OGH 8ObA80/04d

OGH8ObA80/04d8.9.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Krüger und Georg Eberl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Mohammed H*****, vertreten durch Dr. Christoph Wolf, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Stadtgemeinde H*****, vertreten durch Dr. Reinhold Kloiber und Dr. Ivo Burianek, Rechtsanwälte in Mödling, wegen EUR 26.279,52 sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14. Mai 2004, GZ 8 Ra 56/04w-31, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 5. Februar 2004, GZ 7 Cga 128/02k-26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger war bei der Beklagten mit einer kurzen Unterbrechung in der Zeit vom 4. 5. 1964 bis 31. 12. 2001 als Arzt beschäftigt. Seit 1. 4. 1975 bekleidete er die Funktion eines Oberarztes an der Chirurgischen Abteilung. Nach Inkrafttreten des niederösterreichischen Spitalsärztegesetzes 1992 (nö SÄG) setzten die Parteien den ursprünglichen Dienstvertrag des Klägers vom 25. 11. 1976 einvernehmlich außer Kraft und schlossen im Geltungsbereich des neuen Gesetzes mit Wirkung vom 1. 7. 1992 einen neuen Dienstvertrag ab.

Anlässlich der Beendigung des Dienstverhältnisses des Klägers infolge Pensionsantrittes mit 31. 12. 2001 zahlte die Beklagte dem Kläger eine Abfertigung in Höhe von ATS 666.816 aus. Der Berechnung dieser Abfertigung lag eine Bemessungsgrundlage von ATS 55.568 zugrunde, die sich aus dem Schemagehalt, der allgemeinen Dienstzulage sowie der Oberarztzulage zusammensetzte.

Mit seiner am 13. 9. 2002 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger, die Beklagte zur Zahlung eines zusätzlichen Abfertigungsbetrags von EUR 26.279,52 schuldig zu erkennen. Der Anspruch des Klägers auf gesetzmäßige Abfertigung sei dadurch verkürzt worden, dass bei der Berechnung zahllose Zulagen des § 19 Abs 1 nö SÄG unberücksichtigt geblieben seien. In die Bemessungsgrundlage seien die in § 19 Abs 1 nö SÄG aufgelisteten Zulagen einzubeziehen, nämlich die Mehrleistungsentschädigung (Z 4), die Turnusdienstzulage (Z 5), die Gefahrenzulage (Z 7), die durchschnittliche Sonn- und Feiertagszulage des Jahres 2001 (Z 9), die durchschnittliche Erschwerniszulage für Nachtdienste im Jahr 2001 (Z 8), sowie die durchschnittlichen Ärztehonorare von privaten Versicherungsunternehmen und sogenannten „kleinen Versicherungsanstalten" des Jahres 2001 im Gesamtbetrag von EUR 2.189,96. Die bereits geleistete Abfertigungszahlung sei somit um das 12fache dieses Betrages zu ergänzen.

Die Beklagte wendete ein, die Bestimmung des § 19 nö SÄG komme als Grundlage für die Berechnung der Abfertigung nicht in Frage. Der Abfertigungsanspruch richte sich vielmehr nach § 40 nö Gemeinde-Vertragsbedienstetengesetz 1976 (nö GVBG). Demnach seien ausschließlich die in § 7 Abs 2 nö GVBG taxativ aufgezählten Zulagen für die Berechnung des Abfertigungsanspruchs maßgebend.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. § 30 nö SÄG verweise bezüglich der Abfertigung auf die Bestimmung des § 40 nö GVBG. Der in Abs 4 zur letztgenannten Bestimmung bezeichnete Monatsbezug werde in § 7 Abs 2 nö GVBG geregelt; er bestehe aus dem Monatsentgelt und den in einem Klammerausdruck taxativ aufgezählten Zulagen. Demnach seien die Dienstzulage und die Personalzulage bei der Berechnung des Abfertigungsanspruches des Kläger zu beachten gewesen. § 20 nö GVBG regle unter Verweis auf die Gemeindebeamtengehaltsordnung sowohl die Dienstzulage als auch die Personalzulage näher, danach sei als Dienstzulage die allgemeine Dienstzulage und als Personalzulage die Oberarztzulage in die Ermittlung der Abfertigung einzubeziehen. Die Berücksichtigung aller anderen, vom Kläger nun begehrten, Zulagen scheide aus.

Das Gericht zweiter Instanz gab der dagegen erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Auf das Dienstverhältnis des Klägers sei unstrittig das nö SÄG anzuwenden. Gemäß § 30 Abs 1 dieses Gesetzes erhalte der Arzt nach Beendigung des unbefristeten Beschäftigungsverhältnisses eine Abfertigung im Sinne der Bestimmung des § 40 Abs 4 nö GVBG. Diese Gesetzesstelle stelle auf das je nach Dauer des Dienstverhältnisses gestaffelte Mehrfache des gebührenden Monatsbezuges ab. Der Begriff des „Monatsbezuges" sei dem nö SÄG fremd. Er finde sich in § 7 Abs 2 nö GVBG als „Monatsentgelt" und allfällige - in der Folge taxativ aufgezählte - Zulagen definiert. Die vom Kläger bezogene Mehrleistungsentschädigung, die Turnusdienstzulage, Gefahrenzulage, die durchschnittliche Sonn- und Feiertagszulage, die durchschnittliche Erschwerniszulage für Nachtdienste sowie die durchschnittlichen Honorare fänden in dieser taxativen Aufzählung keine Berücksichtigung. Es könne dem Landesgesetzgeber nicht unterstellt werden, dass er ohne dies ausdrücklich zu regeln für die Berechnung der Abfertigung das Entgelt gemäß § 19 nö SÄG habe heranziehen wollen, hätte ein derartiger Wille doch durch eine ergänzende Bestimmung in § 30 Abs 1 nö SÄG leicht zum Ausdruck gebracht werden können. Im Hinblick auf die dem Land Niederösterreich im Rahmen seiner gesetzgeberischen Kompetenzen eingeräumten Befugnisse bestünden keine sachlichen Bedenken dagegen, dass bei Berechnung der Abfertigung von Spitalsärzten nicht sämtliche Zulagen einbezogen werden.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision des Klägers ist zulässig und im Sinne einer von dem allein gestellten Abänderungsantrag umfassten (RIS-Justiz RS0041774) Aufhebung auch berechtigt.

Gemäß § 30 Abs 1 nö SÄG in der hier noch anzuwendenden Stammfassung (vor der mit 1. 1. 2003 ua hinsichtlich dieser Bestimmung in Kraft getretenen 6. Novelle) erhält der Arzt nach Beendigung des unbefristeten Beschäftigungsverhältnisses eine Abfertigung im Sinne der Bestimmungen des § 40 Abs 4 des nö Gemeinde-Vertragsbedienstetengesetzes 1976, LGBl 2420. Gemäß § 40 Abs 4 nö GVBG in der hier anzuwendenden Fassung der seit 1. 7. 1993 in Kraft gestandenen 27. Novelle beträgt die Abfertigung unter anderem nach einer Dauer des Dienstverhältnisses von 25 Jahren das 12fache des dem Vertragsbediensteten für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden Monatsbezuges. Wie bereits das Berufungsgericht grundsätzlich zutreffend dargestellt hat, definiert das nö GVBG in seinem § 7 die Bezüge. Gemäß Abs 1 gebühren dem Vertragsbediensteten Monatsbezüge. Gemäß Abs 2 besteht der Monatsbezug aus dem Monatsentgelt und allfälligen Zulagen (Dienstzulage, Personalzulage, Zulagen der Vertragsbediensteten an Gemeindekrankenanstalten gemäß § 21 der nö Gemeindebeamtengehaltsordnung 1976, Ausgleichszulage im Fall einer Überstellung in eine andere Entlohnungsgruppe [§ 13], Verwendungszulage, Höchststufenzulage, Kinderzulage und Teuerungszulagen).

Der Oberste Gerichtshof hat in seinen Entscheidungen 9 ObA 366/93 und 9 ObA 150/94 (= ArbSlg 11.262) ausgesprochen, dass der Monatsbezug des Vertragsbediensteten gemäß § 7 nö GVBG aus dem Monatsentgelt und den taxativ aufgezählten Zulagen bestehe. Da § 40 Abs 4 nö GVBG die Abfertigung ausdrücklich mit einem Vielfachen des in der vorgenannten Gesetzesstelle definierten Monatsbezugs bemesse, seien die übrigen Bezüge wie etwa Sonderzahlungen oder Sonderhonorare für die Ermittlung der Abfertigung auszuscheiden. Beide Urteile hatten allerdings Forderungen von Vertragsbediensteten (Röntgenassistentin bzw Heilmasseurin) zum Gegenstand, auf die die Bestimmungen des nö GVBG unmittelbar anzuwenden waren.

Dem gegenüber ist festzuhalten, dass § 30 Abs 1 nö SÄG in der hier anzuwendenden Fassung die Abfertigung „im Sinne der Bestimmungen des § 40 Abs 4" nö GVBG berechnet wissen will. Die Anordnung bloß sinngemäßer Anwendung der für die Berechnung der Abfertigung heranzuziehenden Bestimmungen des nö GVBG schließt es aber - wie der Kläger zutreffend darstellt - aus, lediglich das für Gemeindevertragsbedienstete geltende Zulagensystem zugrunde zu legen, ohne die sich aus dem nö SÄG ergebenden Besonderheiten zu berücksichtigen. Diese Rechtsauffassung wird maßgeblich durch die Bestimmung des § 1 Abs 3 Z 2 nö GVBG gestützt, wonach die Bestimmungen dieses Gesetzes unter anderem dann nicht auf die in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zu einer Gemeinde stehenden Personen (Vertragsbedienstete) anzuwenden sind, wenn für diese besondere dienstrechtliche Vorschriften bestehen. § 19 nö SÄG stellt jedenfalls hinsichtlich der dort geregelten Zulagen, zu deren Abgrenzung zu sonstigen Leistungen in der Folge noch Stellung zu nehmen sein wird, eine derartige besondere dienstrechtliche Vorschrift dar.

Dagegen spricht auch nicht die vom Berufungsgericht zitierte Entscheidung 9 ObA 275/01h: Dort war ua die restliche Urlaubsentschädigung eines Arztes Urteilsgegenstand und wurde ausgehend von der insoweit einschlägigen Verweisungsnorm des § 40 Abs 2 nö SÄG und der Nennung des Monatsbezugs in § 33a Abs 2 nö GVBG als Berechnungsgröße für die Urlaubsentschädigung auf die Definition des § 7 Abs 2 nö GVBG erwiesen. Der erkennende Senat kam zu dem Schluss, dass die begehrte Einbeziehung von Überstundenentgelten in die Berechnungsgrundlage unter die in der letztgenannten Gesetzesstelle bezeichneten Bezugsteile „Monatsentgelt" und „allfällige Zulagen" nicht subsumiert werden könne, weil Überstundenentgelte nicht in der Bestimmung des § 10 nö GVBG über das „Monatsentgelt" geregelt werden. Aus diesem Erkenntnis ist somit im Ergebnis für den Standpunkt der Beklagten nichts zu gewinnen, allerdings kann es insofern für die hier vorzunehmende Beurteilung fruchtbar gemacht werden, als klar ausgesagt ist, dass der Begriff des „Monatsentgelts" streng nach der gesetzlichen Definition und keinesfalls ausdehnend auszulegen ist. Dieser Gedanke ergibt sich auch aus den bereits zitierten Entscheidungen 9 ObA 366/93 und 9 ObA 150/94, wonach zum „Monatsbezug" weder Sonderzahlungen noch Sonderhonorare zählen.

Gemäß dem mit „Entgeltanspruch" übertitelten § 14 nö SÄG hat der Arzt gegenüber dem Träger der Krankenanstalt Anspruch auf ein Entgelt und sonstige Leistungen nach den folgenden Bestimmungen sofern nicht ein anderer Träger zur Leistung verpflichtet ist (Abs 1). Der Anspruch auf das Monatsentgelt basiert auf einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden in mehrwöchentlichem Durchschnitt unbeschadet § 20 Abs 1 letzter Satz (Abs 2). Für die Berechnung des Monatsentgelts gemäß Abs 2 findet die im Folgenden dargestellte Gehaltstabelle Anwendung (Abs 3). Gleich § 10 nö GVBG ist das Monatsentgelt im nö SÄG klar definiert und daher ausschließlich nach der Definition dieses Gesetzes bei Ermittlung des für die Errechnung des Monatsbezugs relevanten Monatsentgelts zugrundezulegen.

§ 19 Abs 1 Z 1 nö SÄG nennt das Monatsentgelt samt allfälligen Teuerungszulagen als Teil des Entgeltes eines Oberarztes. In den folgenden Ziffern werden jedoch nicht nur Zulagen, sondern auch Mehrdienstleistungsentschädigungen (Z 4 und Z 10) sowie der vom Leiter der Abteilung bestimmte angemessene Anteil der ärztlichen Honorare (Z 6) als weiterer Teil des Entgelts genannt. Diese Entgeltbestandteile in die Berechnungsgrundlage der Abfertigung einzubeziehen würde weit über den Sinngehalt des § 7 Abs 2 nö GVBG hinausgehen, wie dies nicht zuletzt auch den bereits mehrfach zitierten Entscheidungen des erkennenden Senats zu entnehmen ist. Eine Zulage wird dadurch gekennzeichnet, dass sie von der Norm abweichenden Besonderheiten des Dienstes Rechnung trägt (9 ObA 61/03s mwH). Dieser Definition entspricht die Vergütung für Mehrdienstleistungen nicht und wird daher zu dem § 7 Abs 2 nö GVBG vergleichbaren § 8a Abs 1 VBG judiziert, dass es sich bei derartigen Entschädigungen weder um Monatsentgelt noch um Zulagen, sondern um Nebengebühren handelt (9 ObA 164/89; 8 ObA 188/02h). Auch der vom Leiter der Abteilung bestimmte Anteil an ärztlichen Honoraren kann selbst bei weitherzigster Auslegung nicht dem Begriff der Zulage zugeordnet werden, ist aber schon nach der bereits dargestellten gesetzlichen Definition auch nicht Monatsentgelt (vgl RIS-Justiz RS0081487), sondern stellt eine sonstige Entlohnung dar, die nach der gesetzlichen Anordnung des nö SÄG und des nö GVBG nicht in die Berechnungsgrundlage der Abfertigung einzubeziehen ist.

Das Ergebnis dieser Überlegungen ist daher dahin zusammenzufassen, dass die Abfertigung des im unbefristeten Beschäftigungsverhältnis stehenden Arztes auf Grund der in § 30 Abs 1 nö SÄG angeordneten sinngemäßen Anwendung der §§ 40 Abs 4 und 7 Abs 2 nö GVBG dergestalt zu berechnen ist, dass dem Monatsentgelt jene Entgeltbestandteile des § 19 Abs 1 nö SÄG zuzurechnen sind, die ihrem Wesen nach als Zulagen zu betrachten sind. Da das Erstgericht über die Höhe der dem Kläger nach dieser Gesetzesstelle zustehenden Zulagen - ausgenommen die allgemeine Dienstzulage und die Oberarztzulage - bislang keine Feststellungen getroffen hat, sind die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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