OGH 4Ob249/05d

OGH4Ob249/05d14.3.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Hans P*****, gegen die beklagte Partei K***** GmbH & Co KG, ***** vertreten durch Giger, Ruggenthaler & Simon Rechtsanwälte KEG in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 12.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. August 2005, GZ 12 R 168/05x-15, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 30. Mai 2005, GZ 56 Cg 162/04m-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 749,70 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 124,95 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte, eine Gesellschaft mbH & Co KG, liefert Text und Bild für den redaktionellen Inhalt einer auflagenstarken Tageszeitung. Sie scheint im Impressum dieser Zeitung als Medieninhaberin auf. Die Inhalte werden elektronisch an ein Unternehmen übermittelt, das den redaktionellen Teil mit den Anzeigen zur Zeitung zusammenstellt, wobei die Anzeigen von diesem Unternehmen akquiriert werden. Die Herstellung der Zeitung und deren Vertrieb, wozu auch der Verkauf von Abonnements und die Vertriebswerbung gehören, erfolgen ebenfalls durch dieses Unternehmen, das im Impressum der Tageszeitung als Verlegerin genannt wird und überdies auch unter dem Punkt „Vertrieb" aufscheint, wo auch die Abo-Preise angeführt sind. Werbeanrufe für die Tageszeitung obliegen zum einen einer eigenen Abteilung der Verlegerin, überdies erfolgen sie auch durch Tochtergesellschaften der Verlegerin. Im Impressum scheint darüber hinaus ein Herausgeber auf, der zur Hälfte (neben einer deutschen Beteiligungsgesellschaft) an jener Gesellschaft beteiligt ist, die persönlich haftende Gesellschafterin der Beklagten ist. Darüber hinaus ist der Herausgeber auch Kommanditist der Beklagten (neben deutschen Beteiligungsgesellschaften).

Die Verlegerin der Tageszeitung, eine Gesellschaft mbH & Co KG, hat eine persönlich haftende Gesellschafterin, die ihrerseits eine Schwestergesellschaft der Beklagten ist. Kommanditisten sind eine andere Zeitungsverlegerin und die Schwestergesellschaft der Beklagten.

Eine Mitarbeiterin der Tochtergesellschaft der Zeitungsverlegerin rief den Kläger am 29. Mai 2004 an seinem Zweitwohnsitz an, sagte sinngemäß, sie sei von der auflagenstarken Tageszeitung oder rufe für diese an, und fragte den Kläger, welche Zeitung er lese. Er antwortete, dass er hie und da auch diese Tageszeitung lese. Sie fragte daraufhin, ob er diese Zeitung für 14 Tage gratis beziehen möchte, was er verneinte. Sie unterbreitete ihm auch ein Angebot für den Bezug eines Abonnements, worauf er meinte, es sich allenfalls noch überlegen zu wollen. Der Kläger äußerte nicht, mit weiteren Anrufen einverstanden zu sein, er sagte auch nicht, dass er zurückrufen werde. Er fragte die Anruferin jedoch nach ihrem Namen und ließ ihn sich buchstabieren.

Am 2. Juni 2004 richtete der Kläger ein Schreiben an die Beklagte, in dem er sie aufforderte, nach Terminvereinbarung einen vollstreckbaren Unterlassungsvergleich beim zuständigen Bezirksgericht abzuschließen, wofür er eine Frist bis 18. Juni 2004 setzte. Das Schreiben ging der Beklagten am 4. Juni 2004 zu, eine Reaktion erfolgte nicht. Am 5. Juni 2004 meldete sich dieselbe Anruferin neuerlich beim Kläger und sagte, sie rufe wieder wegen der Tageszeitung an. Der Kläger fragte nur zurück, ob es sich bei ihr um die Anruferin von letzter Woche handle, was sie bejahte. Der Kläger brach das Gespräch daraufhin ab. Die Anruferin vermerkte in ihrem Computer, dass der Kläger nicht wieder angerufen werden möchte, worauf seine Nummer für weitere Anrufe automatisch gesperrt wurde.

Vor diesen Anrufen hatte der Kläger weder an Gewinnspielen im Zusammenhang mit der Tageszeitung, an Testlese- oder sonstigen Aktionen teilgenommen noch in sonst einer Art und Weise sein Einverständnis mit Werbeanrufen von der oder für die Tageszeitung zu erkennen gegeben. Es konnte nicht festgestellt werden, dass Personen, die Zugang zum Telefonanschluss haben, ein Einverständnis mit Werbeanrufen wie den gegenständlichen erteilt oder sonst zu erkennen gegeben hätten, mit derartigen Anrufen einverstanden zu sein. Werbeanrufe für die Tageszeitung werden nach Listen durchgeführt, die die Tochtergesellschaft der Verlegerin von dieser zur Verfügung gestellt bekommt. In diese Listen werden Abonnenten und auch Interessenten aufgenommen, die sich bei Testleseaktionen oder Gewinnspielen an die Tageszeitung gewendet haben. Es konnte nicht festgestellt werden, dass andere Personen in diese Listen aufgenommen werden. Unvollständige Daten werden nach Telefonbüchern ergänzt, dabei kann es bei Namensgleichheit zu Verwechslungen kommen. Sollte ein Anrufer derartige Kontakte ablehnen, wird dies in der entsprechenden Abfragemaske erfasst. Diese Personen werden aus der Datei herausgenommen. Es konnte nicht mehr nachvollzogen werden, wie oder aus welchem Grund der Kläger in die entsprechende Anruferliste kam. Die Callcenter-Mitarbeiter suchen sich die Anrufer jedenfalls nicht beliebig aus dem Telefonbuch oder ähnlichen Verzeichnissen aus, sondern halten sich an die vorgegebenen Listen.

Der Kläger begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, ihn ohne seine vorherige ausdrückliche Einwilligung telefonisch anzurufen oder durch Dritte anrufen zu lassen, um solcherart für einen Bezug der „N*****-Zeitung" zu werben. Er sei zwecks Werbung ohne seine vorherige Einwilligung angerufen worden, was gegen § 107 Abs 1 TKG, § 1 UWG und § 354 ABGB verstoße. Die Beklagte habe auf sein Anbot auf Abschluss eines Unterlassungsvergleichs nicht reagiert. Als Medieninhaberin, unter deren Verantwortung die Zeitung erscheine, habe die Beklagte ein Interesse an der Gewinnung weiterer Leser. Auch wenn die Anrufe durch Dritte erfolgen, geschehe dies im Interesse der Beklagten. Die Beklagte habe sich die Anrufe durch Dritte jedenfalls zurechnen zu lassen. Die Anruferin habe sich auch ausdrücklich als Werbende für die Zeitung vorgestellt. Es habe auch keine Anhaltspunkte für ein Einverständnis des Klägers mit weiteren Anrufen gegeben. Wenn dem Kläger innerhalb der in seinem Brief gesetzten Frist mitgeteilt worden wäre, dass die Anrufe nicht von der Beklagten, sondern von einem anderen Unternehmen ausgingen, hätte er sich an dieses wenden können. Da die Beklagte dies nicht getan habe, habe sie die Klageführung veranlasst. Die Löschung des Klägers aus dem Kampagnensystem der Verlegerin sei irrelevant, weil er einen Rechtsanspruch auf einen vollstreckbaren Unterlassungstitel habe, andernfalls die Wiederholungsgefahr weiter bestehe. Die Beklagte wendete ein, sie sei ausschließlich für den redaktionellen Inhalt der Zeitung verantwortlich, für den Vertrieb und die damit verbundene Werbung treffe die Verantwortung hingegen eine andere Gesellschaft. Dies sei notorisch und ergebe sich unzweifelhaft auch aus dem Impressum. Die Beklagte habe die beanstandeten Anrufe weder durchgeführt noch in Auftrag gegeben. Auch die Verlegerin habe die Anrufe nicht selbst getätigt, sondern durch eine Tochtergesellschaft durchführen lassen. Der Kläger habe weder die Verlegerin noch deren Tochtergesellschaft aufgefordert, weitere Anrufe zu unterlassen; wäre dies der Fall gewesen, hätten sie selbstverständlich entsprechende Unterlassungserklärungen abgegeben. Die Beklagte habe die Klageführung keinesfalls veranlasst. Mit weiteren Anrufen sei nicht zu rechnen, weil der Kläger im System der Verlegerin als desinteressiert vermerkt sei. Es liege daher keine Wiederholungsgefahr vor.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Gemäß § 107 Abs 1 TKG seien Anrufe zu Werbezwecken ohne vorherige Einwilligung des Teilnehmers unzulässig. Mangels vorheriger Einwilligung habe der Kläger einen Unterlassungsanspruch. Das Verbot des § 107 Abs 1 TKG richte sich grundsätzlich gegen den Unternehmer, der die Anrufe zu Werbezwecken tätige. Die Beklagte sei nach den Feststellungen Medieninhaberin der Zeitung, somit für deren Erscheinen verantwortlich und daher als Unternehmer anzusehen, gegen den sich das Unterlassungsgebot des § 107 Abs 1 TKG richte. Interesse der Beklagten sei es, Leser für ihre Zeitung zu gewinnen. Dass sie sich für den Vertrieb der Zeitung und der damit zusammenhängenden Werbung eines Dritten bediene, der ihrerseits wiederum ein Tochterunternehmen mit der telefonischen Werbung für Abonnements beauftrage, ändere daran nichts, dass dies lediglich der Auflagensteigerung und Erhöhung des Absatzes der Zeitung diene. Dass die Beklagte selbst nur den redaktionellen Teil liefere, könne sie der Verpflichtung zur Einhaltung der Bestimmungen des TKG nicht entheben. Zudem sei es für den Angerufenen unzumutbar, zuerst eine Ausgabe der Zeitung zu erwerben, dort im Impressum nachzusehen und weitere Erhebungen anzustellen, welches Unternehmen im Konzern für welche Aufgaben zuständig sei.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Wer es, wie der Kläger, darauf anlege, sich nicht nur sofort die Belästigung durch den Anrufer zu verbitten, sondern nach dem Namen des Anrufers frage und von vornherein juristische Schritte erwäge, dem sei vor Klageeinbringung zumutbar, Nachforschungen über Konzernzusammenhänge anzustellen. In den Firmenbuchauszügen sei die Verflechtung der Unternehmen durchaus transparent. Der Beklagten komme nicht die Stellung einer Konzernmutter zu. Wenn bei der Haftung nach § 18 UWG auf die rechtliche Möglichkeit des Unternehmers abgestellt werde, den Wettbewerbsverstoß zu verhindern, so könne im Zusammenhang mit § 107 TKG nicht nur darauf abgestellt werden, dass die Handlung im geschäftlichen Interesse und im Zusammenhang mit dem Betrieb des Unternehmers vorgenommen werde. Es reiche nicht aus, sich irgendein Unternehmen aus einem Firmengeflecht herauszusuchen und in Anspruch zu nehmen. Die Beklagte sei weder das Unternehmen, dem die Anruferin angehöre, noch die Konzernmutter, der man die rechtliche Möglichkeit zubilligen müsse, auf den Vertrieb Einfluss zu nehmen. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Entscheidungsgegenstand 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige und die Revision mangels Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Passivlegitimation bei verschachtelten Unternehmen im Zusammenhang mit § 107 TKG zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.

Nach dem festgestellten Sachverhalt stellt die Beklagte lediglich den redaktionellen Teil der Tageszeitung her und liefert ihn an die Verlegerin. Die Verlegerin organisiert die Herstellung und den Vertrieb der Tageszeitung und betreibt darüber hinaus - auch durch Tochtergesellschaften - Kundenwerbung. Damit steht fest, dass die Beklagte die Telefonanrufe nicht veranlasst hat. Eine Haftung kann sie daher nur treffen, soweit sie, wie bei der Unternehmerhaftung nach § 18 UWG, für das Verhalten eines anderen einzustehen hat.

1. § 18 UWG normiert die Haftung des Unternehmers für Wettbewerbsverstöße, die im Betrieb seines Unternehmens begangen wurden. Im „Betrieb (s)eines Unternehmens" werden insbesondere Personen tätig, die im Auftrag des Unternehmers bestimmte Arbeiten für das Unternehmen verrichten. Handeln sie im Zusammenhang damit wettbewerbswidrig, so hat der Unternehmer für ihre Handlungen einzustehen, wenn er kraft seiner Beziehung zum Handelnden die rechtliche Möglichkeit hat, den Wettbewerbsverstoß abzustellen (4 Ob

394/76 = SZ 49/147 - fingierte Kundenbefragung; 4 Ob 409/82 = ÖBl

1983, 86 - Bau Max; 4 Ob 110/02h = MR 2002, 323 - tele.ring Telekom

Service GmbH mwN). § 18 UWG stellt damit auf die rechtliche Möglichkeit des Unternehmers ab, den Wettbewerbsverstoß zu verhindern. Diese besteht jedenfalls dann, wenn der Handelnde Auftragnehmer des Unternehmers ist und der Unternehmer daher befugt ist, ihm Weisungen zu erteilen. Kommt es zu Wettbewerbsverstößen, weil Weisungen nicht befolgt werden, so hat der Unternehmer dafür einzustehen, auch wenn er faktisch nicht in der Lage war, das wettbewerbswidrige Handeln zu verhindern (4 Ob 110/02h = EvBl 2002/171 mwN). Das Interesse des Unternehmensinhabers am wirtschaftlichen Erfolg der unlauteren Wettbewerbshandlung reicht für sich allein in der Regel zur Begründung einer Haftung nach § 18 UWG nicht aus (4 Ob 24/95 = SZ 68/78 = ÖBl 1996, 80 - Städtische Bestattung mwN uva; RIS-Justiz RS0079924); ebenso wenig, dass die Tätigkeit dem Unternehmer zugute kommt (4 Ob 40/04t = SZ 2004/35 = MR 2004, 278 - Kroatische Mafia mwN).

Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, woraus sich für die Beklagte die rechtliche Möglichkeit ergeben soll, auf das Vertriebs- und Werbeverhalten der Verlegerin oder deren Tochtergesellschaften Einfluss zu nehmen. Weder besteht ein Auftragsverhältnis zwischen der Beklagten und der Verlegerin, wonach die Verlegerin verpflichtet wäre, Weisungen der Beklagten zu befolgen, noch ergibt sich aus der gesellschaftsrechtlichen Konstruktion aufgrund allfälliger Beherrschungsverhältnisse ein Weisungs- oder Durchgriffsrecht, zumal die Beklagte und die Verlegerin Schwestergesellschaften sind (vgl 4 Ob 111/92 = MR 1993, 28 - Giftige Zeitung). Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist ein Unternehmer auch nicht verpflichtet, seine vertraglichen Beziehungen zu Dritten so zu gestalten, dass er auf deren Verhalten rechtlich Einfluss nehmen kann (4 Ob 64/94 = SZ 67/102 = ÖBl 1995, 78 - Perlweiss II ua; RIS-Justiz RS0079809).

2. Der Kläger verweist darauf, dass ihm (zunächst) weder etwas über einen „Konzern der Beklagten" noch über irgendein „Firmengeflecht" bekannt gewesen sei und er sich an das andere Unternehmen gewandt hätte, hätte ihm die Beklagte auf sein Abmahnschreiben mitgeteilt, dass ein anderes Unternehmen für die Werbeanrufe verantwortlich ist. Der Kläger will damit die Haftung der Beklagten daraus ableiten, dass sie seine Forderung nicht zurückgewiesen und ihn auch nicht darauf aufmerksam gemacht hat, dass sie nur den redaktionellen Inhalt der Zeitung liefert und nicht auch den Vertrieb besorgt. Dem Kläger ist zuzugestehen, dass er den Eindruck gewinnen konnte, die Beklagte sei auch für den Vertrieb verantwortlich. Darauf kommt es aber ebenso wenig an wie auf die Frage, ob der Kläger zu Nachforschungen verpflichtet gewesen wäre:

Für die Passivlegitimation nach § 18 UWG sind nur die tatsächlichen Verhältnisse maßgebend. Erweckt jemand den Anschein, der wettbewerbswidrig Handelnde sei in seinem Unternehmen tätig und/oder er könne auf ihn Einfluss nehmen, obwohl dies in Wahrheit nicht zutrifft, so kann dies seine Haftung nicht begründen. Es wäre für den Kläger auch nichts gewonnen, wenn er einen Unterlassungstitel gegen jemanden erwirkte, der das wettbewerbswidrige Verhalten nicht unterbinden kann, weil ihm jede rechtliche Möglichkeit fehlt, auf den Täter Einfluss zu nehmen. Der Titel wäre für ihn wertlos. Das Unterlassungsbegehren des Klägers muss daher daran scheitern, dass die Anruferin den Kläger weder als Dienstnehmerin noch im Auftrag der Beklagten angerufen hat und der Beklagten die rechtliche Möglichkeit fehlt, auf das Verhalten des Unternehmens Einfluss zu nehmen, das die Anrufe veranlasst hat.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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