gezogene Absicht unterstellt werden, die Kapitalgesellschaft allein zu dem Zweck gegründet zu haben, Verstöße gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz zu ermöglichen. Nach der vorgelegten Bestätigung der Wirtschaftskammer Steiermark besteht am (letztlich) einzutragenden Standort der Zweigniederlassung ein räumlich abgegrenzter Unternehmensteil, für den eigene buchhalterische Aufzeichnungen geführt werden und für den eine eigene Leitung besteht, die befugt ist, mit dritten Personen selbständig Geschäfte abzuschließen. Für die Annahme, dass die Gesellschafter Christian S***** und Anita B***** in Wahrheit gar keinen Bordellbetrieb gemeinsam in Form einer Kapitalgesellschaft führen wollen, fehlt jeglicher Hinweis. Es liegt vielmehr auf der Hand, dass durch die Gründung der englischen Kapitalgesellschaft primär die österreichischen Vorschriften über die Mindestkapitalausstattung der GmbH umgangen werden sollten. Dies hindert jedoch - wie dargelegt - nach der Rechtsprechung des EuGH die Eintragung einer Zweigniederlassung in Östereich nicht.

Der Umstand, dass Anita B***** bisher nur als Bardame gearbeitet hat und keine Erfahrungen als Geschäftsführerin aufweist, besagt noch nicht, dass der alleinige Zweck ihrer Bestellung zur Geschäftsführerin darin liegt, ihr die Möglichkeit einer unselbständigen Erwerbstätigkeit ohne die hiezu erforderliche Bewilligung gemäß § 3 Ausländerbeschäftigungsgesetz zu verschaffen.

Wie der erkennende Senat in seinen Entscheidungen 6 Ob 19/93 und 6 Ob 7/94 ausgeführt hat, sind Gesellschaftsverträge oder Gesellschafterbeschlüsse zur Geschäftsführerbestellung - wie ganz allgemein - Rechtsgeschäfte, durch die das Erfordernis einer behördlichen Genehmigung umgangen werden soll und die Parteien die behördliche Genehmigung absichtlich nicht beantragen, weil sie wissen, dass diese nicht erteilt wird - nichtig, wenn alle Beteiligten gemeinsam zu dem Zweck zusammenwirken, einem oder mehreren von ihnen eine Position zu verschaffen, deren Auswirkung einem gesetzlichen Verbot zuwiderläuft. Ein solches "Verbotsgesetz" ist auch das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das in § 3 die Beschäftigung von Ausländern (mit hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen) bei Strafsanktion (§ 28) zwingend an eine erteilte Beschäftigungsbewilligung, Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein knüpft und in § 2 Abs 2 den Begriff der Beschäftigung definiert. Gemäß § 2 Abs 4 ist für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung im Sinn des Abs 2 vorliegt, der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. In § 2 Abs 4 hat der Gesetzgeber weiters durch Legaldefinition festgelegt, in welchen Fällen Ausländer - Gesellschafter im Bereich einer Personengesellschaft (Z 1) oder einer GmbH (Z 2) ebenfalls als "Beschäftigte" zu gelten haben. Demnach liegt eine Beschäftigung im Sinn des § 2 Abs 2 insbesondere auch dann vor, wenn ein Gesellschafter einer GmbH mit einem Geschäftsanteil von weniger als 25 % Arbeitsleistungen erbringt, die typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden, es sei denn, die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice stellt auf Antrag fest, dass ein wesentlicher Einfluss auf die Geschäftsführung durch den Gesellschafter tatsächlich persönlich ausgeübt wird, wofür der Antragsteller den Nachweis zu erbringen hat.

Den zitierten Entscheidungen 6 Ob 19/93 (Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung auf Abweisung der Eintragung von neuen Geschäftsführern zur weiteren Prüfung des Zweckes der betreffenden Gesellschafterbeschlüsse) und 6 Ob 7/94 (Versagung der Eintragung einer GmbH & Co OEG wegen Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages) lagen wesentlich anders gelagerte Sachverhalte als hier zugrunde, sodass zwar die darin angeführten Grundsätze heranzuziehen sind, aber das Ergebnis der Entscheidungen für die hier anstehende Entscheidung nicht maßgebend sein kann. Die Ausländer, die in den zitierten Fällen in die Gesellschaften eingebunden werden sollten, waren jeweils als Minderheitsgesellschafter mit einer Beteiligung von weniger als 25 % vorgesehen, sodass die Legaldefinition des § 2 Abs 4 AuslBG zum Tragen kam. In dem der Entscheidung 6 Ob 19/93 zugrundeliegenden Fall war zudem ungeklärt, ob die jeweils nur kurzfristig und neben anderen Personen zu Geschäftsführern bestellten Ausländer von ihren Funktionen und Anteilsrechten überhaupt persönlich Kenntnis erlangt haben, weil entsprechende Spezialvollmachten an Mitgesellschafter unterfertigt worden waren.

Im vorliegenden Fall aber ist Anita B***** Alleingeschäftsführerin und hält 60 % der Anteile. Damit kommt ihr schon von Gesetzes wegen ein maßgebender Einfluss auf die Beschlüsse der Gesellschaft zu, worin ein wesentliches Abgrenzungskriterium zur unselbständigen, bewilligungspflichtigen Tätigkeit erblickt wird (Schnorr, Ausländerbeschäftigungsrecht4 Rz 9 zu § 2 AuslBG mN aus der Rechtsprechung des VwGH). Mehrheitsgesellschafter einer GmbH sind grundsätzlich als selbständig erwerbstätig anzusehen (Deutsch-Neurath-Nowotny-Szymanski, Ausländerbeschäftigungsrecht, 111 ff). Eine Umgehungsabsicht in Bezug auf das AuslBG kann daher weder unterstellt noch als erwiesen angenommen werden, und zwar weder hinsichtlich des Gesellschaftsvertrages selbst noch hinsichtlich der Gründung der Zweigniederlassung.

Der ursprüngliche Antrag auf Eintragung auch des Christian S***** - dem in seiner Funktion als "secretary" nach den eigenen Angaben der Gesellschaft keine Vertretungsbefugnis zukommt - als ständigen Vertreter sowohl der Gesellschaft als auch der Zweigniederlassung wurde nicht aufrecht erhalten. Das letztlich gestellte Eintragungsbegehren weist vielmehr nur Anita B***** als Geschäftsführerin und ständige Vertreterin auf, sodass auch insoweit kein Eintragungshindernis besteht.

Dennoch kann dem Eintragungsbegehren nicht entsprochen werden. Im Antrag auf Eintragung der Zweigniederlassung wurde als deren Geschäftszweig ("Tätigkeit") im Sinne der §§ 107 Abs 5 GmbHG und 3 Z 5 FBG "Bordellbetrieb" angegeben. Nach dem Steiermärkischen Prostitutionsgesetz LGBl 1988/16 ist für den Betrieb eines Bordells eine Bordellbewilligung erforderlich, die nach § 6 leg cit nur natürlichen Personen erteilt werden darf. Dies steht der beantragten Eintragung entgegen.

Die das Eintragungsbegehren abweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher im Ergebnis zu bestätigen.

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