OGH 7Ob17/06k

OGH7Ob17/06k30.8.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Katharina Sedlazeck-Gschaider, Rechtsanwältin in Salzburg, und des Nebenintervenienten auf Seite der klagenden Partei Baumeister Ing. Friedrich D*****, vertreten durch Dr. Gerald Kopp und andere Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei B***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Ferner Hornung & Partner Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen EUR 176.876,51 sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse EUR 97.175,64) gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 21. Oktober 2005, GZ 6 R 113/05p-83, womit das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 10. März 2005, GZ 1 Cg 189/99g-77, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden, soweit sie nicht bereits im Zuspruch von EUR 4.786,07 samt 4 % Zinsen seit 4. 11. 1999 als unangefochten unberührt blieben und das Urteil des Erstgerichtes nicht bereits im Umfang der Abweisung von EUR 14.755,58 samt 4 % Zinsen seit 4. 11. 1999 sowie des Zinsenmehrbegehrens von 8 % Zinsen aus EUR 176.876,51 vom 1. 2. 1999 bis 3. 11. 1999 und 4 % Zinsen aus EUR 176.876,51 seit 4. 11. 1999 unangefochten in Rechtskraft erwuchs, hinsichtlich des Teilbegehrens von EUR 97.175,64 samt 4 % Zinsen seit 4. 11. 1999 aufgehoben. Die Rechtssache wird (auch) insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin ließ in O***** vier Bauwerke errichten. Die Baumeisterleistungen für diese Häuser erbrachte die Beklagte, der Nebenintervenient verfasste die Einreich- und Bestands(Ausführungs-)pläne für das Bauvorhaben. Er wurde von der Klägerin auch mit der örtlichen Bauaufsicht beauftragt. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind eine Reihe von Bauleistungen, die die Beklagte zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt aufgrund des Vertrages zwischen den Parteien vom 18. September 1984 für die Häuser C und D erbrachte.

Einige der von der Beklagten erbrachten Bauleistungen sind mangelhaft, wobei nicht feststeht, ob die Beklagte den Nebenintervenienten Gelegenheit gab, die einzelnen Leistungen wie den Zustand des Hinterfüllmaterials oder der Isolierungen und dergleichen wahrzunehmen, bevor diese durch Erdreich oder andere Arbeiten verdeckt waren.

Die Klägerin veranlasste zu 2 Nc 5/98b des Bezirksgerichtes Tamsweg am 31. Juli 1998 die Beweissicherung hinsichtlich der Bauschäden. Die Klägerin begehrt mit ihrer am 28. Oktober 1999 eingebrachten Klage die Kosten der Behebung der Schäden, die durch die mangelhaften Werkleistungen der Beklagten entstanden seien. Soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung brachte sie vor, dass die Ansprüche nicht verjährt seien, da die Verjährungsfrist erst mit Kenntnis des Schadens und des Schädigers zu laufen begonnen habe, sohin erst mit Durchführung des Beweissicherungsverfahrens im Jahr 1998. Die Beklagte bestreitet das Klagebegehren - soweit dies für das Revisionsverfahren von Bedeutung ist - damit, dass die Ansprüche verjährt seien. Bereits im Jahr 1993 habe die Verjährungsfrist begonnen. Die Klägerin hätte damals leicht in Erfahrung bringen können, welche Mängel die Arbeiten der Beklagten aufgewiesen hätten. In den Fällen, in denen der Schaden in der nicht auftragskonformen Ausführung liege, habe die Klägerin den Schaden und den Schädiger bereits seit Kenntnis der tatsächlichen Ausführung durch ihren Bauleiter gekannt, dessen Wissensstand der Klägerin zuzurechnen sei. Diesem und der Klägerin seien die Schadensbilder bewusst gewesen, ohne dass die möglichen Schadensursachen ermittelt worden seien. Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von EUR 100.018,08 sA und wies das Mehrbegehren von EUR 76.858,43 sA ab. In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Auffassung, dass, soweit nicht positive Feststellungen darüber getroffen hätten werden können, dass die Leute der Klägerin und/oder des Nebenintervenienten den konkreten durch einen Werkleistungsmangel der Beklagten verursachten Schaden zu einem bestimmten Zeitpunkt gekannt hätten, darauf abzustellen sei, wann der Kausalzusammenhang zwischen einem Werkleistungsmangel und dem eingetretenen Schaden für die Klägerin und/oder dem Nebenintervenienten als Fachleute erkennbar gewesen sei. Zur örtlichen Bauaufsicht gehöre die Überwachung der Herstellung des Werkes auf Übereinstimmung mit den Plänen, Einhaltung der technischen Regeln, der behördlichen Vorschriften und dergleichen, also all jener Kontrolltätigkeiten, die sich unmittelbar auf den Baufortschritt bezögen und nur im Zusammenhang mit Wahrnehmungen auf der Baustelle selbst sinnvoll ausgeübt werden könnten. Schadenersatzansprüche, die aus Werkleistungsmängeln der Beklagten resultierten, seien nicht verjährt, soweit sie für einen Fachmann erst im Sommer 1998 erkennbar gewesen seien, sodass die Beklagte der Klägerin insgesamt für EUR 100.018,08 inklusive USt hafte.

Im Umfang der Abweisung eines Teilbetrages von EUR 14.755,58 sA erwuchs das Ersturteil in Rechtskraft.

Das Berufungsgericht erließ das angefochtene Teilurteil, mit dem es den Zuspruch von EUR 4.786,07 sA und die Abweisung von EUR 54.839,94 sA bestätigte, jedoch hinsichtlich des Zuspruches von weiteren EUR 42.635,70 sA abänderte, sodass es insgesamt EUR 97.175,64 sA abwies. Hinsichtlich des Zuspruchs weiterer EUR 52.596,31 und der Abweisung weiterer EUR 7.562,91 sA hob es das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache insoweit an das Erstgericht zurück. Es vertrat die Rechtsansicht, dass die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 Satz 1 ABGB mit dem Zeitpunkt zu laufen beginne, in dem der Ersatzberechtigte sowohl den Schaden als auch den Ersatzpflichtigen soweit kenne, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden könne. Die Kenntnis müsse dabei den ganzen anspruchbegründenden Sachverhalt umfassen, insbesondere auch die Kenntnis des Ursachenzusammenhanges zwischen dem Schaden und einem bestimmten, dem Schädiger anzulastenden Verhalten, in Fällen der Verschuldenshaftung daher auch jener Umstände, aus denen sich das Verschulden des Schädigers ergebe. Die bloße Möglichkeit der Ermittlung einschlägiger Tatsachen vermöge ihr Bekanntsein nicht zu ersetzen. Es genüge aber die Kenntnis solcher Umstände, die es dem Geschädigten ermöglichten, den Schädiger in zumutbarer Weise ohne besondere Mühe oder besondere Aufwendungen festzustellen. In diesem Fall beginne die Verjährungsfrist in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem diese Kenntnis bei entsprechender Erkundigung zu erlangen gewesen wäre. Es habe eine Wissenszurechnung jener Personen (Wissensvertreter) zu erfolgen, die vom Geschäftsherrn damit betraut worden seien, Tatsachen, deren Kenntnis von Rechtserheblichkeit seien, entgegenzunehmen oder anzuzeigen. Der Nebenintervenient sei von der Klägerin mit der örtlichen Bauaufsicht beauftragt worden. Er hätte all jene Kontrolltätigkeiten ausüben müssen, die sich unmittelbar auf den Baufortschritt bezögen und nur im Zusammenhang mit Wahrnehmungen an der Baustelle selbst sinnvoll ausgeübt hätten werden können. Diese Tätigkeit hätte, wenn sie ordnungsgemäß ausgeübt worden wäre, zwangsläufig zur Folge gehabt, dass Baumängel schon im Zuge der Bauarbeiten in den 80er Jahren erkannt hätten werden können. Er hätte bereits damals auf die fachgerechte Ausführung der Arbeiten dringen und für den Fall der Weigerung durch die Beklagte die Voraussetzungen einer erfolgreichen Anspruchsdurchsetzung prüfen müssen. Die Nichtfeststellung über die Gelegenheit des Nebenintervenienten, die Leistungen der Beklagten abzunehmen, gingen als Widerlegung der Verjährungseinrede zu Lasten der Klägerin. Der Beginn der Verjährungsfrist laufe daher nicht erst mit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Mängel im Zuge des Beweissicherungsverfahrens im Jahr 1998. Sie seien daher verjährt.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil der Entscheidung keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin - soweit ihr Klagebegehren abgewiesen wurde - mit einem Abänderungsantrag, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in der ihr vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist - entgegen den den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichtes zulässig. Sie ist auch im Sinne des Aufhebungsantrags berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die im Revisionsverfahren zu lösende Rechtsfrage ist jene, wann die dreijährige Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche aus mangelhaft erbrachten Bauleistungen zu laufen beginnt. Das Berufungsgericht hat zwar die Grundsätze für die Beurteilung richtig dargelegt, sie aber auf den vorliegenden Sachverhalt unrichtig angewandt.

Die Verjährungsfrist des § 1489 ABGB beginnt mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem dem Geschädigten sowohl der Schaden, die Person des Schädigers und die Schadensursache bekannt geworden ist (RIS-Justiz RS0034951). Die Kenntnis muss den gesamten anspruchsbegründenden Sachverhalt umfassen, dazu gehört die Kenntnis des Kausalzusammenhangs zwischen dem Schaden und einem bestimmten, den Schädiger anzulastenden Verhalten sowie - in Fällen der Verschuldenshaftung - die Kenntnis jener Umstände, die ein Verschulden des Schädigers begründen. Der maßgebende Sachverhalt muss dem Geschädigten zwar nicht in allen Einzelheiten, aber doch soweit bekannt sein, dass er in der Lage ist, das zur Begründung seines Ersatzanspruchs erforderliche Sachvorbringen konkret zu erstatten. Bloße Mutmaßungen über die angeführten Umstände genügen nicht (1 Ob 13/04z, 10 Ob 2/03p, 9 Ob 91/99v, je mwN). Der Geschädigte darf sich aber nicht einfach passiv verhalten und es darauf ankommen lassen, dass er von den für eine erfolgversprechende Anspruchsverfolgung wesentlichen Tatsachen eines Tages zufällig Kenntnis erlangen wird. Kann er diese Umstände ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen, so gilt die Kenntnis schon als in dem Zeitpunkt erlangt, in dem sie ihm bei angemessener Erkundung zuteil geworden wäre (1 Ob 13/04z mwN, RIS-Justiz RS0034335, RS0034327). Der Geschädigte darf mit der Klagseinbringung nicht solange zuwarten, bis er den Rechtsstreit mit Sicherheit zu gewinnen glaubt (1 Ob 13/04z mwN).

Es ist zwar richtig, dass der Klägerin das Wissen des Nebenintervenienten als „Wissensvertreter" zuzurechnen ist (5 Ob 18/01k mwN, 1 Ob 64/00v; RIS-Justiz RS0065360), doch ist dem Berufungsgericht darin nicht zu folgen, dass es der Klägerin als Verletzung ihrer Erkundungsobliegenheit anzulasten sei, wenn der von ihr mit der Bauaufsicht Beauftragte seine Vertragspflicht ihr gegenüber nicht ordnungsgemäß erfüllt und sie deshalb nicht schon bei Abnahme der Leistungen vom Schaden Kenntnis erlangte. Nach ständiger Rechtsprechung dient nämlich die Bauaufsicht nicht dazu, die Werkunternehmer von ihren persönlichen, sie als „Fachmann" treffenden Verpflichtungen zur mängelfreien Werkherstellung zu entlasten (9 Ob 33/99i, 6 Ob 136/99i, 7 Ob 196/03d, 8 Ob 58/02f; RIS-Justiz RS0108535). Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass die Frage der Verletzung der Bauaufsichtspflichten durch den Nebenintervenienten nur im Rechtsverhältnis zwischen Klägerin und Nebenintervenient relevant sein kann, nicht jedoch in dem zwischen Klägerin und beklagten Werkunternehmer. Auch der Bauaufsichtausführende darf wie der Bauherr selbst auf die fachgerechte Ausführung der Arbeiten vertrauen und hat nur dort einzuschreiten, wo für ihn Fehler erkennbar werden (9 Ob 33/99i). Entscheidungsrelevant ist also, wann dem Nebenintervenienten und/oder dem von der Klägerin mit diesem Projekt betrauten Umstände bekannt wurden, die für Fachleute (wie sie) auf den Eintritt eines Schadens schließen ließen und im Sinne der dargelegten Judikatur eine Erkundungsobliegenheit auslösen konnten. Nahm der Nebenintervenient keine Baumängel wahr, sei es auch unter Verletzung seiner Bauaufsichtspflichten gegenüber der Klägerin, so ist dies für den Beginn der Verjährungsfrist noch nicht ausreichend. Dazu fehlen aber noch geeignete Feststellungen, sodass über die Rechtssache im Umfang des Teilbegehrens von EUR 97.175,64 noch nicht entschieden werden kann. Das Erstgericht wird im fortzusetzenden Verfahren auch zu diesen Bauleistungen noch genaue Feststellungen zu treffen haben, wann die Schäden bekannt wurden und wann es der Klägerin und/oder dem Nebenintervenienten möglich gewesen wäre, in zumutbarer Weise im Sinne der oben dargelegten Judikatur Erhebungen zu treffen, um Kenntnis von den mangelhaften Werkleistungen der Beklagten zu erlangen, dies auch unter Berücksichtigung der Umstände rund um das Beweissicherungsverfahren. Erst dann wird über die Rechtssache abschließend entschieden werden können.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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