OGH 4Ob3/93

OGH4Ob3/9318.5.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** Gesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Rudolf Jahn und Dr.Harald R.Jahn, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei F*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Michael Graff, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 450.000) infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 16. November 1992, GZ 4 R 216/92-10, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 11.September 1992, GZ 37 Cg 182/92-6, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

32.463 (darin enthalten S 5.310,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist die Verlegerin der Tageszeitungen "Neue Kronen-Zeitung" und "Kurier". Die Beklagte ist die Medieninhaberin (Verlegerin) und Herstellerin der Tageszeitung "täglich Alles".

Am 19.7.1992 enthielt die Tageszeitung "täglich Alles" folgende Einschaltung:

Die - nur in Wien, Niederösterreich und dem nördlichen Burgenland "flächendeckend" verkaufte - Tageszeitung "täglich Alles" kostet täglich S 3; sie ist nicht im Abonnement erhältlich. Nur die Tageszeitungen "Neue Kronen-Zeitung" und "Kurier" kosten im Einzelverkauf täglich S 8 ("Kurier" am Freitag S 10). Ein Sechs-Tage-Abonnement dieser beiden Tageszeitungen kostet (in Wien, Niederösterreich und Burgenland) S 160, S 170 oder S 180, ein Sieben-Tage-Abonnement S 188 oder S 198 pro Monat. Abonnenten dieser Tageszeitungen müssen regelmäßig keine längere Bindungsfrist als einen Monat eingehen. Die Hauszustellung abonnierter Tageszeitungen erfolgt jeweils in den frühen Morgenstunden.

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches beantragt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu gebieten, im Zusammenhang mit der Tageszeitung "täglich Alles" die Behauptungen "Das macht im Monat eine Ersparnis von S 150" und/oder "Mit täglich Alles sind Sie jeden Monat um S 150 besser dran" und/oder Behauptungen ähnlichen Inhaltes - insbesondere bei der Werbung - im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, wenn im Vergleich mit demjenigen monatlichen Gesamtpreis für andere Tageszeitungen - insbesondere den monatlichen Gesamtpreis für die "Neue Kronen-Zeitung" oder für den "Kurier", welcher bei Bezug der Ausgaben Montag bis Samstag in Form eines Abonnements einschließlich des Preises für die Sonntagsausgaben zu bezahlen ist, die Ersparnis beim Erwerb der Tageszeitung "täglich Alles" geringer als S 150 pro Monat ist. Die beiden blickfangartig hervorgehobenen Sätze seien grob irreführend, weil die wesentliche Tatsache verschwiegen werde, daß diese Ersparnis, bezogen auf den Abonnementpreis der Klägerin, wesentlich geringer ausfalle; sie betrage - je nach Abonnementpreis - nur S 102, S 112 oder S 122 im Monat. Von dem günstigen Abonnementpreis machten auch 25 % der Käufer der "Neuen-Kronen-Zeitung" und 20 % jener des Kuriers Gebrauch. Die Beklagte habe den - mangels erforderlicher vollständiger Aufklärung über den Abonnementpreis - irreführenden Preisvergleich wissentlich vorgenommen, so daß sie auch gegen § 1 UWG verstoßen habe; sie hätte die günstigere Bezugsmöglichkeit dieser Tageszeitungen im Wege eines Abonnements nicht verschweigen dürfen. Mit dem Ausdruck "herkömmliche Zeitungen" und derern Einzelverkaufspreis von täglich S 8 seien - für das Publikum eindeutig erkennbar - die von der Klägerin verlegten Tageszeitungen bezeichnet worden.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrages. Aus ihrem Preisvergleich gehe eindeutig hervor, daß sie die Einzelverkaufspreise der genannten Tageszeitungen verglichen habe. Der Preisvergleich sei sachlich richtig; er erwecke - gerade wegen des Fehlens eines Hinweises auf einen Abonnementpreis - bei den angesprochenen Verkehrskreisen auch keinen unrichtigen Eindruck. Es wäre abwegig, auf einen Abonnementpreis der Klägerin hinzuweisen, weil die Tageszeitung "täglich Alles" im Abonnement gar nicht erhältlich sei; somit habe auch keinerlei Pflicht zu einer weiteren Aufklärung bestanden.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Die von der Klägerin verlegten Tageszeitungen seien zwar wegen des nur auf sie zutreffenden Einzelverkaufspreises von täglich S 8 von dem Preisvergleich betroffen; dieser sei jedoch zulässig, weil damit vergleichbare Preise verglichen worden seien. Der Vergleich sei auch wahr: Da in den angesprochenen Leserkreisen auch bekannt sei, daß die Tageszeitungen "Neue Kronen-Zeitung" und "Kurier" im Abonnement billiger erhältlich seien als beim Einzelbezug, vermittle der Preisvergleich auch sonst keinen unrichtigen Eindruck.

Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der in der Anzeige genannte Einzelkaufpreis von S 8 sei ein ausreichend deutlicher Hinweis auf die Tageszeitungen "Neue Kronen-Zeitung" und "Kurier". Preisvergleiche seien - wie jedes andere wahrheitsgemäße, an Hand objektiver Daten überprüfbare Herausstellen der eigenen besseren Leistung im Wege der Gegenüberstellung mit der schlechteren Leistung von Mitbewerbern - zulässig, sofern sie nicht zur Irreführung geeignet seien oder - etwa durch Pauschalabwertungen, unnötige Bloßstellungen oder aggressive Tendenzen - das Sachlichkeitsgebot verletzten. Der von der Beklagten vorgenommene Preisvergleich beschränke sich aber nicht auf eine Gegenüberstellung von Einzelverkaufspreisen; er enthalte als wesentliche Aussage auch die Ersparnis beim täglichen Kauf der Tageszeitung "täglich Alles" im Zeitraum eines Monates. Durch das blickfangartige Hervorheben dieser Ersparnis werde den angesprochenen Lesern suggeriert, daß sie diesen Betrag in jedem Fall sparten. Da die Tageszeitung "täglich Alles" nicht im Wege eines Abonnements bezogen werden könne, wäre ein Hinweis darauf erforderlich gewesen, daß ausschließlich Einzelverkaufspreise verglichen würden; auch eine Klarstellung, daß die von der Klägerin verlegten Tageszeitungen im Abonnement günstiger erworben werden könnten, wäre erforderlich gewesen. Wegen des Fehlens dieser Aufklärungen vermittelten die blickfangartig hervorgehobenen Werbeaussagen über die monatliche Ersparnis einen unrichtigen Eindruck im Sinne des § 2 UWG.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Klägerin beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes über die Auslegung mehrdeutiger Werbeangaben auf den vorliegenden Fall zu Unrecht angewandt hat; er ist auch berechtigt.

Mit Recht weist der Revisionsrekurs darauf hin, daß in der beanstandeten Anzeige mit den Worten "Herkömmliche Zeitungen fordern täglich S 8" und "So sparen Sie jeden Tag....." ohnehin deutlich darauf hingewiesen wurde, daß die Einzelverkaufspreise der Tageszeitungen der Streitteile verglichen wurden. Die Beklagte hat nicht etwa undeutliche Werbeaussagen blickfangartig in den Vordergrund gestellt, sondern die beanstandeten Ankündigungen "Das macht im Monat eine Ersparnis von S 150" und "Mit täglich Alles sind Sie jeden Monat um S 150 besser dran" in etwa gleich auffälliger Weise mit den im Vergleich ebenfalls angegebenen Einzelverkaufspreisen dieser Tageszeitungen begründet. Eine Beurteilung der beanstandeten Werbeangaben unter dem Gesichtspunkt des § 2 UWG (vgl dazu Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 24 f; Koppensteiner, Wettbewerbsrecht2, 44; ÖBl 1984, 43; ÖBl 1984, 75 uva) ist daher hier nicht geboten; auch für die Anwendung der Unklarheitenregel ist kein Raum, weil die beanstandete Ankündigung nicht mehrdeutig ist (vgl zu diesem Erfordernis Hohenecker-Friedl aaO 23; Koppensteiner aaO 44 f; ÖBl 1984, 75; ÖBl 1986, 68 uva), sondern eindeutig klarstellt, daß der Preisvergleich (und damit die ermittelte Ersparnis und der sich daraus ergebende Vorteil) auf dem Vergleich der Einzelverkaufspreise der Tageszeitungen der Streitteile beruht.

Richtig ist zwar, daß auch eine Unterlassung - wie etwa das Stillschweigen - unter den Begriff der "Angaben" im Sinne des § 2 UWG fallen kann, wenn eine Handlung zu erwarten war, insbesondere eine Pflicht zur Aufklärung bestand (Hohenecker-Friedl aaO 23; Koppensteiner aaO 47; ÖBl 1982, 126; ÖBl 1985, 71 uva); eine allgemeine Pflicht zur Vollständigkeit von Werbeaussagen besteht jedoch nicht, weil der Werbende grundsätzlich nicht auf Nachteile seiner Ware hinzuweisen braucht (ÖBl 1981, 21; ÖBl 1985, 101). Das Verschweigen wesentlicher Umstände kann vor allem dort einen falschen Gesamteindruck hervorrufen, wo einer bestimmten Tatsachen eine solche Bedeutung zukommt, daß ihre Nichterwähnung geeignet ist, das Publikum in relevanter Weise irrezuführen. Im vorliegenden Fall wurde aber deutlich klargestellt, daß der Preisvergleich und der sich daraus für die Zeitung der Beklagten ergebende Vorteil auf den Einzelverkaufspreisen dieser Tageszeitungen beruht. Da aber unter Zeitungslesern allgemein bekannt ist, daß der Bezug von Zeitungen im Wege eines Abonnements billiger kommt als der Erwerb im Einzelverkauf, mußte die Beklagte auch nicht besonders darauf hinweisen, daß der von ihr errechnete Vorteil unter Zugrundelegung der Abonnementpreise für die Tageszeitungen "Neue Kronen-Zeitung" und "Kurier" geringer ist.

Der Preisvergleich der Beklagten ist daher nicht irreführend; da auch ein Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot nicht erkennbar ist, kann er auch sonst nicht beanstandet werden (vgl SZ 63/108; MR 1989, 143; ÖBl 1990, 152; ÖBl 1991, 71).

Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und der abweisende Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 78, 402 EO, §§ 41, 50, 52 Abs 1 ZPO.

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