OGH 4Ob164/05d

OGH4Ob164/05d4.10.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Binder Grösswang Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei T***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch e/n/w/c Eiselsberg Natlacen Walderdorff Cancola Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Veröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 34.500 EUR), über den Revisionsrekurs des Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 23. Juni 2005, GZ 5 R 238/04p-11, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 7. Oktober 2004, GZ 17 Cg 45/04f-4, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird keine Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen; die Beklagte hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Beide Parteien bieten öffentliche Festnetz-Sprachtelefondienste an. Bei den verschiedenen Gebührentarifen, zwischen denen Kunden der Parteien wählen können, wird grundsätzlich zwischen „Österreichzone" und „Lokalzone" und innerhalb dieser Zonen zwischen „Geschäftszeit" (Montag bis Freitag 8 bis 18 Uhr) und „Freizeit" (18 bis 8 Uhr und Samstag, Sonn- und Feiertag) unterschieden.

Die Beklagte bietet unter anderem den TikTak Privat Tarif an. Bei diesem kostet die Gesprächsminute in der „Österreichzone" 5,9 Cent während der „Geschäftszeit" und 2,6 Cent während der „Freizeit". In der „Lokalzone" kostet die Gesprächsminute 4,9 Cent während der „Geschäftszeit" und 1,35 Cent während der „Freizeit".

Auch der von der Klägerin unter anderem angebotene Tele2 Lokal Tarif unterscheidet zwischen „Österreichzone" und „Lokalzone" einerseits bzw „Geschäftszeit" und „Freizeit" andererseits. Die Kosten der Gesprächsminute sind bei diesem Tarif in allen Kategorien niedriger als beim TikTak Privat Tarif der Beklagten. Darüber hinaus bietet die Klägerin den Tele2 Classic Tarif an, bei dem die Gesprächsminute österreichweit 4,9 Cent während der „Geschäftszeit" und 1,9 Cent während der „Freizeit" kostet.

Im Festnetz können alle Kunden (mit einem Anschluss bei der Beklagten, die etwa den Tele2 Classic Tarif mit Verbindungsnetzbetreiber-Vorauswahl (CPS) gewählt haben, unter Vorwahl der Nummer 1001 in das Netz der Beklagten zurückwechseln und so - von Destination zu Destination - den jeweils günstigsten Anbieter wählen. Entsprechendes gilt im Call-by-call-Verfahren.

Am 11./12. September 2004 schaltete die Beklagte in der Wochenendausgabe der Tageszeitung „Der Standard" ein Inserat, mit dem sie für ihren TikTak Privat Tarif - in ähnlicher Weise wie auch im Fernsehen - warb:

Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, der Beklagten zu verbieten, a) im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs einen Tarif der Beklagten in einem speziellen Tarifbestandteil (Einzelpreis) mit einem Tarif der Klägerin zu vergleichen, der diesen Tarifbestandteil (Einzelpreis) nicht hat, wenn die Klägerin einen anderen Tarif anbietet, der diesen Tarifbestandteil (Einzelpreis) hat und/oder in diesem Tarifbestandteil (Einzelpreis) günstiger ist, insbesondere den TikTak Privat Tarif der Beklagten mit dem Tele2 Classic Tarif der Klägerin in der Lokalzone in der Freizeit zu vergleichen, wenn die Klägerin auch den Tele2 Lokal Tarif anbietet, der einen eigenen Tarifbestandteil für die Lokalzone hat, der günstiger ist als jener des TikTak Privat Tarifs, b) im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs beim Vergleich eines Tarifs der Beklagten mit einem Tarif der Klägerin durch blickfangartige Aufmachung und/oder unvollständige Aufklärung den Eindruck hervorzurufen, dass der Tarif der Beklagten deutlich günstiger sei als jener der Klägerin, wenn dies nicht zutrifft, insbesondere durch die grafische Hervorhebung der Angabe '28 % günstiger als Tele2 Classic" den Eindruck hervorzurufen, dass der TikTak Privat Tarif insgesamt um 28 % günstiger sei als der Tele2 Classic Tarif, ohne klar darüber aufzuklären, dass es sich um einen Tarifvergleich ausschließlich für die Lokalzone in der Freizeit handelt und/oder mit dem verglichenen Tarifbestandteil (Einzelpreis) des Tele2 Classic Tarifs in ganz Österreich telefoniert werden kann und/oder der Tele2 Classic Tarif in der Österreichzone deutlich günstiger ist. Die Beklagte verstoße mit dieser Art vergleichender Werbung gegen § 2 UWG. Sie vergleiche Tarife mit völlig unterschiedlicher Einteilung der Destinationen und Zeiten und somit völlig unterschiedlicher Gebührenstruktur, verschweige aber einen anderen, vergleichbaren Tarif der Klägerin, der in jedem Detail günstiger sei als der Tarif der Beklagten. Dadurch würden Kunden über die Tarife der Parteien in die Irre geführt. Darüber hinaus stelle die Beklagte die Aussage '28 % günstiger als Tele2 Classic" plakativ heraus und erwecke dadurch beim durchschnittlich aufmerksamen und verständigen Konsumenten den unrichtigen Eindruck, der TikTak Privat Tarif der Beklagten sei insgesamt um 28 % günstiger als der Tele2 Classic Tarif. Der Hinweis auf die „Lokalzone" und die „Freizeit" kläre angesichts der konkreten Gestaltung der Werbung nicht ausreichend auf.

Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Der Vergleich mit einem konkreten Tarifbeispiel sei richtig, enthalte die Werbung der Beklagten doch einen ausreichenden Hinweis darauf, dass sich der Vergleich auf die „Lokalzone" und die „Freizeit" beziehe. Im Gegensatz zur Mobiltelefonie sei es im Festnetz dem Kunden mit einem Anschluss bei der Beklagten jederzeit möglich, durch Verwendung einer einfachen Vorwahl etwa von einem Tarif der Klägerin (wieder) in das Netz der Beklagten zurückzuwechseln bzw sich bei jedem Wahlvorgang für einen bestimmten Verbindungsnetzbetreiber zu entscheiden. Der Kunde sei daher nicht gezwungen, im Bündeltarif zu telefonieren.

Das Erstgericht gab dem Sicherungsbegehren zu Punkt a) statt (dieser Punkt ist im Revisionsrekursverfahren nicht mehr verfahrensgegenständlich) und wies das Sicherungsbegehren zu Punkt b) ab. Die Beklagte habe gegen § 2 UWG verstoßen, weil sie unterschiedliche Dienstleistungen verglichen und außerdem verschwiegen habe, dass die Klägerin mit dem Tele2 Lokal Tarif einen Tarif anbiete, der in allen Destinationen unter ihrem TikTak Privat Tarif liege. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass ein Kunde bei jedem Anruf überlege, wie er die gewünschte Telefonverbindung zum günstigsten Preis erhalte. Allerdings erwähne die Werbung der Beklagten, dass der Preisvergleich nur für die „Lokalzone" abends und am Wochenende gelte. Dieser Hinweis könne einem durchschnittlich aufmerksamen Leser nicht entgehen. Damit sei aber keineswegs zu erwarten, dass der durchschnittliche Kunde aus der Werbung den Schluss ziehe, der TikTak Privat Tarif sei insgesamt um 28 % günstiger oder jedenfalls günstiger als der Tele2 Classic Tarif.

Das Rekursgericht gab dem Sicherungsbegehren auch zu Punkt b) statt. Auf Grund der Aufmachung der Werbung, insbesondere der blickfangartigen Hervorhebung des Textes '28 % günstiger als Tele2 Classic" entstehe bei flüchtiger Betrachtung und durchschnittlicher Aufmerksamkeit der Eindruck, Telefonate seien bei der Klägerin in der „Lokalzone" abends und am Wochenende um 28 % teurer als bei der Beklagten. Der - an sich vergleichbare - Tele2 Lokal Tarif der Klägerin werde überhaupt verschwiegen.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig, weil das Rekursgericht zu Unrecht vom Verbraucherleitbild des flüchtigen Betrachters ausgegangen ist; er ist jedoch nicht berechtigt.

1. Vergleichende Werbung ist nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs primär nach § 2 UWG zu beurteilen und wettbewerbsrechtlich zu beanstanden, wenn die ernstlich und objektiv nachprüfbar behaupteten Umstände nicht den Tatsachen entsprechen oder die Ankündigung sonst zur Irreführung geeignet ist (4 Ob 87/03b = ÖBl-LS 2003/120 - STROMPREISVERGLEICH mwN). Dabei kann auch durch das Verschweigen wesentlicher Umstände ein falscher Gesamteindruck hervorgerufen werden, wenn die Unvollständigkeit geeignet ist, das Publikum in für den Kaufentschluss erheblicher Weise irrezuführen. Diese Grundsätze gelten auch für Preisvergleiche (4 Ob 3/93 = wbl 1993, 336 - ERSPARNIS; 4 Ob 212/01g = ÖBl 2002/23 - FREIMINUTEN).

Dass die Beklagte mit der im vorliegenden Verfahren beanstandeten preisvergleichenden Werbung deshalb gegen § 2 UWG verstoßen hat, weil diese einerseits zwei unterschiedliche Tarife (Tele2 Classic Tarif bzw TikTak Privat Tarif) vergleicht und andererseits verschweigt, dass die Klägerin über einen tatsächlich vergleichbaren Tarif (Tele2 Lokal Tarif) verfügt, der in allen Kategorien allerdings billiger ist als der Tarif der Beklagten, haben die Vorinstanzen zutreffend erkannt. Die Beklagte wehrt sich daher auch nicht mehr gegen Punkt a) des Sicherungsbegehrens, mit dem ihr dieser Tarifvergleich verboten wird. Durchaus folgerichtig hat das Rekursgericht der Beklagten auch verboten, bei einem Tarifvergleich durch unvollständige Aufklärung den Eindruck hervorzurufen, der Tarif der Beklagten sei insgesamt deutlich günstiger als jener der Klägerin, wenn dies nicht zutrifft. Gerade dies hat die Beklagte mit der beanstandeten Werbung getan, indem sie nicht darüber aufgeklärt hat, dass mit dem Tele2 Classic Tarif in ganz Österreich telefoniert werden kann bzw der Tele2 Classic Tarif in der „Österreichzone" deutlich günstiger ist als der TikTak Privat Tarif. Mit diesen Überlegungen setzt sich die Beklagte in ihrem Revisionsrekurs inhaltlich auch nicht weiter auseinander.

2. Die Beklagte bekämpft allerdings die Auffassung des Rekursgerichts, durch die blickfangartige Hervorhebung des Textes '28 % günstiger als Tele2 Classic" entstehe bei flüchtiger Betrachtung und durchschnittlicher Aufmerksamkeit außerdem der Eindruck, der TikTak Privat Tarif der Beklagten sei insgesamt um 28 % günstiger als der Tele2 Classic Tarif der Klägerin; maßgeblich sei vielmehr das Verbraucherleitbild des durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers; dieser habe aber erkannt, dass die beanstandete Werbung auf die „Lokalzone" abends und am Wochenende beschränkt war.

Für den Werbevergleich gilt unter anderem, dass er nicht irreführend im Sinne des § 2 UWG sein darf. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, richtet sich, wie bei der Beurteilung der Wirkung von Werbeaussagen ganz allgemein, nach dem Gesamteindruck, den der Werbevergleich erweckt (4 Ob 157/03x = wbl 2004/13 - O.B.-WERBUNG mwN). Ob eine Angabe oder eine Unvollständigkeit zur Irreführung geeignet ist, hängt davon ab, wie die angesprochenen Verkehrskreise die Angaben verstehen. Sie sind irreführend, wenn die Vorstellungen, welche die Umworbenen über ihre Bedeutung haben, mit den wirklichen Verhältnissen nicht in Einklang stehen (zuletzt 4 Ob 94/05k - SALZBURGER WOCHE mwN). Dabei kommt es nach der Rechtsprechung des EuGH (C-44/01 = ÖBl 2003/79 - BRILLEN-PREISVERGLEICHE II) im Bereich der vergleichenden Werbung auf die „mutmaßliche Erwartung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers" an. Mit der Richtlinie (EWG) 84/450 sei eine abschließende Harmonisierung der Bedingungen vorgenommen worden, unter denen vergleichende Werbung in den Mitgliedstaaten zulässig ist. Eine solche Harmonisierung setze naturgemäß voraus, dass allein anhand der vom Gemeinschaftsgesetzgeber aufgestellten Kriterien zu beurteilen ist, wann vergleichende Werbung in der ganzen Gemeinschaft zulässig ist. Folglich dürften strengere nationale Vorschriften zum Schutz gegen irreführende Werbung nicht auf vergleichende Werbung hinsichtlich der Form und des Inhalts des Vergleichs angewandt werden.

Das Rekursgericht hat demgegenüber auf das Verbraucherleitbild des flüchtigen Betrachters abgestellt und damit einen strengeren Maßstab angewendet als der EuGH (vgl Augenhofer, Pippig versus Hartlauer: EuGH klärt offene Fragen hinsichtlich vergleichender Werbung, RdW 2003/596). Diese Nichtberücksichtigung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben war zu korrigieren. Allerdings kann daraus für die Beklagte nichts gewonnen werden:

Durch den blickfangartig hervorgehobenen Text '28 % günstiger als Tele2 Classic" gewinnt auch ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbrauchers den Eindruck, ein Telefonkunde könne sich durch die Wahl des Tarifs der Beklagten Telefongebühren im Festnetz ersparen. Er wird daher durch die Blickfangwerbung veranlasst, sich mit dem Angebot der Beklagten näher zu befassen (4 Ob 247/02f = MR 2003, 48 [Pöchhacker] - 3 MONATE GRATIS SURFEN). Die Beklagte weist zwar im weiteren Text der beanstandeten Werbung darauf hin, dass dies für die „Lokalzone" abends und am Wochenende gilt, womit an sich klargestellt wäre, dass sich die Werbeaussage insofern nur auf einen Teilaspekt des Tarifvergleichs bezieht. Allerdings ist diese Aufklärung lediglich halb so groß geschrieben wie die Ankündigung '28 % günstiger als Tele2 Classic" und wird außerdem durch einen Trennstrich optisch vom blickfangartig hervorgehobenen Text abgesetzt. Auch der verständige Durchschnittsverbraucher wird daher nicht unbedingt mit einer massiven Einschränkung der (hervorgehobenen) Werbeaussage rechnen. Zu berücksichtigen ist bei der Gesamtbeurteilung nämlich auch der Umstand, dass nicht die Einschränkung unter dem Trennstrich lediglich einen kleinen Teil der verglichenen Tarife betrifft, sondern umgekehrt der blickfangartig hervorgehobene Text nur einen geringfügigen Teilaspekt aufgreift. Das Ausmaß des angeblichen Preisvorteils ist aber so dominant, dass der weitere Text nicht mehr gesehen wird.

Damit hat das Rekursgericht zutreffend auch einen Verstoß der Beklagten gegen § 2 UWG durch blickfangmäßige Aufmachung angenommen; dem Revisionsrekurs war daher im Ergebnis keine Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO, jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78 und 402 Abs 4 EO iVm §§ 40 und 50 ZPO.

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