OGH 7Ob144/05k

OGH7Ob144/05k28.9.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johannes V*****, vertreten durch Dr. Dieter Brandstätter, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Mathias K*****, vertreten durch MMag. Dr. Franz Pechmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert EUR 8.000) über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht vom 14. April 2005, GZ 53 R 110/05s-23, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Saalfelden vom 10. Februar 2005, GZ 2 C 2290/03i-19, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Am 7. 3. 2000 erlitt der Kläger einen Schiunfall. Durch den Zusammenstoß mit dem Beklagten erlitt er ein lebensbedrohliches Schädel-/Gesichtsschädeltrauma. Im Gesichtsschädelknochen wurde im Zuge der Wiederherstellung Metall eingebracht, das nach Mitteilung der damals behandelnden Ärzte gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt entfernt werden sollte. Es kam zu unvorgesehenen Komplikationen im Heilungsverlauf durch zwei epileptische Anfälle des Klägers am 14. und 15. 5. 2000 sowie zu einer lebensbedrohlichen Meningitis vom 25. 5. bis 5. 6. 2000. Der Kläger war zu 100 % berufsunfähig, es gelang ihm bis Oktober 2000 eine allmähliche, bis heute andauernde, nunmehr aber vollständige Rückkehr ins Arbeitsleben.

Der Beklagte ist bei der W***** Versicherungs AG unter anderem gegen Schäden aus nichtberufsmäßiger Sportausübung haftpflichtversichert. Dem Vertrag liegen die allgemeinen und ergänzenden allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung 1993 (AHVB 1993 und EHVB 1993) zugrunde.

In Art 8 AHVB 1993 ist geregelt:

„Obliegenheiten; Vollmacht des Versicherers

...

2. Vollmacht des Versicherers

Der Versicherer ist bevollmächtigt, im Rahmen seiner Verpflichtung zur Leistung alle ihm zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen des Versicherungsnehmers abzugeben."

Die Versicherungssumme aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag beträgt EUR 353.356,07.

Der Klagevertreter ersuchte den Beklagten, dessen Identität direkt nach dem Vorfall bekannt wurde, um Mitteilung, ob der Schadensfall durch eine Versicherung gedeckt sei. Die Mutter des damals minderjährigen Beklagten teilte dem Klagevertreter mit Schreiben vom 8. 11. 2001 mit, es bestehe bei der W***** Versicherungs AG in Salzburg zur konkret angegebenen Polizzennummer eine Haushaltsversicherung. Der Klagevertreter wandte sich an den Versicherer und erhielt am 25. 3. 2002 die Mitteilung, den Ansprüchen des Klägers werde für den Fall einer außergerichtlichen Einigung keine Einwendungen dem Grunde nach entgegengehalten, vielmehr mögen die Ansprüche konkretisiert werden. Die Schwere der vom Kläger erlittenen Verletzungen ließ bereits kurz nach dem Unfall auf Dauerfolgen schließen, was auch dem Versicherer bekannt war. Ohne Mitwirkung des Beklagten verzichtete der Versicherer mit Schreiben vom 27. 11. 2002 zunächst bis Ende 2003 auf den Verjährungseinwand und erklärte, gegen Schadenersatzansprüche des Klägers dem Grunde nach keine Einwendungen zu erheben, wobei er auf die Haftungsgrenze entsprechend der Versicherungssumme verwies. Am 17. 2. 2003 holte der Versicherer ein privates unfallchirurgisches Sachverständigengutachten über den Gesundheitszustand des Klägers ein, das schwerste Verletzungen bestätigte. Am 30. 6. 2003 teilte der Versicherer dem Klagevertreter mit, auf den Verjährungseinwand unbegrenzt zu verzichten, die Haftung sei jedoch mit der vertraglichen Versicherungssumme begrenzt. Er teilte dem Klagevertreter weiters mit, dass der Beklagte trotz mehrfacher Aufforderung des Versicherers bislang keine Verjährungsverzichtserklärung abgegeben habe. Am 2. 7. 2003 ersuchte der Klagevertreter den Versicherer um Vorlage einer schriftlichen Erklärung des Beklagten, wonach dieser den Forderungen des Klägers keine Verjährungseinrede entgegenhalte. Außerdem möge angesichts der aus dem Unfall resultierenden Dauerfolgen der Beklagte ein Haftungsanerkenntnis mit Wirkung eines Feststellungsurteiles abgeben. Mit Schreiben vom 29. 10. 2003 forderte der Klagevertreter den Versicherer neuerlich zur Abgabe eines Haftungsanerkenntnisses mit Wirkung eines Feststellungsurteils für die Dauerfolgen auf.

Der Haftpflichtversicherer leistete an den Kläger Zahlungen.

Am 31. 10. 2003 brachte der in den Niederlanden ansässige Kläger die Klage ein, in der er die Feststellung der Haftung des Beklagten für alle zukünftigen Schäden aus Anlass des Schiunfalls vom 7. 3. 2000 begehrt. Über Ersuchen des Beklagten sei die Schadensabwicklung über die Haushaltsversicherung vorgenommen worden. Es seien laufend Vergleichsgespräche geführt worden. Der Beklagte sei der mehrfachen außergerichtlichen Aufforderung, ein Haftungsanerkenntnis für zukünftige Unfallsfolgen abzugeben, nicht nachgekommen. Die W***** Versicherungs AG habe mit Wirksamkeit für den versicherten Beklagten die Haftung (gemeint wohl dem Grunde nach) anerkannt und sei mit dem Kläger in Vergleichsgespräche eingetreten.

Der Beklagte beantragt die Klagsabweisung, da der Anspruch des Klägers verjährt sei und andererseits der Kläger an der begehrten Feststellung kein rechtliches Interesse habe.

Im ersten Rechtsgang erörterte der Erstrichter mit den Parteien gleich zu Beginn die Frage der Verjährung des Klagsanspruches und wies dann die Klage auch wegen Verjährung ab. Das Berufungsgericht hob die Entscheidung mit Rechtskraftvorbehalt auf, weil die Schadenregulierungsverhandlungen mit dem Haftpflichtversicherer den Ablauf der Verjährung auch gegenüber dem Schädiger hemme. Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs zu 7 Ob 219/04p nicht Folge und sprach aus, dass der Beklagte den Kläger zur Regulierung der Ansprüche an den Haftpflichtversicherer verwiesen habe und dass die Vergleichsverhandlungen zwischen dem Geschädigten und dem Haftpflichtversicherer des Schädigers über den Schadensfall die Verjährungsfrist hinsichtlich aller Ansprüche gegenüber dem Schädiger, auch wenn sie über die Deckungssumme hinausgingen, hemmten.

Das Erstgericht wies nun im zweiten Rechtsgang das Klagebegehren neuerlich ab, diesmal mit der Begründung, dass sich der Kläger auf ein Anerkenntnis durch den Versicherer stütze, das auch den Beklagten binde. Der Versicherer dürfe zwar für den Versicherungsnehmer keine Lasten übernehmen, die letztlich dieser selbst zu tragen hätte, er sei aber sehr wohl berechtigt, auch formell im Rahmen des Versicherungsvertrags für den Versicherten eine Verpflichtung zu übernehmen, die nach dem Innenverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer tatsächlich vom Versicherer zu tragen seien. Der Versicherungsnehmer könne durch den Versicherer bloß nicht über die Versicherungssumme hinaus verpflichtet werden. Im vorliegenden Fall erreichten aber die zu erwartenden Ersatzansprüche ohnehin nicht die Höhe der Versicherungssumme, sodass das Anerkenntnis des Versicherers gegenüber dem Kläger also auch zu Lasten des Beklagten binde. Dadurch sei das Feststellungsbegehren nicht berechtigt, weil es am rechtlichen Interesse fehle, es habe doch der Versicherer zu Lasten des Beklagten die Haftung dem Grunde nach bereits anerkannt und könnte der Kläger nach Entstehen des Leistungsanspruches diesen gleich klagsweise in Anspruch nehmen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung Folge, und hob das angefochtene Urteil neuerlich auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Auffassung, dass für die Frage nach der Zulässigkeit einer Feststellungsklage bei gegebener Möglichkeit zur Erhebung einer Leistungsklage genau zu unterscheiden sei, ob das mögliche Leistungsbegehren alles bieten könne, was mit dem Feststellungsbegehren angestrebt werde. Die Feststellungsklage sei nur dann unzulässig, wenn durch den möglichen Leistungsanspruch der Feststellunganspruch voll erschöpft werde. Würde die Häufung (künftiger) Rechtsstreitigkeiten vermieden oder würden künftige Prozesse zufolge der die Vorfrage bindend klärenden Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteiles abgekürzt, dann schließe die Möglichkeit, einzelne von den aus dem Gegenstand der Feststellungsklage bildenden Rechtsverhältnis entspringende Ansprüche mit Leistungsklage geltend machen zu können, die Feststellungsklage nicht aus. Es sei daher von einem Feststellungsinteresse des Klägers auszugehen. Abschließend erledigte Streitpunkte könnten aber auch im Falle einer Aufhebung nach § 496 Abs 1 Z 3 ZPO im weiteren Verfahren nicht mehr aufgerollt werden. Dies gelte im Zusammenhang mit dem Feststellungsinteresse nicht nur für durch den Unfall eingetretene Dauerfolgen, sondern auch für die Frage der Bedeutung eines vom Versicherer abgegebenen Haftungsanerkenntnisses. Eine Änderung des Sachverhaltes habe sich nicht ergeben. Auch der Oberste Gerichtshof sei nicht von einem die Zulässigkeit der Feststellungsklage ausschließenden konstitutiven Anerkenntnis ausgegangen, was sonst bereits im ersten Rechtsgang zur Klagsabweisung hätte führen müssen. Im Übrigen liege aber kein konstitutives Anerkenntnis des Haftpflichtversicherers vor. Der Beklagte habe bestritten, dass der Versicherer ein Anerkenntnis abgegeben habe bzw dass dieses für ihn wirksam geworden sei. Im Hinblick auf die festgestellte Korrespondenz sei dokumentiert, dass weder der Kläger noch der Versicherer der Beklagten von einem konstitutiven Anerkenntnis ausgegangen seien, dessen Vorliegen überdies auch vom Beklagten bestritten werde. Das Erstgericht habe im Sinne des vorangegangenen Aufhebungsbeschlusses das Tatsachenvorbringen zum Unfallhergang mit den Parteien zu erörtern und nach Aufnahme der angebotenen Beweise aufgrund entsprechender Tatsachenfeststellungen neuerlich zu entscheiden.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil „den behandelnden Rechtsfragen die in § 501 ZPO genannte Bedeutung" zukomme.

Dagegen richtet sich der Rekurs des Beklagten mit dem Antrag, das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.

Der Kläger beantragt, den Rekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Das Erstgericht, an das die Rechtssache nach Aufhebung seiner Entscheidung zurückverwiesen wurde (§§ 499 Abs 2, 511 Abs 1 ZPO), ist an die rechtliche Beurteilung des Aufhebungsbeschlusses, nicht aber auch an etwa dort geäußerte Ansichten zur Beweiswürdigung oder an rechtliche Ausführungen, die für die Aufhebung nicht maßgebend waren, gebunden (2 Ob 159/98s, 1 Ob 179/99a, RIS-Justiz RS0042271).

Im ersten Rechtsgang schloss das Erstgericht gleich zu Beginn des Verfahrens unmittelbar nach der Erörterung der Frage der Verjährung des Klagsanspruches die Verhandlung und wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, dass der Klagsanspruch verjährt sei. Diese Rechtsansicht wurde vom Berufungsgericht nicht geteilt. Seine darüber hinausgehenden Ausführungen zur Frage des Feststellungsinteresses sind obiter dicta, die zwar für den weiteren Verfahrensgang als vorweg bekanntgegebene Rechtsansicht, die im weiteren Rechtsgang vertreten werden wird, hilfreich sein können, die aber deshalb, weil sie für die Aufhebung nicht maßgebend waren, das Erstgericht nicht binden. In der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes im ersten Rechtsgang zu 7 Ob 219/04p wurde zu der Frage des Feststellungsinteresses nicht Stellung genommen, da diese nicht Gegenstand der Aufhebung war.

Prüft man nun die Frage des Feststellungsinteresses, so ist zunächst grundsätzlich festzuhalten, dass ein mit Beschränkung auf die gesetzlichen Haftungshöchstbeträge abgegebenes Anerkenntnis dem Kläger keineswegs einen adäquaten Ersatz für sein dem Schädiger gegebenüber unbeschränktes Feststellungsbegehren bieten kann (vgl 2 Ob 157/00b). Eine Prognose über die zu erwartenden Schäden und ob diese die Versicherungssumme übersteigen könnten, ist dabei nicht von Belang.

Abgesehen davon wurde von den Vorinstanzen schon erkannt, dass der Haftpflichtversicherer trotz Art 8 Punkt 2 AHVB 1993, der nur zur Abgabe von ihm zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen des Versicherungsnehmers bevollmächtigt, dennoch nicht berechtigt ist, ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers bzw Versicherten zu seinen Lasten eine rechtsgeschäftliche Erklärung in der Form eines Vergleiches oder eines Anerkenntnisses abzugeben, die den Versicherten ohne entsprechende Leistungspflicht des Versicherers binden (3 Ob 484/60 = SZ 34/6, 1 Ob 158/74 = SZ 47/104; RIS-Justiz RS0032492; Lorenz in Heiß/Lorenz VersVG, § 149, Rz 54; vgl zur Rechtslage in der BRD Versicherungsrecht-Handbuch [Heß/Höke § 29 Rz 34 ff]). Die Regulierungsvollmacht des Versicherers bewirkt also im vorliegenden Fall wie bereits zu 7 Ob 219/04p dargelegt durch das Führen von Vergleichsgesprächen sehr wohl die Hemmung der Verjährungsfrist hinsichtlich aller Ansprüche auch über die Deckungssumme hinaus, sie geht aber nicht so weit, dass der Versicherer auch ohne ausdrückliche Zustimmung des Schädigers diesen dem Grunde und der Höhe nach unbeschränkt verpflichten könnte. Dies bedeutet, dass unabhängig davon, ob nun der Versicherer mit Wirkung für sich ein konstitutives oder deklaratorisches Anerkenntnis abgegeben hat, diese Erklärung des Versicherers jedenfalls den Beklagten nicht bindet. Das rechtliche Interesse des Klägers an der Feststellungsklage ist also zu bejahen. Das Erstgericht wird daher im fortzusetzenden Verfahren den Schadenersatzanspruch dem Grunde und der Höhe nach prüfen müssen.

Dem Rekurs war daher im Ergebnis ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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