Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft mit dem Sitz in Klagenfurt; sie ist in diesem Bereich Netzbetreiber und marktführender Anbieter für die Lieferung von elektrischem Strom.
Die Beklagte hat ihren Sitz in Salzburg; sie bietet ebenfalls die Lieferung von elektrischem Strom an und wirbt (auch) um Kunden in Klagenfurt. In der „Kärntner Woche" vom Dezember 2002 schaltete sie ein Inserat ein, dessen Textteil wie folgt lautete:
Der im Inserat genannte Arzt betreibt in Klagenfurt tatsächlich eine Praxis. Der Stromverbrauch für seine Praxis betrug im gesamten Jahr 2001 3.022 kWh.
Die Klägerin bietet folgende „unentgeltliche Serviceleistungen für STW-Vertriebskunden nach der NETZ-Eigentumsgrenze" an:
Verfügbarkeit der Störungsdienste rund um die Uhr
Eingrenzung von Störungsursachen und Behebung von Störungen ohne besonderen Material- und Zeitaufwand
Durchführung von Spannungsmessungen
Erstellung von Lastanalysen
Ermittlung des Stromverbrauchs von Haushaltsgeräten durch Beistellung von Leihzählern
Durchführung von Heizlastberechnungen
Heizungsberatungen (auch vor Ort)
Bauthermographische Untersuchungen
Lecksuche an Kalt- und Warmwasserleitungen sowie Fußbodenheizungen
Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, der Beklagten zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
a) wörtlich oder sinngemäß zu behaupten, ein Strombezugskunde der Beklagten würde sich gegenüber den Strombezugskosten, die dieser Kunde als Stromabnehmer der Klägerin zu zahlen hätte, einen bestimmten Geldbetrag ersparen, wenn der Betrag der Ersparnis auf der Grundlage einer Strombezugsmenge ermittelt wird, die dieser Kunde tatsächlich auch nicht annähernd benötigt und konsumiert,
b) Preisvergleiche zwischen den Strombezugspreisen der Beklagten und der Klägerin anzustellen, wenn solche Vergleiche insofern unvollständig sind, als nicht erwähnt wird, dass in den Preisen der Klägerin nicht gesondert zu zahlende und somit unentgeltliche Serviceleistungen enthalten sind (nämlich: Verfügbarkeit von Störungsdiensten rund um die Uhr, Eingrenzung von Störungsursachen und Behebung von Störungen ohne besonderen Material- und Zeitaufwand, Durchführung von Spannungsmessungen, Erstellung von Lastanalysen, Ermittlung des Stromverbrauchs von Haushaltsgeräten durch Beistellung von Leihzählern, Durchführung von Heizlastberechnungen, Heizungsberatungen, bauthermographische Untersuchungen, Lecksuche an Kalt- und Warmwasserleitungen sowie Fußbodenheizungen), sofern die Beklagte ihren Kunden gleichartige unentgeltliche Serviceleistungen nicht anbietet.
Der Preisvergleich sei irreführend, weil der Stromverbrauch und damit auch die Ersparnis des Kunden wesentlich geringer gewesen sei. Der Preisvergleich sei auch unvollständig. Es werde nicht erwähnt, dass die Klägerin für ihre Stromkunden ein ganzes Paket unentgeltlicher Serviceleistungen bereit halte. Das kostenlos verfügbare Paket an Serviceleistungen sei eine nicht unwesentliche Komponente der Preisgestaltung.
Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Der Stromverbrauch des Kunden sei durch einen Additionsfehler tatsächlich unrichtig angegeben worden. Die prozentuelle Ersparnis wäre jedoch sogar noch höher, wenn der richtige Stromverbrauch zu Grunde gelegt worden wäre. Der mündige aufmerksame Verbraucher werde seine Kaufentscheidung ohnehin erst treffen, nachdem er sich über seinen Jahresstromverbrauch informiert habe. Die Berechnungsgrundlage sei im Inserat offen gelegt. Der Preisvergleich sei daher nicht zur Irreführung geeignet. Die Serviceleistungen der Klägerin beträfen nicht die Ware Strom, sondern den Netzbetreiberbereich, in dem die Beklagte nicht tätig sei. Auf die Stromtarife wirkten sie sich nicht aus. Bei einem Vergleich des Strompreises werde eine Auflistung derartiger Leistungen nicht erwartet.
Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag zu Punkt a) statt; das Mehrbegehren wies es ab. Der Preisvergleich sei zur Irreführung geeignet, weil er den unrichtigen Eindruck erwecke, durch den Wechsel zur Beklagten als Stromanbieter könne man sich einen namhaften Geldbetrag ersparen. Der Preisvergleich sei jedoch nicht unvollständig. Ein durchschnittlicher Kunde wisse, dass ein staatlicher Netzbetreiber das Netz privaten Stromanbietern zur Verfügung stelle. Der private Stromanbieter sei nicht verpflichtet, die Nachteile eines Strombezugs bei ihm aufzuzeigen.
Das Rekursgericht bestätigte den stattgebenden Teil, gab dem Sicherungsantrag zu Punkt b) statt und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands bei beiden Sicherungsbegehren 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zu Punkt a) unzulässig, zu Punkt b) aber zulässig sei. Die unrichtige Preisersparnis sei blickfangartig herausgestellt. Die in Prozenten ausgedrückte Stromkostensenkung trete dem gegenüber in den Hintergrund. Das Sicherungsbegehren zu Punkt a) sei nicht unbestimmt. Wenn die Klägerin der Beklagten einen nicht ins Gewicht fallenden Toleranzbereich zubillige, werde das Sicherungsbegehren dadurch nicht unbestimmt. Die Serviceleistungen der Klägerin bezögen sich nicht auf den Netzbetrieb. Die Beklagte habe daher verschwiegen, dass die Klägerin eine qualitativ bessere Dienstleistung anbiete. Sie habe die angesprochenen Stromkunden damit irregeführt.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluss gerichtete Revisionsrekurs der Klägerin ist unzulässig, weil die Entscheidung nicht von einer erheblichen Rechtsfrage abhängt. Da beide Begehren aus demselben Sachverhalt abgeleitet werden, und daher in einem rechtlichen und tatsächlichen Zusammenhang iSd § 55 Abs 1 Z 1 JN stehen, hätte das Rekursgericht im Übrigen den Revisionsrekurs nur entweder zulassen oder nicht zulassen können (Kodek in Rechberger, ZPO² § 502 Rz 1 mwN).
1. Zum "außerordentlichen Revisionsrekurs" gegen den bestätigenden Teil des angefochtenen Beschlusses
Die Beklagte macht als erhebliche Rechtsfrage geltend, dass die Rechtsprechung zur Frage, ob das Verbraucherleitbild des EuGH auch bei rein österreichischen Sachverhalten maßgebend sei, zumindest uneinheitlich erscheine. Sie verweist auf die Entscheidung 4 Ob 196/00b (= ÖBl 2001, 18 - Lego Klemmbausteine), in der der OGH das Verbraucherleitbild des durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers zugrunde gelegt habe. In den Entscheidungen 4 Ob 232/99t und 4 Ob 201/01i sei hingegen auf den Gesamteindruck bei flüchtiger Betrachtung durch einen Interessenten mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit abgestellt worden.
Die Frage, welches Verbraucherleitbild maßgebend ist, wäre nur dann für die Entscheidung erheblich, wenn die Irreführungseignung der beanstandeten Werbung je nach dem verschieden zu beurteilen wäre, ob sie mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit bloß flüchtig betrachtet oder von einem durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher wahrgenommen wird. Das ist jedoch nicht der Fall. Auch ein verständiger Verbraucher gewinnt durch den blickfangartig herausgestellten Geldbetrag den Eindruck, ein Stromkunde könne sich durch einen Wechsel zur Beklagten einen erheblichen Betrag ersparen. Auch er wird daher durch die Blickfangwerbung veranlasst, sich mit dem Angebot der Beklagten näher zu befassen.
Der im Inserat angeführte hohe Betrag lässt den Wechsel wesentlich attraktiver erscheinen als dies der Fall wäre, wenn die Beklagte die Ersparnis aufgrund des tatsächlichen Stromverbrauchs berechnet oder sie nur in Prozenten angegeben hätte. Die Angabe in Prozenten wirkt auch - anders als die Angabe der Datenmenge in dem der Entscheidung 4 Ob 247/02f (= MR 2003, 48 [Pöchhacker] - 3 Monate gratis surfen) zugrunde liegenden Fall - nicht klarstellend, weil sie den absoluten Betrag der Preisersparnis nicht relativiert, sondern nur einen Bezug zwischen der Preisersparnis und den gesamten Stromkosten schafft.
Die Beklagte macht als erhebliche Rechtsfrage weiters geltend, dass die angefochtene Entscheidung der Rechtsprechung widerspreche, wonach eine Irreführung nur dann gegen § 2 UWG verstößt, wenn sie geeignet ist, den Entschluss des angesprochenen Interessenten, sich mit dem Angebot zu befassen, in irgendeiner Weise zugunsten dieses Angebots zu beeinflussen (stRsp 4 Ob 2338/96v = ÖBl 1997, 172 - D-Schulen; 4 Ob 255/01f = ÖBl 2002/24 [Warbek] - galtuer.at uva). Der behauptete Widerspruch liegt jedoch nicht vor:
Auch wenn kein Stromkunde annehmen wird, er werde sich exakt den gleichen Betrag wie der im Inserat beschriebene Kunde ersparen, wird er doch viel eher geneigt sein, sich mit dem Angebot der Beklagten zu befassen, wenn sich ein Arzt und damit ein Kunde, dessen Stromverbrauch für seine Praxis jedenfalls nicht übermäßig groß sein wird, einen erheblichen Betrag erspart. Die blickfangartig herausgestellte Preisersparnis ist damit geeignet, die Aufmerksamkeit auf das Angebot der Beklagten zu lenken.
Keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung kommt der Frage zu, ob das Unterlassungsbegehren ausreichend bestimmt ist (s Kodek in Rechberger, ZPO² § 502 Rz 5 mwN). Die von der Beklagten beanstandete Wortfolge („tatsächlich auch nicht annähernd benötigt und konsumiert") drückt im Übrigen nur aus, dass, ähnlich wie im Anlassfall, ein erhebliches Missverhältnis zwischen tatsächlicher und dem Vergleich zugrunde gelegter Verbrauchsmenge bestehen muss.
2. Zum "ordentlichen Revisionsrekurs" gegen den abändernden Teil des angefochtenen Beschlusses
Das Rekursgericht hat den Revisionsrekurs mit der Begründung für zulässig erklärt, dass zu einem vergleichbaren Sachverhalt - Strompreisvergleich nach der Liberalisierung des Energiemarktes - keine Rechtsprechung bestehe. Es hat dabei verkannt, dass auch für den Wettbewerb auf dem Energiemarkt die gleichen Grundsätze wie für den Wettbewerb auf anderen Gebieten gelten (s 4 Ob 44/03d).
Danach verstoßen unvollständige Angaben gegen § 2 UWG, wenn durch das Verschweigen wesentlicher Umstände ein falscher Gesamteindruck hervorgerufen wird, so dass die Unvollständigkeit geeignet ist, das Publikum in einer für den Kaufentschluss erheblichen Weise irrezuführen (zuletzt etwa 4 Ob 212/01g = ÖBl 2002/23 - Freiminuten; 4 Ob 43/02f = wbl 2002/261 - Bestsale). Mit dieser Rechtsprechung steht die angefochtene Entscheidung im Einklang und es trifft entgegen der Behauptung der Beklagten nicht zu, dass die angefochtene Entscheidung "den Sachverhalt anhand der Rechtsprechung des OGH unrichtig beurteilt" hätte.
Dass Rechtsprechung zu "einem exakt gleichartigen Fall" fehlen mag, schadet nicht. Die Entscheidung hängt bereits dann von keiner erheblichen Rechtsfrage ab, wenn sie - wie der angefochtene Beschluss - den festgestellten Sachverhalt nach den von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätzen beurteilt. Ob nach den im Einzelfall gegebenen Umständen ein irreführender Gesamteindruck entsteht, hat im Übrigen regelmäßig keine darüber hinausgehende Bedeutung und vermag daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu begründen.
Der Revisionsrekurs war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 EO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der Beklagten hingewiesen; ihre Revisionsrekursbeantwortung war daher zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig.
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