OGH 9ObA150/94

OGH9ObA150/9428.9.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Barbara Hopf und Helmuth Prenner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Bettina M*****, Angestellte, *****vertreten durch Dr.Helmut Malek, Rechtsanwalt in Krems, wider die beklagte Partei Stadtgemeinde K*****, *****vertreten durch Dr.Peter Fiegl ua, Rechtsanwälte in Krems, wegen S 26.769,66 brutto sA, infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8. April 1994, GZ 34 Ra 142/93-17, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Krems/Donau vom 11. August 1993, GZ 7 Cga 2/93v-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Hingegen wird der Revision der beklagten Partei Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie unter Einschluß des bestätigten Teils insgesamt zu lauten haben:

Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei S 26.769,66 brutto zuzüglich 14,25 % Zinsen seit 19. Dezember 1992 zu zahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 10.574,16 (darin S 1.762,36 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit S 4.529,28 (darin S 754,88 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 7.892,16 (darin S 1.015,36 Umsatzsteuer und S 1.800,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war bei der beklagten Partei seit 1.8.1981 als Vertragsbedienstete (Heilmasseurin) beschäftigt. Ihre Einstufung erfolgte in die Besoldungsgruppe II, Entlohnungsgruppe 4 des NÖ GVBG (qualifizierter Hilfsdienst; angelernte Arbeiterin). Gemäß ihrem Dienstvertrag erhielt sie "außerdem" ein anteiliges Honorar für Massagetätigkeiten. Nach Ablauf der Mutterschutzfrist und des Karenzurlaubs beendete sie ihr Dienstverhältnis durch Kündigung zum 22.9.1992. Die beklagte Partei gewährte ihr eine nach dem Grundbezug, der Verwaltungsdienstzulage und der Haushaltszulage ermittelte Abfertigung.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin den Klagebetrag als Abfertigungsdifferenz. Die beklagte Partei hätte im Sinne des umfassenden Entgeltbegriffes des AngG auch noch die Sonderzahlungen und die als Erschwerniszulage bezeichnete Zulage für die Massagetätigkeit in die Bemessungsgrundlage für die Abfertigung einbeziehen müssen.

Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Gemäß § 40 NÖ GVBG stehe einem Vertragsbediensteten ein Vielfaches des letzen Monatsbezuges an Abfertigung zu. Der Monatsbezug umfasse aber nur das Monatsentgelt und allfällige Zulagen. Gemäß § 7 Abs 2 und 3 NÖ GVBG seien weder die Sonderzahlungen noch die im Gesetz nicht aufgezählten Zulagen Bestandteil des Monatsbezugs.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit S 20.474,16 brutto sA statt und wies das Mehrbegehren von S 6.295,50 brutto sA ab. Während der Durchschnitt der Massagehonorare noch als Bestandteil des Monatsentgelts anzusehen sei, stünden die Sonderzahlungen gemäß § 7 Abs 3 NÖ GVBG nur außer dem Monatsbezug zu, so daß sie in den Monatsbezug selbst nicht einzubeziehen seien.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts hinsichtlich der Nichteinbeziehung der Sonderzahlungen in die Abfertigung und führte zu den Massagehonoraren ergänzend aus, daß diese der Klägerin unstrittig als Erschwerniszulage ausgezahlt worden seien. Eine solche Zulage sei in § 7 Abs 2 NÖ GVBG zwar nicht genannt, doch sei die Zulagenaufzählung nur demonstrativ. Die Erschwerniszulage sei daher Teil des Monatsbezugs und sohin der Ermittlung der Abfertigung zugrunde zu legen.

Gegen dieses Urteil richten sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobenen Revisionen beider Parteien. Die Klägerin beantragt die Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahin, daß dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde. Die beklagte Partei begehrt dessen gänzliche Abweisung.

In ihren Revisionsbeantwortungen stellen die Parteien jeweils den Antrag, der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Lediglich die Revision der beklagten Partei ist berechtigt.

Das Bundesland Niederösterreich hat die den Ländern gemäß Art 21 Abs 1 B-VG, idF B-VG Nov 1974, BGBl 444 zukommende Regelungskompetenz für Dienstnehmer, die in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zu einer Gemeinde stehen, mit dem niederösterreichischen Gemeindevertragsbedienstetengesetz 1976 (GVBG) wahrgenommen. In dem durch Art 21 Abs 2 B-VG vorgegebenen Rahmen (Regelungen über die Begründung und Aufhebung des Dienstverhältnisses sowie die sich daraus ergebenden Rechte) ist eine Bundeskompetenz nicht mehr gegeben, auch wenn die Bediensteten in Betrieben beschäftigt sind (vgl. Martinek/M.Schwarz/W.Schwarz, AngG7 115 ff mwH). Bestehen gleichartige (im Sinne von entsprechenden) landesgesetzliche Bestimmungen, so verdrängen diese die bundesgesetzliche Regelung (Schrammel, Das Sonderarbeitsrecht der Gebietskörperschaften auf dem Prüfstand, ZAS 1988, 187 ff; Spielbüchler in FS Strasser [1983], Vertragsrecht, Arbeitsvertragsrecht und Vertragsbedienstetenrecht, 341 ff, 388; 9 ObA 517/88; 9 ObA 518/88; 9 ObA 519/88; 9 ObA 521/88; 9 ObA 93/93 ua).

Das NÖ GVBG enthält im dem § 35 VBG 1948 nachgebildeten (Art 21 Abs 1 Satz 2 B-VG) § 40 eine abschließende Abfertigungsregelung; es bestehen daher der bundesgesetzlichen Regelung entsprechende Bestimmungen auf Landesebene. Daraus folgt, daß hinsichtlich der Abfertigung der Klägerin ex lege nicht das AngG (iVm § 2 Abs 1 ArbAbfG) beziehungsweise das Arbeiter-Abfertigungsgesetz (§ 1 Abs 2 Z 2) anzuwenden ist, sondern ausschließlich § 40 NÖ GVBG. Dem auch im Revisionsverfahren wiederholten Einwand der Klägerin, der Abfertigungsregelung des NÖ GVBG sei der umfassende Entgeltbegriff des § 23 Abs 1 AngG zu unterstellen, ist entgegenzuhalten, daß § 7 NÖ GVBG (ebenso § 17) zwischen dem Monatsbezug, dem Monatsentgelt und den Sonderzahlungen unterscheidet. Diese Unterscheidung entspricht der inhaltsähnlichen Regelung der §§ 8 a und 19 VBG 1948. Gemäß § 7 NÖ GVBG gebühren dem Vertragsbediensteten Monatsbezüge. Der Monatsbezug besteht aus dem Monatsentgelt, das für die Besoldungsgruppe II in den §§ 11 und 12 NÖ GVBG definiert ist, und den taxativ aufgezählten Zulagen. "Außer" dem Monatsbezug erhält der Vertragsbedienstete für jedes Kalendervierteljahr noch eine Sonderzahlung in Höhe von 50% des Monatsentgelts. Der Monatsbezug wird im NÖ GVBG (wie der des Monatsentgelts in § 8 a VBG 1948) demnach nicht wie sonst im Arbeitsrecht üblich als Oberbegriff, der alle Entlohnungen umfaßt, verwendet, sondern dieser genau abgegrenzte Hauptbezug des Vertragsbediensteten wird lediglich den übrigen Entgeltbestandteilen beigeordnet. Nach § 40 Abs 4 NÖ GVBG ist die Abfertigung aber ausdrücklich mit einem Vielfachen des dem Vertragsbediensteten für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden (im § 7 Abs 2 umschriebenen) Monatsbezugs zu bemessen. Aus dieser Unterscheidung ergibt sich eindeutig, daß die übrigen "Bezüge" (vgl die Überschrift zu § 7 NÖ GVBG) hiebei nicht zu berücksichtigen sind. Insoweit bilden die Sonderzahlungen zwar auch "Bezüge", sie fallen aber nicht unter den Begriff des "Monatsbezugs", so daß die Sonderzahlungen und die nicht im § 7 Abs 2 NÖ GVBG aufgezählten Zulagen sowie "außerdem" gewährte Sonderhonorare per definitionem für die Ermittlung der Abfertigung ausscheiden (vgl Arb 6.139, 8.970; für das NÖ GVBG bereits 9 ObA 366/93). Die ihr nach § 40 iVm § 7 Abs 2 NÖ GVBG zustehende Abfertigung hat die Klägerin unbestritten bereits erhalten. Ein darüber hinausgehender Anspruch steht ihr nicht zu.

Der Ansicht der Klägerin, die Abfertigungsregelung des § 40 NÖ GVBG widerspreche dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz, kann nicht beigepflichtet werden, da es nicht nur auf einen punktuellen und isolierten Vergleich der entsprechenden Bestimmungen ankommt. Sachlich gerechtfertigte Differenzierungen sind zulässig, soweit sie im Sachzusammenhang mit anderen Regelungen aufgewogen werden; dies ist etwa in den wiederum die Vertragsbediensteten begünstigenden Bestimmungen der §§ 26, 37 und 40 Abs 3 NÖ GVBG der Fall. Die Vertragsbediensteten erhalten zwar weniger Abfertigung, haben aber bereits nach einem Jahr Kündigungsschutz. Fragen des Art 21 Abs 1 letzter Satz B-VG sind nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO begründet.

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