OGH 9ObA366/93

OGH9ObA366/9323.2.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Heinrich Matzke und Mag.Wilhelm Patzold als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Elfriede S*****, Pensionistin,***** vertreten durch Dr.Vera Kremslehner, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Stadtgemeinde Stockerau, Rathaus, 2000 Stockerau, vertreten durch Dr.Erich Hermann, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 87.864 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10.September 1993, GZ 32 Ra 119/93-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 15.März 1993, GZ 17 Cga 99/92-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Parei die mit S 5.433,60 (darin S 905,60 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war seit 3.5.1976 im Allgemeinen Öffentlichen Krankenhaus der beklagten Partei als Röntgenassistentin beschäftigt. Nach ihrem Dienstvertrag sollten auf das Dienstverhältnis die Bestimmungen des niederösterreichischen Gemeindevertragsbedienstetengesetzes (GVBG) Anwendung finden. Aus Anlaß ihrer Pensionierung wurde das Dienstverhältnis am 31.8.1992 einvernehmlich aufgelöst. Die beklagte Partei zahlte ihr eine Abfertigung von S 160.656.

Mit der vorliegenden Klage begehrt sie eine restliche Abfertigung von S 87.864 s.A. Ihr stehe insgesamt eine Abfertigung in Höhe von S

248.520 zu. Gemäß § 23 Abs 1 AngG seien der Bemessung der Abfertigung alle ihr im letzten Monat des Dienstverhältnisses zugestandenen Entgelte einschließlich der Sonderzahlungen und der Zulagen für Nachtdienste, Sonn- und Feiertagsdienste sowie für Überstunden zugrunde zu legen. Die Weitergeltung des Angestelltengesetzes für das Dienstverhältnis der Klägerin ergebe sich gemäß Art XI Abs 2 des B-VG vom 10.7.1974, BGBl 1974/444 daraus, daß die Bundesländer dem Angestelltengesetz gleichartige Bestimmungen nicht erlassen hätten. Selbst wenn die Abfertigung gemäß § 40 NÖ GVBG zu ermitteln gewesen wäre, hätten neben dem Monatsentgelt die Sonderzahlungen und sämtliche Zulagen berücksichtigt werden müssen.

Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Die Klägerin sei Vertragsbedienstete gewesen, so daß auf ihr Dienstverhältnis die Bestimmungen des NÖ GVBG 1976 anzuwenden gewesen seien. Die Bemessung der Abfertigung sei gemäß § 40 iVm § 7 Abs 2 des NÖ GVBG 1976 nach dem Monatsbezug erfolgt, so daß keine Einbeziehung der Sonderzahlungen und bestimmter Zulagen erfolgen habe können.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Da die Parteien die Anwendung des NÖ GVBG im Dienstvertrag vereinbart hätten, liege ein privatrechtliches Dienstverhältnis vor, für das der Inhalt des Dienstvertrages maßgeblich sei. Diese Vereinbarung schließe eine subsidiäre Anwendung des AngG, das die Parteien eben nicht angewendet haben wollten, aus. Gemäß § 40 Abs 4 NÖ GVBG seien aber für die Bemessung der Abfertigung nur der Monatsbezug und bestimmte Zulagen heranzuziehen. Die Sonderzahlungen und die übrigen Zulagen seien in dieser Gesetzesstelle nicht angeführt. Da die Klägerin eine auf diese Weise ermittelte Abfertigung erhalten habe, stehe ihr kein weiterer Anspruch mehr zu.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Durch die Bundesverfassungsgesetznovelle vom 10.7.1974, BGBl 1974/444 sei den Ländern die Gesetzgebungsbefugnis in den Angelegenheiten des Dienstrechts der Länder und der Gemeinden eingeräumt worden. Bundesgesetzliche Vorschriften seien nur solange weiter in Geltung gestanden, bis die Länder gleichartige Bestimmungen erlassen hätten. Es sei dabei kein Günstigkeitsvergleich zwischen bundesgesetzlichen und landesgesetzlichen Bestimmungen anzustellen, sondern lediglich die Kongruenz der Materien zu prüfen. Bestehe eine solche Kongruenz verdränge das Landesrecht das Bundesrecht.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens abzuändern.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Auch in ihrer Revision beharrt die Klägerin unter Berufung auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichtes Graz (Arb 10.685) darauf, daß auf ihr Dienstverhältnis nach wie vor das Angestelltengesetz anzuwenden sei, weil die "niederösterreichische Landesregierung" bis heute keine dem Angestelltengesetz gleichartigen Bestimmungen für die Vertragsbediensteten der Gemeinden erlassen habe. Mit diesen Ausführungen übersieht die Revisionswerberin, daß sich die zitierte Entscheidung auf ein Dienstverhältnis in einer Kärntner Landeskrankenanstalt bezogen hat, das am 31.5.1986 endete. Das Land Kärnten machte aber erst mit dem am 1.7.1987 in Wirksamkeit getretenen Gesetz über das Dienstrecht der Vertragsbediensteten des Landes Kärnten, LGBl 1988/19 von seiner Gesetzgebungskompetenz nach Art 21 B-VG Gebrauch, so daß bis zum Ablauf des 30.6.1987 auf diese Dienstverhältnisse noch das Angestelltengesetz anzuwenden war (vgl die ähnliche Rechtslage im Bundesland Steiermark bis zur Erlassung der Stmk LVBG-Nov 1984, LGBl 34). Mit diesen und den weiteren Ausführungen, daß bundes- und landesgesetzliche Bestimmungen "deckungsgleich" sein müßten, widrigenfalls (entgegen § 1 Abs 2 Z 3 ArbVG) ein Günstigkeitsvergleich im Sinne des § 3 Abs 2 ArbVG dahin anzustellen sei, welche Regelung für die Ansprüche des Dienstnehmers günstiger sei, verkennt die Revisionswerberin die seit dem Bundesverfassungsgesetz vom 10.7.1974, BGBl 1974/444 gegebene Rechtslage.

Die Regelung von privatrechtlichen Dienstverhältnissen in einem vom Land oder einer Gemeinde betriebenen Unternehmung durch das AngG entsprach der Verfassungsrechtslage vor dem Inkrafttreten der B-VG Nov 1974, BGBl 444. Seither obliegt den Ländern gemäß Art 21 Abs 1 B-VG die Gesetzgebung und Vollziehung in den Angelegenheiten des Dienstrechts der Bediensteten der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbänden. Gemäß Art 21 Abs 2 B-VG dürfen in dem nach Abs 1 auf dem Gebiet des Dienstvertragsrechtes ergehenden Landesgesetzen nur Regelungen über die Begründung und Aufhebung des Dienstverhältnisses sowie die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten getroffen werden. In diesem Rahmen ist eine Bundeskompetenz nicht mehr gegeben, auch wenn die Bediensteten in Betrieben beschäftigt sind (vgl Martinek-M.Schwarz-W.Schwarz, AnG7 115 ff mwH). Art XI Abs 2 der B-VG Nov 1974 sieht allerdings vor, daß im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle (1.1.1975) bestehende bundesgesetzliche Vorschriften in Angelegenheiten, die nunmehr in die Zuständigkeit der Länder fallen, solange als Bundesgesetze in Kraft bleiben, bis die Länder gleichartige Bestimmungen erlassen haben (ebenso Art III B-VG Nov 1981/350; dazu 9 ObA 90/87). Eine besondere Regelungsdichte ist dafür nicht erforderlich (vgl Spielbüchler, Vertragsrecht, Arbeitsvertragsrecht und Vertragsbedienstetenrecht in FS Strasser (1993), 341 ff, 374 ff, 380). Bei dieser Ersatzgesetzgebung haben die Länder den in diesem Zeitpunkt bestehenden Rechtszustand ("gleichartige Bestimmungen") zu berücksichtigen (RV 182 BlgNR XIII.GP 13; vgl auch Spielbüchler in JBl 1994, 60 f). Bestehen daher gleichartige (im Sinne von "entsprechenden") landesgesetzliche Bestimmungen so verdrängen diese die bundesgesetzliche Regelung (Schrammel, Das Sonderarbeitsrecht der Gebietskörperschaften auf dem Prüfstand, ZAS 1988, 187 ff, 195; Spielbüchler aaO, 388; 9 ObA 517/88; 9 ObA 518/88; 9 ObA 519/88; 9 ObA 521/88; 9 ObA 93/93 ua).

Das Bundesland Niederösterreich hat diese Regelungskompetenz für Dienstnehmer, die in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zu einer Gemeinde stehen, mit dem niederösterreichischen Gemeindevertragsbedienstetengesetz 1976 (GVBG) wahrgenommen. Ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes dürfen in seinem Geltungsbereich Dienstverträge nach anderen Bestimmungen nicht mehr abgeschlossen werden; bestehende Dienstverhältnisse sind durch Abschluß eines schriftlich auszufertigenden Vertrages zu erneuern (§§ 48 f GVBG). Das NÖ GVBG enthält in dem § 35 VBG 1948 nachgebildeten (Art 21 Abs 1 Satz 2 B-VG) § 40 eine abschließende Abfertigungsregelung; es bestehen daher der bundesgesetzlichen Regelung entsprechende Bestimmungen auf Landesebene. Abgesehen davon, daß eine subsidiäre Bundeskompetenz zur Regelung von Dienstrechten für den Fall, daß die Länder keine zureichende Regelung festsetzen, in Art 21 B-VG nicht vorgesehen ist (vgl Spielbüchler FS Strasser [1993] 381 f), stellt sich im vorliegenden Fall die Frage der Bedeutung einer negativen oder lückenhaften Regelung sohin nicht (vgl Spielbüchler aaO, 388 f).

Daraus folgt, daß auf das Dienstverhältnis der Klägerin ex lege nicht das Angestelltengesetz, sondern das NÖ GVBG anzuwenden ist. Dem auch im Revisionsverfahren aufrecht erhaltenen Einwand der Klägerin, der Abfertigungsregelung des § 40 NÖ GVBG sei ein umfassender Entgeltbegriff zu unterstellen, ist entgegenzuhalten, daß § 7 NÖ GVBG (ebenso § 17) zwischen dem Monatsbezug, dem Monatsentgelt und den Sonderzahlungen unterscheidet. Diese Unterscheidung entspricht der inhaltsähnlichen Regelung der §§ 8 a und 19 VBG 1948. Gemäß § 7 NÖ GVBG gebühren dem Vertragsbediensteten Monatsbezüge. Der Monatsbezug besteht aus dem Monatsentgelt und den taxativ aufgezählten Zulagen. "Außer" dem Monatsbezug erhält der Vertragsbedienstete für jedes Kalendervierteljahr noch eine Sonderzahlung in Höhe von 50 % des Monatsentgelts. Der Begriff des Monatsbezugs wird im NÖ GVBG (wie der des Monatsentgelts in § 8 a VBG 1948) nicht wie sonst im Arbeitsrecht als Oberbegriff, der alle Entlohnungen umfaßt, verwendet, sondern dieser Hauptbezug des Vertragsbediensteten wird den übrigen Entgeltbestandteilen nur beigeordnet. Nach § 40 Abs 4 NÖ GVBG ist die Abfertigung aber ausdrücklich mit einem Vielfachen des dem Vertragsbediensteten für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden (im § 7 Abs 2 definierten) Monatsbezugs zu bemessen. Aus dieser Unterscheidung ergibt sich eindeutig, daß die übrigen "Bezüge" (vgl die Überschrift zu § 7 NÖ GVBG) hiebei nicht zu berücksichtigen sind. Insoweit bilden die Sonderzahlungen zwar auch "Bezüge", sie fallen aber nicht unter den Begriff des "Monatsbezugs", so daß die Sonderzahlungen und die nicht im § 7 Abs 2 NÖ GVBG aufgezählten Zulagen für die Ermittlung der Abfertigung ausscheiden (vgl Arb 6.139, 8.970 ua). Die ihr nach § 40 iVm § 7 Abs 2 NÖ GVBG zustehende Abfertigung hat die Klägerin aber unbestritten bereits erhalten. Ein darüber hinausgehender Anspruch steht ihr nicht zu.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

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