Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die am 18. 3. 1930 geborene Klägerin ist seit April 2004 nicht mehr mobil; sie kann nur kurz in den Rollstuhl mobilisiert werden. Sie muss bei Tag und Nacht alle zwei Stunden im Bett umgelagert werden, weil ansonsten die Gefahr eines neuerlichen Auftretens von Liegegeschwüren droht. Eigen- oder Fremdgefährdung besteht nicht. Mit Bescheid vom 9. 8. 2004 hat das Land Niederösterreich der Klägerin Pflegegeld der Stufe 5 ab 1. 5. 2004 zuerkannt. Das Erstgericht gab dem auf Zuerkennung von Pflegegeld der Stufe 6 gerichteten Klagebegehren statt. Das Erfordernis des Umlagerns alle zwei Stunden erfordere eine so engmaschige Betreuung, dass sie - entgegen der bisherigen Judikatur - nicht als koordinierbar zu bezeichnen sei.
Über Berufung der beklagten Partei änderte das Berufungsgericht im Sinne eines Zuspruchs von Pflegegeld der Stufe 5 ab. Das regelmäßige Umlagern eines Pflegebedürftigen zur Vermeidung von Wundliegen sei ebenso zeitlich koordinierbar wie das Wechseln der Windeln und die Reinigung bei einem inkontinenten Pflegebedürftigen. Die ordentliche Revision wurde mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zugelassen.
In ihrer Zulassungsbeschwerde stellt die Klägerin in den Vordergrund, dass vom Obersten Gerichtshof bisher nicht beurteilt worden sei, ob das Erfordernis eines Umlagerns der pflegebedürftigen Person alle zwei Stunden bei Tag und Nacht (im Hinblick auf die Intensität des damit verbundenen Aufwands) noch als zeitlich koordinierbare Betreuungsmaßnahme anzusehen sei. Diese Frage sei für eine Vielzahl pflegebedürftiger Personen in vergleichbaren Fällen relevant.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 4 Abs 2 des NÖ PGG gebührt Pflegegeld der Stufe 6 „Personen, deren Pflegebedarf ... durchschnittlich mehr als 180 Stunden monatlich beträgt, wenn
1. zeitlich unkoordinierbare Betreuungsmaßnahmen erforderlich sind und diese regelmäßig während des Tages und der Nacht zu erbringen sind oder
2. die dauernde Anwesenheit einer Pflegeperson während des Tages und der Nacht erforderlich ist, weil die Wahrscheinlichkeit einer Eigen- oder Fremdgefährdung gegeben ist".
Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung 10 ObS 135/00a = SSV-NF 14/64 eine zeitliche Koordinierbarkeit bei einer Klägerin angenommen, die tagsüber alle zwei Stunden und in der Nacht alle vier Stunden umgelagert werden musste; ein regelmäßiges Umbetten gegen Wundliegen sei zeitlich nicht unkoordinierbar. Diese Ansicht war bereits in der Entscheidung 10 ObS 218/99b = SSV-NF 14/42 vertreten worden, in der näher ausgeführt wurde, dass zeitlich unkoordinierbare Pflegemaßnahmen voraussetzten, dass nahezu jede Nacht tatsächlich unkoordinierbare, weil nicht planbare Betreuungsmaßnahmen erbracht werden müssen. Auch in der früheren Entscheidung 10 ObS 420/98g (SSV-NF 13/11) sowie den späteren Entscheidungen 10 ObS 82/02k und 10 ObS 374/02a wurde - ohne nähere Determinierung des zeitlichen Abstandes - das (regelmäßige) Umbetten der Klägerin gegen Wundliegen als nicht unkoordinierbar bezeichnet (siehe auch Greifeneder/Liebhart, Handbuch Pflegegeld [2004] Rz 345). Nun ist verständlich, dass ein Umlagern alle zwei Stunden auch in der Nacht mit einer intensiven Belastung der betreuenden Person einhergeht. Dies rechtfertigt aber nur ein Pflegegeld der Stufe 5 („außergewöhnlicher Pflegeaufwand"), solange die Betreuungsnotwendigkeit in mehr oder minder regelmäßigen Abständen auftritt, die voneinander noch in (hier) Zweistundenintervallen getrennt sind. In vergleichbarer Weise wurden Betreuungsmaßnahmen als zeitlich im Voraus koordinierbar angesehen, wenn die betroffene Person zirka eine Stunde alleine gelassen werden kann (10 ObS 4/01p = SSV-NF 15/39).
Da sich die Beurteilung durch das Berufungsgericht im Rahmen der zitierten Rechtsprechung hält, ist die außerordentliche Revision der Klägerin mangels erheblicher Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
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