OGH 5Ob61/06s

OGH5Ob61/06s21.3.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden, sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Kalivoda, Dr. Höllwerth und Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach Emma H*****, vertreten durch Walter Hutter als Verlassenschaftskurator, ebendort, dieser vertreten durch Hämmerle-Häusle und Schwendinger, Rechtsanwälte in Dornbirn, gegen die beklagten Parteien 1. Walter B*****, 2. Ingrid V*****, vertreten durch Dr. Klaus Grubhofer, Rechtsanwalt in Dornbirn, 3. Margarethe Anna S*****, 4. Edith C*****, vertreten durch Dr. Thomas Rhomberg, Rechtsanwalt in Dornbirn, 5. Ulrike S*****, 6. Richard B*****, erst-, dritt-, fünft- und sechstbeklagte Parteien vertreten durch Dr. Gerhard Huber, Rechtsanwalt in Hohenems, wegen Unterlassung (Streitwert EUR 3.900), über die Revision der erst-, dritt-, fünft- und sechstbeklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgericht vom 19. Dezember 2005, GZ 2 R 111/05x-36, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 18. Jänner 2005, GZ 2 C 2395/03g-19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der erst-, dritt-, fünft und sechstbeklagten Parteien wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass hinsichtlich der erst-, dritt-, fünft und sechstbeklagten Parteien das erstgerichtliche Urteil samt der darin enthaltenen Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, den erst-, dritt- fünft- und sechstbeklagten Parteien die mit EUR 884,84 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin EUR 147,47 USt) sowie die mit EUR 1.009,68 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 79,94 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin und die Beklagten sind Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ 4817 GB 92004 Hohenems mit dem Grundstück Nr. 2109/17 (in der Folge nur Grundstück Nr. 2109/17 genannt).

Die Beklagten sind überdies Miteigentümer des angrenzenden Grundstücks Nr. 2109/19 der EZ 5056 GB 92004 Hohenems (in der Folge nur Grundstück Nr. 2109/19 genannt), worauf bereits in den 80-er Jahren Garagen für die Beklagten errichtet wurden. Seither fahren sie über eine Allgemeinfläche des Grundstücks Nr. 2109/17 zu ihren Garagen auf der ihnen gehörenden Nachbarliegenschaft zu. Durch diese Art der Benützung allgemeiner Teile (asphaltierte südwestliche Fläche des Grundstücks Nr. 2109/17) werden die übrigen Mit- und Wohnungseigentümer dieser Liegenschaft von der Benützungsmöglichkeit dieses allgemeinen Liegenschaftsteils nicht ausgeschlossen. Zwischen den Mit- und Wohnungseigentümern des Grundstücks Nr. 2109/17 besteht keine Benützungsvereinbarung über diese bezeichneten Allgemeinflächen.

Die Beklagten haben sich in letzter Zeit durch Erhebung von Besitzstörungsklagen dagegen zur Wehr gesetzt, dass Kunden eines Geschäftslokals, das auf dem Grundstück Nr. 2109/17 situiert ist, auf der hier in Frage stehenden Allgemeinfläche Fahrzeuge parkten. Um das zu verhindern haben die Beklagten - es steht nicht fest, an welchem konkreten Punkt - eine Park- und Halteverbotstafel samt Zusatztafel mit folgendem Text anbringen lassen: „Privatparkplatz - Einfahrt freihalten! - Widerrechtlich abgestellte Fahrzeuge werden angezeigt".

Die Anbringung dieser Tafel ist nicht mehr verfahrensgegenständlich, weil die Beklagten bereits rechtskräftig zur Entfernung dieser Tafel verpflichtet wurden.

Mit der verfahrenseinleitenden Klage begehrte die Klägerin, die Beklagten zur Unterlassung des Befahrens des Grundstücks Nr. 2109/17 zu verpflichten, in eventu sie dazu zu verpflichten, es zu unterlassen, die Allgemeinfläche des Grundstücks Nr. 2109/17 ausschließlich zu benützen, sodass diese der Benützung der anderen Miteigentümern entzogen sei.

Das weiters erhobene Begehren auf Entfernung der beschriebenen Park- und Halteverbotstafel mit Zusatztafel wurde bereits rechtskräftig erledigt.

Zur Begründung ihres Klagebegehrens brachte die Klägerin vor, die Beklagten benützten die Allgemeinfläche des Grundstücks Nr. 2109/17 titellos und damit widerrechtlich. Zu keiner Zeit sei ihnen das Dienstbarkeitsrecht - auch nicht konkludent - zur Benutzung der Allgemeinflächen als Zufahrt zu ihren Grundstücken Nr. 2109/19 eingeräumt worden. Die Allgemeinfläche des Grundstücks Nr. 2109/17 dürfe nur gemeinsam von den Miteigentümern dieser Liegenschaft genutzt werden, tatsächlich werde diese Allgemeinfläche ausschließlich von den Beklagten benützt und zwar auf eine solche Weise, dass die übrigen Mit- und Wohnungseigentümer des Grundstücks Nr. 2109/17 an der Benutzung der Allgemeinfläche behindert seien. Auch liege eine Benützungsvereinbarung nicht vor.

Die Beklagten bestritten das Klagebegehren, beantragten dessen Abweisung und wendeten zusammengefasst ein, dass sie den in Frage stehenden Teil der Allgemeinfläche des Grundstücks Nr. 2109/17 als Zufahrt zu ihren Garagen auf der Nachbarliegenschaft verwendeten, eine solche Benützung jedoch keineswegs titellos sei. Zum einen habe im Zug der Errichtung der Garagen eine mündliche Bauverhandlung stattgefunden, in der von den Mit- und Wohnungseigentümern des Grundstücks Nr. 2109/17 keine Einwendungen erhoben worden seien. Damit sei es konkludent zur Einräumung der Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechts über die Grundstücksfläche gekommen. Jedenfalls sei durch schlüssiges Verhalten eine Benützungsregelung nach § 15 WEG 1975 zustande gekommen. Damals habe das Erfordernis der Schriftform nicht gegolten. Darüber hinaus wendeten die Beklagten ein, dass sie wie jeder Miteigentümer berechtigt seien, die Allgemeinfläche in einer Weise zu benützen, dass hiedurch der Gebrauch bzw die Benützung der die anderen nicht beeinträchtigt werde. Eine solche Beeinträchtigung finde nicht statt.

Das Erstgericht wies sowohl das Haupt- als auch das Eventualbegehren gegen die Beklagten ab.

In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht das Zustandekommen einer Benützungsvereinbarung über die in Frage stehende Allgemeinfläche der Liegenschaft 2109/17. Auch ansonsten sei es zu keiner Vereinbarung über ein Zufahrtsrecht der Beklagten gekommen. Allerdings benützten die Beklagten diese Fläche keineswegs titellos, weil sie wie jeder Teilhaber einer gemeinschaftlichen Sache das Recht zur Benützung hätten. Durch das bloße Überfahren eines nur geringfügigen Teils der Allgemeinfläche, zur bloßen Zu- und Abfahrt zu den auf der Nachbarliegenschaft situierten Garagen würden die übrigen Miteigentümer in ihrem Gebrauch dieser Liegenschaftsfläche in keiner relevanten Weise beeinträchtigt. Es handle sich jeweils nur um äußerst kurzfristige - im Regelfall nur einige Sekunden andauernde - Benutzungen, damit keineswegs um die Benutzung der anderen Miteigentümer beeinträchtigende oder diese überhaupt gänzlich ausschließende Eingriffe. Die Beklagten seien auf Grund des gemeinschaftlichen Eigentums an dieser Fläche zur Benützung in der tatsächlich stattfindenden Weise berechtigt.

Einer dagegen von der Klägerin erhobenen Berufung gab das Gericht zweiter Instanz teilweise Folge. Es verpflichtete die fünftbeklagte Partei, es zu unterlassen, über das Grundstück Nr. 2109/17 auf das Grundstück Nr. 2109/19 mit Kraftfahrzeugen, insbesondere Pkws zu fahren (Hauptunterlassungsbegehren) und verpflichtete weiters die erst- bis drittbeklagten Parteien sowie die sechstbeklagte Partei es zu unterlassen, die Allgemeinfläche im südwestlich gelegenen Bereich ausschließlich zu benutzen, sodass diese Benützung der anderen Miteigentümer entzogen sei (Eventualunterlassungsbegehren; das Hauptunterlassungsbegehren gegen die übrigen Beklagten war bereits rechtskräftig abgewiesen).

Die Stattgebung des Hauptbegehrens gegen die Fünftbeklagte begründete das Berufungsgericht damit, dass dieser jedenfalls kein Rechtstitel zur Benützung der Allgemeinfläche des Grundstücks Nr. 2109/17 als Zufahrt zu ihrer Garage auf Grundstück Nr. 2109/19 zustehe. Eine Benützungsvereinbarung bzw Benützungsregelung sei nicht erwiesen. Ebensowenig eine Dienstbarkeitsvereinbarung. Soweit sich die Fünfbeklagte darauf berufe, es stehe ihr als Miteigentümerin die Gebrauchsmöglichkeit des Teil der Allgemeinfläche zu, sei ihr entgegen zu halten, dass ihr als Teilhaber zwar der Gebrauch der gemeinsamen Sache zustehe, dass dieses Recht aber nicht auch das Recht zur Ausübung einer Dienstbarkeit umfasse. Vielmehr hätte sie die Zustimmung aller Miteigentümer einholen müssen (RIS-Justiz RS0049051).

Das auf Unterlassung der ausschließlichen Benützung gerichtete Eventualbegehren gegen die übrigen Beklagten (das Verfahren gegen die Viertbeklagte ruht) hielt das Berufungsgericht für berechtigt. Dadurch, dass die Beklagten die Park- und Halteverbotstafeln angebracht hätten und gegen Fahrzeughalter, die ihre Fahrzeuge im Bereich der Zufahrt abgestellt hatten, Besitzstörungsklagen eingebracht hätten, hätten die Beklagten auch gegenüber der Klägerin zum Ausdruck gebracht, dass der in Frage stehende Bereich auch von ihr und anderen Miteigentümern des Grundstücks Nr. 2109/17 nicht benutzt werden dürfte.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage der Benützung einer Allgemeinfläche als Zufahrt einer angrenzenden Liegenschaft keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege. Die zitierte Entscheidung 5 Ob 147/03h habe eine Grundbuchssache betroffen, sei zur Lösung der hier zu entscheidenden Rechtsfrage nicht heranzuziehen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der erst-, dritt-, fünft- und sechstbeklagten Parteien wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils dahin, dass hinsichtlich der erst-, dritt-, fünft- und sechstbeklagten Parteien die erstinstanzliche Entscheidung wiederhergestellt werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der fünftbeklagten Partei ist zulässig, weil das Berufungsgericht von höchstgerichtlicher Rechtsprechung abgewichen ist. Im Übrigen ist die Revision zulässig, weil das Berufungsgericht das Wesen des Mitbenützungsrechts von Mit- und Wohnungseigentümern an Allgemeinflächen verkannt hat.

Die Revision ist im Sinn des Antrags auf Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung auch berechtigt.

Allgemeine Teile einer Liegenschaft, die im Wohnungseigentum steht, dienen nach ihrer Zweckbestimmung (Widmung) der allgemeinen Benützung (immolex 2000/105 = MietSlg 51.525). Während die Nutzung der Wohnungseigentumsobjekte jeweils den Wohnungseigentümern zukommt (§ 16 WEG 2002), steht die Nutzung der allgemeinen verfügbaren Teile der Liegenschaft sämtlichen Wohnungseigentümern als Teilhaberrecht im Sinn der Bestimmungen des ABGB über die Gemeinschaft des Eigentums zu. Jeder Wohnungseigentümer hat Anspruch auf eine seinen Anteil entsprechende Benützung der gemeinsamen Sache (§§ 2, 4, 17, 28 WEG 2002 iVm 16. Hauptstück des ABGB; 5 Ob 103/99d mwN). Bei eingeschränkter Benützungsmöglichkeit ist er aber nicht berechtigt, bestimmte Teile der Sache allein und unter Ausschluss der anderen Miteigentümer zu benutzen. Wurde keine Benutzungsregelung über die verfügbaren allgemeinen Teile der Liegenschaft gemäß § 17 WEG 2002 getroffen, kann jeder Miteigentümer die Sache nach Willkür benützen. Der Gebrauch ist allerdings nur soweit zulässig, als dadurch nicht der Gebrauch der anderen Miteigentümer gestört wird. Solange ein Miteigentümer in diesem Umfang die gemeinsame Sache benutzt, handelt er nicht rechtswidrig (RIS-Justiz RS0013202; RS0013211; Gamerith in Rummel3 Rz 4 zu § 828; Egglmeier in Schwimann2 Rz 26 ff zu § 828 ABGB beide mwN; A. Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, österr. Wohnrecht Rz 1 zu § 17 WEG).

Definitive Bindungen der einzelnen Wohnungseigentümer des Grundstücks Nr. 2109/17 an eine bestimmte Benützungsart, etwa durch eine anderslautende Benützungsregelung wurden hier nicht behauptet. Daher steht jedem Mit- und Wohnungseigentümer des Grundstücks Nr. 2109/17 das Recht zu, über die hier in Frage stehende Allgemeinfläche zu gehen oder mit seinem PKW zu fahren, selbstverständlich auch die asphaltierte Grundfläche zum Erreichen der auf der Nachbarliegenschaft gelegenen Garagen zu überqueren. Die Beklagten vermögen, wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat, ihre Berechtigung hiezu aus dem Miteigentum abzuleiten, weshalb es keiner obligatorischen Rechtseinräumung - sei es durch einen Servitutsvertrag oder eine vertragliche Gestattung anderer Art - bedarf.

Die vom Berufungsgericht zitierten, in RIS-Justiz RS0049051 wiedergegebenen Entscheidungen haben die Begründung von Servitutsrechten durch Miteigentümer zum Gegenstand, also die Verfügung über gemeinschaftliche Rechte. Davon ist gerade hier nicht die Rede, weil die Miteigentümer bereits auf Grund ihres - wie oben dargestellt - Teilhaberrechts an der gemeinschaftlichen Sache den (Mit-)Gebrauch ausüben dürfen.

Im Weiteren geben die maßgeblichen erstgerichtlichen Feststellungen keinen Anlass dazu, die Benützung der Beklagten als eine solche zu qualifizieren, die die Mitbenützung der anderen Mit- und Wohnungseigentümer des Grundstücks Nr. 2109/17 beeinträchtigt oder ausgeschlossen hätte. Auch das Anbringen einer Tafel mit der Aufschrift „Privatplatz Einfahrt freihalten! - Widerrechtlich abgestellte Fahrzeuge werden angezeigt" stellt keine Anmaßung des Alleinbenutzungsrechts der Beklagten gegenüber den übrigen Mit- und Wohnungseigentümern des Grundstücks Nr. 2109/17 her. Sie richtet sich ihrem Wortlaut nach eindeutig gegen Außenstehende und gegen eine Einschränkung der ihnen rechtens zustehenden Benützungsart. Schließlich wären die übrigen Mit- und Wohnungseigentümer des Grundstücks Nr. 2109/17 auch nicht berechtigt, die Benützung durch die Beklagten dergestalt unmöglich zu machen, dass sie die Ein- und Durchfahrt durch das Abstellen von Fahrzeugen behinderten. Durch das Einbringen von Besitzstörungsklagen gegen Außenstehende maßten sich die Beklagten gegenüber der Klägerin schon gar kein Alleinbenützungsrecht an der fraglichen Allgemeinfläche an. Aus diesen Erwägungen war der Revision Folge zu geben und im bekämpften Umfang die erstgerichtliche Entscheidung samt ihrer Kostenentscheidung hinsichtlich der erst-, dritt-, fünft- und sechstbeklagten Parteien wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung begründet sich im weiteren auf die §§ 41, 50 ZPO.

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